VwGH 2012/03/0035

VwGH2012/03/003522.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde 1. des C M und 2. der D GmbH, beide in W, beide vertreten durch Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. Mai 2011, Zl VwSen-120081/2/Ki/Ga, betreffend Übertretung des Schifffahrtsgesetzes (weitere Partei: Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie),

Normen

AVG §7 Abs1 Z3;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §7 Abs1 Z3;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 305,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 663,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Erstbeschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als (handelsrechtlicher) Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin, die in L eine schwimmende Schifffahrtsanlage für den Fahrgastverkehr betreibt, zu verantworten, dass in der Zeit von 1. Jänner 2009 bis 18. November 2009 eine näher bezeichnete Auflage des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Dezember 2002, mit dem die Errichtung der Schifffahrtsanlage bewilligt worden war, nicht eingehalten worden sei, weil die genehmigte Schifffahrtsanlage - entgegen der Auflage - nicht mit einer Elektroinstallation ausgerüstet worden sei.

Der Erstbeschwerdeführer habe dadurch § 72 Abs 2 Z 2 Schifffahrtgesetz in Verbindung mit Auflagenpunkt 11 des Bescheides des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 2. Dezember 2002 verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 92 Stunden) verhängt.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur Beschwerde des Erstbeschwerdeführers:

1. Die Beschwerde macht (unter anderem) geltend, die belangte Behörde hätte entsprechend dem Antrag in der Berufung eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Stattdessen werde im angefochtenen Bescheid unrichtig behauptet, dass keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt habe. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Entscheidung der belangten Behörde binnen nicht einmal drei Wochen (nach Einlagen der Berufung) erfolgt sei, zeige, dass die Meinung des entscheidenden "Richters" bereits entsprechend vorgefasst gewesen sein müsse und er somit als befangen anzusehen sei.

2. Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift entgegen, es treffe zwar zu, dass in der Berufung eine Verhandlung beantragt worden sei. Das erkennende Mitglied der belangten Behörde sei jedoch zur Auffassung gelangt, dass im gegenständlichen Fall der Sachverhalt geklärt gewesen sei und lediglich eine rechtliche Beurteilung vorgenommen werden müsse. Der Hinweis in der Bescheidbegründung, es sei eine mündliche Berufungsverhandlung nicht beantragt worden, sei nur irrtümlich erfolgt. Dem Vorhalt, das erkennende Mitglied sei befangen, werde entschieden entgegen getreten.

3. Die belangte Behörde hat den Entfall der mündlichen Verhandlung im angefochtenen Bescheid damit begründet, dass "in der Berufung lediglich eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen ist und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat (§ 51e Abs 3 Z 1 VStG)".

Dabei hat sie - aktenwidrig - verkannt, dass der Erstbeschwerdeführer in seiner Berufung die mündliche Verhandlung ausdrücklich beantragt hat. Damit kam ein Entfall der Berufungsverhandlung nach § 51e Abs 3 Z 1 VStG aber nicht in Betracht, weil eine Verhandlung nach dieser Norm nur dann unterbleiben kann, wenn neben der weiteren Voraussetzung, dass in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, kein Parteienantrag auf Abhaltung einer Verhandlung vorliegt.

Ausgehend davon hat die belangte Behörde ihr Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet, deren Relevanz für das Verfahrensergebnis nicht auszuschließen ist. Der angefochtene Bescheid vermag daher - soweit er vom Erstbeschwerdeführer angefochten worden ist - keinen Bestand zu haben.

4. Ungeachtet dessen bleibt festzuhalten, dass allein dieser Verfahrensmangel eine Befangenheit des entscheidenden Mitglieds der belangten Behörde im Sinne des § 7 Abs1 Z 3 AVG nicht zu begründen vermag. Weder das Unterlassen der Verhandlung noch die vom Erstbeschwerdeführer ins Treffen geführte aktenwidrige Begründung oder die rasche Entscheidung sind ausreichend konkrete Umstände, die eine Voreingenommenheit des entscheidenden Mitglieds der belangten Behörde glaubhaft machen würden. Die Behauptung der Beschwerde, die beschriebenen Fehler und die schnelle Erledigung der Berufung würden auf eine vorgefasste Meinung des entscheidenden Mitglieds (zu Lasten des Erstbeschwerdeführers) hindeuten, ist spekulativ. Sie lässt im Übrigen die - in der Gegenschrift vorgebrachte und nicht zu widerlegende - Möglichkeit außer Betracht, dass die genannten Unzulänglichkeiten (wozu im Allgemeinen jedenfalls nicht die rasche Erledigung einer Berufung zählt) auf einem Irrtum des Organwalters beruhten.

5. Der angefochtene Bescheid war daher nur aus den unter Punkt 3. der Erwägungen ausgeführten Gründen gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II. Zur Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin:

Gemäß § 9 Abs 7 VStG haften juristische Personen für die über die zur Vertretung nach außen Berufenen verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.

Für den Eintritt dieser Haftung ist nach der hg Judikatur erforderlich, dass der Spruch des Straferkenntnisses einen entsprechenden Haftungsausspruch enthält. Ein Haftungsausspruch ist jedoch im angefochtenen Bescheid (wie im Übrigen auch nicht im erstinstanzlichen Straferkenntnis) nicht enthalten. Die Zweitbeschwerdeführerin als potenziell haftungspflichtige Gesellschaft wird durch ein Straferkenntnis, das keinen Haftungsausspruch nach § 9 Abs 7 VStG enthält, nicht in Rechten verletzt und ist demgemäß auch nicht zur Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof legitimiert (vgl etwa die hg. Beschlüsse vom 2. Juli 2010, Zl 2007/09/0267, und vom 26. November 2010, Zl 2010/02/0011, mwN).

Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin war daher gemäß § 34 Abs 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Ein Anwendungsfall des § 53 VwGG liegt aufgrund des unterschiedlichen Prozesserfolgs der beschwerdeführenden Parteien nicht vor. Den beschwerdeführenden Parteien war nur der jeweils auf sie entfallende (aliquote) Teil der geltend gemachten Aufwendungen zuzusprechen (vgl dazu etwa den hg Beschluss vom 25. August 2010, Zl 2007/03/0119). Die Zurückweisung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin begründet deren (anteilige) Kostenersatzpflicht (§ 51 VwGG); hinsichtlich des obsiegenden Erstbeschwerdeführers hat der Bund anteilige Kosten der Beschwerde zu ersetzen.

Wien, am 22. Oktober 2012

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