OGH 1Ob630/88

OGH1Ob630/8828.9.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Margit H***, geboren 13.Jänner 1969, infolge Revisonsrekurses des Vaters Eduard H***, Lehrer, Siegfried Marcus-Straße 2, 3151 St. Georgen, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in St.Pölten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 20. April 1988, GZ R 237/88-160, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Waidhofen/Ybbs vom 11.März 1988, GZ P 76/72-156, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Kreisgerichtes St.Pölten vom 11.7.1972, 1 a Cg 599/72, rechtskräftig geschieden. Das Sorgerecht stand der Mutter zu. Zuletzt war der Vater mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30.7.1987, ON 153, verpflichtet, für die damals noch mj. Antragstellerin einen monatlichen Unterhalt von S 3.500 zu leisten. Sie legte im Juni 1987 im Bundesrealgymnasium Waidhofen an der Ybbs die Reifeprüfung mit Erfolg ab. Sie strebt ein Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien (Fremdenverkehr) an. Nach Ablegung der Reifeprüfung faßte sie den Entschluß, im Schuljahr 1987/88 am Auslandsprogramm des AFS Österreich, Austauschprogramm für soziales und interkulturelles Lernen, in den USA teilzunehmen. Seit August 1987 befand sie sich bei einer Familie in den USA. Sie besuchte dort eine ihrem Alter und ihrer Vorbildung entsprechende Schule. Ziel des Austauschprogrammes ist es, durch eine möglichst vollständige Integration der Teilnehmer in das Familien- und Schulleben des Gastlandes dessen Mentalität, Kultur und insbesondere Sprache besser kennen zu lernen.

Der Vater beantragte am 22.12.1987 auszusprechen, daß seine Unterhaltspflicht seit 1.8.1987 erloschen sei bzw. ruhe. Seine Tochter besuche in den USA eine allgemeinbildende höhere Schule. Die Teilnahme am Austauschprogramm stelle sich als Wiederholung einer bereits in Österreich absolvierten Schulstufe dar. Der Aufenthalt diene keinen Lern- oder Fortbildungszwecken, da einziger Fortbildungszweck das Erlernen der englischen Sprache sei, diese aber auf billigere Weise auch in Österreich erlernt werden könne. Der Aufenthalt des Kindes diene damit weder Fortbildungs- noch Studienzwecken. Seine Tochter habe die Matura abgelegt; sie wäre damit in der Lage, entweder einer Arbeit nachzugehen oder an einer Universität zu studieren. Nur in diesem Fall wäre er zu weiteren Unterhaltsleistungen verpflichtet.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Unterhaltspflicht des Vaters seit 1.8.1987 bis auf weiteres ruhe. Der einjährige Aufenthalt in den USA sei zwar eine nützliche, keinesfalls aber eine notwendige Voraussetzung für das von der Tochter angestrebte Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien (Fremdenverkehr) oder für ihre spätere Berufslaufbahn. Daher ruhe die Unterhaltspflicht des Vaters für den Zeitraum, in dem sich die Tochter in den USA aufhalte. Das Rekursgericht gab dem Rekurs von Mutter und Kind teilweise Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Unterhaltspflicht des Vaters ab 1.1.1988 auf monatlich S 2.800 herabsetzte. Eine der Voraussetzungen zur Erlangung einer qualifizierten Position im Fremdenverkehr sei sicherlich das gute Beherrschen von Fremdsprachen. Auslandsaufenthalte seien dazu gewiß erwünscht. Das fließende Beherrschen einer oder mehrerer Fremdsprachen sei für Berufe im Fremdenverkehr allgemein von größter Bedeutung. Da Margit H*** zukünftig im Bereich Fremdenverkehr zu arbeiten gedenke, stelle sich das Auslandsprogramm als gute Gelegenheit dar, zusätzliche berufsspezifische Qualifikationen zu erwerben und damit die Berufschancen deutlich zu verbessern. Es bestehe kein Zweifel, daß der Auslandsaufenthalt eine zweckmäßige Vorbereitung des angestrebten Studiums darstelle; es läge keine Unterbrechung der Kontinuität des Bildungsweges vor. Es könne auch nicht unberücksichtigt werden, daß beide Elternteile im Lehrberuf tätig seien und eine Verminderung der Leistungsfähigkeit des Vaters gar nicht behauptet worden sei; die Zwischenausbildung erscheine den Lebensverhältnissen der Eltern durchaus adäquat. Daß Margit H*** im Rahmen des Austauschprogrammes in den USA eine allgemeinbildende höhere Schule besuche, könne wegen des zusätzlichen Ausbildungsinhaltes nicht als eine bloße Wiederholung der bereits in Österreich absolvierten Schulstufe verstanden werden. Da der Aufenthalt nicht nur dem Erlernen der englischen Sprache, sondern auch der Kenntnis des Lebens im Gastland diene, könne ein bloßer Englischsprachkurs in Österreich entgegen der Auffassung des Vaters nicht als gleichwertig angesehen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zwar zulässig, weil über die Ermöglichung einer bestimmten Berufsausbildung durch Teilnahme an einem Auslandsprogramm zu entscheiden ist (EFSlg 52.724, 49.367, 47.182/2 uva), aber nicht berechtigt.

Der Vater hat seinem Kind nicht nur eine seinem Stand und Vermögen entsprechende abgeschlossene Berufsausbildung zu ermöglichen, sondern auch zu einer höherwertigen weiteren Berufsausbildung seines Kindes beizutragen, sofern es die zu einer solchen Ausbildung erforderlichen Fähigkeiten besitzt sowie deren Abschluß ernsthaft und zielstrebig verfolgt und dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Beteiligung an den Ausbildungskosten möglich und zumutbar ist (EFSlg 47.182/2, 45.661/2, 43.179/2 uva, Pichler in Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 140). Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs stellten die Vorinstanzen ausdrücklich fest, daß Margit H*** ein Studium an der Wirtschaftsuniversität Wien (Fremdenverkehr) anstrebe. Der Vater gestand schon in seinem Antrag zu, daß er für den Fall eines (ernsthaften und zielstrebigen) Universitätsstudiums weiterhin unterhaltspflichtig wäre. Es ist daher nur zu prüfen, ob das Austauschjahr in den USA diesem Ausbildungszweck dient. Dies ist zu bejahen. Das Ausbildungsjahr in den USA, die perfekte Beherrschung von Englisch und die durch den längeren Aufenthalt erlangten Kenntnisse der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den USA sind dem angestrebten Bildungsziel zweifellos förderlich. Daß dadurch insgesamt eine Verlängerung der akademischen Ausbildung eintreten werde, ist keinesfalls sicher, könnten doch die durch den Auslandsaufenthalt vermittelten qualifizierten Kenntnisse Verzögerungen des Studiums hintanhalten. Dient der Auslandsaufenthalt aber der Förderung des angestrebten Ausbildungszieles, zu dem der Unterhaltspflichtige beizutragen hat, ruht auch für den Zeitraum des Aufenthaltes im Ausland der Unterhaltsanspruch nicht.

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

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