VwGH Ra 2014/17/0042

VwGHRa 2014/17/004218.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Revisionen der U in G, vertreten durch Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Dr. Helmut Klement und Dr. Judith Kolb, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Zimmerplatzgasse 13, gegen 1. den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2014, W107 2003275-1/7E, betreffend Aussetzung des Verfahrens in einer Angelegenheit gemäß § 4 Abs 11 VAG bezüglich "Arbeitnehmerschutzbriefe" (hg Ra 2014/17/0042), und 2. den Bescheid der Finanzmarktaufsicht vom 16. Oktober 2013, FMA-UB0001.200/0015-BUG/2013, betreffend Auftrag gemäß § 22d FMABG bezüglich "Arbeitnehmerschutzbriefe" (hg Ro 2014/17/0062), den Beschluss

Normen

VerG 2002 §27;
VerG 2002 §28 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2;
VerG 2002 §27;
VerG 2002 §28 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §58 Abs2;

 

Spruch:

gefasst:

Die Revisionen werden als gegenstandslos geworden erklärt und die Verfahren eingestellt.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen Bescheid trug die Finanzmarktaufsicht der revisionswerbenden Partei auf, den Abschluss von "Arbeitnehmerschutzbriefen" unter Zugrundelegung der "Versicherungsbedingungen - Arbeitnehmerschutzbrief" (lt Beilage ./1), zu unterlassen, sowie die bereits unter diesen Bedingungen abgeschlossenen Verträge zu beenden. Bei Nichtbefolgung der aufgetragenen Verpflichtungen werde über die revisionswerbende Partei eine Zwangsstrafe von EUR 100.000,-- verhängt.

Die revisionswerbende Partei sei ein eingetragener Verein mit Sitz in Graz und biete sogenannte "Arbeitnehmerschutzbriefe" an, die laut ihrer Homepage die Unterstützung von Arbeitnehmern in Österreich gegen die finanziellen Folgen einer unverschuldeten Arbeitslosigkeit, einer Arbeitsunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen und Tod bezwecke. Es bestehe der begründete Verdacht, die revisionswerbende Partei betreibe Versicherungsgeschäfte ohne die dafür erforderliche Konzession oder sonstige Berechtigung gemäß § 110 Abs 1 Z 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) zu besitzen. Die angeordnete Unterlassung sowie die Beendigung bereits abgeschlossener Verträge seien notwendige Maßnahmen, um den unerlaubten Geschäftsbetrieb einzustellen.

Gegen diesen Bescheid erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 20. Februar 2014, B 1471/2013-13, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (hg Ro 2014/17/0062).

Im an den Verwaltungsgerichtshof adressierten ergänzenden Schriftsatz machte die revisionswerbende Partei inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Versorgungsplan "Arbeitnehmerschutzbrief" sei kein Versicherungsprodukt und bedürfe daher keiner Konzession nach den Bestimmungen des VAG, weil dieser keine wechselseitige Leistungsverpflichtung begründe.

2. Am 7. Juni 2013 veröffentlichte die FMA im Amtsblatt der Wiener Zeitung sowie auf ihrer Homepage die Warnung, dass der beschwerdeführende Verein zum Betrieb einer Vertragsversicherung nicht berechtigt sei (§ 4 Abs 11 VAG, sog Investorenwarnung).

Mit Bescheid vom 14. Jänner 2014 bestätigte die FMA die Rechtmäßigkeit der Investorenwarnung.

Dagegen erhob der beschwerdeführende Verein Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit dem angefochtenen Beschluss setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren über die Beschwerde aus. Die vom Verwaltungsgerichtshof im bereits anhängigen Verfahren zu Ro 2014/17/0062 zu beantwortenden Frage, ob der Abschluss der "Arbeitnehmerschutzbriefe" tatsächlich der Konzessionspflicht nach dem VAG unterliege, stelle eine Vorfrage zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Investorenwarnung dar. Es müsse daher der Ausgang des hg Verfahrens abgewartet werden. Die Erhebung der Revision sei mangels einer Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

Gegen diesen Beschluss erhob die revisionswerbende Partei (die als Ra 2014/17/0042 registrierte) Revision, in der sie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machte. Die Rechtsfrage, ob im gegenständlichen Fall ein Versicherungsprodukt vorliege, sei bereits auf Grund einer Entscheidung des OLG Graz, GZ 5 R 184/13p, geklärt. Somit hätte es keiner Aussetzung bedurft.

3. Mit Schreiben vom 19. März 2015 legte die Finanzmarktaufsicht einen Auszug aus dem Vereinsregister vom 18. März 2015 vor. Aus diesem geht hervor, dass sich die revisionswerbende Partei zum Stichtag 31. Dezember 2014 freiwillig aufgelöst hat, was durch einen hg eingeholten Vereinsregisterauszug vom 9. September 2015 bestätigt wurde.

Mit Schriftsatz vom 30. September 2015 teilte die rechtsfreundliche Vertretung der revisionswerbenden Partei mit, dass auf Grund der Auflösung der revisionswerbenden Partei kein rechtliches Interesse an einer weiteren Rechtsverfolgung mehr bestehe.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der beiden Revisionen zur gemeinsamen Entscheidung über deren Zulässigkeit erwogen:

Zur Revision Ro 2014/17/0062 ist zunächst anzumerken, dass die Abtretung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erst mit Beschluss dieses Gerichtshofes vom 20. Februar 2014, B 1471/2013-13, erfolgte. Daher ist § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG) analog anzuwenden. Die abgetretene Beschwerde gilt daher als Revision, die gemäß § 4 Abs 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl Nr 10/1985, in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung zu behandeln ist. Da sich die Revision gegen einen Bescheid einer anderen als der im zweiten Satz des § 4 Abs 5 VwGbk-ÜG genannten Verwaltungsbehörde richtet, gelten nicht die Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG (§ 4 Abs 5 sechster Satz VwGbk-ÜG; vgl VwGH vom 30. Juni 2015, Ro 2014/17/0066).

Im Hinblick auf die zum 31. Dezember 2014 erfolgte freiwillige Auflösung des revisionswerbenden Vereins ist zu prüfen, ob diesem noch Rechtspersönlichkeit zukommt und ob bzw mit wem bei einem Wegfall dieser Rechtspersönlichkeit die gegenständlichen Revisionsverfahren fortzuführen sind.

Gemäß § 27 Vereinsgesetz 2002, BGBl I Nr 66/2002, endet die Rechtspersönlichkeit eines Vereins mit der Eintragung seiner Auflösung im Vereinsregister; ist eine Abwicklung erforderlich, verliert er seine Rechtsfähigkeit jedoch erst mit Eintragung ihrer Beendigung.

Der Verein hat nach § 28 Abs 2 Vereinsgesetz 2002 der Vereinsbehörde das Datum der freiwilligen Auflösung und, falls Vermögen vorhanden ist, das Erfordernis der Abwicklung sowie den Namen und andere Daten des allenfalls bestellten Abwicklers mitzuteilen. In einem solchen Fall wird gemäß § 30 Abs 1 Vereinsgesetz 2002 der aufgelöste Verein durch den Abwickler vertreten. Im Fall der Notwendigkeit einer Nachtragsabwicklung lebt der Verein vorübergehend wieder auf und es ist nach § 30 Abs 6 iVm § 29 Abs 3 und 4 Vereinsgesetz 2002 vorzugehen.

Die Revisionen wurden von einem Verein erhoben, dessen Auflösung nach Erhebung der vorliegenden Revisionen im Vereinsregister eingetragen wurde. Die Eintragung der Auflösung im Vereinsregister ist konstitutiv (vgl Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine4 360 f). Im Beschwerdefall gibt es keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Vermögen, sodass das Erfordernis einer Abwicklung nicht ersichtlich ist. Es wurde auch vom Gericht kein Abwickler bestellt. Darüber hinaus hat die (vormalige) rechtsfreundliche Vertretung des revisionswerbenden Vereins die Stellungnahme abgegeben, dass kein rechtliches Interesse an einer weiteren Rechtsverfolgung bestehe. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit des aufgelösten Vereins nicht mit 31. Dezember 2014 geendet hätte.

Nach dem Wegfall der Rechtspersönlichkeit des revisionswerbenden Vereins (ohne dass ein Fall der Rechtsnachfolge vorläge) fehlt es nunmehr an einer revisionswerbenden Person, weswegen die Verfahren über die Revisionen nicht fortgeführt werden können. Es war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG die Gegenstandslosigkeit der Revisionen auszusprechen und das Verfahren einzustellen (vgl VwGH vom 26. Februar 2003, 98/17/0185).

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 1 VwGG Abstand genommen werden.

Ein Kostenzuspruch kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil kein Rechtssubjekt vorhanden ist, sodass § 58 Abs 2 VwGG nicht anwendbar ist (vgl wieder VwGH vom 26. Februar 2003, 98/17/0185).

Wien, am 18. November 2015

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