Normen
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8;
FSG 1997 §24 Abs4;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §8;
Spruch:
Der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses wird abgeändert und lautet:
"Der Beschwerde wird insoweit Folge gegeben, als im angefochtenen Bescheid vom 14. April 2015 der Satzteil 'bei der Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B festgestellt wird' entfällt. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen."
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit im Instanzenzug ergangenem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) vom 12. Jänner 2015 wurde der Revisionswerber "gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, sich bis 27. Februar 2015 amtsärztlich untersuchen zu lassen, ob seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B noch gegeben ist". Eine Revision dagegen wurde (nachdem der Verwaltungsgerichtshof einem diesbezüglichen Antrag auf Verfahrenshilfe nicht stattgegeben hatte) offenbar nicht erhoben.
1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. April 2015 wurde dem Revisionswerber die genannte Lenkberechtigung "ab Zustellung des Bescheides bis zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung, bei der Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B festgestellt wird", gemäß § 24 Abs. 4 FSG entzogen. Einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen den genannten Bescheid erhobene (wenngleich es dessen Datum offenbar irrtümlich falsch bezeichnete) Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG ab. Weiters wurde ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Revisionswerber unstrittig der genannten rechtskräftigen Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung nicht entsprochen habe. Schon deshalb komme der Beschwerde kein Erfolg zu. Ein Eingehen auf die bereits rechtskräftig entschiedene Frage, ob die Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung rechtens gewesen sei, sei unzulässig. Der angefochtene Bescheid sei somit ohne Durchführung einer Verhandlung, die zu keiner weiteren Klärung der Rechtssache geführt hätte, zu bestätigen gewesen.
1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Revisionswerber führt zur Zulässigkeit der Revision zusammengefasst aus, die gegenständliche Formalentziehung der Lenkberechtigung verstoße gegen § 24 Abs. 4 FSG und die dazu ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der "Entzug der Lenkberechtigung zwar bis zur Befolgung der Anordnung, mich amtsärztlich untersuchen zu lassen, gesetzliche Deckung finden würde". Jedoch gehe die gegenständliche Entziehung darüber hinaus, nämlich bis zu einer amtsärztlichen Untersuchung, "bei der die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B festgestellt wird". Das komme einer Anordnung, ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen bzw. beizubringen, gleich, die nach der geltenden Rechtslage nicht rechtens sei (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2010, Zl. 2007/11/0265, und vom 13. August 2004, Zl. 2004/11/0063).
In den Revisionsgründen bleibt unbestritten, dass der Revisionswerber der im Erkenntnis vom 12. Jänner 2015 ausgesprochenen Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung nicht entsprochen hat. Gegen die nunmehrige Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bis zu einer amtsärztlichen Untersuchung mit einem positiven Ergebnis bringt die Revision vor, damit werde dem Revisionswerber im Falle eines negativen amtsärztlichen Gutachtens die Möglichkeit genommen, in einem Verwaltungsverfahren das Vorliegen seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen darzutun. Ein solches Verfahren fände beim gegenständlich bekämpften Spruch nämlich gar nicht statt, weil die Entziehung nach dem Spruch ohne weitere Entscheidung bis zu einem positiven amtsärztlichen Gutachten aufrecht bliebe.
1.4. In der Revisionsbeantwortung führt die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass mit dem Beisatz "bei der Ihre
gesundheitliche Eignung ... festgestellt wird", lediglich der
Gegenstand der amtsärztlichen Untersuchung, der sich der Revisionswerber zu unterziehen habe, konkretisiert werde. Keinesfalls werde im Spruch des Bescheides das Vorliegen eines positiven ärztlichen Gutachtens gefordert.
Der Revisionswerber erstattete dazu eine Replik.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Revision ist zulässig, weil, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, der vom Verwaltungsgericht bestätigte Spruch des Bescheides vom 14. April 2015 mit § 24 Abs. 4 FSG und der dazu ergangenen hg. Rechtsprechung nicht im Einklang steht. Sie ist auch begründet.
2.1. Das FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 52/2014, lautet auszugsweise:
"§ 24. ...
(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.
..."
2.2. Mit Bezug auf die Revisionsbeantwortung ist festzuhalten, dass die Lenkberechtigung des Revisionswerbers nach dem Spruch des Bescheides vom 14. April 2015 gemäß § 24 Abs. 4 FSG "ab Zustellung des Bescheides bis zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung, bei der Ihre gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM und B festgestellt wird", entzogen wurde. Nach dem klaren Wortlaut dieses Spruches endet die Entziehung der Lenkberechtigung nicht schon in dem Zeitpunkt, in dem sich der Revisionswerber der amtsärztlichen Untersuchung unterzieht, sondern erst mit der ("bis zur") Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung, "bei der Ihre
gesundheitliche Eignung ... festgestellt wird", also erst bei
Vorliegen eines bestimmten Untersuchungsergebnisses. Eine Umdeutung dieses Spruches im Sinne des Vorbringens in der Revisionsbeantwortung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil entsprechende Ausführungen in der Begründung des genannten Bescheides, die allenfalls zur Auslegung des Spruches heranzuziehen wären, fehlen.
2.3. Der Wortlaut des zitierten § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG zeigt, dass als Rechtsfolge der Nichtbefolgung einer rechtskräftigen Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die Entziehung der Lenkberechtigung (sog. Formalentziehung) "bis zur Befolgung der Anordnung" zu erfolgen hat, nach dem ersten Halbsatz dieses Satzes, somit bis zum Zeitpunkt der amtsärztlichen Untersuchung. Das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung ist daher - soweit es um die hier in Rede stehende "Formalentziehung" geht - rechtlich nicht von Bedeutung.
Im hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2006/11/0233, heißt es dazu:
"Ein allfälliger 'negativer' Inhalt des Gutachtens, also eine Verneinung der notwendigen gesundheitlichen Eignung, kann die 'Formalentziehung' nicht rechtfertigen, ist doch der Zweck des § 24 Abs. 4 letzter Satz FSG, die notwendige Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens zu gewährleisten, auch in diesem Fall erfüllt. Allerdings wäre bei Vorliegen eines - schlüssig begründeten - Gutachtens, das die gesundheitliche Eignung des Betreffenden verneint, die Lenkberechtigung wegen Nichtvorliegens der gesundheitlichen Eignung zu entziehen."
2.4. Soweit sich die Revision gegen das Unterbleiben einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wendet (der Revisionswerber sei im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht unvertreten gewesen und habe daher von der Notwendigkeit, eine Verhandlung zu beantragen, keine Kenntnis gehabt), ist zu entgegnen, dass es gegenständlich aufgrund der Unstrittigkeit des Sachverhalts nur um die Klärung der Rechtsfrage ging, nämlich die Rechtsfolge der Verweigerung der amtsärztlichen Untersuchung, die - wie die Revision selbst aufzeigt - bereits im FSG präzise vorgegeben ist. Daher ist das gegenständliche Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung auch vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2013, Zl. 2013/04/0005, mit Verweis auf die Judikatur des EGMR) nicht als rechtswidrig zu erkennen.
3. Da im vorliegenden Fall der Sachverhalt geklärt und die Sache nach dem Gesagten entscheidungsreif ist und überdies die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, konnte gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache entschieden und das angefochtene Erkenntnis spruchgemäß abgeändert werden, indem der rechtswidrige Satzteil gestrichen wird.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 2. Oktober 2015
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