VwGH 2012/10/0243

VwGH2012/10/024324.6.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des W S in T, vertreten durch Mag. Astrid Roblyek, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 3/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 29. Oktober 2012, Zl. 10-FOB-289/2-2012, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Schreiben vom 3. Oktober 2011 lud die Bezirkshauptmannschaft Villach (die Behörde erster Instanz) unter anderem den Beschwerdeführer zu einer Verhandlung am 19. Oktober 2011 an Ort und Stelle, weil im Bereich der Grundstücke Nr. 1133/6 und 1133/2 (KG H.) auf einer Länge von ca. 150 lfm ein Traktorweg über Feuchtflächen errichtet worden sei.

Bei der Verhandlung am 19. Oktober 2011, an der der Beschwerdeführer teilnahm, traf der forsttechnische Amtssachverständige zu diesem Weg folgende fachliche Stellungnahme:

"Der (...) Weg wurde auf einer Länge von ca. 150 lfm und einer Breite von 3 m sowie einer Mächtigkeit von ca. 20-30 cm angeschüttet. Ob sich vor etlichen Jahren einmal ein Weg an dieser Stelle befunden hat, kann nachträglich nicht mehr festgestellt werden, zumal anlässlich einer Begehung auch ein solcher in der Natur nicht ersichtlich war. Auf dieser Fläche von ca. 400 - 450 m2 ist derzeit eine Wiederbewaldung nicht möglich. Außerdem ist auf diesem Teilbereich die Produktionskraft des Waldes wesentlich geschwächt worden. Somit stellt die Maßnahme auch im Sinne des § 16 Abs. 2 FG 1975 eine Waldverwüstung dar.

Aus forstfachl. Sicht wir die Entfernung des gesamten Schüttmateriales und Überlassen der Fläche der natürlichen Sukzession vorgeschlagen."

Aufbauend darauf und auf einer Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz wurden im Verhandlungsprotokoll bestimmte im "Wiederherstellungsbescheid" vorzuschreibende Maßnahmen festgehalten, welche bis längstens 31. März 2012 durchzuführen seien.

Dazu hält die Verhandlungsschrift zunächst fest, dass der Beschwerdeführer das Verhandlungsergebnis "zustimmend zur Kenntnis" nehme und angebe: "Bis zum gesetzten Termin wird die Maßnahme durchgeführt."

Nach weiteren Stellungnahmen des forstfachlichen Amtssachverständigen und des Amtssachverständigen für Naturschutz zu Rodungsmaßnahmen auf dem Grundstück Nr. 1133/6 der KG H. ist in der Verhandlungsschrift ein Ersuchen des Beschwerdeführers "um Übermittlung des Protokolls und der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von fünf Wochen" festgehalten.

Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Ergebnissen der Verhandlung vom 19. Oktober 2011 ist aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich.

2. Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 17. November 2011 wurde dem Beschwerdeführer (u.a.) gemäß § 16 Abs. 2 lit. a iVm § 172 Abs. 6 Forstgesetz 1975 (ForstG) die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes auf den Grundstücken Nr. 1133/2 und 1133/6 KG H. ("geschütteter Weg") auf die in der Verhandlung in Aussicht genommene Weise bis längstens 31. März 2012 aufgetragen.

Dieser Bescheid wurde mangels Erhebung einer Berufung durch den Beschwerdeführer rechtskräftig.

3. Mit Schreiben vom 21. März 2012 beantragte der Beschwerdeführer gemäß "§ 69 AVG Abs. 1 lit. 2" die Wiederaufnahme des mit dem Bescheid vom 17. November 2011 abgeschlossenen Verfahrens und bezog sich darin zunächst auf die Aussage des forsttechnischen Amtssachverständigen, wonach nachträglich nicht mehr festgestellt werden könne, ob "sich vor etlichen Jahren einmal ein Weg an dieser Stelle befunden" habe.

Dazu brachte der Beschwerdeführer in seinem Wiederaufnahmeantrag vor, "im Zuge eines kürzlich stattgefundenen Gespräches mit einigen Nachbarn" hätten diese vier, bestimmt angeführten Nachbarn bestätigt, dass genau in jenem Bereich der Grundstücke des Beschwerdeführers Nr. 1133/2 und 1133/6 KG H., welchen dieser zum "Zwecke der Holzrückung ertüchtigt" habe, "seit jeher von ihnen bzw. ihren Familienangehörigen land- und forstwirtschaftliche Fuhren durchgeführt worden" seien. Die vier Nachbarn hätten darüber am 13. März 2012 bei einem öffentlichen Notar Aussagen in Form von eidesstattigen Erklärungen abgegeben (welche mit dem Wiederaufnahmeantrag vorgelegt wurden). Der ursprüngliche Zustand des vom Beschwerdeführer "ertüchtigten Bereiches" sei somit eine "Weganlage" gewesen.

Der Antrag des Beschwerdeführers enthält keinerlei Vorbringen dazu, weshalb er die Tatsache, dass in dem von ihm "ertüchtigten Bereich" bereits eine Weganlage bestanden habe, erst jetzt vorbringe.

4. Mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom 16. Juli 2012 wurde der Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 2 AVG abgewiesen, wobei die Erstbehörde von der Rechtzeitigkeit des Antrags gemäß § 69 Abs. 2 AVG ausging und zur Begründung der Abweisung im Wesentlichen die Auffassung vertrat, der "ehemalige" Weg im besagten Bereich sei bereits Thema der Verhandlung am 19. Oktober 2011 gewesen, sodass das nunmehrige Vorbringen samt Beweismitteln keine "nova reperta" darstelle.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29. Oktober 2012 wies die belangte Behörde eine dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die begehrte Wiedereinsetzung voraussetze, dass die vorgelegten neuen Tatsachenbeweise "voraussichtlich" zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätten (vgl. § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG). Dies sei vorliegend allerdings nicht der Fall, weil mit Blick auf das Maßhaltegebot des § 60 Abs. 1 ForstG und die Bestimmung des § 61 Abs. 3 ForstG auch die "Ertüchtigung" bzw. "Instandsetzung" des nunmehr behaupteten alten Weges das Ausmaß einer Waldverwüstung erreicht und somit den mit Bescheid der Erstbehörde vom 17. November 2011 ausgesprochenen forstpolizeilichen Auftrag nach § 172 Abs. 6 ForstG gerechtfertigt hätte.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

2. Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

3. Die Beschwerde bringt - zusammengefasst - vor, im wiederaufzunehmenden Bescheid vom 17. November 2011 werde von der konsenslosen Errichtung einer Bringungsanlage ausgegangen. Es sei - entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsauffassung - durchaus relevant, den ursprünglichen Zustand der Weganlage vor deren "Instandhaltung" bzw. "Ertüchtigung" durch den Beschwerdeführer zu kennen, weil die Behörde nicht berechtigt sei, "überschießende" Wiederherstellungsmaßnahmen aufzutragen. Die Wiederherstellung hätte nur soweit aufgetragen werden können, als sie den bereits bestehenden Weg nicht betreffe.

4. Mit diesem Vorbringen wird allerdings eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon aus folgenden Gründen nicht dargetan:

4.1. Der im Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 21. März 2012 ausdrücklich angezogene Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG stellt auf "neue Tatsachen oder Beweismittel" ab, die "im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten".

Konnte der Antragsteller allerdings eine Tatsache bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen und unterließ er dies aber, liegt ein ihm zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (vgl. etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E 195 zu § 69 AVG, sowie die hg. Erkenntnisse vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0138, sowie vom 22. Dezember 2005, Zl. 2004/07/0209, jeweils mwN). Es ist Sache des Wiederaufnahmewerbers darzutun, dass die von ihm behaupteten neuen Tatsachen oder Beweismittel im Verwaltungsverfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten (vgl. dazu die Nachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 38).

4.2. Der vorliegend von der belangten Behörde im Instanzenzug abgewiesene Wiederaufnahmeantrag vom 21. März 2012 beruht auf der - im wiederaufzunehmenden Verfahren nie vorgebrachten - Behauptung, im Bereich der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstücke Nr. 1133/3 und 1133/6 KG H. habe schon ursprünglich eine Weganlage bestanden, die der Beschwerdeführer nur "ertüchtigt" habe; zum Beweis für diese Behauptung beruft sich der Beschwerdeführer im Wiederaufnahmeantrag auf die in Form von eidesstattigen Erklärungen vorgelegten Aussagen von vier Nachbarn.

Zur ersten Voraussetzung des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ("ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht…") bringt allerdings selbst die Beschwerde nur vor, den Beschwerdeführer treffe kein Verschulden daran, dass die neu hervorgekommenen Beweismittel bei der Erlassung des Bescheides vom 17. November 2011 nicht berücksichtigt werden hätten können.

Damit lässt die Beschwerde jedoch außer Acht, dass dem Beschwerdeführer - ausgehend von seinem eigenen Vorbringen, er habe im betreffenden Bereich lediglich eine bereits bestehende Weganlage "ertüchtigt", - die dem Wiederaufnahmeantrag zugrunde liegende "neue Tatsache", dass bereits eine Weganlage bestanden habe, schon im wiederaufzunehmenden Verfahren bekannt gewesen sein musste. Der Beschwerdeführer war somit nicht daran gehindert, diese Tatsache bereits im wiederaufzunehmenden Verwaltungsverfahren geltend zu machen; er hat dies aber unterlassen.

5. Die belangte Behörde hat somit das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes im Ergebnis zutreffend verneint, sodass die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Juni 2015

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