Normen
62013CJ0091 Essent Energie Productie VORAB;
AuslBG §18 Abs12 Z1;
AuslBG §18 Abs12 Z2;
AuslBG §18 Abs12;
AVG §1;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs8;
AVG §37;
AVG §66 Abs4;
AVRAG 1993 §7 Abs4;
AVRAG 1993 §7b Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §27;
Spruch:
Die angefochtenen Erkenntnisse werden jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Erstmitbeteiligte meldete am 2. März 2015 die Entsendung von zehn bosnischen Arbeitnehmern für eine Beschäftigung, bezeichnet als "Elektroverkabelung und -montage" in N. Inländischer Auftraggeber sei die Zweitmitbeteiligte.
Mit jeweils einen Arbeitnehmer betreffenden Bescheiden vom 13. April 2015 wurde die Ausstellung der EU-Entsendebestätigung von der Revisionswerberin mit der Begründung verwehrt, dass Arbeitskräfteüberlassung vorliege und die Entsendung der zehn Arbeitnehmer daher untersagt.
Dagegen hat die Erstmitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Nach einer Beschwerdevorentscheidung der Revisionswerberin wurde ein Vorlageantrag gestellt.
Das Bundesverwaltungsgericht behob die Bescheide der Revisionswerberin mangels Zuständigkeit und erklärte die Revision für nicht zulässig.
Dagegen richtet sich die Revision der vor dem Bundesverwaltungsgericht belangten Behörde.
Die Erstmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, mit der sie Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Rechtssachen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
1.) Zur Zulässigkeit der Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
Die Revisionswerberin bringt vor, dass das entsendende Unternehmen dezidiert eine Entsendung gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG gemeldet habe.
Die Revisionswerberin habe über diese Meldung abgesprochen, wozu sie gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG zuständig sei.
Es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob sich bei einer Meldung gemäß § 7 (gemeint: 7b) Abs. 3 und 4 AVRAG die Behördenzuständigkeit ändere, wenn im Beschwerdeverfahren festgestellt werde, dass es sich in Wahrheit um Arbeitskräfteüberlassung handle oder ob eine Entscheidung über den ursprünglichen Verfahrensgegenstand zu erfolgen habe. Damit bringt die Revisionswerberin auch zum Ausdruck, Sache des Verwaltungsverfahrens sei die Entscheidung über die Meldung der Erstmitbeteiligten, das Bundesverwaltungsgericht sei von der hiezu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
Überdies sei die Entscheidung über die Entsendung in der Beschwerdevorentscheidung vom 18. Juni 2015 auf die von der Erstmitbeteiligten vorgenommene Minderentlohnung und nicht auf das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung gestützt worden.
Schon die erste Rechtsfrage erweist sich als grundsätzlich iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG. Die Revision ist zulässig.
2.) Sie ist auch berechtigt.
Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes weicht von der hg. ständigen Rechtsprechung ab, was "Sache" des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, was für die Behörde erster Instanz die von ihr zu entscheidende Verwaltungssache ausmacht:
Im Antragsverfahren wird die Sache des Verwaltungsverfahrens durch den zugrundeliegenden Antrag abgesteckt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, 99/01/0397).
Für die Beurteilung des Charakters einer Eingabe ist ihr wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2003, 2002/17/0279, mwN).
Die Antragstellung determiniert grundsätzlich die Entscheidungskompetenz der Behörden. Dies ist aber nur dahingehend zu verstehen, dass mit der Antragstellung um Erteilung einer bestimmten behördlichen Entscheidung zum einen feststeht, um welches Verfahren es sich handelt, dass aber andererseits die beantragte Erledigung von der Behörde nach allen im jeweiligen Verfahren anzuwendenden Vorschriften zu prüfen ist. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes ist dort anzunehmen, wo sich aus einer Rechtsvorschrift ausnahmsweise die Verpflichtung des Antragstellers ableiten lässt, den Rechtsgrund seines Anspruches im Antrag zu nennen und damit die "Sache" des Verwaltungsverfahrens selbst auf diese Art einzugrenzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. August 1996, 95/06/0200).
Nichts anderes gilt für eine Meldung, die Rechtsfolgen auszulösen im Stande ist und über die in einem gesetzlich bestimmten Verfahren abzusprechen ist.
"Sache" des Verfahrens der Behörde erster Instanz war demnach, über die (den Inhalt der) von der Erstmitbeteiligten erstattete(n) Meldung gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG abzusprechen. Welche Behörde hiefür zuständig ist, bestimmt unmissverständlich § 18 Abs. 12 AuslBG. Gegenständlich war dies die Revisionswerberin. Diese Behörde hatte zu prüfen, ob es sich tatsächlich um eine Entsendung von ausländischen Arbeitnehmern im Sinne des § 18 Abs. 12 AuslBG handelt oder nicht und ob die Bedingungen des § 18 Abs. 12 Z. 1 und 2 AuslBG eingehalten werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat aber ausgehend vom rechtlichen Ergebnis seiner Prüfung, dass es sich um Arbeitskräfteüberlassung handle, unzulässigerweise auf eine (im Nachhinein) eingetretene Unzuständigkeit der Revisionswerberin geschlossen. Eine solche Rechtsauffassung verbietet sich schon deshalb, weil sie zur Konsequenz hätte, dass für die Prüfung einer erstatteten Meldung gemäß § 7b Abs. 3 und 4 AVRAG iVm § 18 Abs. 12 AuslBG (dahingehend, ob überhaupt eine Entsendung vorliegt) keine Behörde zuständig wäre. Die Zuständigkeit einer Behörde für die durch die Meldung ausgelöste Pflicht zur Entscheidung gemäß § 18 Abs. 12 AuslBG bleibt auch im Falle der Feststellung einer in Wahrheit vorliegenden Arbeitskräfteüberlassung nach dem AÜG (welche nach dem Urteil des EuGH vom 11. September 2014, C-91/13 ohnehin nach den Gesichtspunkten des § 18 Abs. 12 Z. 1 und 2 AuslBG zu prüfen wäre) aufrecht, sowie auch die Zuständigkeit, vor ihrer Entscheidung zu klären, unter welchen Bedingungen die Beschäftigung der überlassenen (als entsendet anzusehenden) Arbeitnehmer (vgl. § 18 Abs. 12 Z. 1 und 2 AuslBG, das Urteil des EuGH vom 11. September 2014, C-91/13, insbesondere dessen RNr. 55, 57 bis 59, und das dazu ergangene hg. Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0006, mit dem lediglich das Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung und anderer konstitutiv wirkender Bewilligungen oder Bestätigungen als nicht vereinbar mit dem EU-Recht erkannt wurde) in Österreich zulässig ist.
Die Revisionswerberin weist zu Recht auch darauf hin, dass die Entsendung in ihrer Beschwerdevorentscheidung vom 18. Juni 2015 nicht mit der Begründung untersagt wurde, dass Arbeitskräfteüberlassung vorliege, sondern dass eine Minderentlohnung der Arbeitnehmer gegeben sei. Damit hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht befasst.
Da das Bundesverwaltungsgericht die Rechtslage verkannte, erweist sich das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Darüber hinaus ist es mit einem Feststellungs- und Begründungsmangel in der Frage "Minderentlohnung" belastet.
Wien, am 24. Februar 2016
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