VwGH Ro 2014/04/0072

VwGHRo 2014/04/007216.3.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revisionen der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) in 1010 Wien, Rudolfsplatz 13a, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Wien jeweils vom 22. Juli 2014, 1. Zl. VGW-001/059/8472/2014-8 (protokolliert zu hg. Ro 2014/04/0072) und 2. Zl. VGW- 001/059/8473/2014-6 (protokolliert zu hg. Ro 2014/04/0073), beide betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Gaswirtschaftsgesetz 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. Dott. Ing. GP (zu hg. Ro 2014/04/0072), 2. Dipl.- Ing. Dr. RS (zu hg. Ro 2014/04/0073), beide in W und beide vertreten durch die Fiebinger Polak Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1060 Wien, Getreidemarkt 1), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
B-VG Art133 Abs8;
E-ControlG 2010 §9 Abs1 idF 2013/I/174;
GWG 2000 §161 Z3;
GWG 2011 §148 Abs3;
GWG 2011 §148 Abs4;
GWG 2011 §148 Abs5;
GWG 2011 §161 Z3;
GWG 2011 §4 Z4;
GWG 2011 §47;
StGB §6 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §50;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RO2014040072.J00

 

Spruch:

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1. Mit im Wesentlichen gleichlautenden Straferkenntnissen der belangten Behörde vom 16. Oktober 2013 (betreffend die zweitmitbeteiligte Partei) bzw. vom 18. Oktober 2013 (betreffend die erstmitbeteiligte Partei) wurde über die mitbeteiligten Parteien wegen Verletzung des § 119 Abs. 2 Z 1 in Verbindung mit § 161 Z 3 Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011) eine Geldstrafe von jeweils EUR 70.000,- verhängt. Im Spruch der beiden Straferkenntnisse wurde wie folgt festgehalten:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der (T GmbH) zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Fernleitungsnetzbetreiberin gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 20 GWG 2011 (...) nach rechtskräftiger Abweisung ihrer Anträge gemäß § 119 Abs. 2 Z 1 GWG 2011 vom 16.3.2012 und vom 12.10.2012 auf Zertifizierung als Fernleitungsnetzbetreiber im Sinne der §§ 109 bis 111 GWG 2011 durch die Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) mit Bescheid vom 15.03.2013 (...) von 21.3.2013 bis 28.06.2013 den Betrieb des Fernleitungsnetzes ohne Zertifizierung durchgeführt hat (und ohne die Entflechtungsvorgaben der §§ 108 bis 117 GWG 2011 zu erfüllen) und von 21.3.2013 bis 28.6.2013 auch keinen weiteren Antrag auf Zertifizierung gestellt hat."

Den Straferkenntnissen lag eine Anzeige der E-Control vom 28. Juni 2013 zugrunde. Die belangte Behörde verwies darauf, dass die mitbeteiligten Parteien in ihren jeweiligen Rechtfertigungen den objektiven Tatbestand nicht bestritten hätten, weshalb dieser als erwiesen anzusehen sei. Allenfalls für eine Entflechtung notwendige Beschlüsse der Generalversammlung würden den Geschäftsführer einer GmbH nicht davon entbinden, einen Antrag auf Zertifizierung zu stellen. Dass die mitbeteiligten Parteien die Generalversammlung aufgefordert hätten, entsprechende Beschlüsse zu fassen, sei nicht behauptet worden. Zum Vorbringen der mitbeteiligten Parteien in ihren Rechtfertigungen, wonach bei einer Einstellung des Betriebes die Gasversorgung in näher bezeichneten Gebieten nicht mehr sichergestellt wäre, hielt die belangte Behörde fest, dass die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Gasversorgung nicht von der Verpflichtung befreie, einen Antrag auf Zertifizierung zu stellen. Die subjektive Tatseite sei daher als erwiesen anzusehen. Abschließend erfolgten Ausführungen zur Strafbemessung.

2. Die mitbeteiligten Parteien erhoben gegen das jeweils sie betreffende Straferkenntnis Berufung.

3. Mit den beiden - im Wesentlichen inhaltsgleichen - Erkenntnissen vom 22. Juli 2014 gab das zuständig gewordene Verwaltungsgericht Wien den (nunmehr als solche anzusehenden) Beschwerden Folge, behob die bekämpften Straferkenntnisse und stellte die Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein (Spruchpunkt I). Den mitbeteiligten Parteien wurde kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt (Spruchpunkt II), die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt III).

3.1. Das Verwaltungsgericht stellte den Verfahrensgang, insbesondere die Anzeige der E-Control, die Aufforderung zur Rechtfertigung durch die belangte Behörde, die Rechtfertigungen der mitbeteiligten Parteien sowie das weitere Vorbringen der E-Control und der mitbeteiligten Parteien (sowohl im Verfahren vor der belangten Behörde als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2014) zusammengefasst dar.

Fest stehe, dass die beiden mitbeteiligten Parteien Geschäftsführer der T GmbH seien und dass die T GmbH zum 3. März 2012 (dem gemäß § 170 Abs. 2 GWG 2011 für die Erfüllung der Entflechtungsbestimmungen der §§ 108 bis 119 GWG 2011 maßgeblichen Zeitpunkt) nicht zertifiziert gewesen sei. Die T GmbH habe am 16. März 2012 einen Antrag auf Zertifizierung gestellt. Während der dazu konzipierte Bescheidentwurf der E-Control noch eine Zertifizierung unter auflösenden Bedingungen vorgesehen habe, sei der Antrag - nach einer ablehnenden Stellungnahme durch die Europäische Kommission - mit Bescheid vom 15. März 2013 rechtskräftig abgewiesen worden. Der Betrieb des Fernleitungsnetzes durch die T GmbH sei im Zeitraum 21. März 2013 bis 28. Juni 2013 ohne Zertifizierung erfolgt. In diesem Zeitraum habe die T GmbH auch keinen Antrag auf Zertifizierung als Fernleitungsnetzbetreiber gestellt. Die T GmbH sei mit Schreiben der E-Control wiederholt aufgefordert worden, bis (zuletzt) 28. Juni 2013 einen Antrag auf Zertifizierung zu stellen.

3.2. Da die T GmbH zum 3. März 2012 weder zertifiziert gewesen sei noch einen Antrag auf Zertifizierung gestellt habe, habe sie gegen die in § 119 Abs. 3 Z 1 GWG 2011 enthaltene Verpflichtung verstoßen; dies stehe gemäß § 161 Z 3 erster Fall GWG 2011 unter verwaltungsstrafrechtlicher Sanktion. Nach rechtskräftiger Abweisung ihres Antrags auf Zertifizierung habe die T GmbH ihren Betrieb fortgeführt, wozu sie zwar als Fernleitungsnetzbetreiber gemäß § 170 Abs. 21 in Verbindung mit § 47 GWG 2011 verpflichtet gewesen sei, was aber nach § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 eine Verwaltungsübertretung darstelle.

Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass die Fortführung des Betriebes nach Abweisung des Zertifizierungsantrags nur eine Strafbarkeit nach § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 (Fortführung des Betriebes ohne Zertifizierung) nach sich ziehe. Die Annahme, dieses Verhalten wäre nach beiden Fallvarianten (somit auch nach dem ersten Fall) strafbar, würde auf eine unzulässige Doppelbestrafung hinauslaufen. Zudem wäre es ein nicht hinzunehmender Wertungswiderspruch, wenn man annehme, dass ein Fernleitungsnetzbetreiber, der gar keinen Antrag stelle, nur nach einer Tatalternative bestraft werden könne (nämlich dem ersten Fall des § 161 Z 3 GWG 2011), während derjenige Fernleitungsnetzbetreiber, der zumindest einen (wenn auch nicht erfolgreichen) Zertifizierungsantrag gestellt habe, in der Folge nach zwei Tatbeständen bestraft werden könne. Wenn ein Fernleitungsnetzbetreiber einen Zertifizierungsantrag stelle, sei eine Bestrafung - solange das Verfahren noch anhängig sei - nicht möglich. Wenn ein nicht zertifizierter Fernleitungsnetzbetreiber den Betrieb nach rechtskräftiger Abweisung seines Zertifizierungsantrags fortführe, komme eine Bestrafung nur mehr nach dem zweiten Fall (nicht aber nach dem ersten Fall) des § 161 Z 3 GWG 2011 in Betracht.

Da nach dem zweiten Fall des § 161 Z 3 GWG 2011 die Führung des Betriebes ohne Zertifizierung verpönt sei, könne eine bloße weitere Antragstellung nicht zur Straflosigkeit des konsenslosen Betriebes führen. Die Wendung "ohne Zertifizierung" sei eng nach dem Wortsinn auszulegen. Damit verbliebe, um sich in einer solchen Situation rechtskonform zu verhalten, aber nur die Einstellung des Betriebes. Dies könne aber nicht ohne weiteres veranlasst werden, sondern bedürfe nach § 47 GWG 2011 eine drei Monate im Voraus zu erstattende Anzeige. Sich im Grunde des § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 rechtskonform zu verhalten, würde in einer Situation wie der vorliegenden einen Verstoß gegen eine andere Verpflichtung nach dem GWG 2011 bedingen. Die mitbeteiligten Parteien seien daher einer Pflichtenkollision ausgesetzt gewesen. Eine - ihrerseits nicht strafbare - Einstellung des Betriebes wäre frühestens mit 21. Juni 2013 in Betracht gekommen. Da die (der Anzeigenregelung des § 47 GWG 2011 zugrunde liegende) Verpflichtung, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, höher einzustufen sei (als die Verpflichtung zur Zertifizierung), könne es den mitbeteiligten Parteien nicht vorgeworfen werden, dass sie die einzig denkbare Maßnahme, um einen Verstoß gegen § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 zu verhindern, nämlich die unverzügliche Einstellung des Betriebes, nicht ergriffen hätten. Zudem sei ein (den Zertifizierungsantrag) abweisender Bescheid für die mitbeteiligten Parteien nicht absehbar gewesen, weil die E-Control in ihrem Bescheidentwurf von einer Genehmigungsfähigkeit ausgegangen sei. Da den Organen der T GmbH eine angemessene Reaktionsfrist zuzubilligen sei, komme eine Bestrafung für den verbleibenden Tatzeitraum - eine Woche bis zum 28. Juni 2013 - nicht in Betracht. Den mitbeteiligten Parteien könne die Verletzung des § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 somit nicht zum Vorwurf gemacht werden.

3.3. Im Hinblick auf die fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den im angefochtenen Erkenntnis behandelten (unter Punkt 3.2. dargestellten) Auslegungsfragen insbesondere des § 161 Z 3 GWG 2011 erklärte das Verwaltungsgericht die ordentliche Revision für zulässig.

4. Gegen diese Erkenntnisse erhob die E-Control jeweils eine - inhaltlich deckungsgleiche - ordentliche Revision.

5. Die belangte Behörde erstattete jeweils eine Revisionsbeantwortung, in der sie lediglich festhält, dass sie die in den beiden (vom Verwaltungsgericht behobenen) Straferkenntnissen vertretene Rechtsansicht beibehalte und ansonsten auf weitere Ausführungen zur Sache verzichte.

6. Die beiden mitbeteiligten Parteien erstatteten jeweils eine - weitgehend deckungsgleiche - Revisionsbeantwortung zu dem sie betreffenden Verfahren.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Revisionen auf Grund des persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gaswirtschaftsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 107 in der Fassung BGBl. I Nr. 174/2013, lauten auszugsweise:

"Genehmigung

§ 43. Die Ausübung der Tätigkeit eines Fernleitungsnetzbetreibers oder eines Verteilernetzbetreibers bedarf einer Genehmigung der Regulierungsbehörde nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Die Genehmigung ist erforderlichenfalls unter Auflagen, Bedingungen oder befristet zu erteilen.

Genehmigungsvoraussetzungen

§ 44. (1) Die Genehmigung ist zu erteilen,

1. wenn zu erwarten ist, dass der Genehmigungswerber in der Lage ist, den ihm

a) gemäß § 5 auferlegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sowie

b) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auferlegten Verpflichtungen zu entsprechen und in der Lage ist, die Funktion des Transports von Erdgas durch ein Netz sowie die Verantwortung für Betrieb, Wartung und erforderlichenfalls Ausbau des Netzes wahrzunehmen.

...

5. sofern es sich um einen Fernleitungsnetzbetreiber handelt, wenn die Zertifizierung gemäß § 119 vorliegt.

...

Betriebspflicht

§ 47. Mit der Erteilung der Genehmigung gemäß § 43 ist ein Netzbetreiber verpflichtet, die von ihm betriebenen Netze in vollem Umfang zu betreiben. Betriebsunterbrechungen, Betriebseinschränkungen und die Einstellung des Betriebes sind dem Marktgebietsmanager, dem Verteilergebietsmanager, der Verrechnungsstelle für Transaktionen und Preisbildung und der Regulierungsbehörde anzuzeigen. Im Falle der beabsichtigten Einstellung des Betriebes eines Netzes ist dies auch dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend und der Regulierungsbehörde drei Monate vor der in Aussicht genommenen Einstellung nach Maßgabe des jeweiligen Sachverhaltes vorab anzuzeigen und im Internet zu veröffentlichen.

...

Verfahren zur Zertifizierung und Benennung von

Fernleitungsnetzbetreiber

§ 119. (1) Der Regulierungsbehörde obliegt die ständige Beobachtung der Einhaltung der Entflechtungsvorschriften (§ 106 bis § 118). Sie hat einen Fernleitungsnetzbetreiber mittels Feststellungsbescheid zu zertifizieren

1. als eigentumsrechtlich entflochtener Fernleitungsnetzbetreiber im Sinne des § 108 oder

2. als unabhängiger Netzbetreiber im Sinne der § 109 bis § 111 oder

3. als unabhängiger Fernleitungsnetzbetreiber im Sinne der § 112 bis § 116 oder

4. als Fernleitungsnetzbetreiber im Sinne des § 117.

(2) Ein Zertifizierungsverfahren ist einzuleiten

1. über Antrag eines Fernleitungsnetzbetreibers gemäß Abs. 3 Z 1;

2. von Amts wegen, wenn

a) ein Fernleitungsnetzbetreiber keinen Antrag auf Zertifizierung gemäß Abs. 3 Z 1 stellt oder

b) die Regulierungsbehörde Kenntnis von einer geplanten Änderung erlangt, die eine Neubewertung der Zertifizierung erforderlich macht und zu einem Verstoß gegen die Entflechtungsvorschriften führen kann oder bereits geführt hat;

3. über Anzeige der Europäischen Kommission.

Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 findet auf das Zertifizierungsverfahren Anwendung.

(3) Der Fernleitungsnetzbetreiber ist verpflichtet

1. einen Antrag auf Zertifizierung zu stellen, sofern der Fernleitungsnetzbetreiber noch nicht zertifiziert ist, sowie

2. der Regulierungsbehörde alle geplanten Änderungen, die eine Neubewertung der Zertifizierung erforderlich machen, unverzüglich anzuzeigen.

Der Fernleitungsnetzbetreiber hat seinen Eingaben an die Regulierungsbehörde sowie auf deren Ersuchen alle zur Beurteilung des Sachverhaltes erforderlichen Unterlagen beizuschließen.

(4) Die Regulierungsbehörde hat einen begründeten Entscheidungsentwurf binnen vier Monaten ab Einleitung eines Verfahrens über die Zertifizierung eines Fernleitungsnetzbetreibers bzw. ab Vorliegen der vollständigen Unterlagen des Fernleitungsnetzbetreibers an die Europäische Kommission zu übermitteln. Lässt die Regulierungsbehörde diese Frist verstreichen, ist dies einem positiven Entscheidungsentwurf gleichzuhalten. Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist von der Regulierungsbehörde beim Zertifizierungsverfahren gemäß Abs. 1 Z 1 und 3 so weit wie möglich zu berücksichtigen. Die Regulierungsbehörde hat nach dem Einlangen der Stellungnahme der Europäischen Kommission binnen zwei Monaten mit Bescheid über den Antrag auf Zertifizierung zu entscheiden. Die Zertifizierung kann unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt werden, soweit diese zur Erfüllung der Zielsetzungen dieses Gesetzes erforderlich sind.

...

Zuständigkeit der Behörden in Gasangelegenheiten

§ 148. ...

(3) Verwaltungsstrafen gemäß § 159 bis § 162 sind von der Bezirksverwaltungsbehörde zu verhängen. Die Regulierungsbehörde hat in diesen Verfahren Parteistellung. Sie ist berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Einhaltung von der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen und Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes zu erheben.

(4) Die Regulierungsbehörde kann Verpflichtete, die Pflichten nach diesem Bundesgesetz verletzen, darauf hinweisen und ihnen auftragen, den gesetzmäßigen Zustand innerhalb einer von ihr festgelegten angemessenen Frist herzustellen, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass auch ohne Straferkenntnis ein rechtskonformes Verhalten erfolgen wird. Dabei hat sie auf die mit einer solchen Aufforderung verbundenen Rechtsfolgen hinzuweisen.

(5) Verpflichtete sind nicht zu bestrafen, wenn sie den gesetzmäßigen Zustand innerhalb der von der Regulierungsbehörde gesetzten Frist herstellen.

...

Allgemeine Strafbestimmungen

§ 159. ...

(2) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung oder einen Geldbußentatbestand bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 75 000 Euro zu bestrafen, wer

...

5. seinen Pflichten als Netzbetreiber gemäß § 23, § 28 und § 29, § 32, § 34 bis § 37, § 43, § 47, § 60 Abs. 5, § 62 bis § 65 oder § 67 nicht nachkommt;

...

Konsensloser Betrieb

§ 161. Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen, wer

1. die Tätigkeit eines Erdgasunternehmens ohne Genehmigung gemäß § 43 Abs. 1 ausübt, oder

2. eine genehmigungspflichtige Erdgasleitungsanlage ohne Genehmigung errichtet, eine Erdgasleitungsanlage ohne Genehmigung erweitert oder wesentlich ändert oder eine Anlage, für deren Betrieb die Genehmigung vorbehalten wurde, ohne Betriebsgenehmigung betreibt, oder

3. keinen Antrag auf Zertifizierung gemäß § 119 Abs. 2 Z 1 oder § 120 als Fernleitungsnetzbetreiber stellt oder nach der rechtskräftigen Abweisung eines solchen Antrages auf Zertifizierung den Betrieb des Fernleitungsnetzes ohne Zertifizierung führt.

...

Übergangsbestimmungen

§ 170. ...

(2) Fernleitungsnetzbetreiber haben den Bestimmungen des § 108 bis § 119 bis zum 3. März 2012 nachzukommen.

...

(21) Inhaber von Transportrechten gemäß § 6 Z 20 GWG, BGBl. I Nr. 121/2000, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 45/2009, gelten sinngemäß als Fernleitungsnetzbetreiber gemäß § 7 Abs. 1 Z 20 und unterliegen den für Fernleitungsnetzbetreibern vorgesehen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

..."

2. Zur Revisionslegitimation

2.1. Die Revisionswerberin verweist zu ihrer Revisionslegitimation auf § 9 Abs. 1 E-ControlG, demzufolge die E-Control gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die Amtshandlungen der E-Control zum Gegenstand haben, Revision wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben könne. Zudem habe die E-Control gemäß § 148 Abs. 3 GWG 2011 in Verwaltungsstrafverfahren Parteistellung und sei berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Einhaltung der von ihr wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht geltend zu machen. Die E-Control sei daher sowohl auf Grund der Revisionslegitimation durch Gesetz als auch durch die Einräumung subjektiver Rechte berechtigt, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Revision zu erheben.

2.2. Demgegenüber bestreiten die mitbeteiligten Parteien die Revisionslegitimation der E-Control. Strafnormen würden nicht zu den in § 148 Abs. 3 GWG 2011 angesprochenen Rechtsvorschriften zählen, deren Einhaltung von der E-Control zu wahren wäre. Zudem könne aus der Parteistellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht auf eine Revisionslegitimation beim Verwaltungsgerichtshof geschlossen werden.

2.3. Gemäß § 9 Abs. 1 Energie-Control-Gesetz (E-ControlG), BGBl. I Nr. 110/2010 in der Fassung BGBl. I Nr. 174/2013, kann die E-Control gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, die eine Amtshandlung der E-Control zum Gegenstand haben, Revision wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Soweit die mitbeteiligten Parteien vorbringen, § 9 Abs. 1 E-ControlG ermächtige nicht zur Erhebung einer Revision im vorliegenden Fall, weil Straferkenntnisse keine Amtshandlungen der E-Control zum Gegenstand hätten, ist zu entgegnen, dass nach den Erläuterungen (IA 2323/A 24. GP ) Amtshandlungen "Bescheide der E-Control sowie Eingaben im Rahmen ihrer Parteistellung" sind. Da nach den zitierten Erläuterungen mit der entsprechenden Anpassung des § 9 E-ControlG eine Klarstellung hinsichtlich des Parteistatus auch in den Verfahren gemäß (unter anderem) § 148 Abs. 3 GWG 2011 erfolgen sollte und somit auf die Bestimmung Bezug genommen wird, mit der der E-Control Parteistellung im Verwaltungsstrafverfahren eingeräumt wird, erstreckt sich die Revisionslegitimation nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf Erkenntnisse in Verwaltungsstrafverfahren, die (auch) Eingaben der E-Control im Rahmen ihrer Parteistellung nach § 148 Abs. 3 GWG 2011 (hier: ihre Anzeige bzw. Stellungnahme im Verfahren) zum Gegenstand haben.

Da die Revisionswerberin somit von Gesetzes wegen ermächtigt ist wegen Rechtswidrigkeit Revision zu erheben (Art. 133 Abs. 8 B-VG), muss auf das Vorbringen der mitbeteiligten Parteien betreffend Revisionspunkt nicht weiter eingegangen werden.

3. Zur Zulässigkeit:

Entgegen der Auffassung der mitbeteiligten Parteien gehen die vom Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung behandelten und vom Verwaltungsgerichtshof für die Entscheidung über die Revision zu lösenden Fragen der Auslegung der beiden Fallvarianten des § 161 Z 3 GWG 2011 sowie ihres Verhältnisses zueinander über eine bloße Einzelfallbeurteilung hinaus. Dem Umstand der bislang fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Rechtslage insoweit eindeutig sei. Soweit die mitbeteiligten Parteien vorbringen, die Revisionswerberin habe kein Abweichen der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung "von den Leitlinien der Rechtsprechung des VwGH" aufgezeigt, ist anzumerken, dass die Annahme, das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze vorgenommen, das Vorhandensein derartiger Grundsätze voraussetzt.

Die Revision ist somit zulässig.

4. Zur "Sache" des Beschwerdeverfahrens:

4.1. Die Revisionswerberin bringt vor, die T GmbH hätte am 3. März 2012 den Entflechtungsvorgaben entsprechen müssen. Da sie erst am 16. März 2012 einen Zertifizierungsantrag gestellt habe, sei der Tatbestand des § 161 Z 3 erster Fall GWG 2011 ("keinen

Antrag auf Zertifizierung ... stellt") bereits zuvor erfüllt

gewesen. Das Verwaltungsgericht habe diesen Umstand zwar festgestellt, das rechtswidrige Verhalten zum Zeitpunkt 3. März 2012 aber nicht weiter geprüft, sondern sich nur mehr mit dem weiteren Sachverhalt nach Abweisung des Zertifizierungsantrags beschäftigt. Da es sich beim Tatbestand des § 161 Z 3 erster Fall GWG 2011 um ein Zustandsdelikt handle, komme eine "Strafaufhebung" durch eine (spätere) Antragstellung nicht in Betracht. Da das Verwaltungsgericht dies verkannt habe, seien die angefochtenen Erkenntnisse mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes behaftet.

4.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass eine Befugnis des Verwaltungsgerichtes zur Ausdehnung des Gegenstandes des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG hinaus, etwa durch eine Ausdehnung des Tatzeitraumes, durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 nicht geschaffen wurde (siehe das hg. Erkenntnis vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018, mwN zur Rechtslage vor Schaffung der Verwaltungsgerichte; der Verwaltungsgerichtshof hat darin festgehalten, es sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Berufungsverfahren in Verwaltungsstrafsachen abzugehen wäre). Eine Ausdehnung des Tatzeitraums erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht würde daher eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Beschwerdeverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG darstellen.

Im vorliegenden Fall wird im Spruch der bekämpften Straferkenntnisse der jeweilige Tatzeitraum ausdrücklich mit 21. März 2013 bis 28. Juni 2013 umschrieben (bereits die in den Verwaltungsakten einliegenden Aufforderungen zur Rechtfertigung durch die belangte Behörde vom 10. Juli 2013 bzw. vom 12. Juli 2013 bezogen sich nur auf diesen Zeitraum). Eine Bestrafung der mitbeteiligten Parteien durch das Verwaltungsgericht für die unterbliebene Antragstellung zum Zeitpunkt 3. März 2012 wäre daher als unzulässige Ausdehnung des Tatzeitraumes anzusehen gewesen. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass das Verwaltungsgericht diesen Zeitpunkt nicht zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht hat. Gleiches gilt insoweit, als die Revisionswerberin ins Treffen führt, dass der Tatbestand des § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 bis zur (erneuten) Stellung eines Zertifizierungsantrags am 14. November 2013 erfüllt gewesen sei (und die Strafbarkeit bis zu diesem Zeitpunkt bestanden habe).

5. Zum Tatbestand des § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011:

5.1. Nach Ansicht der Revisionswerberin handelt es sich beim zweiten Tatbestand des § 161 Z 3 GWG 2011 ("den Betrieb ... ohne Zertifizierung führt") um ein Dauerdelikt, das ab Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Bescheides (mit 3. April 2013) erfüllt sei. Da § 161 Z 3 erster Fall GWG 2011 aber nur anzuwenden sei, wenn kein Zertifizierungsantrag gestellt werde, sei davon auszugehen, dass während eines laufenden Verfahrens keine Strafbarkeit bestehe. Daher sei der Tatbestand des § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 nur bis zur (erneuten) Antragstellung (am 14. November 2013) erfüllt gewesen. Da ab Antragstellung aber keine Strafbarkeit mehr bestehe, sei die vom Verwaltungsgericht angenommene Pflichtenkollision nicht vorgelegen, weil es zumutbare Handlungsalternativen gegeben hätte, um dem strafbaren Verhalten entgegenzuwirken. Zudem habe die T GmbH die Situation selbst schuldhaft herbeigeführt, weil sie weder Ende 2011 noch im Jahr 2013 entsprechende Vorkehrungen getroffen habe. Es wäre möglich gewesen, die Generalversammlung zur Fassung der nötigen Beschlüsse aufzufordern.

5.2. Den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Handlungsalternativen halten die mitbeteiligten Parteien entgegen, dass die Stellung eines weiteren Zertifizierungsantrages die Wahl eines anderen Zertifizierungsmodells sowie die Veränderung gesellschaftsrechtlicher Strukturen erfordert hätte, wofür wiederum Zeit benötigt werde. Eine bloße Umstrukturierung der T GmbH hätte nichts am konsenslosen Betrieb geändert und wäre demnach keine Handlungsalternative zur Einstellung des Betriebes gewesen. Das (von der Revisionswerberin angesprochene) Herbeiführen von Gesellschafterbeschlüssen habe nicht vor der Abweisung des (ersten) Zertifizierungsantrages erfolgen können.

5.3. Das Verwaltungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine sofortige Betriebseinstellung (unmittelbar nach Eintritt der Rechtskraft der Abweisung des Zertifizierungsantrags) einen Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 47 GWG 2011 darstellen würde, dem zufolge die beabsichtigte Einstellung des Betriebes drei Monate vorab anzuzeigen ist. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf das dahinter stehende Ziel der Gewährleistung der Versorgungssicherheit den hohen Stellenwert der Betriebspflicht betonte.

5.4. Zu prüfen ist allerdings die Handlungsalternative der Stellung eines weiteren Zertifizierungsantrags.

Das Verwaltungsgericht legte seiner Auffassung zum Vorliegen einer Pflichtenkollision die Annahme zugrunde, in einer Situation wie der vorliegenden (Abweisung eines Zertifizierungsantrags) könne einzig die Einstellung des Betriebes ein rechtskonformes Verhalten bewirken. Dem Verwaltungsgericht ist zuzugestehen, dass die Strafnorm des § 161 Z 3 zweiter Fall GWG 2011 ihrem Wortlaut nach auf das Führen des Betriebes des Fernleitungsnetzes ohne Zertifizierung abstellt. Allerdings hätte die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung zur Folge, dass jeder Fernleitungsnetzbetreiber nur einmal straffrei die Zertifizierung beantragen könnte. Zwar wäre ein Fernleitungsnetzbetreiber im Fall der Abweisung seines Zertifizierungsantrags nicht daran gehindert, einen weiteren Antrag auf Zertifizierung zu stellen. Allerdings müsste er diesfalls damit rechnen, dass es auf Grund der Fortführung des Betriebes ohne Zertifizierung (jedenfalls nach Ablauf der drei Monate, die zwischen der Erstattung einer Anzeige nach § 47 GWG 2011 und der Einstellung des Betriebes verstreichen müssen) zur Verhängung einer Geldstrafe kommt. Eine derartige Zielsetzung, nämlich den Fernleitungsnetzbetreiber im Fall der Abweisung seines ersten Zertifizierungsantrags zur Einstellung seines Betriebes anzuhalten und ihm keine praktikable Möglichkeit einzuräumen, durch einen weiteren - inhaltlich abweichenden - Antrag seine Zertifizierung zu erlangen, lässt sich weder dem System des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 entnehmen (zumal das Gesetz ausdrücklich mehrere unterschiedliche Entflechtungsmodelle vorsieht) noch wäre es dem im Gesetz normierten (siehe insbesondere § 4 Z 4 GWG 2011) Ziel der Gewährleistung (bzw. Verbesserung) der Versorgungssicherheit zuträglich.

Daher ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass die sich im ersten Fall dieser Bestimmung niederschlagende Grundregel, wonach bei Stellung eines Antrags auf Zertifizierung keine Strafbarkeit (jedenfalls nach diesem Tatbestand) besteht, ebenso für die Auslegung des zweiten Falles heranzuziehen ist. Auch wenn der zweite Tatbestand des § 161 Z 3 GWG 2011 seinem Wortlaut nach nur auf das Führen des Betriebes ohne Zertifizierung abstellt, ist dies angesichts des Gesamtzusammenhangs der Regelung dahin zu verstehen, dass dieser Tatbestand dann nicht (mehr) erfüllt ist, wenn ein weiterer Antrag auf Zertifizierung gestellt wurde. Die gegenteilige Auffassung würde - wie dargelegt - die dem Gesetz nicht zu unterstellende Konsequenz nach sich ziehen, dass ein Fernleitungsnetzbetreiber, dessen Zertifizierungsantrag einmal abgewiesen wurde, um straffrei zu bleiben, die Einstellung des Betriebes in die Wege leiten müsste.

5.5. Die mitbeteiligten Parteien weisen zutreffend darauf hin, dass die - für die Stellung eines weiteren Zertifizierungsantrags nach Abweisung des ersten diesbezüglichen Antrags erforderliche - Wahl eines anderen "Entflechtungsmodells" (nach den §§ 108 bis 117 GWG 2011) und die Veränderungen in den gesellschaftsrechtlichen Strukturen Zeit benötigen. Hingewiesen sei auch auf die Regelung des § 119 Abs. 3 letzter Satz GWG 2011, wonach die zur Beurteilung des Sachverhaltes erforderlichen Unterlagen der Eingabe beizuschließen und demnach entsprechend vorzubereiten seien. Eine Strafbarkeit unmittelbar nach Eintritt der Rechtskraft des (den Antrag auf Zertifizierung) abweisenden Bescheides wäre nach Ansicht der mitbeteiligten Parteien daher unsachlich.

5.6. Ob ein Fernleitungsnetzbetreiber in einer Situation wie der vorliegenden binnen angemessener Frist adäquate Schritte gesetzt hat, die einen Ausschluss der Strafbarkeit (fallbezogen:

durch Stellung eines weiteren Zertifizierungsantrags oder durch Einstellung des Betriebes) zum Ziel haben, wäre nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen des Verschuldens zu berücksichtigen.

Das Verwaltungsstrafgesetz gibt keine Definition der Schuldform Fahrlässigkeit. Zur Auslegung dieses Begriffes kann aber auf die Bestimmungen des StGB zurückgegriffen werden. Die Außerachtlassung der objektiv gebotenen und subjektiv möglichen Sorgfalt kann dem Täter im Sinn des § 6 Abs. 1 StGB nur dann vorgeworfen werden, wenn es ihm unter dem besonderen Verhältnis des Einzelfalles auch zuzumuten war, sie tatsächlich aufzuwenden. Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass der dafür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist; Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in der Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der Täter folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2008, 2008/09/0117, mwN).

Ausgehend davon wäre im vorliegenden Fall zu prüfen gewesen, ob und ab wann die Stellung eines neuerlichen Zertifizierungsantrags zumutbar bzw. möglich gewesen wäre und inwieweit die mitbeteiligten Parteien Maßnahmen zur Stellung eines weiteren Zertifizierungsantrags (bzw. allenfalls zur Erstattung einer Anzeige nach § 47 GWG 2011) in die Wege geleitet haben (siehe zur Prüfung, wie rasch ein pflichtgemäßes Verhalten (dort:

die Einrichtung eines Kontrollsystems durch einen neuen Geschäftsführer) zumutbar ist sowie die dabei zu berücksichtigenden Umstände das zitierte Erkenntnis 2008/09/0117). Der Umstand, dass im Fall einer Anzeige nach § 47 GWG 2011 der Betrieb noch für drei Monate aufrechterhalten werden und daher straffrei sein muss, bedeutet nämlich umgekehrt nicht, dass drei Monate keine Aktivitäten jeglicher Art gesetzt werden müssen.

Soweit die Revisionswerberin diesbezüglich ins Treffen führt, die (Organe der) T GmbH hätten die vorliegende Situation schuldhaft herbeigeführt, ist Folgendes anzumerken: Da der behauptete Verstoß zum Zeitpunkt 3. März 2012 nicht verfahrensgegenständlich ist, lässt eine allfällige Untätigkeit der mitbeteiligten Parteien Ende 2011 keine Rückschlüsse auf die Vorwerfbarkeit des Verhaltens im Jahr 2013 zu. Der Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht der Ansicht, dass die mitbeteiligten Parteien - bezogen auf den Beginn des mutmaßlich strafbaren Verhaltens Ende März/Anfang April 2013 - die Verwirklichung des Straftatbestandes durch das Herbeiführen von Gesellschafterbeschlüssen oder andere Vorkehrungen hätte verhindern können und sie die Situation somit selbst schuldhaft herbeigeführt hätten. Es ist keine Regelung ersichtlich, die einen Fernleitungsnetzbetreiber während eines anhängigen Zertifizierungsverfahrens dazu verpflichten würde, Vorkehrungen für den Fall der Abweisung seines Antrags zu treffen, um diesfalls unmittelbar nach Eintritt der Rechtskraft des abweisenden Bescheides einen neuen Antrag stellen zu können. Davon losgelöst ist aber - wie dargestellt - die Verpflichtung zu sehen, nach Rechtkraft der Abweisung Schritte zur Herbeiführung des gesetzmäßigen Zustandes zu setzen.

Gegen eine sofortige Strafbarkeit unmittelbar nach Eintritt der Rechtskraft des den Antrag auf Zertifizierung abweisenden Bescheides spricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Übrigen auch die Regelung des § 148 Abs. 4 und 5 GWG 2011. Nach § 148 Abs. 4 GWG 2011 kann die E-Control einem Verpflichteten die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes auftragen, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass auch ohne Straferkenntnis ein rechtskonformes Verhalten erfolgen wird. Nach § 148 Abs. 5 GWG 2011 ist der Verpflichtete nicht zu bestrafen, wenn er den gesetzmäßigen Zustand innerhalb der gesetzten Frist herstellt, woraus abzuleiten ist, dass eine Bestrafung während einer noch laufenden Frist nicht zu erfolgen hat. Im Fall der Abweisung eines (ersten) Zertifizierungsantrags bietet die bloße Weiterführung des Betriebes ohne Zertifizierung im Hinblick auf die in § 47 GWG 2011 vorgeschriebene Betriebspflicht für sich genommen keinen Grund zur Annahme, ohne Straferkenntnis werde kein rechtskonformes Verhalten (insbesondere keine neuerliche Antragstellung) erfolgen, weshalb die Voraussetzungen des § 148 Abs. 4 GWG 2011 als erfüllt anzusehen wären.

5.7. Indem das Verwaltungsgericht auf Grund der Verkennung der Rechtslage die oben dargestellte Prüfung unterlassen hat, hat es die angefochtenen Erkenntnisse mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

6. Somit waren die angefochtenen Erkenntnisse gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 16. März 2016

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