VwGH Ro 2015/15/0012

VwGHRo 2015/15/001223.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Mag. W S in L, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1030 Wien, Am Heumarkt 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. Dezember 2014, Zl. RV/5100901/2012, betreffend Einkommensteuer 2004 bis 2008, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §21 Abs1
BAO §24 Abs1
BAO §24 Abs1 litd
EStG 1988 §2 Abs1
EStG 1988 §27

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2015150012.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber gab mit Berichtigungserklärung und Selbstanzeige am 7. Jänner 2011 dem Finanzamt bekannt, sein im Jahr 2000 verstorbener Vater habe im Jahr 1983 eine liechtensteinische Stiftung gegründet. Das Vermögen dieser Stiftung habe im Jahr 2000 einen Wert von etwa 10 Mio € betragen. 80% hievon seien auf den Revisionswerber übergegangen. Im Jahr 2004 sei von der Stiftung ein Betrag von rund 6 Mio € auf drei Lebensversicherungen (zu je ca. 2 Mio €) übertragen worden. Der Revisionswerber sei als versicherte Person vorgesehen. Bei den Versicherungsverträgen handle es sich um fondsgebundene Lebensversicherungen, bei denen der Revisionswerber sowohl als Versicherungsnehmer als auch als Begünstigter anzusehen sei. Diese Versicherungsverträge seien mit inländischen Versicherungsprodukten vergleichbar. Das wirtschaftliche Eigentum an den Wertpapieren des Deckungsstockes sei der liechtensteinischen X Versicherung AG zuzurechnen.

2 Mit Bescheiden vom 11. April 2012 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2004 bis 2008 fest. Begründend führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, bei ausländischen Lebensversicherungsprodukten, bei denen der Versicherungsnehmer einen „gewissen Einfluss“ auf die Veranlagung der im Deckungsstock befindlichen Wertpapiere behalte, stelle sich die Frage, ob ertragsteuerlich diese Wertpapiere und damit auch die daraus erzielten Erträge dem Versicherungsnehmer oder der Versicherungsgesellschaft zuzurechnen seien. Bei den vorliegenden Versicherungsverträgen sei die Leistung der Einmalprämie in Form der Übertragung eines Wertpapierdepots vom Versicherungsnehmer an die Versicherungsgesellschaft erfolgt. Bei den vorliegenden Versicherungsverträgen werde von der Versicherungsgesellschaft nur ein Todesfallrisiko übernommen, das mit maximal 10% Prozent der Einmalprämie ab Versicherungsbeginn begrenzt sei. Weitere Risiken würden von der Versicherungsgesellschaft nicht übernommen. Hiebei handle es sich um keine nennenswerte Tragung eines Ablebensrisikos. Wirtschaftlich handle es sich um die Übernahme einer 10% Kapitalgarantie der dem Deckungsstock zugeordneten Wertpapiere. Der Versicherungsnehmer könne im vorliegenden Fall den Asset Manager völlig frei wählen. Er könne außerdem jederzeit die Anlagestrategie innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen frei wählen und auch verändern. Für die Zuordnung der dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere zum Versicherungsnehmer spreche weiters, dass sämtliche Wertsteigerungen und Wertminderungen alleine dem Versicherungsnehmer zuzurechnen seien. Der Versicherungsnehmer könne weiters jederzeit über die dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere verfügen, indem er den Versicherungsvertrag kündige und es damit zur Auszahlung der Versicherungssumme in einer Höhe komme, die dem Wert der dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere im Zeitpunkt der Auszahlung entspreche. Der Versicherungsnehmer habe auch die Möglichkeit, anstatt der Auszahlung in Geld die Übertragung der dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere zu verlangen. Die dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere seien daher von Beginn an nicht der Versicherungsgesellschaft, sondern direkt dem Versicherungsnehmer zuzurechnen. Folglich seien auch die aus diesen Wertpapieren erzielten Erträge direkt beim Versicherungsnehmer unter den Einkünften aus Kapitalvermögen iSd § 27 EStG 1988 steuerlich zu erfassen. Die bei einer Veräußerung von (dem Deckungsstock zugehörigen) Wertpapieren erzielten Wertsteigerungen seien gemäß § 30 EStG 1988 steuerpflichtig, soweit die Veräußerung innerhalb der Spekulationsfrist erfolgt sei.

3 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Berufung.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2006 ab und wies die (nunmehrige) Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2007 und 2008 als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig sei.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im Jahr 2004 einen Betrag von insgesamt 6 Mio € auf drei Lebensversicherungen bei der liechtensteinischen X Versicherung AG übertragen. Bei den Versicherungsverträgen habe es sich um fondsgebundene Lebensversicherungsprodukte mit einer Laufzeit von 17 Jahren gehandelt. Die Versicherungsprämie sei im Dezember 2004 in Form eines Einmalerlags durch Depotübertragung erbracht worden. Am 14. Mai 2005 seien diese Wertpapiere großteils verkauft und neue Wertpapiere ‑ vor allem bankeigene Produkte der Depotbank (Y Bank, welche zu ca. 64% am Versicherungsunternehmen beteiligt ist) ‑ angeschafft worden. Die Y Bank sei vom Revisionswerber auch als „Asset Manager“ beauftragt worden. Der Revisionswerber habe aus vier möglichen Standardveranlagungsstrategien für alle drei Polizzen die Strategie „Gemanagtes Portfolio ‑ Ausgewogen“ gewählt. Im Rahmen dieser Strategie habe er keinen Einfluss darauf gehabt, wie diese tatsächlich umgesetzt werde, also welche Wertpapiere im Einzelnen angeschafft würden. Eine Einschränkung auf bestimmte Fonds, in die investiert werden könne, sei nicht vorgelegen. In den Polizzen zu den Versicherungsverträgen sei ein Mindesttodesfallschutz in Höhe von 10% der Nettoversicherungsprämie (ca. 200.000 €) vereinbart worden.

6 Für alle drei Verträge gälten die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die fondsgebundene Lebensversicherung der X Versicherung AG. Mit der Versicherungsprämie sei vom Versicherungsunternehmen nach Abzug der vertraglich vereinbarten Kosten ein pro Versicherungspolizze abgesondertes Deckungsstockkonto eröffnet worden. Das Deckungsstockkonto sei bei einer vom Versicherungsnehmer bestimmten Depotbank eröffnet und von einem vom Versicherungsnehmer benannten Asset Manager gemäß der vom Versicherungsnehmer definierten Anlagestrategie verwaltet worden. Die im Deckungsstockkonto befindlichen Vermögenswerte bildeten wertmäßig den Deckungsstock. Sämtliche Wertsteigerungen der im Deckungsstockkonto befindlichen Vermögenswerte sowie die daraus resultierenden Zinszahlungen, Dividenden oder andere Einkommensströme würden ebenfalls zum Deckungsstock dazugerechnet. Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen könne der Versicherungsnehmer jederzeit die Depotbank und/oder den Asset Manager ohne Kostenfolge seitens des Versicherungsunternehmens ändern. Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen könne der Versicherungsnehmer jederzeit die Anlagestrategie ohne Kostenfolge ändern. Der Antrag auf Änderung sei dem Versicherungsunternehmen schriftlich mitzuteilen und werde erst durch die schriftliche Bestätigung seitens des Versicherungsunternehmens wirksam. Der Versicherungsnehmer könne den Vertrag schriftlich, ganz oder teilweise, jederzeit unter Wahrung einer einmonatigen Frist jeweils auf das Ende eines jeden Monats, frühestens auf das Ende des ersten Versicherungsjahres, kündigen.

7 Erlebe die versicherte Person das Ende der in der Versicherungspolizze festgelegten Versicherungsdauer, zahle das Versicherungsunternehmen an den (die) in der Versicherungspolizze benannten Bezugsberechtigten den Gegenwert (Rückkaufswert) des Deckungsstocks. Der Bezugsberechtigte habe das Wahlrecht zwischen einer Geldleistung und der Naturalleistung in Form von Wertpapieren. Sterbe der Versicherte während der Versicherungsdauer, zahle das Versicherungsunternehmen an die in der Versicherungspolizze benannten Bezugsberechtigten die vereinbarte Todesfallsumme oder den Deckungsstock, sofern dieser die vereinbarte Todesfallsumme übersteige, jedoch ‑ nach Punkt 14 der Versicherungsbedingungen ‑ mindestens 60% der Summe der vereinbarten Versicherungsprämie. Laut Schreiben der Versicherungsgesellschaft finde sich dieser Mindesttodesfallschutz generell in den Versicherungsbedingungen, die für alle Länder, in denen das Produkt vertrieben worden sei, gleichlautend aufgelegt worden seien. In den einzelnen Versicherungsverträgen sei dieser dann je nach marktüblicher Praxis des betreffenden Landes angepasst worden (im konkreten Fall auf 10%).

8 Die Frage, ob sich aus der Zurechnung der im Deckungsstock einer Lebensversicherung befindlichen Wertpapiere Einkünfte aus Kapitalvermögen des Versicherungsnehmers ergäben, sei unabhängig von der Qualifikation als in- oder ausländisches Versicherungsprodukt generell nach den allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen des Steuerrechts zu prüfen. Entscheidend für die Zurechnung sei die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis. Bei Einkünften aus Kapitalvermögen bringe überwiegend die Nutzung des Vermögens den Ertrag. Die persönliche Zurechnung von Kapitaleinkünften bei verzinslichem Kapitalvermögen habe im Regelfall beim wirtschaftlichen Eigentümer des Kapitalstammes zu erfolgen. Diese Prüfung habe aufgrund der Gesetzeslage für in- und ausländische Versicherungsprodukte gleichermaßen zu erfolgen. Insofern könne dabei keine Problematik im Sinne eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV ersehen werden.

9 Die Tatbestandsmerkmale des § 27 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 (in der Fassung vor dem BudBG 2011) seien im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen nicht erfüllt. Selbst die Heranziehung des Versicherungsbegriffes des § 27 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 würde aber keine formalrechtliche Anknüpfung an jenen des Versicherungsaufsichtsrechts rechtfertigen.

10 Das Einkommensteuerrecht sei vom Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise geprägt; Begriffe seien nur dann formalrechtlich zu beurteilen, wenn der Tatbestand selbst die rechtliche Betrachtungsweise erfordere. Wenn auch im Tatbestand des § 27 EStG 1988 zum Teil an das Vorliegen formaler Kriterien (etwa betreffend GmbH‑Gewinnanteile) angeknüpft werde, so könne nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine Dominanz der formalen Anknüpfung bei der Beurteilung, ob Einkünfte aus Kapitalvermögen vorlägen, nicht ersehen werden. Vielmehr sei die Frage, ob ein Anleger Einkünfte aus Kapitalvermögen erziele, grundsätzlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen.

11 Der Bezug zum Versicherungsaufsichtsrecht könnte nur durch Interpretation hergestellt werden. Soweit hiezu an die Gesetzesmaterialien zum AbgÄG 1996 angeknüpft werde, so könne aber seit der Streichung der Genehmigungspflicht von Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifen im Rahmen der VAG‑Novelle 1994 für einkommensteuerliche Zwecke nicht mehr an die Entscheidung der Versicherungsaufsichtsbehörde angeknüpft werden.

12 Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen könne es auch zu unterschiedlichen Definitionen eines Begriffes kommen (etwa auch nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz einerseits und dem Versicherungsvertragsgesetz andererseits). Es könne daher auch nicht angenommen werden, dass der Versicherungsbegriff des Einkommensteuergesetzes formal in jeder Hinsicht an jenen des Versicherungsaufsichtsrechts anknüpfen solle. Entsprechend der Zielsetzung des Einkommensteuergesetzes, nämlich dem Leistungsfähigkeitsprinzip, sei in der Regel von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen. Gegenteiliges ergebe sich für die vorliegende Frage auch nicht bei historischer oder teleologischer Auslegung.

13 Es seien daher jene Sachverhaltselemente zu prüfen, die für die Zuordnung wirtschaftlichen Eigentums bzw. die Zurechnung entsprechender Einkünfte relevant seien. Bestimmend für das Vorliegen einer Lebensversicherung sei die Übernahme eines gewissen Risikos durch das Versicherungsunternehmen. Bei Verträgen mit Einmalerlag sei ein Risiko in Form eines Mindesttodesfallschutzes in Höhe von 10% nicht ausreichend. Die Übernahme eines versicherungstechnischen Risikos sei jener Faktor, der die Kapitallebensversicherung von einer Vermögensanlage ohne Versicherungscharakter unterscheide. Kein Versicherungsvertrag liege vor, wenn dieser keine nennenswerte Risikotragung für den Versicherer enthalte.

14 Im vorliegenden Fall könne sich ein Versicherungsrisiko im Sinne einer positiven Differenz zwischen Versicherungsleistung und Deckungsstockkonto nur ergeben, wenn sich der aktuelle Marktwert (Zeitwert) des Deckungsstockkontos im Falle des Todes des Revisionswerbers auf weniger als 10% der Versicherungsprämie belaufe. Das Versicherungsunternehmen trage im konkreten Fall also nur insofern ein Todesfallrisiko, als ein Mindesttodesfallschutz in Höhe von maximal 10% der bezahlten Nettoprämie ab Beginn übernommen worden sei, welcher nur zum Tragen komme, wenn der Ablebensfall während der Vertragslaufzeit eintrete und zu diesem Zeitpunkt der Wert der dem Deckungsstock zugehörigen Wertpapiere unter 10% der eingezahlten Nettoeinmalprämie liegen würde; dies bei einer gewählten Anlagestrategie „Ausgewogen“. Dieses Todesfallrisiko sei als verschwindend zu beurteilen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Versicherungsverträge (Ende 2004) sei ohne weiteres mit guten Renditen zu rechnen gewesen. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass ein verantwortungsvoller Asset Manager bei einer ausgewogenen Veranlagungsstrategie das Portfolio so ausrichte, dass darin mindestens 10% an sicheren Wertpapieren enthalten seien.

15 Versicherungsverträge seien der Natur nach Produkte, die in großen Zahlen abgeschlossen werden müssten, um ihrer Funktion gerecht zu werden. Durch die Versicherung werde das einzelne Risiko mit anderen ähnlichen Risiken in einem Portefeuille zusammengefasst; damit sei das sich für den Versicherer ergebende Risiko deutlich geringer als es für den einzelnen Versicherungsnehmer sei. Hiezu verwendeten die Versicherer einheitliche Versicherungsbedingungen. Eine derartige Gleichartigkeit sei aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, was sich u.a. schon daraus ergebe, dass in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein Mindesttodesfallschutz von 60% angegeben sei, während im konkreten Fall ein wesentlich geringerer Satz von 10% vereinbart worden sei.

16 Gemäß den Versicherungsbedingungen werde vom Versicherungsunternehmen mit der bezahlten Versicherungsprämie nach Abzug der vertraglich vereinbarten Kosten ein Deckungsstockkonto bei einer vom Versicherungsnehmer bestimmten Depotbank eröffnet, das von einem vom Versicherungsnehmer benannten Asset Manager gemäß der vom Versicherungsnehmer definierten Anlagestrategie verwaltet werde. Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen könne der Versicherungsnehmer jederzeit die Depotbank und/oder den Asset Manager ändern. Durch diese Möglichkeit der Benennung eines Asset Managers sowie das jederzeitige Änderungsrecht sei nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten tatsächlich der Revisionswerber als dessen Auftraggeber anzusehen.

17 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, dieser habe dem Asset Manager nicht „hineinregieren“ können, sei anzumerken, dass es bei der Verwaltung eines Portfolios der gegebenen Größenordnung durchaus ineffizient erschiene, wenn der Auftraggeber in die Gesamtveranlagungsstrategie seines Vermögensverwalters durch Einzelentscheidungen eingreifen könnte. Im Übrigen gehe aber aus den rechtlichen Hinweisen zu den Versicherungsanträgen hervor, dass selbst die Vertragspartner eine Einmischungsmöglichkeit durch den Versicherungsnehmer für möglich erachtet hätten, wenn dort auf eine allenfalls nachteilige steuerliche Auswirkung einer solchen Einmischung in die Verwaltung der einbezahlten Versicherungsprämien hingewiesen werde.

18 Das Risiko von Wertminderungen und ‑steigerungen im Zusammenhang mit den Wertpapieren des Deckungsstocks trage unbestritten der Revisionswerber. Dem Revisionswerber sei beizupflichten, dass die Tragung des Veranlagungsrisikos bei fondsgebundenen Lebensversicherungen üblich sei.

19 Der Revisionswerber sei berechtigt, den Vertrag jederzeit zu kündigen. Dass dies auch bei inländischen Produkten der Fall sei, möge zutreffen, könne aber auf die Würdigung des zu beurteilenden Sachverhaltes keinen Einfluss nehmen. Durch die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit ‑ aus welchem Grund auch immer ‑ sei das jederzeitige Verfügungsrecht des Revisionswerbers über sein Vermögen gewährleistet.

20 Bei einer Gesamtwürdigung ergebe sich, dass es sich bei den 2004 abgeschlossenen Verträgen formal um fondsgebundene Lebensversicherungsverträge in Form von Kapitalversicherungen mit Einmalerlag gehandelt habe. Gerade bei solchen Versicherungen sei die Übernahme eines versicherungstechnischen Risikos jener Faktor, der diese von bloßen Vermögensanlagen unterscheide. Die Verträge seien im gegenständlichen Fall so gestaltet, dass das aleatorische Element einer Lebensversicherung völlig vom Ziel der Kapitalanlage überlagert werde. Ein Todesfallrisiko des Versicherers sei minimal bzw. faktisch nicht vorhanden, sodass den Verträgen das für einen Lebensversicherungsvertrag typische versicherungstechnische Risiko nicht mehr anhafte. Dies spreche gegen die Qualifikation dieser Verträge als Lebensversicherungsverträge. Es bestünden auch Zweifel am Vorliegen einer Vergleichbarkeit der Verträge im Sinne einer ähnlichen Risikotragung innerhalb eines für Lebensversicherungen typischen Tarifes. Die Tatsachen, dass der Revisionswerber jederzeit den Asset Manager, die Depotbank und die Anlagestrategie ändern dürfe und jederzeit auf seine Vermögenswerte zugreifen könne, sprächen ebenfalls für seine wirtschaftliche Dispositionsbefugnis. Wenn er auch keinen Einfluss auf die Anschaffung konkreter Wertpapiere habe, sondern das Management seines Portfolios bei seinem Vermögensverwalter liege, so habe der Revisionswerber doch jederzeit die Möglichkeit, bei Missfallen oder aus irgendeinem anderen Grund dieses Gesamtpaket zu veräußern oder unter Umständen anders zu veranlagen.

21 Der Revisionswerber habe sich beim Abschluss der „Lebensversicherungsverträge“ einem einheitlichen Vertragspartner gegenüber gesehen, dem er seinen nicht unbeträchtlichen Vermögenswert zur optimalen Veranlagung anvertraut habe. Nutznießer der Ergebnisse der Veranlagung sei der Revisionswerber. Der Revisionswerber könne den Vertrag jederzeit kündigen, wobei ihm dazu die Möglichkeit der Depotrückübertragung zustehe. Außerdem trage er als Versicherungsnehmer auch das Risiko von Wertsteigerungen und -minderungen; er trage die im Zusammenhang mit seinen Vermögenswerten anfallenden Kosten.

22 Zusammenfassend betrachtet habe der Revisionswerber mit dem Erwerb des ausländischen Versicherungsproduktes eine Kapitalanlage in Form eines „Gesamtpaketes“ angeschafft, das in einem Portfolio, zusammengesetzt aus von seinem Asset Manager ausgewählten Wertpapieren, bestehe. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise ergebe sich, dass die entsprechenden Erträge gemäß § 2 Abs. 3 Z 5 EStG 1988 als Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnen seien.

23 Bei unterstellter Transparenz der Versicherungsverträge sei der Spekulationstatbestand bei einzelnen Wertpapieren (mangels Veräußerung) gar nicht oder zu einem anderen Zeitpunkt ausgelöst worden. Die geänderten Bemessungsgrundlagen seien an Hand von vorgelegten Berechnungsunterlagen ausführlich dargestellt worden. Nach Bereinigung von Berechnungs‑ und Darstellungsdifferenzen sei im Rahmen eines mit der steuerlichen Vertreterin durchgeführten Erörterungsgespräches das Begehren entsprechend abgeändert worden. Diese Beträge könnten als außer Streit erachtet werden.

24 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

25 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

26 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

27 § 27 EStG 1988 (idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010), lautete auszugsweise:

„§ 27. (1) Folgende Einkünfte sind, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören, Einkünfte aus Kapitalvermögen: [...]

6. Unterschiedsbeträge zwischen der eingezahlten Versicherungsprämie und der Versicherungsleistung, die

a) im Falle des Erlebens oder des Rückkaufs einer auf den Er- oder Er- und Ablebensfall abgeschlossenen Kapitalversicherung einschließlich einer fondsgebundenen Lebensversicherung,

b) im Falle der Kapitalabfindung oder des Rückkaufs einer Rentenversicherung, bei der der Beginn der Rentenzahlungen vor Ablauf von zehn Jahren ab Vertragsabschluß vereinbart ist,

ausgezahlt werden, wenn im Versicherungsvertrag nicht laufende, im wesentlichen gleichbleibende Prämienzahlungen vereinbart sind und die Höchstlaufzeit des Versicherungsvertrages weniger als zehn Jahre beträgt. Im übrigen gilt jede Erhöhung einer Versicherungssumme im Rahmen eines bestehenden Vertrages auf insgesamt mehr als das Zweifache der ursprünglichen Versicherungssumme gegen eine nicht laufende, im wesentlichen gleichbleibende Prämienzahlung als selbständiger Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages.“

28 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 wurde diese Bestimmung in § 27 Abs. 5 Z 3 EStG 1988 verschoben, wobei die Mindestlaufzeit für die Ertragsteuerfreiheit auf 15 Jahre erhöht wurde (vgl. auch 981 BlgNR 24. GP  117).

29 Die steuerrechtliche Frage, wem das Einkommen bzw. Einkünfte oder Einnahmen zuzurechnen sind (§ 2 Abs. 1 EStG 1988), ist in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Entscheidend ist, ob das Zurechnungssubjekt über die Einkunftsquelle verfügt, also wirtschaftlich über diese disponieren und so die Art ihrer Nutzung bestimmen kann. Für Zwecke der Einkünftezurechnung ist nicht zwischen In‑ und Auslandssachverhalten zu unterscheiden (vgl. ‑ mit weiteren Nachweisen ‑ VwGH vom 25. Februar 2015, 2011/13/003).

30 Einkünfte aus Kapitalvermögen sind demjenigen zuzurechnen, dem die Befugnis oder auch nur die faktische Möglichkeit zur entgeltlichen Nutzung der fraglichen Wirtschaftsgüter zukommt. Die Zurechnung von passiven Einkünften (also insbesondere auch solchen aus Kapitalvermögen) erfolgt grundsätzlich an denjenigen, der das (wirtschaftliche) Eigentum an den die Einkünfte generierenden Vermögenswerten hat (vgl. neuerlich ‑ wiederum mit weiteren Nachweisen ‑ VwGH vom 25. Februar 2015).

31 An der Dispositionsbefugnis des Treugebers in Bezug auf die Zurechnung der Einkünfte aus einem Treuhandvermögen ändert sich durch die Betrauung eines Treuhänders mit dessen Verwaltung nichts. Bei der Treuhandschaft bleibt die Dispositionsbefugnis im Innenverhältnis beim Treugeber, weshalb diesem die Einkünfte zugerechnet werden (vgl. neuerlich VwGH vom 25. Februar 2015).

32 Unstrittig wohnt einem Versicherungsvertrag ‑ in Abgrenzung zu versicherungsfremden Leistungen ‑ die Übernahme einer gewissen Risikoabsicherung inne (vgl. VwGH vom 28. Mai 2013, 2008/17/0081).

33 Die Leistung der X Versicherung AG bemisst sich sowohl im Er‑ als auch im Ablebensfall nach dem dann aktuellen Marktwert der im individuellen Deckungsstock des Revisionswerbers befindlichen Wertpapiere. Für den Ablebensfall ist eine Mindesttodesfallleistung in Höhe von 10% der einbezahlten Nettoprämie vereinbart.

34 Damit besteht im Erlebensfall keinerlei Risikoabsicherung, im Ablebensfall hingegen eine Risikoabsicherung in Höhe der Mindesttodesfallleistung.

35 Dem Bundesfinanzgericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es diese Risikoabsicherung als „verschwindend“ (bzw. „minimal bzw. faktisch nicht vorhanden“) beurteilt hat. Nach den unbestrittenen Darlegungen des Bundesfinanzgerichtes sahen die allgemeinen Versicherungsbedingungen der X Versicherung AG für den vorliegenden Zeitraum eine Mindesttodesfallleistung in Höhe von 60% der einbezahlten Nettoprämie vor, welche aber für die vorliegenden Verträge auf lediglich 10% reduziert wurde. Aus den vom Revisionswerber vorgelegten Urkunden ergab sich wiederum, dass fondsgebundene Lebensversicherungen in Österreich bei ‑ wie hier vorliegend ‑ Einmalerlägen eine Mindesttodesfallleistung von 100% der „Einmalprämie“ garantierten (vgl. auch die Schilderung des Sachverhaltes zu VwGH vom 28. Mai 2013). Da ‑ wie das Bundesfinanzgericht ausführte ‑ zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge mit guten Renditen zu rechnen war und von einem verantwortungsvollen Asset Manager zu erwarten war, dass im Portfolio mindestens 10% an sicheren Wertpapieren enthalten sein würden, musste es als überaus unwahrscheinlich beurteilt werden, dass die vereinbarte Mindesttodesfallleistung schlagend werden könnte.

36 Dass die Voraussetzungen eines ‑ in der Revision behaupteten ‑ Kapitalisierungsgeschäftes (Art. 2 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2009/138/EG vom 25. November 2009: Geschäfte, denen ein versicherungsmathematisches Verfahren zugrunde liegt, wobei gegen im Voraus festgesetzte einmalige oder regelmäßig wiederkehrende Zahlungen bestimmte Verpflichtungen übernommen werden, deren Dauer und Höhe genau festgelegt sind) gegeben sein könnten, wird auch in der Revision nicht dargelegt.

37 Da sohin keine nennenswerte Risikoabsicherung vorliegt, erfüllt die X Versicherung AG im vorliegenden Fall ‑ abgesehen von einer Vermittlerrolle ‑ keinerlei wirtschaftliche Funktion.

38 Wenn der Revisionswerber betont, er habe vor Abschluss der Verträge keinen Kontakt zur Depotbank und zum Asset Manager gehabt, so ist nicht ersichtlich, welche ‑ für den Revisionswerber günstige ‑ Schlussfolgerung daraus gezogen werden sollte. An der nicht gegebenen Risikoabsicherung ändert dies nichts.

39 Die Auswahl der Depotbank und des Asset Managers erfolgte vereinbarungsgemäß durch den Revisionswerber. Der Revisionswerber konnte diese Auswahl auch jederzeit abändern. Der Revisionswerber war überdies berechtigt, die Anlagestrategie auszuwählen und ebenfalls jederzeit abzuändern. Wenn in der Revision hiezu geltend gemacht wird, eine derartige Abänderung hätte einer zweiseitigen Vereinbarung bedurft, so wird zwar nach den Versicherungsbedingungen die Änderung erst durch die schriftliche Bestätigung seitens des Versicherungsunternehmens wirksam. Eine „Bestätigung“ deutet aber nicht auf eine Zustimmung, sondern auf eine bloße Kenntnisnahme hin. Dass der Versicherer berechtigt gewesen wäre, eine vom Revisionswerber „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ beantragte Änderung abzulehnen, geht aus den Versicherungsbedingungen nicht hervor.

40 Der Revisionswerber war schließlich auch berechtigt, die Vereinbarung nach Ablauf von einem Jahr jederzeit mit einer kurzen Kündigungsfrist (ein Monat) zu beenden.

41 Im Hinblick darauf, dass die Chance der Steigerung des Wertes der Wertpapiere genauso wie das Risiko einer Wertminderung (fast) ausschließlich beim Revisionswerber gelegen ist und ihm ‑ im Hinblick auf die geringe vertragliche Bindung ‑ die Verfügungsmacht über die Wertpapiere zukommt, kann dem Bundesfinanzgericht nicht entgegengetreten werden, wenn es wirtschaftliches Eigentum des Revisionswerbers an den im Deckungsstock befindlichen Wertpapieren angenommen hat.

42 Der Revisionswerber macht weiters geltend, das Bundesfinanzgericht habe nicht dargelegt, welcher Einkünftetatbestand vorliege. In der Literatur werde mit guten Gründen vertreten, dass Versicherungsverträge bei Nichtzutreffen der Voraussetzungen des Versicherungstatbestandes auch unter den Tatbestand der sonstigen Forderungen fallen könnten bzw. als Indexzertifikate zu qualifizieren wären.

43 Dem ist zu entgegnen: Das Bundesfinanzgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Revisionswerber als wirtschaftlicher Eigentümer des Kapitalvermögens (Geldforderungen und Aktien) Einkünfte iSd § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a sowie nach § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, aber auch zum Teil Spekulationseinkünfte nach § 30 EStG 1988 (idF vor 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22/2012) erzielt hat.

44 Wenn der Revisionswerber geltend macht, ihm seien die Einkünfte nicht zugeflossen, so ergibt sich der Zufluss der Einkünfte aber daraus, dass ihm wirtschaftliches Eigentum an den im Deckungsstock befindlichen Vermögenswerten zukommt und sohin die sich daraus ergebenden Einkünfte ‑ vergleichbar einem „treuhändig verwalteten Bankkonto/Bankdepot“ (vgl. VwGH vom 25. März 2015, 2012/13/0033) ‑ unmittelbar ihm zuzurechnen sind.

45 Wenn in der Revision gerügt wird, das Bundesfinanzgericht gebe keine konkrete Risikohöhe an, ab welcher von einem ausreichend hohen Risiko auszugehen wäre, so sind derartige allgemeine Ausführungen aber auch nicht erforderlich; zu entscheiden ist lediglich, ob die konkret vereinbarte Kapitalgarantie als nennenswerte Versicherungsleistung zu beurteilen ist. Auch mit diesem Vorbringen wird sohin ein Begründungsmangel nicht aufgezeigt.

46 Die Revision macht geltend, das Bundesfinanzgericht habe sich nicht vollumfänglich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, insbesondere zur formalrechtlichen Anknüpfung des ertragsteuerlichen Versicherungstatbestands, auseinandergesetzt. Eine derartige Auseinandersetzung war jedoch entbehrlich, da die Steuerpflicht ohnedies nicht auf den ‑ jedenfalls nicht erfüllten ‑ Versicherungstatbestand (§ 27 Abs. 1 Z 6 EStG 1988) gestützt wurde. Auf die an eine formalrechtliche Anknüpfung zu § 27 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 anschließenden unionsrechtlichen Bedenken des Revisionswerbers ist daher im vorliegenden Fall ebenfalls nicht einzugehen. Der Anregung, ein Vorabentscheidungsverfahren einzuleiten, war sohin nicht näherzutreten.

47 Ob ‑ wie die Revision meint ‑ im vorliegenden Fall ein allgemeiner Versicherungstarif zur Anwendung kam, ist hier im Ergebnis nicht von Bedeutung.

48 Wenn die Revision sodann ausführt, das Bundesfinanzgericht wäre verpflichtet gewesen, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse betreffend die Bemessungsgrundlagen zu ermitteln und festzustellen, so erfolgte eine umfassende und konkrete Erörterung der einzelnen Bemessungsgrundlagen mit dem ‑ stets steuerlich vertretenen ‑ Revisionswerber. Welche Beweise das Bundesfinanzgericht zu diesem Thema hätte allenfalls aufnehmen sollen und zu welchem abweichenden Ergebnis diese Beweisaufnahmen geführt hätten, wird auch in der Revision nicht dargelegt.

49 Wenn schließlich in der Revision geltend gemacht wird, es wäre zu erheben gewesen, ob neben dem vorhandenen Ablebensrisiko auch andere Risiken („z.B. Kosten‑ oder Stornorisiken“) tarifmäßig vom Versicherungsunternehmen übernommen worden seien, so wurden derartige Risiken im bisherigen Verfahren nicht behauptet; diesem überdies völlig unkonkreten Vorbringen des Revisionswerbers steht demnach das Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) entgegen.

50 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

51 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

52 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. November 2016

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