VwGH Ro 2014/06/0036

VwGHRo 2014/06/00365.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofrätin Dr. Bayjones, den Hofrat Dr. Moritz, die Hofrätin Mag.a Merl sowie den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision der T K in H, vertreten durch Dr. Hermann Rieder, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Dezember 2013, Zl. Ro Bau-8-1/892/1-2013, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien:

1. C T, 2. B T, beide vertreten durch Mag. Heinrich Luchner, Dr. Rainer Wechselberger, MMag. Johannes Wechselberger, Rechtsanwälte in 6290 Mayrhofen, Waldbadstraße 537; 3. Gemeinde H), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 litb;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 lite;
BauO Tir 2011 §26 Abs3;
BauO Tir 2011 §6;
BauRallg;
AVG §8;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 litb;
BauO Tir 2011 §26 Abs3 lite;
BauO Tir 2011 §26 Abs3;
BauO Tir 2011 §6;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2012 beantragten die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien (bauwerbenden Parteien) die Erteilung einer baurechtlichen Bewilligung für den Anbau an das bestehende Wohnhaus auf dem Grundstück Nr. 619/5, KG H. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den bauwerbenden Parteien mit Bescheid vom 8. Oktober 2012 die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen.

Die Revisionswerberin ist Alleineigentümerin des westlich des Baugrundstückes gelegenen Grundstücks Nr. 606/7; zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Revisionswerberin liegt das Grundstück Nr. 606/1 mit einer Breite - laut Einreichplan - von mindestens 3 m, das im Eigentum der erstmitbeteiligten Partei steht; dabei handelt es sich laut Flächenwidmungsplan um einen örtlichen Verkehrsweg der Gemeinde gemäß § 35 Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 - TROG.

In ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Baubescheid brachte die Revisionswerberin im Wesentlichen vor, aus den Planunterlagen seien wesentliche Bewilligungsvoraussetzungen nicht ersichtlich, eine Überprüfung der Einhaltung des § 61 TROG betreffend die Baudichte sei ebenso wenig möglich wie die Festlegungen des Flächenwidmungsplanes; Auflagen und Bestimmungen über den Brandschutz würden nicht eingehalten, und aus den Planunterlagen könne auch nicht entnommen werden, ob das Bauvorhaben die geltenden Abstandsbestimmungen des § 6 Tiroler Bauordnung 2011 - TBO einhalte; auch § 5 TBO (Abstände zu den Verkehrsflächen) werde nicht entsprochen.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Mai 2013 wurde die Berufung der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Abstandsbestimmungen wurde dazu ausgeführt, dass diesbezüglich § 5 TBO zur Anwendung komme, weil das Baugrundstück an eine Verkehrsfläche angrenze.

Die Revisionswerberin brachte dagegen die Vorstellung vom 24. Mai 2013 ein, die mit dem angefochtenen Bescheid (vom 5. Dezember 2013) als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde - sofern für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, das Vorbringen, die Abstandsbestimmungen gemäß § 6 TBO hätten zur Anwendung kommen müssen, sei im Hinblick auf § 2 Abs. 20 TBO nicht zutreffend. Demnach seien Verkehrsflächen die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen, die in einem Zusammenlegungsverfahren als gemeinsame Anlagen errichteten Wege, die Güterwege und die Forststraßen, die den güter- und seilwegerechtlichen bzw. den forstrechtlichen Vorschriften unterlägen, sowie jene Grundflächen, die von den in einem Bebauungsplan festgelegten Straßenfluchtlinien umfasst seien. Auf Grund der Aktenunterlagen und der Fotodokumentation scheine festzustehen, dass das Grundstück Nr. 606/1, das (unter anderem) als Zufahrt zum Grundstück Nr. 619/5 diene, als Privatstraße im Sinn des § 1 Tiroler Straßengesetz zu werten sei. Insoweit sei die Anwendung des § 5 TBO durch die Berufungsbehörde nachvollziehbar.

Die Revisionswerberin könne als Partei im Sinn des § 26 Abs. 3 lit. b TBO grundsätzlich den Brandschutz als subjektivöffentliches Recht geltend machen, jedoch nur hinsichtlich jener Gefährdungen, die von der geplanten baulichen Anlage bzw. deren Benützung selbst ausgingen, also nur soweit die brandschutzrechtlichen Bestimmungen dem Schutz der Nachbarn dienten. Wenn die Berufungsbehörde diesbezüglich ausführe, das Gebäude erfülle laut einem Sachverständigen die OIB-Richtlinie zum Brandschutz, könne dies im Hinblick auf die Lage und Planung des Projektes nachvollzogen werden. Weitere brandschutzrechtliche Erfordernisse (Brandschutzkonzept, etc.) erübrigten sich daher.

Auch wenn die ergänzend durchgeführten Ermittlungen zur Frage des Vorliegens einer Privatstraße und zum Brandschutz der Revisionswerberin nicht im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht worden seien, könne dies nicht zur Aufhebung des Berufungsbescheides führen, weil die Behörde bei Vermeidung dieses Mangels nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol legte die Akten des Verfahrens vor, verwies auf die Ausführungen der Tiroler Landesregierung in deren Gegenäußerung und beantragte - ebenso wie die bauwerbenden Parteien und die Tiroler Landesregierung - die Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§§ 2, 5, 6 und 26 Tiroler Bauordnung - TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, lauten auszugsweise:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) ...

(20) Verkehrsflächen sind die den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegenden Straßen, die in einem Zusammenlegungsverfahren als gemeinsame Anlagen errichteten Wege, die Güterwege und die Forststraßen, die den güter- und seilwegerechtlichen bzw. den forstrechtlichen Vorschriften unterliegen, sowie jene Grundflächen, die von den in einem Bebauungsplan festgelegten Straßenfluchtlinien umfasst sind.

(21) ...

§ 5

Abstände baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen

(1) Der Abstand baulicher Anlagen von den Verkehrsflächen wird durch die in einem Bebauungsplan festgelegten Baufluchtlinien bestimmt, soweit in den Abs. 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Nebengebäude und Nebenanlagen, deren mittlere Wandhöhe bzw. Höhe auf der der Verkehrsfläche zugekehrten Seite 2,80 m, im Gewerbe- und Industriegebiet 3,50 m, nicht übersteigt, untergeordnete Bauteile, frei stehende Werbeeinrichtungen, Einfriedungen einschließlich Schutzdächer bei den Eingängen, Freitreppen, Stützmauern, Geländer, Brüstungen und dergleichen dürfen vor die Baufluchtlinie ragen oder vor dieser errichtet werden, wenn dadurch weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden.

...

(4) Besteht für einen Bauplatz kein Bebauungsplan, so müssen bauliche Anlagen von den Verkehrsflächen mindestens so weit entfernt sein, dass weder das Orts- und Straßenbild noch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden. Soweit bestehende Gebäude einen einheitlichen Abstand von den Verkehrsflächen aufweisen, ist auch bei weiteren baulichen Anlagen mindestens dieser Abstand einzuhalten. Weiters sind allfällige Festlegungen im örtlichen Raumordnungskonzept nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 über die Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen einzuhalten. Abs. 2 ist anzuwenden.

(5) ...

§ 6

Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen und von anderen baulichen Anlagen

(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der

  1. a) ...
  2. b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,

    c) ...

    beträgt. ...

    § 26

    Parteien

(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter.

(2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,

a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und

b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.

Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.

(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,

  1. b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
  2. c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,

    d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2011 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,

  1. e) der Abstandsbestimmungen des § 6,
  2. f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.

(4) Die übrigen Nachbarn sind berechtigt, die Nichteinhaltung der im Abs. 3 lit. a und b genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.

(5) Der Straßenverwalter ist, soweit dadurch die Schutzinteressen der Straße betroffen sind, berechtigt,

a) das Fehlen einer dem vorgesehenen Verwendungszweck der betreffenden baulichen Anlagen entsprechenden, rechtlich gesicherten Verbindung des Bauplatzes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche nach § 3 Abs. 1 und

b) die Nichteinhaltung der Abstandsbestimmungen des § 5, soweit dadurch die Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs beeinträchtigt werden, geltend zu machen.

(5) ..."

§§ 31 und 61 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 - TROG 2011, LGBl. Nr. 56/2011, lauten auszugsweise:

"Örtliches Raumordnungskonzept

§ 31

Inhalt

(1) Im örtlichen Raumordnungskonzept sind unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme und der Daten der Baulandbilanz grundsätzliche Festlegungen über die geordnete räumliche Entwicklung der Gemeinde im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung zu treffen. Das örtliche Raumordnungskonzept ist auf einen Planungszeitraum von zehn Jahren auszurichten. Im örtlichen Raumordnungskonzept sind jedenfalls festzulegen:

a) ...

(6) Im örtlichen Raumordnungskonzept können ferner für Gebiete und Grundflächen, für die ein Bebauungsplan nicht besteht, hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung textliche Festlegungen über die Fahrbahnbreiten und hinsichtlich der Bebauung textliche Festlegungen über die Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen, die Mindest- und Höchstbaudichten, die Bauhöhen, die Fassadenstrukturen, die Gestaltung der Dachlandschaften und dergleichen sowie textliche Festlegungen über das zulässige Ausmaß von Geländeveränderungen getroffen werden.

(7) ...

§ 61

Baudichten

(1) Die Baudichten können als Baumassendichte, Bebauungsdichte, Nutzflächendichte oder in kombinierter Form festgelegt werden. Die Bebauungsdichte kann weiters für oberirdische und unterirdische bauliche Anlagen gesondert festgelegt werden. Der Berechnung der Baudichten sind unbeschadet des Abs. 3 dritter Satz die Fertigbaumaße des jeweiligen Gebäudes zugrunde zu legen.

(2) ..."

§§ 35 und 53 TROG 2001, LGBl. Nr. 93/2001, auf deren Basis die Festlegungen im hier anzuwendenden Flächenwidmungsplan erfolgten, lauten auszugsweise:

"§ 35

Inhalt

(1) Im Flächenwidmungsplan ist unbeschadet der Planungskompetenzen des Bundes und des Landes unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme für alle Grundflächen des Gemeindegebietes der Verwendungszweck durch die Widmung als Bauland, Freiland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen festzulegen. Weiters ist der Verlauf der Straßen nach § 53 Abs. 1 festzulegen. Die Widmungen als Bauland, Sonderflächen und Vorbehaltsflächen sowie der Verlauf der Straßen nach § 53 Abs. 1 sind zeichnerisch darzustellen. Die Widmungen als Freiland sind zeichnerisch darzustellen, soweit dies im Zusammenhang mit der Darstellung der als Bauland, Sonderflächen und Vorbehaltsflächen gewidmeten Grundflächen sowie des Verlaufes der Straßen nach § 53 Abs. 1 erforderlich ist; im Übrigen können sie im Interesse der besseren Übersichtlichkeit zeichnerisch dargestellt werden.

(2) ...

§ 53

Verkehrsflächen

(1) Im Flächenwidmungsplan ist der Verlauf jener Straßen festzulegen, die

a) für den örtlichen Verkehr der Gemeinde oder größerer Teile der Gemeinde,

b) für die Herstellung der Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden oder zwischen größeren Teilen der Gemeinde oder

c) für die in einem örtlichen Raumordnungsinteresse der Gemeinde gelegenen Erschließungen, insbesondere für die Haupterschließung des Baulandes, noch erforderlich sind.

(2) ...

(3) Grundflächen für Straßen im Sinne des Abs. 1 oder überörtliche Verkehrswege im Sinne des Abs. 2 gelten ab dem Zeitpunkt ihrer Fertigstellung als Verkehrsflächen. Gleichzeitig erlischt eine Festlegung über den Straßenverlauf nach Abs. 1 bzw. ein allfälliger Vorbehalt nach Abs. 2."

§§ 1, 6 und 34 Tiroler Straßengesetz, LGBl. Nr. 13/1989, in

der Fassung LGBl. Nr. 37/2013, lauten:

"§ 1

Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt

a) für öffentliche Straßen und Wege, soweit im Abs. 3 nichts anderes bestimmt ist, und

b) für private Straßen, die dem öffentlichen Verkehr im Sinne der straßenpolizeilichen Vorschriften dienen, mit Ausnahme von Parkplätzen, nach Maßgabe des 13. und 15. Abschnittes.

(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes über öffentliche Straßen gelten auch für öffentliche Wege, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

(3) Durch dieses Gesetz werden die Zuständigkeit des Bundes sowie sonstige Vorschriften über öffentliche Straßen und Wege nicht berührt. Dieses Gesetz gilt insbesondere nicht für

  1. a) Bundesstraßen,
  2. b) Straßen und Wege, die Eisenbahnanlagen, Schiffahrtsanlagen, Bodeneinrichtungen eines Flugplatzes oder Teile davon sind,

    c) Forststraßen im Sinne des § 59 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975, BGBl. Nr. 440,

    d) Straßen und Wege, die der Instandhaltung öffentlicher Gewässer dienen,

    e) Güterwege im Sinne des § 4 Abs. 1 des Güter- und Seilwege-Landesgesetzes, LGBl. Nr. 40/1970.

    § 6

    Einteilung der öffentlichen Straßen

    Die öffentlichen Straßen werden in folgende Straßengruppen

    gereiht:

    1. 1. Landesstraßen,
    2. 2. Gemeindestraßen,
    3. 3. öffentliche Interessentenstraßen,
    4. 4. öffentliche Privatstraßen.

      § 34

      Widmung

(1) Öffentliche Privatstraßen sind jene nicht zu einer anderen Gruppe öffentlicher Straßen gehörenden Straßen, die

a) von dem über die Straße Verfügungsberechtigten durch Erklärung gegenüber der Behörde dem Gemeingebrauch gewidmet werden oder

b) unabhängig vom Willen des über die Straße Verfügungsberechtigten seit mindestens 30 Jahren der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses dienen.

(2) ...

(3) Die Erklärung, mit der eine private Straße dem Gemeingebrauch gewidmet wird, ist schriftlich gegenüber der Behörde abzugeben. Sie hat die Bezeichnung der Straße und eine Beschreibung ihres Verlaufes sowie die Festlegung allfälliger Benützungsbeschränkungen nach § 4 Abs. 2 zu enthalten.

(4) Die Behörde hat auf Antrag des über die Straße Verfügungsberechtigten oder der Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, mit Bescheid festzustellen,

a) ob eine öffentliche Privatstraße nach Abs. 1 lit. b vorliegt oder

b) welchem Verkehr eine öffentliche Privatstraße nach Abs. 1 lit. b gewidmet ist.

(5) Die Behörde hat vor der Erlassung eines Bescheides nach Abs. 4 eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Zu dieser sind der über die Straße Verfügungsberechtigte und die Gemeinde, durch deren Gebiet oder zu deren Gebiet die Straße führt, zu laden.

(6) Bei einer Entscheidung nach Abs. 4 lit. b hat die Behörde von jenem Verkehr auszugehen, dem die Straße bisher allgemein gedient hat.

(7) ..."

Die Revision bringt vor, die belangte Behörde gehe unrichtig davon aus, dass die Einhaltung der OIB-Richtlinien im Baubewilligungsbescheid aufgetragen worden sei. Unzutreffend sei weiter, dass die Abstandsbestimmungen eingehalten würden. Aus der Formulierung "auf Grund der Aktenunterlagen und der Fotodokumentation scheint festzustehen, dass das Grundstück 606/1, KG H..., das (unter anderem) als Zufahrt zum Grundstück 619/5, KG H..., dient, als Privatstraße im Sinn des § 1 des Tiroler Straßengesetzes zu werten ist" gehe hervor, dass die Anwendung des § 5 TBO durch die Behörde nicht nachvollziehbar sei. Der erstinstanzliche Bescheid gehe vom Vorliegen eines Privatweges aus. Der Schluss von einem Privatweg auf eine öffentliche Verkehrsfläche sei ohne konkretes und der Partei zur Kenntnis gebrachtes Verfahrensergebnis unzulässig. Selbst wenn eine öffentliche Verkehrsfläche vorläge, entspräche das bewilligte Bauvorhaben nicht § 5 TBO. Allfällige Festlegungen im örtlichen Raumordnungskonzept gemäß § 31 Abs. 6 ROG über die Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen seien ebenfalls einzuhalten, was jedoch nicht nachvollziehbar sei. "Offensichtlich besteht für das Bauvorhaben kein Bebauungsplan. Ein solcher sei im Zuge des Bauverfahrens festgelegt worden. In Punkt 10. (Seite 6 des erstinstanzlichen Bescheids) wird offensichtlich davon ausgegangen, dass eine Baufluchtlinie besteht. Eine solche ist nicht nachvollziehbar". Punkt 14 des erstinstanzlichen Bescheides lege fest, "dass jeder Punkt auf der Außenhaut den 0,6-fachen Wert der privaten Grundstücksgrenze zugekehrten Wandhöhe nicht übersteigen darf", womit sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt habe, obwohl bei richtiger rechtlicher und planlicher Beurteilung der Einreichunterlagen erkennbar gewesen sei, dass diese Bedingung nicht erfüllt sei. Auch mit dem Einwand, das Bauverfahren sei nicht überprüfbar, habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt, anderenfalls hätte sie den Berufungsbescheid beheben müssen. Dies gelte auch für den Einwand, dass wesentliche Bewilligungsvoraussetzungen aus den Planunterlagen nicht nachvollziehbar seien. Punkt 24 der baupolizeilichen Auflagen verlange eine adäquate Ableitung von Hangwässern. "Entsprechendes Projekt fehlt hier ebenso, wie zur Erfüllung der Auflage der Gemeinde Punkt 6 (Seite 5)." Eine Überprüfung der Einhaltung der Bestimmung des § 61 TROG sei nicht möglich. Auch damit habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Auflagen und Bestimmungen über den Brandschutz seien im erstinstanzlichen Bescheid nicht enthalten. Die Bewilligungsvoraussetzungen seien somit nicht vorgelegen.

Dazu ist zunächst auszuführen, dass Nachbarn nach der ständigen hg. Judikatur zu § 26 Abs. 3 TBO kein Mitspracherecht hinsichtlich einer allfälligen Überschreitung der Baudichte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2011/06/0001, mwN) und der Frage der Abwasserbeseitigung bzw. der Absickerung von Regenwasser (vgl. die Ausführungen bei Schwaighofer, Tiroler Baurecht, Seite 190) zukommt. Das diesbezügliche Revisionsvorbringen geht somit ins Leere.

Den Brandschutz betreffend kommt Nachbarn grundsätzlich gemäß § 26 Abs. 3 lit. b TBO ein Mitspracherecht zu. Wie die belangte Behörde jedoch zutreffend erkannte, beschränkt sich dieses Mitspracherecht auf Gefährdungen, die von der geplanten Anlage bzw. der Benützung selbst ausgehen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2013, Zl. 2013/06/0195). Dass im vorliegenden Fall von der geplanten Anlage bzw. deren Benützung eine Gefährdung der Revisionswerberin ausgehe oder die brandschutzrelevanten Bestimmungen der TBO oder der technischen Bauvorschriften nicht eingehalten würden, bringt die Revisionswerberin nicht vor. Die belangte Behörde geht - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - nicht davon aus, dass die Einhaltung der OIB-Richtlinien im Baubewilligungsbescheid aufgetragen worden sei. Der angefochtene Bescheid verweist diesbezüglich auf den Berufungsbescheid, in dem dazu ausgeführt wird, dass die Abstände des Gebäudes zu den Nachbargebäuden größer seien als die in der OIB-Richtlinie enthaltenen Vorgaben und somit die Ausbreitung eines Feuers auf andere Bauwerke laut OIB-Richtlinie 2, Brandschutz, nicht nachzuweisen sei. Dem tritt die Revisionswerberin nicht entgegen. Sie bringt auch nicht vor, dass allenfalls auf Grund besonderer Umstände diese Abstände fallbezogen nicht ausreichend wären. Eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte in Bezug auf den Brandschutz wurde somit nicht dargetan.

Ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn auf Einhaltung der Abstandsbestimmungen kann nur dann verletzt werden, wenn der Abstand zu seiner Grundgrenze nicht eingehalten wird, wenn es sich also um die Einhaltung des Abstandes gegenüber dem betroffenen Nachbarn handelt, nicht aber um Abstände zu öffentlichen Verkehrsflächen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2004/06/0131 zur diesbezüglich inhaltsgleichen Regelung der TBO 2001, sowie die Ausführungen bei Schwaighofer, Tiroler Baurecht, Rz 41 zu § 25 Abs. 3 lit. b TBO 2001).

Das zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Revisionswerberin liegende Grundstück Nr. 606/1 wurde im Flächenwidmungsplan der Gemeinde H. gemäß § 35 Abs. 1 TROG 2001 als bestehender örtlicher Verkehrsweg der Gemeinde "- § 53.3 TROG 2001" (Verbindung zwischen benachbarten Gemeinden und Haupterschließung des Baulandes) festgelegt. Für diese Fläche besteht laut unbestritten gebliebenen Feststellungen im Berufungsbescheid kein Bebauungsplan. Aus Sicht der belangten Behörde "scheint festzustehen", dass das Grundstück Nr. 606/1, das als Zufahrt zu mehreren Baugrundstücken dient, "als Privatstraße iS des § 1 des Tiroler Straßengesetzes" zu werten sei. Dies wurde jedoch nicht näher begründet.

Das Tiroler Straßengesetz gilt gemäß dessen § 1 Abs. 1 - mit hier nicht relevanten Ausnahmen, die in Abs. 3 aufgezählt sind - für öffentliche Straßen und Wege. Öffentliche Straßen und Wege sind gemäß § 2 Abs. 3 Tiroler Straßengesetz dem Gemeingebrauch gewidmet; private Straßen sind hingegen nicht dem Gemeingebrauch gewidmete Straßen (Abs. 4). Öffentliche Privatstraßen sind nicht zu einer anderen Gruppe öffentlicher Straßen gehörende Straßen, die von dem über die Straße Verfügungsberechtigten durch Erklärung gegenüber der Behörde dem Gemeingebrauch gewidmet werden oder unabhängig vom Willen des über die Straße Verfügungsberechtigten seit mindestens 30 Jahren der Deckung eines dringenden öffentlichen Verkehrsbedürfnisses dienen (§ 34 Abs. 1 Tiroler Straßengesetz).

Die belangte Behörde traf keine Feststellungen darüber, ob das Grundstück Nr. 606/1 gemäß § 34 Abs. 1 Tiroler Straßengesetz als öffentliche Privatstraße gewidmet wurde. Somit kann nicht beurteilt werden, ob dieses Grundstück tatsächlich als private Straße, die dem öffentlichen Verkehr dient (§ 1 Abs. 1 lit. b Tiroler Straßengesetz), zu werten ist; dass es sich um eine öffentliche Straße im Sinn des § 1 Abs. 1 lit. a Tiroler Straßengesetz handelt, wurde ebenfalls nicht festgestellt. Daher ist unklar, ob das Grundstück Nr. 606/1 den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegt und somit eine Verkehrsfläche im Sinn des § 2 Abs. 20 TBO darstellt und ob die Abstandsbestimmungen des § 5 TBO oder des § 6 leg. cit. anzuwenden sind.

Für den Fall, dass das Grundstück Nr. 606/1 nicht den straßenrechtlichen Vorschriften unterliegt, ist entscheidungsrelevant, ob fallbezogen die Abstandsbestimmungen des § 6 TBO eingehalten werden. Da die Behörden des Verwaltungsverfahrens dazu in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen trafen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF Nr. 8/2014 und der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 5. November 2015

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