VwGH Ra 2015/08/0178

VwGHRa 2015/08/017827.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Burgenländischen Gebietskrankenkasse in Eisenstadt, vertreten durch Mag. Klaus Philipp, Rechtsanwalt in 7210 Mattersburg, Brunnenplatz 5c, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2015, Zl. W142 2004525-1/7E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Burgenland; mitbeteiligte Parteien: 1. C B in B, vertreten durch die Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG in 7000 Eisenstadt, Blumengasse 5; 2. s GesmbH in Wien, vertreten durch die Lansky, Ganzger und Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Biberstraße 5), zu Recht erkannt:

Normen

VwGVG 2014 §24;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015080178.L00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss behob das Bundesverwaltungsgericht einen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland, mit dem für näher bezeichnete Zeiträume die Pflichtversicherung der Erstmitbeteiligten nach § 4 Abs. 4 ASVG festgestellt worden war, und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Erlassung eines Bescheides an die revisionswerbende Gebietskrankenkasse zurück. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Hinsichtlich der Möglichkeit der Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines Ersatzbescheides mangle es nicht an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil der hier anzuwendende § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG inhaltlich im Wesentlichen § 66 Abs. 2 AVG entspreche, sodass die dazu ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weiter heranzuziehen sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Aktenvorlage durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Gegenschrift durch die Erstmitbeteiligte - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die Revision ist - entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG - zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht, wie die Revisionswerberin zutreffend aufzeigt, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für Behebungen und Zurückverweisungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG abgewichen ist.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in zahlreichen Erkenntnissen, beginnend mit jenem vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, zur Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG Stellung genommen.

Demnach stellt die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits wiederholt hervorgehoben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2015, Ra 2015/08/0042, mwN), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

Auch wenn das Verwaltungsgericht die beweiswürdigenden Erwägungen einer Verwaltungsbehörde nicht teilt, führt dies allein noch nicht dazu, dass von einem Unterlassen gebotener Ermittlungsschritte iSd § 28 Abs. 3 VwGVG gesprochen werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2015, Ra 2014/20/0146).

3. Im vorliegenden Fall begründete das Bundesverwaltungsgericht die Behebung und Zurückverweisung damit, dass die Beweiswürdigung des Landeshauptmannes mangelhaft geblieben sei. So sei die Aussage des ehemaligen Geschäftsführers in der niederschriftlichen Einvernahme vom 22. August 2008 völlig unberücksichtigt gelassen worden. Dazu komme noch, dass sich insgesamt 17 niederschriftliche Einvernahmen von (ehemaligen) Mitarbeiterinnen im Akt befänden und nicht - wie in der Beweiswürdigung dargelegt - lediglich 16. Darüber hinaus werde in der Beweiswürdigung dargelegt, dass für die Feststellung des Sachverhaltes die Aussagen von fünf freien Mitarbeiterinnen als Redakteurinnen herangezogen worden seien; der Landeshauptmann habe jedoch keine Feststellungen darüber getroffen, ob diese Mitarbeiterinnen unter den gleichen Voraussetzungen wie die Erstmitbeteiligte beschäftigt gewesen seien und gleichartigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen unterlegen seien. Zudem sei der Beschwerde der Erstmitbeteiligten auch insofern beizupflichten, als nicht nachvollziehbar sei, warum der Landeshauptmann nicht die Aussagen von allen sechs Redakteurinnen herangezogen habe. Des Weiteren habe der Landeshauptmann festgestellt, dass eine generelle Vertretungsmöglichkeit bestanden habe, wobei die Vertretung in der Regel durch Mitarbeiterinnen des Dienstgebers erfolgt sei, weil die Redakteurinnen mit dem work-flow und dem Medienbereich vertraut sein müssten; diese unbestimmte Formulierung lasse jedoch nicht den Schluss auf eine freie Vertretungsbefugnis zu, weshalb es detaillierterer Feststellungen darüber bedürfe, ob nun eine Vertretung durch externe Personen überhaupt möglich gewesen sei. Um zu diesen Feststellungen zu gelangen, müssten gegebenenfalls ergänzende Einvernahmen durchgeführt werden bzw. die niederschriftlichen Aussagen aller Mitarbeiterinnen einer Beweiswürdigung unterzogen werden. Da der Sachverhalt noch ergänzungsbedürftig sei und eine eigene Sachverhaltsermittlung durch das Bundesverwaltungsgericht eine raschere oder kostengünstigere Verfahrenserledigung nicht erwarten lasse, habe das Bundesverwaltungsgericht den maßgebenden Sachverhalt nicht selbst festzustellen.

Damit legt das Bundesverwaltungsgericht keine Umstände dar, die eine Vorgangsweise nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu rechtfertigen vermögen. Vielmehr bemängelt es fast ausschließlich die behördliche Beweiswürdigung. Gerade die Beweiswürdigung in Bezug auf strittige Sachverhaltselemente gehört aber zu den zentralen Aufgaben der Verwaltungsgerichte selbst, können sie doch auf Grund ihrer Unabhängigkeit und Unparteilichkeit in besonderer Weise zur Wahrheitsfindung beitragen. Auch der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Bundesverwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen.

4. Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Eingabengebühr, die im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 ASVG nicht zu entrichten war.

Wien, am 27. Jänner 2016

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