Normen
AVG §63 Abs1 impl;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §63 Abs1 impl;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 3. August 2011 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als "das gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach Außen berufene Organ (Gewerbeinhaber) der O GmbH … und somit als Erstinverkehrbringer in Österreich" zu verantworten, dass am 12. August 2010 um 8.13 Uhr 89,52 kg des Produktes "X Hamburger tief gefroren" in der "X Filiale" in O im Tiefkühlunterbauschrank im Restaurant zum erwerbsmäßigen Verkauf bereitgehalten und somit in Verkehr gebracht worden sei, obwohl bei einer Probenentnahme von 10 Stück zu 0,560 g (aus der Originalpackung) festgestellt worden sei, dass diese Proben 1. nicht den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches, Codexkapitel B 14 Fleisch und Fleischerzeugnisse, Unterkapitel G (Grenzwerte) in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1162/2009 entsprochen hätten, da die Proben einen Fettgehalt von 24,47 % sowie einen Kollagenwert von 20,32 aufgewiesen hätten, obwohl für reines Rinderhackfleisch/Faschiertes ein maximaler Fettgehalt von 20 % und ein Kollagenwert von maximal 15 vorgesehen sei, und dieser Umstand nicht deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht und die Proben daher als verfälscht zu beurteilen seien, und 2. nicht der Verordnung (EG) Nr. 1162/2009 entsprochen hätten, da auf dem Etikett die erforderlichen Angaben "Fettgehalt weniger als …" und "Verhältnis zwischen Bindegewebe und Fleischeiweiß kleiner als …" fehlen würden.
Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1. § 5 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 5 Z. 3 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz ( LMSVG) iVm dem Österreichischen Lebensmittelbuch, Codexkapitel B 14 Fleisch und Fleischerzeugnisse, Unterkapitel G 1.1.4 (Grenzwerte - Faschiertes, Zubereitung aus Faschiertem), iVm Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1162/2009 vom 30. November 2009 und zu 2. Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1162/2009 vom 30. November 2009 verletzt, weshalb über ihn zu 1. gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG eine Geldstrafe von EUR 100,--, für den Fall der Nichteinbringung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Stunden, und zu 2. gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG eine Geldstrafe von EUR 50,--, für den Fall der Nichteinbringung eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, verhängt werde. Weiters habe der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von EUR 15,-- zu leisten sowie gemäß § 71 Abs. 3 LMSVG die Kosten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt der Stadt Wien in der Höhe von EUR 456,23 zu tragen.
Mit Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 19. November 2012 wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung insoweit, als diese Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses betraf, keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis in diesem Punkt bestätigt. Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides einen Betrag von EUR 20,-- binnen zwei Wochen zu entrichten und innerhalb gleicher Frist die verhängte Geldstrafe und den Beitrag zu den Verfahrenskosten erster Instanz jeweils zu Spruchpunkt 1. des erstinstanzlichen Strafbescheides "sowie die Barauslagen (Untersuchungskosten der AGES)" zu bezahlen habe. Mit Spruchpunkt II. des Bescheides der belangten Behörde vom 19. November 2012 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt 2. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt.
Ihrem gesamten Inhalt nach nur gegen Spruchpunk I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte - unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift - die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 51e VStG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung) § 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat
eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) …
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten läßt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.
(5) …"
Die Beschwerde macht unter anderem geltend, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung ausdrücklich die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, in welcher auch die entsprechenden Beweise aufzunehmen gewesen wären. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, eine derartige Berufungsverhandlung durchzuführen, um den entscheidungswesentlichen Sachverhalt korrekt festzustellen.
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Der Beschwerdeführer hat, worauf die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid selbst hinweist, in seiner Berufung die Durchführung einer Verhandlung beantragt. Die belangte Behörde hat zum Entfall der mündlichen Verhandlung im angefochtenen Bescheid ausgeführt, da "im gegenständlichen Fall dem Vorbringen des Rechtsmittelwerbers ohnedies vollinhaltlich Glauben geschenkt" worden sei und es sich "demnach um die Lösung einer reinen Rechtsfrage" gehandelt habe, habe von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs. 4 VStG abgesehen werden können.
Gemäß § 51e Abs. 4 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung aber nur dann absehen, wenn er - neben weiteren Voraussetzungen - einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat. Die mit Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides erfolgte Bestätigung des Spruchpunktes 1. des erstinstanzlichen Straferkenntnisses stellt aber keinen verfahrensrechtlichen Bescheid im Sinne des § 51e Abs. 4 VStG dar, sodass der Entfall der mündlichen Verhandlung auf diese Bestimmung nicht gestützt werden konnte (vgl. zum Begriff des verfahrensrechtlichen Bescheides etwa die bei Martin Köhler in N. Raschauer/Wessely (Hg.), VStG, § 51e Rz 19 zitierte hg. Judikatur).
Ein Entfall der Berufungsverhandlung nach § 51e Abs. 3 Z. 1 VStG kam - unbeschadet der Frage, ob der Berufung des Beschwerdeführers tatsächlich nur die Behauptung einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu entnehmen war - ebenso wenig in Betracht, weil eine Verhandlung nach dieser Norm nur dann unterbleiben kann, wenn neben der weiteren Voraussetzung, dass in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, kein Parteienantrag auf Abhaltung einer Verhandlung vorliegt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2012, Zl. 2012/03/0035). Da die zuletzt genannte Voraussetzung - das Fehlen eines Parteienantrages auf Abhaltung einer Verhandlung - im Beschwerdefall nicht vorlag, konnte der Entfall der Verhandlung auch nicht auf einen der weiteren Tatbestände des § 51e Abs. 3 VStG gestützt werden (vgl. zum kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmal des Fehlens eines Parteienantrages auf Abhaltung einer Verhandlung gemäß § 51e Abs. 3 VStG etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Juni 2012, Zl. 2011/10/0177).
Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Umfang seines Spruchpunktes I. zu führen hatte.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 28. Februar 2013
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