Normen
AsylG 2005 §2 Abs1 Z14
FrPolG 2005 §53 Abs3 Z1 idF 2011/I/038
FrPolG 2005 §54 Abs1 idF 2011/I/038
FrPolG 2005 §63 idF 2011/I/038
MRK Art8 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2013220340.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin, einer nigerianischen Staatsangehörigen, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 20. Februar 2013 keine Folge gegeben und gegen sie ‑ nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung ‑ gemäß § 63 Abs. 1, 2 und 3 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die belangte Behörde begründete das Aufenthaltsverbot mit zwei ‑ näher dargestellten ‑ strafgerichtlichen Verurteilungen der Beschwerdeführerin ‑ zuletzt vom 24. November 2009 ‑ und den diesen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen. Weiters führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführerin am 18. August 1999 illegal nach Österreich eingereist sei. Ihr Asylantrag vom 19. August 1999 sei am 15. Oktober 1999 (erstinstanzlich) negativ entschieden worden. Das Asylverfahren sei (nach Erhebung einer Berufung) vom unabhängigen Bundesasylsenat am 29. November 2007 gemäß § 24 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) eingestellt worden. Im Hinblick auf eine ‑ inzwischen geschiedene ‑ Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger sei der Beschwerdeführerin, deren vier Kinder in Österreich in fremder Pflege lebten, zuletzt ein Niederlassungsnachweis erteilt worden.
Rechtlich stützte die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf den der Beschwerdeführerin erteilten Niederlassungsnachweis auf § 63 FPG. Die letzte Verurteilung erfülle zudem die Voraussetzung des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG für die Erlassung eines auf zehn Jahre befristeten Aufenthaltsverbots. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 61 FPG erachtete die belangte Behörde die Erlassung des Aufenthaltsverbots ‑ mit näherer Begründung ‑ für zulässig.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte, in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Beschwerdefall das FPG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (September 2013) geltenden Fassung, BGBl. I Nr. 144/2013, zur Anwendung kommt.
Weiters sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits‑Übergangsgesetz (VwGbk‑ÜG), BGBl. I Nr. 33/2013, nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass ihr Asylverfahren noch nicht beendet sei. Die gegen den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. November 1999 erhobene Beschwerde habe sich als erfolgreich erwiesen. Der Asylgerichtshof habe diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 10. Oktober 2013 aufgehoben und das Verfahren an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Sie sei daher nach wie vor nach dem Asylgesetz 1997 aufenthaltsberechtigt.
Auch wenn das aufhebende Erkenntnis des Asylgerichtshofes nach dem Beschwerdevorbringen erst nach Erlassung des angefochtenen Bescheides erging und sich dieser Umstand somit als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung darstellt, ist die Beschwerde mit diesem Vorbringen im Ergebnis im Recht:
Wie sich den im vorgelegten Akt der Bezirkshauptmannschaft N enthaltenen AIS‑Auszug entnehmen lässt, erhob die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. November 1999 fristgerecht Berufung. Das Berufungsverfahren wurde ‑ wie die belangte Behörde insoweit zutreffend feststellte ‑ am 29. November 2007 gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt. Wie dem AIS‑Auszug insofern jedoch weiter zu entnehmen ist, wurde das Asylverfahren über Antrag bereits am 8. Juli 2009 vom Asylgerichtshof wieder fortgesetzt.
Nach der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen (Asyl‑)Verfahren nach den Bestimmungen des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Asylgesetz 1997 zu Ende zu führen. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 AsylG 2005 sind auf diese Verfahren jedoch anzuwenden. Nach § 24 Abs. 2 AsylG 2005 kann ein Asylverfahren bis zum Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens fortgesetzt werden. Im Fall der Fortsetzung des Verfahrens lebt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung wieder auf.
Da bei Erlassung des hier angefochtenen Bescheides das Asylverfahren der Beschwerdeführerin vor dem Asylgerichtshof somit noch anhängig war, wäre gegen sie als Asylwerberin gemäß § 54 Abs. 1 FPG ausschließlich ein Rückkehrverbot in Betracht gekommen (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2013, Zl. 2013/18/0123, sowie vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0042, und vom 24. September 2009, Zl. 2006/18/0408, zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor dem FrÄG 2011).
Indem die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin dennoch ein Aufenthaltsverbot erlassen hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2008 und § 3 Z. 1 der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am 22. Jänner 2014
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)