VwGH Ra 2015/04/0084

VwGHRa 2015/04/008423.11.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der S GmbH in S, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH in 5550 Radstadt, Schernbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 31. Juli 2015, Zl. LVwG-5/48/33-2015, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Radstadt, vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b/17; 2. S KG in E, vertreten durch Dr. Anika Loskot, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
BVergG 2006 §123;
BVergG 2006 §129;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;
LVergKG Slbg 2007 §14 Abs2 Z2;
LVergKG Slbg 2007 §23 Abs1 Z5;
LVergKG Slbg 2007 §23 Abs1 Z6;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9;
AVG §45 Abs2;
BVergG 2006 §123;
BVergG 2006 §129;
BVergG 2006 §78;
BVergG 2006 §79;
LVergKG Slbg 2007 §14 Abs2 Z2;
LVergKG Slbg 2007 §23 Abs1 Z5;
LVergKG Slbg 2007 §23 Abs1 Z6;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Stadtgemeinde Radstadt (erstmitbeteiligte Partei, Auftraggeberin) führte im Jahr 2015 ein nicht offenes Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit dem Auftragsgegenstand Elektroinstallationsarbeiten für den Zu- und Umbau eines Schulzentrums durch. Sowohl die Revisionswerberin als auch die S KG (zweitmitbeteiligte Partei, Zuschlagsempfängerin) legten ein Angebot. Am 26. Juni 2015 erging die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin zugunsten der S KG.

2 Mit Nachprüfungsantrag vom 2. Juli 2015 beantragte die (im Verfahren an zweiter Stelle gereihte) Revisionswerberin die Nichtigerklärung dieser Zuschlagsentscheidung. Nach Ansicht der Revisionswerberin wäre das Angebot der Zuschlagsempfängerin (unter anderem deshalb) als nicht ausschreibungskonform auszuscheiden gewesen, weil diese nicht (wie in der Ausschreibung gefordert) rahmenlose Photovoltaikmodule angeboten habe.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. Juli 2015 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg diesen Antrag (ebenso wie den Antrag auf Gebührenersatz) ab.

Das Verwaltungsgericht stellte die Schriftsätze der Parteien und das Ergebnis der durchgeführten Verhandlung dar. Die Revisionswerberin habe vorgebracht, dass die Zuschlagsempfängerin kein rahmenloses Modul anbieten habe können, weil ein solches Modul des von ihr namhaft gemachten Herstellers noch nicht existiere und weder ein Liefer- noch ein Zertifizierungstermin genannt werden habe können. Auf Anfrage durch das Verwaltungsgericht habe der Hersteller angegeben, dass das in Rede stehende Produkt produziert werden könne, die Zertifizierung stehe allerdings noch aus.

Das Verwaltungsgericht ging auf Grund des von der Zuschlagsempfängerin vorgelegten Datenblattes und der Korrespondenz mit dem Hersteller sowie unter Verweis auf die durch die P Planungs GmbH durchgeführte und schlüssig im Vergabeakt festgehaltene Angebotsprüfung davon aus, dass die Zuschlagsempfängerin Photovoltaikmodule in rahmenloser Ausführung angeboten habe. Auch nach den weiteren Ermittlungen des Verwaltungsgerichtes könne nicht davon ausgegangen werden, dass "die Erbringung der Leistung aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen innerhalb des Leistungszeitraums nicht möglich wäre oder dass das Produkt nicht an die (zweit)mitbeteiligte Partei geliefert werden könnte". Inwieweit aktuell ein Lagerbestand dieses Produktes vorhanden sei, sei ohne Belang, auch stelle "die (in Aussicht gestellte) Zertifizierung des Produktes kein zwingendes Erfordernis dar". Mehr sei in diesem Zusammenhang im Rahmen des Vergabeverfahrens nicht zu überprüfen. Das Angebot widerspreche somit nicht der Ausschreibung, die behauptete Rechtswidrigkeit liege nicht vor.

Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt, weil es sich primär um auf den Einzelfall bezogene Fragen der Beweiswürdigung bzw. der Angebotsbeurteilung handle.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Die Auftraggeberin und die Zuschlagsempfängerin erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision erweist sich aus nachstehenden Gründen als

zulässig und auch berechtigt.

5 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, die

Zuschlagsempfängerin habe Photovoltaikmodule angeboten, die nicht - wie in der Ausschreibung gefordert - rahmenlos seien, wird damit die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes in Zweifel gezogen, die aber nur in beschränktem Maße, nämlich nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/03/0068). Eine Unschlüssigkeit der diesbezüglichen Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Zuschlagsempfängerin Photovoltaikmodule in rahmenloser Ausführung angeboten habe, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen.

6 Die Revisionswerberin bringt vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe noch keine (allgemeine) Definition des den Ausschreibungsbestimmungen widersprechenden Angebotes entwickelt. Dem ist zwar grundsätzlich entgegenzuhalten, dass die Prüfung der Ausschreibungskonformität eines Angebotes stets eine im Einzelfall vorzunehmende Beurteilung darstellt. Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Mangel aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen (siehe das hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, 2004/04/0144, 0156, 0157, sowie den hg. Beschluss vom 8. September 2015, Ra 2015/04/0058).

7 Im vorliegenden Fall verweist die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der fehlenden Zertifizierung der von der Zuschlagsempfängerin angebotenen Photovoltaikmodule allerdings zu Recht auf Punkt 6 der ständigen Vorbemerkung der Leistungsbeschreibung, dem zufolge die verwendeten Materialien/Erzeugnisse/Typen/Systeme alle für den projektspezifischen Verwendungszweck erforderlichen Zulassungen oder CE-Kennzeichen haben. Vor diesem Hintergrund vermag der Verwaltungsgerichtshof die nicht weiter begründete Auffassung des Verwaltungsgerichtes, die Zertifizierung des Produktes stelle kein zwingendes Erfordernis dar, nicht zu teilen. Das Verwaltungsgericht hat sich ausgehend von seiner Rechtsauffassung nicht mit der Frage der Auswirkung einer fehlenden Zertifizierung auf die Ausschreibungskonformität des Angebotes befasst. Da das Verwaltungsgericht selbst von einer noch nicht vorliegenden Zertifizierung des in Rede stehenden Produktes ausgeht, wäre für die Beurteilung der Ausschreibungskonformität des Angebotes der Zuschlagsempfängerin aber eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung der bezogenen Ausschreibungsbestimmung (insbesondere im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die erforderlichen Zulassungen vorliegen müssen) geboten gewesen.

8 Soweit die mitbeteiligten Parteien in ihren Revisionsbeantwortungen ins Treffen führen, dass die Revisionswerberin ihr "diesbezügliches Vorbringen" (gemeint offenbar: das Vorbringen im Zusammenhang mit der fehlenden Zertifizierung) erst in ihrer Stellungnahme vom 30. Juli 2015 erstattet habe und dieses Vorbringen daher nicht mehr Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein könne, ist Folgendes festzuhalten:

Die Revisionswerberin hat in ihrem Nachprüfungsantrag im Zuge der Darlegung der verletzten Rechte ausgeführt, dass sie bei einer rechtskonformen Angebotsprüfung den Zuschlag hätte erhalten müssen, weil das Angebot der Zuschlagsempfängerin auszuscheiden gewesen wäre, und sie hat die Ausschreibungswidrigkeit des Angebotes der Zuschlagsempfängerin (unter anderem) damit begründet, dass diese keine rahmenlosen Photovoltaikmodule angeboten habe.

Ausgehend davon war das in weiterer Folge erstattete Vorbringen zur fehlenden Zertifizierung der von der Zuschlagsempfängerin angebotenen Produkte als im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte gemäß (fallbezogen:) § 14 Abs. 2 Z 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Z 5 Salzburger Vergabekontrollgesetz 2007 (S.VKG 2007) liegend anzusehen. Innerhalb der geltend gemachten Beschwerdepunkte - und somit auch hinsichtlich der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (hier: nach § 23 Abs. 1 Z 6 S.VKG 2007) - ist auf späteres, neues Vorbringen der Partei Bedacht zu nehmen (siehe die hg. Erkenntnisse vom 21. Jänner 2014, 2012/04/0124, 0125 und 2013/04/0040, vom 25. Jänner 2011, 2006/04/0200, sowie vom 27. November 2003, 2003/04/0069; diese - wenn auch zu anderen vergabegesetzlichen Grundlagen ergangene und die Zeit vor Einführung der Verwaltungsgerichte betreffende - Rechtsprechung ist sowohl auf das hier maßgebliche S.VKG 2007 als auch auf die nunmehr zuständigen Verwaltungsgerichte übertragbar; vgl. zu letzterem auch Walther, in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4 (2015), Rz. 2098 f).

9 Im Hinblick auf den dargelegten Begründungsmangel war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

10 Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. November 2016

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