VwGH Ro 2014/07/0031

VwGHRo 2014/07/003124.7.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision der A in H, vertreten durch Mag. Anton Wurzinger, Rechtsanwalt in 8403 Lebring, Stangersdorf Gewerbegebiet 110/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 20. Dezember 2013, Zl. UW.4.1.6/0510-I/5/2013, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs7;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §73;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
AVG §13 Abs7;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §73;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. August 2009 beantragte die T. GmbH im Auftrag der Revisionswerberin die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb einer Abwasserreinigungsanlage auf Grst. Nr. 236/6 KG P.

Die über diesen Antrag von der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg (BH) am 21. September 2009 durchgeführte mündliche Verhandlung wurde am selben Tag unterbrochen. Laut Verhandlungsschrift werde die Revisionswerberin bekanntgeben, ob sie das Verfahren weiterführen oder ihren Antrag zurückziehen werde.

In einem Aktenvermerk der BH vom 11. März 2010 wurde festgehalten, dass sich die Revisionswerberin bis längstens Ende Mai 2010 betreffend die allfällige Fortsetzung des Verfahrens melden werde.

Laut einem weiteren Aktenvermerk der BH vom 17. Mai 2010 habe die Revisionswerberin an diesem Tag bei der BH angegeben, dass sie das Projekt "ARA lt. Antrag vom 4.8.2009" derzeit nicht weiter verfolge. Das Haus sei frühestens Ende 2011 bezugsfertig.

Mit Schreiben der BH vom 1. August 2011 wurde der Revisionswerberin die Erstattung von Kommissionsgebühren vorgeschrieben. Am Ende dieses Schreibens wurde Folgendes ausgeführt:

"Anläßlich einer Vorsprache im Amt am 17.5.2010 haben Sie angegeben, dass Sie die Angelegenheit 'Errichtung einer eigenen Kleinkläranlage' derzeit nicht weiter verfolgen, da das Haus frühestens Ende des Jahres 2011 bezugsfertig sein soll.

Sollten Sie das Projekt nicht weiter verfolgen, werden Sie gebeten, dies anher mitzuteilen und allenfalls den Antrag vom 4.8.2009 wieder zurückzuziehen."

In ihrer Eingabe vom 7. August 2011 führte die Revisionswerberin nach Darlegungen zu Kanalrückflüssen aus dem Kanalnetz des Abwasserverbandes Raum S. und dadurch notwendig gewordenen Abpumpungsmaßnahmen hinsichtlich des in den Keller ihres Hauses eingedrungenen ungeklärten Abwassers aus, den Antrag auf Errichtung und den Betrieb einer Kleinkläranlage nicht zurückziehen zu wollen, weil sie in diesem Fall keine andere Möglichkeit einer normalen rückflussfreien Klärung erkennen könne.

Mit Eingabe vom 24. September 2012 beantragte die Revisionswerberin den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung auf den Landeshauptmann von Steiermark (LH). In diesem Schreiben führte die Revisionswerberin u.a. aus, "die versuchte Rechtfertigung der BH (...), die Revisionswerberin hätte gesagt, dass vor Herbst 2011 das Wohnhaus nicht fertig sein werde, ist wohl kein Alibi, denn man kann eine derartige Anlage auch schon vor der Fertigstellung des Wohnhauses errichten, um zum gegebenen Zeitpunkt, um die Benützungsbewilligung ansuchen zu können". Die BH sei daher säumig. Ihr Begehren - so die Revisionswerberin - sei kein "Mutwilligkeitsakt", sondern könne als Ausweg aus einer unbrauchbaren Situation bezeichnet werden.

Mit weiterer Eingabe vom 15. Mai 2013 beantragte die Revisionswerberin den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Bewilligungsantrag auf die belangte Behörde. Das Haus sei seit einigen Jahren bezugsfertig und könne aus Gründen der fehlenden Abwasserentsorgung nicht benützt werden.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 2013 wurde der Antrag der Revisionswerberin vom 15. Mai 2013 auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung vom 4. August 2009 an die belangte Behörde als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, laut Aktenvermerk vom 17. Mai 2010 habe die Revisionswerberin an diesem Tag angegeben, dass sie das Projekt "Abwasserreinigungsanlage" laut Antrag vom 4. August 2009 derzeit nicht weiter verfolge. Daher gehe die Oberbehörde im vorliegenden Fall von einer wirksamen Zurückziehung des entsprechenden Antrages der Revisionswerberin aus. Die Fortsetzung eines in dieser Form "beendeten" Verfahrens oder ein Widerruf der Antragszurückziehung sei nicht möglich. Die Revisionswerberin habe allerdings nach wie vor die Möglichkeit, einen neuerlichen Antrag einzubringen.

Da der verfahrenseinleitende Antrag, auf den sich der gegenständliche Devolutionsantrag beziehe, zurückgezogen worden sei, sei die Unterbehörde weder zu einer Sachentscheidung noch zu einer verfahrensrechtlichen Entscheidung verpflichtet. Demzufolge komme auch der Übergang einer Entscheidungspflicht nicht in Betracht.

Somit sei der darauf gerichtete Devolutionsantrag vom 15. Mai 2013 unzulässig und mit verfahrensrechtlichem Bescheid zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, weil der Sachverhalt von der belangten Behörde in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen worden sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der angefochtene Bescheid wurde der Revisionswerberin am 24. Dezember 2013 zugestellt. Für die Behandlung der Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß.

Die Revisionswerberin bringt vor, die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, sie sei am 17. Mai 2010 bei der BH erschienen und habe mitgeteilt, dass sie das Projekt Abwasserentsorgungsanlage laut Antrag vom 4. August 2009 nicht weiter verfolge, entspreche nicht den Tatsachen.

Zu diesem Zeitpunkt habe die Revisionswerberin zum einen "bereits gewusst", dass die von der Behörde angebotenen Gerätschaften zur Abwehr von Rückflüssen aus dem öffentlichen Kanal für ihr Wohnhaus nicht zu verwenden seien. Sie habe diese Tatsache auftragsgemäß bis zum 10. Mai 2010 beim Gemeindeamt G. mitgeteilt, weshalb es völlig sinnwidrig gewesen wäre, den Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung einer "alternativen" Kleinkläranlage zurückzuziehen.

Zum anderen übersehe die belangte Behörde, dass der zuständige Sachbearbeiter der BH mit Schreiben vom "01.08.2001" (richtig: 1. August 2011) an die Revisionswerberin mit der Bitte herangetreten sei, der Behörde mitzuteilen, ob sie dieses Projekt nicht weiter verfolge und allenfalls den Antrag vom 4. August 2009 wieder zurückziehe. Auf dieses Schreiben habe die Revisionswerberin geantwortet, dass sie den Antrag nicht zurückziehen möchte. Die Feststellung der belangten Behörde, wonach die Revisionswerberin am 17. Mai 2010 angegeben habe, die gegenständliche Angelegenheit nicht weiter verfolgen zu wollen, könne daher nur unrichtig sein, zumal das zeitlich nachfolgende Schreiben vom 1. August 2011 ansonsten völlig sinnwidrig gewesen wäre.

Zudem zeugten die folgenden Devolutionsanträge vom 24. September 2012 und vom 15. Mai 2013 wohl auch nicht von einem Rückzugswillen der Revisionswerberin.

Gemäß § 73 Abs. 1 erster Satz AVG idF BGBl. I Nr. 65/2002 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Wird der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen, so geht gemäß § 73 Abs. 2 AVG auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag). Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde (beim Unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 73 Abs. 3 AVG beginnt für die Oberbehörde (den Unabhängigen Verwaltungssenat) die Entscheidungsfrist mit dem Tag des Einlangens des Devolutionsantrages zu laufen.

Es kann dahinstehen, ob die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, wonach die Revisionswerberin am 17. Mai 2010 bei der BH vorgesprochen und mitgeteilt habe, dass sie das Projekt Abwasserentsorgungsanlage derzeit nicht weiter verfolge, den Tatsachen entspricht oder nicht, weil auch im erstgenannten Fall der angefochtene Bescheid aus nachfolgenden Erwägungen mit Rechtswidrigkeit belastet ist.

Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.

Im Falle der Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages erlischt die Entscheidungspflicht der Behörde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2005, Zl. 2004/03/0083),

Die Zurückziehung eines Anbringens stellt selbst ein Anbringen dar. Die Zurückziehung eines Antrages bedarf einer ausdrücklichen diesbezüglichen Willenserklärung gegenüber der Behörde. Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde gemäß § 37 und § 39 Abs. 2 AVG durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen, diesen also zu einer Präzisierung aufzufordern bzw. zum Inhalt einzuvernehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2013, Zl. 2013/07/0099, mwN).

Parteienerklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen; es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2013, Zl. 2011/07/0139, mwN).

Die im angefochtenen Bescheid festgestellte, jedoch von der Revisionswerberin bestrittene Erklärung derselben vom 17. Mai 2010, das gegenständliche Projekt "derzeit" nicht weiter zu verfolgen, weist nicht den eindeutigen Inhalt auf, dass die Revisionswerberin damit ihren Bewilligungsantrag jedenfalls zurückziehen wollte. Für diese Beurteilung spricht bereits die weitere, laut Aktenvermerk vom 17. Mai 2010 seitens der Revisionswerberin getätigte Aussage, dass das Haus frühestens Ende 2011 bezugsfertig sei. Dadurch könnte der Erklärung in ihrer Gesamtheit nämlich auch der objektive Erklärungswert beigemessen werden, dass die Revisionswerberin ihren Bewilligungsantrag nicht zurückziehen wollte, sondern lediglich eine Entscheidung der erstinstanzlichen Behörde über diesen Antrag zu diesem Zeitpunkt nicht als dringlich erachtete.

Auch der zeitlich später mit Erledigung der BH vom 1. August 2011 an die Revisionswerberin ergangenen Aufforderung, mitzuteilen, ob sie allenfalls den Antrag vom 4. August 2009 zurückziehe, ist zu entnehmen, dass selbst die BH nach der damaligen Aktenlage (im Akt der BH liegen u.a. Eingaben der Revisionswerberin betreffend die Behauptung des Eintritts ungeklärter Abwässer vom öffentlichen Kanal in ihr Wohnhaus auf) zumindest von einem undeutlichen Inhalt der im Aktenvermerk vom 17. Mai 2010 festgehaltenen Erklärung der Revisionswerberin ausgegangen war. Im Sinne der dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hatte die BH somit mit Erledigung vom 1. August 2011 versucht, den wahren Willen der Revisionswerberin festzustellen. Diese antwortete jedoch mit Eingabe vom 7. August 2011 dahingehend, dass sie den Bewilligungsantrag nicht zurückziehen möchte.

Darüber hinaus enthalten weder der angefochtene Bescheid noch die Gegenschrift der belangten Behörde Anhaltspunkte, die die in der Revision vorgetragene Argumentation, eine Zurückziehung des Bewilligungsantrages am 17. Mai 2010 wäre sinnwidrig gewesen, zumal die Revisionswerberin zu diesem Zeitpunkt "bereits gewusst" habe, dass die von der Behörde angebotenen Gerätschaften zur Abwehr von Rückflüssen aus dem öffentlichen Kanal für ihr Wohnhaus nicht zu verwenden seien, entkräften könnten. In den dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten befindet sich u.a. auch ein Schreiben der Revisionswerberin an die Wasserrechtsabteilung beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Mai 2010 mit einem entsprechenden Inhalt.

Vor diesem Hintergrund und angesichts der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen sind, dass die diese abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 19. Mai 1994, Zl. 92/07/0070, und vom 26. Februar 2004, Zl. 2003/07/0155, mwN), reicht die im angefochtenen Bescheid dargelegte Begründung der belangten Behörde für die Annahme einer am 17. Mai 2010 erfolgten Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages durch die Revisionswerberin nicht aus. Die allein darauf gestützte Zurückweisung des Devolutionsantrages erweist sich daher als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Juli 2014

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