VwGH 2012/15/0037

VwGH2012/15/003730.1.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamts Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Feldkirch, vom 2. Jänner 2012, Zl. RV/0454-F/10, betreffend Einkommensteuer 2009 (mitbeteiligte Partei: M S in F), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §34 Abs1;
EStG §34 Abs3;
EStG §34 Abs8;
SchUG 1986 §25 Abs9;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2014:2012150037.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Mitbeteiligte wandte sich im Berufungswege gegen die Nichtanerkennung des Pauschbetrages für eine auswärtige Berufsausbildung seiner Tochter durch das Finanzamt und beantragte dessen Berücksichtigung in Höhe von sechs Monatsbeträgen a 110 EUR für das Streitjahr 2009. Seine Tochter habe in ihren Besuch eines musischen Oberstufenrealgymnasiums von Juli 2009 bis Juli 2010 ein Auslandsschuljahr an einer High-School in Kapstadt, Südafrika, eingeschoben, um ihre Englischkenntnisse fundiert zu vertiefen und sich in einem multikulturellen Staat interkulturell zu bilden. Das Auslandsschuljahr sei als sechste AHS-Schulstufe anerkannt worden. Im Folgejahr sei die Tochter an ihre Stammschule und in ihre Stammklasse zurückgekehrt.

In einer daraufhin ergangenen abweisenden Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus, es bestehe keine Zwangsläufigkeit, seinem Kind über den Besuch einer allgemein bildenden Schule in Österreich hinaus den Zugang zu einer ausländischen Schule zu ermöglichen, ungeachtet allfälliger positiver Auswirkungen auf das Ausbildungsniveau und die spätere Berufslaufbahn.

Der Mitbeteiligte brachte in der Folge einen Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein. Begründend verwies er insbesondere auf das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 630/88 vom 28. September 1988, das eine Unterhaltsverpflichtung für die Teilnahme an einem einjährigen Schüleraustauschprogramm bejaht. Er sei somit gemäß § 140 ABGB verpflichtet gewesen, seiner Tochter die Teilnahme an dem Schüleraustausch zu ermöglichen. Zudem betonte er, dass die Anforderungen in einem "globalisierten" Berufsleben stetig stiegen und daher Zusatzausbildungen und -qualifikationen neben einer AHS-Ausbildung notwendig seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge.

Begründend führte sie aus, im Streitfall sei zu überprüfen, ob ein - innerhalb einer nationalen AHS-Ausbildung - absolvierter einjähriger Auslandsschulbesuch gleichwertig zum ununterbrochen fortgesetzten Besuch der inländischen Schule oder einer anderen Schulform im Einzugsbereich des Wohnortes sei oder ob durch den einjährigen Besuch einer südafrikanischen High School ein für die Bildungschancen und Berufsaussichten wesentlich anderer Lehrinhalt vermittelt werde, als dies beim Besuch einer im Einzugsbereich des Wohnortes gelegenen Schule der Fall gewesen wäre.

In Art. 165 AEUV seien die Ziele der Europäischen Union für die Schaffung eines europäischen Raums des Wissens normiert. Dabei komme der Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden eine ganz wesentliche Bedeutung zu. Durch zahlreiche Maßnahmen solle die Internationalisierung der Bildung der Unionsbürger erhöht werden. Die europäischen Bildungsprogramme bezögen sich dabei nicht bloß auf Studierende ("Erasmus-Programm"), sondern umfassten auch Schüler (zB "Comenius-Programm").

Im Einklang damit und ergänzend zu der unionsrechtlichen "europäischen Bildungsförderung" werde im Rahmen der staatlichen Souveränität auf dem Gebiet der Bildung die Internationalität der Ausbildung von Schülern und Studierenden forciert. Insbesondere sei § 25 Abs. 9 Schulunterrichtsgesetz zu nennen, nach dem ein nachgewiesener mindestens fünfmonatiger und längstens einjähriger fremdsprachiger Schulbesuch im Ausland als erfolgreicher Schulbesuch in Österreich gelte. Durch diese Anrechnung des ausländischen Schulbesuches sei ein bedeutendes Mobilitätshemmnis beseitigt und es ermöglicht worden, dass Austauschschüler "verlustfrei" den inländischen Schulbesuch wieder in ihrer bisherigen Klassengemeinschaft fortsetzen könnten. Darin sei eine für die Schüler besonders wichtige Form der staatlichen Förderung von Austauschprogrammen zu erblicken.

In Zusammenschau mit den europarechtlichen und innerstaatlichen Maßnahmen zur Förderung der Internationalisierung der Ausbildung durch Austauschprogramme werde eine besonders qualifizierte Fremdsprachenkompetenz erworben, wie sie in dieser konzentrierten Form bei einer ausschließlich inländischen Schulausbildung nicht erreicht werden könne. Hinzu komme die interkulturelle Bildung durch den laufenden Konnex mit den landestypischen Lebenssachverhalten.

Allein die Fremdsprachenperfektion und die interkulturelle Bildung stellten im Inlandsvergleich bereits wesentliche unterschiedliche Lehrinhalte dar, sodass die Möglichkeit einer gleichwertigen Ausbildung im Einzugsbereich des Wohnortes verneint werden könne. Die gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 geforderten Voraussetzungen lägen somit vor.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten "Aufwendungen für eine

Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes ... dann als

außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. Juni 2013, 2012/13/0076, ausgeführt hat, gehört es nicht zu den Voraussetzungen für den Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988, dass sich der Steuerpflichtige, wie dies nach § 34 Abs. 1 zweiter Satz i.V.m. Abs. 3 EStG 1988 erforderlich wäre, den Aufwendungen "aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann". Vielmehr beschränkt sich die Prüfung auf den in § 34 Abs. 8 EStG 1988 verselbständigten Teilaspekt der als solcher nicht erforderlichen Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988, nämlich das Fehlen einer "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" im Einzugsbereich des Wohnortes, ohne dass das Erfordernis einer daraus resultierenden rechtlichen oder sittlichen Pflicht zur Finanzierung der auswärtigen Ausbildung gesondert zu prüfen wäre. Auf das Bestehen einer Unterhaltsverpflichtung des Mitbeteiligten für den Auslandsschulbesuch seiner Tochter muss daher nicht eingegangen werden.

Entscheidend ist vielmehr ausschließlich, ob "im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" besteht, die die Vermeidung des Mehraufwandes ermöglicht hätte.

Bei Auslegung der Voraussetzung der "entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit" im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 ist auf einen gleichartigen Ausbildungsabschluss und auf die Vergleichbarkeit der Ausbildung ihrer Art nach abzustellen (vgl. zB zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2012, 2010/15/0069, und vom 22. Mai 2013, 2009/13/0026).

In diesem Zusammenhang ist - wie von der belangten Behörde zutreffend erkannt - auf § 25 Abs. 9 Schulunterrichtsgesetz zu verweisen. Dieser wurde mit BGBl. Nr. 767/1996 in das Schulunterrichtsgesetz eingeführt und lautet:

"Bei der Entscheidung über das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe gilt ein nachgewiesener mindestens fünfmonatiger und längstens einjähriger fremdsprachiger Schulbesuch im Ausland als erfolgreicher Schulbesuch in Österreich."

In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (417 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen der XX. Gesetzgebungsperiode) wird die Einführung von § 25 Abs. 9 Schulunterrichtsgesetz folgendermaßen begründet:

"Nicht nur der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union, sondern vielmehr die darüber hinausgehenden Bemühungen um Internationalisierung im Schulbereich machen eine Änderung der derzeitigen Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes, die das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe regeln, mit dem Ziel der Verstärkung der Fremdsprachenkompetenz erforderlich. Um diese zu erlangen, ist neben einem guten Fremdsprachenunterricht und der Erleichterung der Verwendung einer Fremdsprache als Unterrichtssprache (siehe den neuen § 16 Abs. 3) auch der Aufenthalt im fremsprachigen Ausland von besonderer Bedeutung.

Die Neufassung der obgenannten Bestimmungen soll Schülern, die für einen Zeitraum von mindestens fünf Monaten und höchstens einem Jahr nachweislich eine Schule im Ausland besucht haben (aus welchem Grund immer), die Rückkehr in deren zuvor besuchte Klasse erleichtern. Sie sollen berechtigt sein, ohne vorher eine Prüfung ablegen zu müssen, mit ihren Schulkameraden in die nächste Schulstufe aufzusteigen (§ 25 Abs. 9), oder aber - wenn sie das wünschen - die betreffende Schulstufe zu wiederholen (§ 27 Abs. 1). Der Nachweis über den Besuch der Schule im fremdsprachigen Ausland wird durch eine Schulbesuchsbestätigung oder entsprechende Zeugnisse zu erbringen sein.

Ein Nachweis über den erfolgreichen Besuch einer ausländischen Schule bzw. über den Besuch bestimmter Unterrichtsgegenstände oder einer mit der österreichischen Ausbildung vergleichbaren Ausbildung erscheint im Hinblick auf die Unterschiede in den diversen Schulsystemem nicht möglich und würde darüber hinaus die Erreichung des Zieles dieser Änderung vereiteln.

Da sich diese Entwurfsbestimmung des Abs. 9 auf das Aufsteigen bezieht, muß der mindestens fünfmonatige Zeitraum in dem Schuljahr liegen, von welchem aus aufgestiegen werden soll. Sofern der Schüler den ausländischen Schulbesuch vor Abschluß eines Unterrichtsjahres beendet, gilt der anschließende Schulbesuch als Fortsetzung dieser Schulstufe. Bei der Beurteilung der Leistungen des Schülers in dieser Schulstufe wird zu berücksichtigen sein, daß der Schulbesuch im Ausland "als erfolgreicher Schulbesuch in Österreich" gilt, sodaß auch in diesem Fall die Anberaumung einer Feststellungs- oder Nachtragsprüfung grundsätzlich wohl nicht in Frage kommen wird.

Es wird nicht verkannt, daß die beabsichtigte Ermöglichung des Aufsteigens nach einem Schulbesuch im fremdsprachigen Ausland auch zu Schwierigkeiten im weiteren Schulbesuch führen könnte. Es wird jedoch von einer gewissen Reife der Schüler und einem hohen Maß an Verantwortungsbewußtsein bei den Erziehungsberechtigten ausgegangen werden können. Weiters wird eine Kontaktnahme mit den Lehrern des Schülers bzw. mit dem Schulleiter zweckmäßig sein, um schon im vorhinein im Hinblick auf den beabsichtigten Schulbesuch im Ausland allfällige Wissensrückstände aufzuzeigen und zu besprechen. Dieses Aufzeigen von Ausbildungsdefiziten verbunden mit einer - natürlich unverbindlichen - Prognose über die im darauffolgenden Schuljahr vom Schüler zu erbringenden Leistungen könnte für den Schüler bzw. dessen Erziehungsberechtigten die Entscheidung über den Schulbesuch im Ausland und über das Aufsteigen und das Wiederholen einer Schulstufe erleichtern.

Die Neuregelung gilt jedoch nur für den Fall, daß nach dem Besuch einer Schule im Inland diese Schule nach einer höchstens einjährigen Unterbrechung weiter besucht wird. Sofern ein Schüler nach einem Schulbesuch im Ausland unmittelbar in eine seinem Alter entsprechende höhere Schulstufe aufgenommen wird, bleiben die Bestimmungen über die Ablegung von Einstufungsprüfungen anläßlich der Aufnahme in die Schule gemäß § 3 Abs. 6 des Schulunterrichtsgesetzes unberührt. Danach kann auf Grund einer Feststellung des unterrichtenden Lehrers von der Einstufungsprüfung insoweit abgesehen werden, als der Schüler durch die Mitarbeit im Unterricht sowie durch in den Unterricht sonst eingearbeitete Leistungsfeststellungen zu erkennen gibt, daß er das Bildungsziel des betreffenden Pflichtgegenstandes in den vorangegangenen Schulstufen in den wesentlichen Bereichen überwiegend erfüllt."

Der Schulgesetzgeber geht somit von einem eigenständigen Ausbildungswert eines begrenzten Auslandsschulbesuches im Hinblick auf das Ziel der Verstärkung der Fremdsprachenkompetenz aus, der unabhängig von einem inländischen Fremdsprachenunterricht besteht, und bekennt sich zu dessen Förderung.

In dem Ausmaß des von § 25 Abs. 9 Schulunterrichtsgesetz geförderten Auslandsschulbesuchs ist daher jedenfalls auch im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 davon auszugehen, dass "im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht", die einem fremdsprachigen Auslandsschulbesuch gleichwertig wäre. Dementsprechend sind auch die diesbezüglichen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung mit dem Pauschbetrag steuerlich zu berücksichtigen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 30. Jänner 2014

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte