VwGH Ra 2014/02/0059

VwGHRa 2014/02/00599.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und den Hofrat Dr. Lehofer sowie die Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der B H in G, vertreten durch die Holter - Wildfellner Rechtsanwälte OG in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 8. Mai 2014, Zl. LVwG-AM-13-0113, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §37;
AVG §46;
StVO 1960 §97 Abs5;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Revisionswerberin wegen einer am 26. November 2012 auf der Autobahn A1 im Gemeindegebiet Wolfsbach begangenen Geschwindigkeitsübertretung bestraft. Die Revisionswerberin habe die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten, indem sie mit einer Geschwindigkeit von 127 km/h nach Abzug von 5% Messtoleranz gefahren sei.

5 In der Zulässigkeitsbegründung ihrer Revision bringt die Revisionswerberin vor, es existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur dogmatischen Einordnung des Geschwindigkeitstrichters gemäß § 97 Abs. 5 StVO. Dies sei "für die Frage des Fehlerkalküls" von wesentlicher Bedeutung. Werde ein Geschwindigkeitstrichter verhängt, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlägen, stelle sich die Frage "nach der Wirksamkeit des Geschwindigkeitstrichters bzw. die Frage, wie dieser Geschwindigkeitstrichter zu bekämpfen" sei. Weiters sei es für die Frage von Bedeutung, unter welche Strafnorm die Verletzung eines Geschwindigkeitstrichters zu subsumieren sei, sowie für das Vorliegen der Verfolgungsverjährung bzw. die Umschreibung des Tatvorwurfes gemäß § 44a VStG. Das Verwaltungsgericht sei der unrichtigen Ansicht, dass die Verletzung eines Geschwindigkeitstrichters eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit gemäß § 99 Abs. 2d StVO darstelle. Der Begriff der Höchstgeschwindigkeit sei in § 20 Abs. 2 StVO geregelt; ein Verweis auf § 97 Abs. 5 StVO sei dort nicht gegeben. Die Revisionswerberin habe darüberhinaus die Anordnung des Geschwindigkeitstrichters an sich sowie dessen Berechtigung bestritten; die diesbezüglichen Beweisanträge seien unerledigt geblieben.

6 Zur Frage der Abgrenzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen durch Verordnung der Behörde (§§ 43, 44 StVO) gegenüber der Anordnung von aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen durch Organe der Straßenaufsicht (§ 97 Abs. 5 StVO, sog. Geschwindigkeitstrichter) ist auf das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2009, 2008/02/0051, zu verweisen. In diesem Erkenntnis sprach der Verwaltungsgerichtshof ua. Folgendes aus:

"Während der Kundmachung - etwa einer Geschwindigkeitsbeschränkung - gemäß § 44 StVO eine Verordnung nach § 43 StVO zugrundeliegen muss, sind bei den in § 97 Abs. 5 StVO angeführten Amtshandlungen die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen anzuordnen und durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen. An die Stelle der einer Kundmachung gemäß § 44 StVO zu Grunde liegenden Verordnung tritt demnach die ‚Anordnung' des Organes der Straßenaufsicht verbunden mit der Kundmachung durch Straßenverkehrszeichen."

Die von der Revisionwerberin hinsichtlich der "dogmatischen Einordnung" eines Geschwindigkeitstrichters gemäß § 97 Abs. 5 StVO behauptete wesentliche Rechtsfrage ist für den Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles nicht ersichtlich: Wenn die Revision in diesem Zusammenhang - unkonkret - vorbringt, es stelle sich die Frage nach der Wirksamkeit bzw. Bekämpfbarkeit eines gemäß § 97 Abs. 5 StVO angeordneten Geschwindigkeitstrichters (zumal die Revisionswerberin im Verfahren bestritten habe, dass überhaupt Amtshandlungen durchgeführt worden seien, bzw. diese die verhängten Verkehrsbeschränkungen erfordert hätten) ist sie darauf zu verweisen, dass der bekämpften Entscheidung ua. das dem Verwaltungsgericht am 25. März 2014 von der Landespolizeidirektion Niederösterreich vorgelegte Einsatzprotokoll betreffend den Verkehrskontrollplatz Haag zugrunde lag, aus welchem sich ua. die Ausleitzeit von 25. November 2012, 21:27 Uhr, bis 26. November 2012, 1:24 Uhr, ergibt. Laut Verhandlungsprotokoll der vor dem Verwaltungsgericht am 14. April 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter der Revisionswerberin eine Kopie ua. dieses Einsatzprotokolles ausgefolgt. Soweit die Revision auf das Bestreiten im Verwaltungsverfahren verweist, dass die verhängten Verkehrsbeschränkungen erforderlich gewesen seien, ist weiters darauf hinzuweisen, dass dieses allgemeine Vorbringen im vorliegenden Fall auf einen unzulässigen, weil auf Mutmaßungen basierenden, Erkundungsbeweis hinausgelaufen ist, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht im konkreten Fall nicht verpflichtet war (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1999, 98/02/0114, vom 30. März 2001, 2000/02/0255, vom 20. April 2004, 2003/02/0243, vom 27. Februar 2007, 2007/02/0018 oder vom 15. Oktober 2013, 2009/02/0377). Das Verwaltungsgericht selbst hat sich darüberhinaus im bekämpften Erkenntnis mit der Frage der Notwendigkeit der verhängten Verkehrsbeschränkung in einer nicht zu beanstandenden Weise auseinandergesetzt.

Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung die gegenständliche Revision abhänge, vermag die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung damit daher nicht aufzuzeigen.

7 Die Revisionswerberin erblickt die Zulässigkeit der Revision weiters darin, dass das Verwaltungsgericht unrichtigerweise davon ausgegangen sei, dass die Verletzung eines Geschwindigkeitstrichters eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit gemäß § 99 Abs. 2d StVO darstelle. Sie übersieht damit, dass die genannte Strafnorm aufgrund der Tatsache zur Anwendung gelangte, dass die am Tatort geltende Höchstgeschwindigkeit durch die Revisionswerberin um mehr als 30 km/h überschritten wurde:

Gemäß § 52 lit. a Z 10a StVO zeigt das Zeichen "Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Gemäß § 48 Abs. 1a StVO können für Straßenverkehrszeichen auch optische (Glasfasertechnik) oder elektronische Anzeigevorrichtungen verwendet werden; in diesem Falle können die Straßenverkehrszeichen abweichend von den Abbildungen in den §§ 50 und 52 auch "farbumgekehrt" (der weiße Untergrund schwarz und die schwarzen Symbole sowie die schwarze Schrift weiß) dargestellt werden.

Gemäß § 48 Abs. 2 StVO sind Gefahrenzeichen und Vorschriftszeichen auf Autobahnen auf beiden Seiten oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, ausgenommen auf Streckenteilen, die in der jeweiligen Fahrtrichtung nur einen Fahrstreifen aufweisen, oder in Gegenverkehrsbereichen.

Gemäß § 99 Abs. 2d StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 70 bis 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis zu sechs Wochen, zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet. Im gegenständlichen Fall wurde die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h aufgrund einer Anordnung gemäß § 97 Abs. 5 StVO durch Überkopf-Geschwindigkeitsbeschränkungen gemäß § 48 Abs. 1a iVm § 48 Abs. 2 StVO kundgemacht. Ab dem Standort des Zeichens Geschwindigkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) ist das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, verboten (§ § 52 lit. a Z 10a StVO).

Die Revisionswerberin fuhr - unstrittig - am angelasteten Tatort mit einer Geschwindigkeit von 127 km/h (abzüglich 5% Messtoleranz). Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, dass damit die am Tatort geltende Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 30 km/h überschritten wurde weil die Strafnorm des § 99 Abs. 2d StVO zur Anwendung zu gelangen hatte, ist daher nicht zu beanstanden.

8 Insgesamt werden in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 9. September 2016

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