VwGH Ra 2014/07/0067

VwGHRa 2014/07/006726.3.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft in 1010 Wien, Stubenring 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. Juli 2014, LVwG-550158/12/Kü/AK, betreffend Aufhebung eines abfallwirtschaftsrechtlichen Auftrags (belangte Behörde:

Bezirkshauptmannschaft Linz-Land; mitbeteiligte Partei: M GmbH in S), zu Recht erkannt:

Normen

32008L0098 Abfall-RL Art3 Z6;
32008L0098 Abfall-RL;
AVG §66 Abs4;
AWG 2002 §15 Abs3;
AWG 2002 §15 Abs5a idF 2011/I/009;
AWG 2002 §15 Abs5b idF 2011/I/009;
AWG 2002 §15;
AWG 2002 §73 Abs1 Z1;
AWG 2002 §73 Abs1;
AWG 2002 §73;
AWG 2002 §87a;
AWGNov 2010;
B-VG Art7 Abs1 impl;
EURallg;
MRK Art6;
VwGG §39 Abs2 Z6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §9;
VwRallg;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §138;
WRG 1959 §31 Abs1;
WRG 1959 §31 Abs3;
WRG 1959 §31;
WRG 1959 §32;
WRG 1959 §39 Abs1;
WRG 1959 §41 Abs2;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz - Land (im Folgenden: BH) vom 12. November 2013 wurde der Mitbeteiligten aufgetragen, die auf einem näher bezeichneten, nicht in ihrem Eigentum stehenden Grundstück abgelagerten Abbruchbaurestmassen bis spätestens 30. November 2013 einem zur Sammlung oder Behandlung derartiger Abfälle Befugten zu übergeben und der BH bis spätestens 1. Dezember 2013 unaufgefordert einen Entsorgungsnachweis zu übermitteln.

Als Rechtsgrundlage wurde § 73 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG 2002) herangezogen und begründend ausgeführt, dass die Mitbeteiligte im Zeitraum von Juni 2013 bis September 2013 Abbruchbaurestmassen zu Wiederverwertungs-/bzw. Baumaßnahmen an den Eigentümer der betroffenen Liegenschaft geliefert habe. Im Gutachten des abfalltechnischen Amtssachverständigen vom 25. September 2013 sei - nach Durchführung eines Lokalaugenscheines am 23. September 2013 - festgestellt worden, dass in den Abbruchbaurestmassen auch eine relevante Menge sogenannter nicht mineralischer Bauwerkbestandteile enthalten sei, weshalb das angelieferte Material als Abfall iSd § 2 AWG 2002 einzustufen sei. Es sei nicht zulässig, die angegebenen Abbruchbaurestmassen auf diesem Grundstück zu lagern, da dafür keine Bewilligung zur Lagerung vorliege bzw. das Grundstück auch keinen dafür geeigneten Ort darstelle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung, in der sie die Ansicht vertrat, dass die bescheidmäßig ausgesprochene Aufforderung an den Veranlasser der Lagerung, nämlich den Liegenschaftseigentümer, zu richten sei, da sie selbst lediglich als Transporteurin der gegenständlichen Abbruchbaurestmassen fungiert habe.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) führte in dieser Angelegenheit am 23. April 2014 eine mündliche Verhandlung durch. In dieser verwies der Geschäftsführer der mitbeteiligten Partei darauf, dass diese vom Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft beauftragt worden sei, für ein Bauvorhaben (geplante Kompostierungsanlage) Bauschutt zu liefern. Er habe den Liegenschaftseigentümer darauf hingewiesen, dass dieser für sein Vorhaben der Befestigung der Liegenschaft mit Baurestmassen eine Genehmigung benötige und dass der Bauschutt gebrochen und untersucht werden müsse. Aus dem am 2. Mai 2013 gelegten Anbot seien Erdarbeiten ersichtlich; ebenso sei daraus ersichtlich, dass die Genehmigung und die Zertifizierung für den Bauschutt bauseits und zwar vom Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft zu erledigen sei. Das Anbot sei mündlich angenommen worden und es hätten in der Zeit vom Juni bis September 2013 Materialanlieferungen stattgefunden.

Dabei habe die Mitbeteiligte bei den einzelnen Abbruchvorhaben vor Ort bereits Holz, Eisen, Kunststoff und Sperrmüll von den Baurestmassen getrennt; zum Liegenschaftseigentümer seien nur Beton, Bauschutt und kleine Reste von sonstigen Materialien geliefert worden. Die genaue Lagerung auf dem Grundstück habe der Liegenschaftseigentümer vorgegeben. Die Arbeiten der Mitbeteiligten seien Abbrucharbeiten, dann die Entsorgung von verschiedenen Abfällen, außer den Baurestmassen und eben der Transport der Baurestmassen zum Liegenschaftseigentümer gewesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 15. Juli 2014 gab das LVwG der Beschwerde Folge und behob den angefochtenen Bescheid. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision wurde ausgeschlossen.

Das LVwG befasste sich mit der Bestimmung des § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002, wonach als Verpflichteter eines Behandlungsauftrages nach § 73 AWG 2002 jedenfalls derjenige anzusehen sei, der eine Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 1 Abs. 3 AWG 2002 zu verantworten habe sowie derjenige, der Abfälle entgegen dem § 15 Abs. 3 AWG 2002 sammle, lagere oder behandle. Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. November 2012, 2009/07/0118, vertrat das LVwG die Ansicht, § 73 AWG 2002 habe den Verursacher eines gesetzwidrigen Zustandes im Auge. Als Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens sei festzustellen, dass die Mitbeteiligte nicht Auftraggeberin der Lagerung der Abbruchbaurestmassen auf dem gegenständlichen Grundstück und damit auch für diese entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 erfolgte Lagerung nicht verantwortlich sei.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision führte das LVwG aus, es seien keine Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen, denen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehle es an einer solchen. Weiter sei die dazu vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen, und es lägen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Amtsrevision macht der Revisionswerber geltend, die Revision sei zulässig, da das LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgegangen sei bzw. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Das LVwG führe für seinen Rechtsstandpunkt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2012, 2009/07/0118, ins Treffen. Diese Rechtsprechung passe auf den vorliegenden Fall aber nicht, weil sie zum AWG 2002 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 9/2011 ergangen sei. Mit dieser Novelle sei aber eine inhaltliche Änderung dahingehend erfolgt, dass in § 15 AWG 2002 die Absätze 5a und 5b eingefügt worden sei; § 15 Abs. 5b AWG 2002 enthalte einen Verweis auf § 73 AWG 2002. Das LVwG habe eine offenkundig falsche Entscheidung getroffen; eine solche falsche Entscheidung sei jedenfalls revisibel. Schließlich fehle es auch an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Rechtsfrage, wer als Verpflichteter im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 in der Fassung der AWG-Novelle BGBl. I Nr. 9/2011 - also unter Rückgriff auf § 15 Abs. 5b AWG 2002 - anzusehen sei.

Dazu erstattete die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der sie bestritt, dass die Bestimmungen des § 15 Abs. 5a und 5b AWG 2002 auf den gegenständlichen Sachverhalt Anwendung fänden und dass daraus eine Verpflichtetenstellung iSd § 73 Abs. 1 AWG 2002 abgeleitet werden könne. Eine dahingehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle schon deshalb, da aus § 15 Abs. 5a und 5b iVm § 73 Abs. 1 AWG 2002 auf die Verpflichtetenstellung des bloßen Transporteurs denkmöglich nicht geschlossen werden könne. Auch liege im gegenständlichen Fall keine offenkundig falsche Entscheidung des LVwG vor und sei in Entsprechung des Willens des österreichischen, wie auch europäischen Gesetzgebers von einem Vorrang des Verursacherprinzips auszugehen.

In einer Stellungnahme vom 6. November 2014 schloss sich die belangte Behörde den rechtlichen Ausführungen der Amtsrevision an.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

Der Revisionswerber macht zur Zulässigkeit geltend, das LVwG habe offenkundig unrichtig entschieden, da es von der Rechtslage vor der AWG-Novelle BGBl. I Nr. 9/2011 ausgegangen sei. Zur neuen Rechtslage fehle es zudem an Rechtsprechung.

Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist auch berechtigt.

2. Die Bestimmungen der §§ 15 Abs. 1, 3, 5, 5a, 5b sowie 73 Abs. 1 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102/2002, in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 lauten:

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

...

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

  1. 1. hiefür genehmigten Anlagen oder
  2. 2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

    nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

    ...

(5) Ist der Abfallbesitzer zu einer entsprechenden Behandlung nicht berechtigt oder imstande, hat er die Abfälle einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben. Die Übergabe hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden; Abfälle zur Beseitigung sind regelmäßig, mindestens einmal im Jahr, Abfälle zur Verwertung sind regelmäßig, mindestens einmal in drei Jahren, einem zur Sammlung oder Behandlung Berechtigten zu übergeben.

(5a) Der Abfallbesitzer ist dafür verantwortlich, dass

a) die Abfälle an einen in Bezug auf die Sammlung oder Behandlung der Abfallart berechtigten Abfallsammler oder - behandler übergeben werden und

b) die umweltgerechte Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle explizit beauftragt wird.

(5b) Wer Abfälle nicht gemäß Abs. 5a übergibt, kann bis zur vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle als Verpflichteter gemäß § 73 Abs. 1 mit Behandlungsauftrag in Anspruch genommen werden.

Behandlungsauftrag

§ 73. (1) Wenn

1. Abfälle nicht gemäß den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, nach diesem Bundesgesetz erlassenen Verordnungen, nach EG-VerbringungsV oder nach EG-POP-V gesammelt, gelagert, befördert, verbracht oder behandelt werden oder

2. die schadlose Behandlung der Abfälle zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) geboten ist,

hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen dem Verpflichteten mit Bescheid aufzutragen oder das rechtswidrige Handeln zu untersagen."

2.1. Der Liegenschaftseigentümer ist unstrittig kein berechtigter Abfallsammler oder -behandler. Die Mitbeteiligte ist ein Unternehmen, das Abbrucharbeiten, Erdarbeiten und Transporte durchführt. Außer Streit steht, dass die Mitbeteiligte seitens des Liegenschaftseigentümers in Bezug auf Betonabbruchmaterialien bzw. Baurestmassen zur Anschüttung seines Grundstückes (zur Errichtung einer Kompostieranlage) angefragt wurde. Die Mitbeteiligte erstellte daraufhin eine Kostenschätzung und legte ein Anbot, in dem davon die Rede ist, dass der Antransport durch die Mitbeteiligte erfolgen werde, die Genehmigung und "Schuttzertifizierung" hingegen vom Liegenschaftseigentümer bauseits zu erledigen sei. Der Liegenschaftseigentümer erteilte den Auftrag an die Mitbeteiligte, die dann von diversen Baustellen zwischen Juli und September 2013 Baurestmassen zum Grundstück transportierte. Den Lagerungsort am Grundstück selbst legte der Liegenschaftseigentümer fest. Die Mitbeteiligte besorgte - nach ihren Angaben bei der mündlichen Verhandlung - die einzelnen Abbrucharbeiten (auf den diversen Baustellen), die Trennung von Baurestmassen und anderen Materialien (wie Holz, Eisen, Kunststoff, Sperrmüll) und den Transport der Baurestmassen zum Liegenschaftseigentümer.

2.2. Bei der Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 73 Abs. 1 AWG 2002, auf den sich das angefochtene Erkenntnis stützt, ist zu beachten, dass diese Norm nicht an jede Verletzung des AWG 2002 anknüpft, sondern taxativ dem Gesetz widersprechende Handlungen nennt. Nach Z 1 dieser Bestimmung zählen zu den die Verantwortlichkeit auslösenden Handlungen das Sammeln, Lagern, Befördern, Verbringen oder Behandeln.

Dazu kommt seit der Novelle zum AWG 2002, BGBl. I Nr. 9/2011, der ausdrückliche Verweis auf ein Vorgehen nach § 73 Abs. 1 in § 15 Abs. 5b leg. cit.; auch bei Zuwiderhandeln gegen die in § 15 Abs. 5a AWG 2002 genannten Verpflichtungen kann ein Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 erfolgen. Eine Stellung als "Verpflichteter" kann damit im Falle des § 15 Abs. 5b AWG 2002 mit der Verletzung der Übergabepflicht nach § 15 Abs. 5a leg. cit. begründet werden. Bis zur genannten Novelle, die am 16. Februar 2011 in Kraft trat, war die Übergabe von Abfall an einen unbefugten Sammler/Behandler von § 73 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 AWG 2002 hingegen nicht erfasst (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 22. März 2012, 2010/07/0007).

Aus den Gesetzesmaterialien zur genannten Novelle (RV 1005 BlgNR 24. GP , 21) ergibt sich unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund 26 der Abfallrahmenrichtlinie, dass in diesen Bestimmungen das Verursacherprinzip Niederschlag finden sollte. Abfallerzeuger und Abfallbesitzer hätten die Abfälle so zu bewirtschaften, dass ein hohes Maß an Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit garantiert sei. Bei den Behandlungsaufträgen komme das Verursacherprinzip zur Anwendung. Der Übergeber könne dann herangezogen werden, wenn er die Abfälle zur Entsorgung an einen Abfallsammler oder -behandler übergebe und sich nicht vergewissert habe, dass dieses Unternehmen (Abfallbehandler) über eine entsprechende Berechtigung verfüge oder der Übergeber keinen Auftrag zur umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung der Abfälle erteilt habe. Diese Bestimmung normiere besondere Anforderungen an den Abfallbesitzer bei der Übergabe der Abfälle. Ein Abfallbesitzer müsse sich vergewissern, dass die Behandlung der Abfallart vom Umfang der Berechtigung umfasst sei. Es bestehe die Möglichkeit der Registerabfrage gemäß § 87a AWG 2002 betreffend den Umfang der Berechtigung von Abfallsammlern oder -behandlern.

2.3. Das LVwG hatte bei der Beurteilung des angefochtenen Bescheides auch die Bestimmungen des § 15 Abs. 5a und 5b AWG 2002 zu beachten.

Das LVwG hat sich in seinem Erkenntnis lediglich auf § 73 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 3 AWG 2002 gestützt und ist zu dem Schluss gekommen, die Mitbeteiligte könne nicht als Verpflichtete im Sinne des § 73 Abs. 1 AWG 2002 herangezogen werden, weil sie nicht Auftraggeberin der Lagerung des Abfalls auf dem gegenständlichen Grundstück und damit auch für die dort entgegen § 15 Abs. 3 AWG 2002 erfolgte Lagerung nicht verantwortlich sei.

Nun kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Prüfungsumfang des LVwG vor dem Hintergrund des § 27 VwGVG ausschließlich an das Vorbringen des Beschwerdeführers binden wollte (vgl. zum Prüfungsumfang des LVwG die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, und vom heutigen Tag, Ra 2014/07/0077). Sache des Verfahrens vor der belangten Behörde war die Erteilung eines abfallwirtschaftsrechtlichen Auftrags an die Mitbeteiligte; im Rahmen dieser Sache war das LVwG nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, zu prüfen, ob die Mitbeteiligte als Adressatin eines solchen Auftrags herangezogen werde konnte oder nicht. Dabei wäre es auch notwendig gewesen, sich mit der Möglichkeit der Verpflichtung der Mitbeteiligten wegen Nichterfüllung der Vorgaben des § 15 Abs. 5a AWG 2002 näher auseinanderzusetzen.

Wie die Revision zutreffend aufzeigt, ist aus der rechtlichen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht ersichtlich, dass sich das LVwG in seiner Entscheidung mit § 15 Abs. 5b iVm § 73 Abs. 1 AWG 2002 auseinander gesetzt und die darin festgelegte Verpflichtungsmöglichkeit nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 im Fall der Übergabe an einen Unbefugten in seiner rechtliche Beurteilung berücksichtigt hätte.

2.4. Darin läge aber nur dann eine Rechtswidrigkeit, wenn ein Wechsel des Grundes für die Verpflichtung (hier von einer Übertretung der Verpflichtungen nach § 15 Abs. 3 AWG 2002 auf eine solche nach § 15 Abs. 5a iVm Abs. 5b AWG 2002) auf der Beschwerdeebene im Verfahren vor dem LVwG noch zulässig wäre; die Sache des Verfahrens dürfte dadurch nicht überschritten werden.

Von einer Überschreitung der Sache des Verfahrens ist jedoch nicht auszugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 17. Mai 1978, 2825/78, zu wasserpolizeilichen Aufträgen - zur Vergleichbarkeit von wasserpolizeilichen Aufträgen mit Aufträgen nach § 73 AWG 2002 siehe u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, 2011/07/0225 - die Ansicht vertreten, dass es "der Berufungsbehörde an sich nicht verwehrt ist, gemäß § 66 Abs. 4 AVG den unterinstanzlichen, nach § 138 WRG 1959 erlassenen wasserpolizeilichen Auftrag dahingehend abzuändern, dass das dem Beschwerdeführer als eigenmächtige Neuerung angelastete Vorgehen anders rechtlich qualifiziert wird - hier als konsenslos errichteter Schutz- oder Regulierungsbau nach § 41 Abs. 2 WRG 1959 - als durch die Unterbehörde, welche dem Auftragsadressaten eine verbotene Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers nach § 39 Abs. 1 WRG 1959 zur Last gelegt hatte. Bedarf es hiezu ergänzender Feststellungen der Berufungsbehörde, ist der Sachverhalt mit den Parteien des Verfahrens entsprechend zu erörtern."

In diese Richtung weist auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach keine Rechtsverletzung eines Verpflichteten vorliegt, wenn die Behörde einen wasserpolizeilichen Auftrag unzutreffend auf § 138 Abs. 1 lit a iVm § 32 WRG 1959 anstatt richtigerweise auf § 31 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 3 erster Satz erste Alternative WRG 1959 stützt, wenn der von der Behörde festgestellte Sachverhalt geeignet ist, die Verwirklichung verschiedener Verstöße gegen § 31 Abs. 1 leg. cit. aufzuzeigen (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. Oktober 1995, 93/07/0145, und vom 28. Jänner 2010, 2006/07/0140).

Diese Überlegungen gelten auch für den vorliegenden Fall. Es wäre dem LVwG ohne Überschreitung der Sache des behördlichen Verfahrens möglich gewesen, vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhalts das Verhalten der Mitbeteiligten rechtlich anders als die belangte Behörde (und zwar als Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß § 15 Abs. 5a AWG 2002 und nicht als Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß § 15 Abs. 3 AWG 2002) zu qualifizieren.

2.5. Die Amtsrevision zeigt insofern eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf.

3. Die Mitbeteiligte bestreitet in der Revisionsbeantwortung ihre Eigenschaft als Abfallbesitzerin und meint, aus der Definition des § 2 Abs. 6 Z. 1 lit. a AWG 2002 ergebe sich, dass Abfallbesitzer nur derjenige sei, dem faktisch die Sachgewahrsame zukomme. Spätestens mit dem Abladen des Transportgutes gehe die Innehabung über den Abfall und damit seine Stellung als Abfallbesitzer aber wieder verloren. Ab Juli 2013 hätten sich die Abfälle auf dem Grundstück des Liegenschaftseigentümers befunden, weshalb die Mitbeteiligte nicht mehr als Verpflichtete in Betracht kommen könne.

3.1. § 15 Abs. 5a AWG 2002 normiert Verpflichtungen für den Abfallbesitzer. Diesen Begriff umschreibt § 2 Abs. 6 Z 1 lit. a AWG 2002 folgendermaßen:

"Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1. ist 'Abfallbesitzer'

  1. a) der Abfallerzeuger oder
  2. b) jede Person, welche die Abfälle innehat;

    2. ist 'Abfallerzeuger'

    a) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder

    b) jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;

    3. ...."

    Zweifelsfrei handelt es sich bei der Mitbeteiligten um eine "Person, welche die Abfälle inne hatte", gab sie doch selbst an, auf den Baustellen Abbrucharbeiten durchgeführt, die Baurestmassen vor Ort (von den übrigen Abfällen) getrennt und zum Grundstück des Liegenschaftseigentümers verführt zu haben.

    Die Bestimmung des § 15 Abs. 5a AWG 2002 normiert Verpflichtungen, die (auch) denjenigen treffen, der Abfälle innehat; der Abfallbesitzer ist für die Übergabe an berechtigte Abfallsammler oder -behandler und die Beauftragung der umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle verantwortlich. Es mag zutreffen, dass diese Verpflichtungen nur so lange faktisch vom Abfallbesitzer erfüllt werden können, als diesem die Sachgewahrsame über die Abfälle zukommt. Die Mitbeteiligte übersieht aber, dass sie mit einem Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 (erst) dann in Anspruch genommen werden kann, wenn sie als Übergeberin den Verpflichtungen des § 15 Abs. 5a AWG 2002 nicht entsprochen hat. Die Möglichkeit, durch einen Behandlungsauftrag nach § 73 Abs. 1 AWG 2002 verpflichtet zu werden, hat daher hier mit der aktuellen Sachgewahrsame über den Abfall nichts zu tun; sie endet erst mit der vollständigen umweltgerechten Verwertung oder Beseitigung der Abfälle. Ein auf § 73 Abs. 1 iVm § 15 Abs. 5b AWG 2002 gestützter Behandlungsauftrag kann daher gerade gegen Personen erlassen werden, die die Abfälle nicht mehr inne haben, weil sie diese bereits entgegen den Vorgaben des § 15 Abs. 5a AWG 2002 weiter gegeben haben.

3.2. Entgegen der Darstellung in der Revisionsbeantwortung handelt es sich bei den Tätigkeiten der Mitbeteiligten auch nicht bloß um den Transport von Abfällen; sie war auch - nach ihren eigenen Angaben - aktiv mit der Beschaffung der Abfälle in der näher dargestellten Qualität betraut. Angesichts dessen erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob ein bloßer Transporteur auch als Abfallbesitzer im Sinne des § 15 Abs. 5a AWG 2002 angesehen werden könnte oder nicht.

3.3. Die Mitbeteiligte äußert Bedenken in Bezug auf die ihres Erachtens nicht gegebene Verfassungskonformität der Bestimmungen der §§ 2 Abs. 6 Z 1 lit. b, 15 Abs. 5a und 5b und 73 Abs. 1 AWG 2002 und auch Bedenken in Bezug auf deren Übereinstimmung mit dem Unionsrecht.

Dass der Abfallbehörde die Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Verpflichteten eröffnet wird, stellt weder einen unzulässig weiten Ermessensspielraum noch einen Verstoß gegen das Willkürverbot dar. Nach der zu § 31 WRG 1959 ergangenen ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs - auf die für § 73 AWG 2002 zurückgegriffen werden kann, weil der Gesetzgeber bei der Regelung des § 73 AWG 2002 den Verursacherbegriff des § 31 WRG 1959 vor Augen hatte - ist die Verpflichtung zur Vornahme von nach § 31 WRG 1959 erforderlichen Maßnahmen verschuldensunabhängig und kann diese mehrere Personen treffen, die gleichzeitig zur gemeinsamen Kostentragung notstandspolizeilicher Maßnahmen verhalten werden können; hiebei kann die Heranziehung mehrerer Personen als Verpflichtete durchaus auf verschiedenen Rechtsgründen beruhen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 2014, 2011/07/0225, und vom gleichen Tag, 2011/07/0261). Darin liegt weder ein unzulässig weiter Ermessensspielraum noch ein Verstoß gegen das Willkürverbot.

Die spezifischen Verpflichtungen nach § 15 Abs. 5a AWG 2002 stellen andere Verpflichtungen dar als diejenigen, die in § 15 Abs. 3 leg. cit. festgelegt sind, und können daher auch einen anderen Personenkreis treffen; auch diese Verpflichtungen haben aber - wie die übrigen Verpflichtungen des § 15 AWG 2002 - das Ziel, den Eintritt eines Zustands zu verhindern, in dem das anzustrebende hohe Maß an Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit gefährdet wird. Vom Vorliegen einer unsachlichen Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte kann daher nicht ausgegangen werden, weshalb der Verwaltungsgerichtshof die Anregung der Mitbeteiligten auf Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages nicht aufgreift.

Schließlich steht in Bezug auf den Begriff des Abfallbesitzers die innerstaatliche Rechtslage mit den unionsrechtlichen Vorgaben in Übereinstimmung, ist doch nach Art. 3 Z 6 der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG unter "Abfallbesitzer" nicht nur der Erzeuger der Abfälle, sondern auch die natürliche oder juristische Person zu verstehen, "in deren Besitz sich die Abfälle befinden." Aus der Richtlinie ergibt sich weiters das Verursacherprinzip (Erwägungsgrund 26), um dessen Umsetzung es auch in den Bestimmungen des § 15 Abs. 5a und 5b AWG 2002 geht. Von einer unzureichenden oder fehlgeleiteten Umsetzung ist nicht auszugehen, zumal auch der Abfallbesitzer, der seinen dort genannten Pflichten bei der Übergabe von Abfällen nicht nachkommt, einen Zustand (mit)verursacht, in dem das anzustrebende hohe Maß an Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit gefährdet wird. Es ist nicht erkennbar, dass die Umsetzung des Verursacherprinzips in die innerstaatliche Rechtslage zur Folge haben muss, dass nur ein einziger Verursacher eines solchen unerwünschten Zustandes zur Durchführung von Behandlungsaufträgen verpflichtet werden darf.

3.4. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden, zumal das LVwG, ein Tribunal im Sinne der EMRK, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

4. Das angefochtene Erkenntnis war aus den oben dargestellten Gründen daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 26. März 2015

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