VwGH 2012/10/0133

VwGH2012/10/013318.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zirm, über die Beschwerde der Dr. JP in K, vertreten durch Dr. Thomas Hofer-Zeni, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 82, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 5. Jänner 2012, Zl. BMLFUW-LE.4.1.6/0201- I/3/2011, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
VwRallg;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Jänner 2012 hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft den Antrag der Beschwerdeführerin vom 25. Juli 2002 auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für das Grundstück Nr. 2864, KG K., im Ausmaß von 7.435 m2 gemäß § 17 ff Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag damit begründet, dass sie auf der zur Rodung beantragten Fläche zur Erweiterung ihres landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes Himbeeren und Brombeeren anbauen wolle. Die Bezirkshauptmannschaft W. habe den Antrag abgewiesen, weil der geplante Beerenobstbau nach dem eingeholten agrartechnischen Gutachten nicht der Agrarstrukturverbesserung diene. Die Rodungsfläche eigne sich weder für einen Intensivobstbau noch für eine andere wirtschaftlich durchführbare landwirtschaftliche Nutzung. Weiters habe die Behörde erster Instanz ausgeführt, dass der zur Rodung beantragten Fläche nach dem Waldentwicklungsplan mittlere Schutz- und hohe Wohlfahrts- sowie Erholungsfunktion (Wertziffern 233) zukomme und die Waldausstattung der KG K. nur 10 % betrage, weshalb ein das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegendes öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung des Waldbodens nicht vorliege.

Die dagegen gerichtete Berufung habe der Landeshauptmann von Niederösterreich abgewiesen, weil die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Stellungnahmen der Höheren Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau sowie der Universität für Bodenkultur, wonach die Rodungsfläche zum wirtschaftlichen Anbau von Himbeeren und Brombeeren geeignet sei, nach den ergänzend eingeholten Gutachten keine wesentlichen Änderungen aus agrarfachlicher bzw. forstfachlicher Sicht gegenüber den im Verfahren erster Instanz erstatteten Gutachten ergeben hätten.

Auch dagegen habe die Beschwerdeführerin Berufung erhoben. Dazu habe sie im Laufe des Verfahrens ein weiteres Gutachten der Universität für Bodenkultur, ein forstfachliches Privatgutachten von Dl. K. sowie ein Schreiben der Stadtgemeinde K vom 19. März 2010 vorgelegt, womit das öffentliche Interesse der Gemeinde an der gegenständlichen Rodungsbewilligung auf Basis des örtlichen Entwicklungskonzepts 2004 dokumentiert werde. Aus diesem Schreiben ergebe sich, dass der zunehmende Waldwuchs das die Stadtgemeinde K. wesentlich prägende Landschaftsbild (Abwechslung zwischen Wald und landwirtschaftlich genutzten Flächen) zerstöre und damit erheblich dem öffentlichen Interesse dieser Stadtgemeinde widerspreche. Dazu habe die Beschwerdeführerin die Einvernahme des Bürgermeisters sowie die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachgebiet der Raumplanung beantragt. Weiters habe sich die Beschwerdeführerin in der Berufung gegen die Heranziehung der KG K. als Bezugsgröße für die Beurteilung einer ausreichenden Waldausstattung gewendet, weil es sich hiebei um das Stadtgebiet mit einer naturgemäß geringen Waldausstattung von nur 10 % handle. Als Bezugsgröße wäre die gesamte Gemeinde K. heranzuziehen gewesen, welche mit 57,6 % eine ausreichende Waldausstattung aufweise. Weiters habe sich die Beschwerdeführerin gegen die Ansicht des Landeshauptmannes gewendet, wonach sie den Anbau von Beerenobst auch auf zuzukaufenden bzw. zuzupachtenden nicht bewaldeten Flächen ausüben könne.

Die belangte Behörde habe ein ergänzendes forstfachliches Gutachten zu den Fragen eingeholt, welche Wertigkeit der zur Rodung beantragten Fläche in Bezug auf die Waldfunktionen zukomme und welcher Bereich für die Beurteilung der Waldausstattung heranzuziehen sei.

Der Amtssachverständige habe ausgeführt, dass dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten von DI. K. zu folgen sei und der konkret zur Rodung beantragten Fläche lediglich geringe Schutz-, mittlere Wohlfahrts- und mittlere Erholungsfunktion (Wertziffern 122) zukomme.

Weiters habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass nach dem Rodungserlass grundsätzlich die Katastralgemeinde als Bezugsgröße für die Beurteilung der Waldausstattung heranzuziehen sei. Der Privatsachverständige DI. K. habe für die Beurteilung des Vorliegens einer ausreichenden Waldausstattung einen Umkreis von einem Kilometer rund um die zur Rodung beantragte Fläche herangezogen. Die dafür ausgewiesene Waldausstattung von 40 % erscheine plausibel, jedoch habe der Privatsachverständige nicht begründet, warum er gerade diesen Bereich heranziehe. Die Ortsgemeinde K. weise insgesamt eine Waldausstattung von 57,6 % auf. Sie umfasse sieben Katastralgemeinden, von denen sechs Waldausstattungen von 48,7 bis 88,1 % aufwiesen. Bei diesem großen Unterschied zwischen der KG K. mit einer Waldausstattung von 10 % und den anderen Katastralgemeinden sei es "also durchaus plausibel", die Waldausstattung der sehr unterbewaldeten KG K. als Bezugseinheit zu wählen.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass auf Grund der mittleren Wohlfahrtsfunktion ein besonderes öffentliche s Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald bestehe. Eine Rodungsbewilligung könne daher nur gemäß § 17 Abs. 3 ForstG erteilt werden.

Nach dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten sei das Grundstück für den Beerenanbau geeignet. Das Privatgutachten von DI. K. habe das Vorliegen eines in der Agrarstrukturverbesserung begründeten öffentlichen Interesses bejaht. Damit gelinge es der Beschwerdeführerin jedoch nicht darzutun, dass die Rodung eine zur Existenzsicherung ihres Betriebes oder für die Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendige Maßnahme darstelle. Der beabsichtigte Beerenanbau könne nämlich auch auf Nichtwaldflächen ausgeübt werden. Der Zukauf bzw. die Zupachtung derartiger Flächen sei grundsätzlich möglich. Die Inanspruchnahme von Waldgrund dürfe nur subsidiär erfolgen. Dies habe auch mit dem Konzept der Europäischen Union, die landwirtschaftliche Überproduktion einzudämmen, zu tun. Zur Verbesserung der Betriebsstruktur sollten daher keine Waldflächen gerodet, sondern bestehende landwirtschaftliche Flächen (auch durch Pacht oder Kauf) herangezogen werden. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen seien hiebei nicht anzustellen.

Mangels öffentlichen Interesses an der Agrarstrukturverbesserung sei daher keine Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG durchzuführen gewesen.

Den Anträgen der Beschwerdeführerin auf Vernehmung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. und Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich der Raumordnung zum Nachweis des Bestehens eines in der Raumordnung begründeten öffentlichen Interesses sei nicht zu folgen gewesen, weil die Beschwerdeführerin diese Beweismittel im Zusammenhang mit einer aus ihrer Sicht durchzuführenden Interessenabwägung angeboten habe, eine solche Abwägung aber nicht durchzuführen sei.

Der von der Beschwerdeführerin beigezogene Privatgutachter DI K. sei ausschließlich Forsttechniker. Mit der in seinem Gutachten enthaltenen Aussage, wonach die begehrte Rodung im Interesse der Agrarstrukturverbesserung liege, trete die Beschwerdeführerin daher dem eingeholten agrartechnischen Amtssachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sei es für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Walderhaltung nicht ausschlaggebend, dass die Waldeigenschaft der gegenständlichen Fläche erst im Jahr 2000 festgestellt worden sei.

Die Heranziehung der KG K. als Bezugsgröße für die Beurteilung der Waldausstattung ergebe sich aus dem schlüssigen Gutachten des Amtssachverständigen.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Zunächst sei festgehalten, dass gemäß § 170 Abs. 7 ForstG idF vor dem Verwaltungsreformgesetz 2001, BGBl. I Nr. 65/2002, in Angelegenheiten von Rodungen zu nicht militärischen Zwecken der Instanzenzug beim zuständigen Bundesminister endete. Diese Bestimmung ist gemäß § 179 Abs. 6 ForstG idF des Verwaltungsreformgesetzes 2001 am 4. Monatsersten nach der am 19. April 2002 erfolgten Kundmachung des Verwaltungsreformgesetzes 2001, sohin am 1. August 2002, außer Kraft getreten, jedoch auf zu diesem Zeitpunkt anhängige Verfahren, somit auch auf das gegenständliche seit 26. Juli 2002 (Einlangen des Rodungsantrages bei der Behörde erster Instanz) anhängige Verfahren, weiterhin anzuwenden.

Die belangte Behörde war daher zuständig, über die Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes zu entscheiden.

§ 17 ForstG 1975, BGBl. Nr. 440 (ForstG), hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"Rodung

§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.

(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.

(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

(4) Öffentliche Interessen an einer anderen Verwendung im Sinne des Abs. 3 sind insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- oder öffentlichen Straßenverkehr, im Post- oder öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung, im Siedlungswesen oder im Naturschutz.

(5) Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinne des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 3 hat die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

…"

Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass aus dem Vorliegen einer mittleren Wohlfahrtsfunktion kein "besonderes" und daher über das übliche hinausgehende Interesse an der Walderhaltung abgeleitet werden könne. Die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass der Sachverständige eine mittlere Wohlfahrtsfunktion vorwiegend deshalb angenommen habe, weil der gesamte Wienerwald Feinemissionen binde und filtere. Auf Grund der Größe der gegenständlichen Fläche im Verhältnis zum gesamten Wienerwald sei diese Wirkung zu vernachlässigen. Dabei sei auch zu beachten, dass die Waldeigenschaft erst im Jahr 2000 festgestellt worden sei und davor kein Wald mit entsprechenden Wirkungen bestanden habe. Jedenfalls liege die beantragte Rodung im öffentlichen Interesse an der Agrarstrukturverbesserung, das ein allenfalls bestehendes Interesse an der Walderhaltung überwiege. Bei der Gewichtung dieses öffentlichen Interesses hätte die belangte Behörde nicht nur auf die Kriterien "Existenzsicherung" und "Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes" Bedacht nehmen dürfen, vielmehr hätte sie auch berücksichtigen müssen, dass nach dem Schreiben des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. der landwirtschaftlich dominierten Flur zwischen der Baulandgrenze und dem Wienerwald eine große Bedeutung zukomme und die Vermehrung landwirtschaftlich genutzter Flächen gewünscht sei. Darüber hinaus entsprächen die Wirkungen der geplanten Himbeer- und Brombeerkultur jenen eines Waldes. Überdies sei es willkürlich, bei einem Ort, der zum Großteil von Wald umgeben sei, die für die Beurteilung des Waldbedarfs relevante Waldausstattung auf die jeweilige Katastralgemeinde zu begrenzen, ohne dabei die als Stadtgebiet anzusehende Fläche auszuklammern oder zumindest nur anteilig im Verhältnis der näheren Umgebung zu berücksichtigen.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Ein besonderes, einer Rodungsbewilligung nach § 17 Abs. 2 ForstG entgegenstehendes öffentliches Interesse an der Walderhaltung ist nach den Gesetzesmaterialien (RV zur Novelle BGBl. I Nr. 59/2002, 970 Blg. NR 21. GP, 32) dann gegeben, wenn es sich um Waldflächen handelt, denen mittlere oder hohe Schutzwirkung, mittlere oder hohe Wohlfahrtswirkung oder hohe Erholungswirkung gemäß Waldentwicklungsplan zukommt. Ob dies im konkreten Fall zutrifft, ist von der Forstbehörde anhand des Gutachtens eines forstlichen Sachverständigen zu beurteilen, wobei dem Waldentwicklungsplan eine wesentliche Indizwirkung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/10/0234, mwN).

Die gegenständliche Fläche gehört unstrittig zu einer Funktionsfläche, die im Waldentwicklungsplan mit den Wertziffern 233 (mittlere Schutz-, hohe Wohlfahrts- und hohe Erholungsfunktion) ausgewiesen ist. Für die Beurteilung der Waldfunktionen der konkret zur Rodung beantragten Fläche hat die Beschwerdeführerin das Privatgutachten von DI K. vorgelegt, das insoweit vom Amtssachverständigen als schlüssig bezeichnet und von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt worden ist. Danach liegt lediglich eine geringe Schutzfunktion und eine mittlere Erholungsfunktion vor. Zur Wohlfahrtsfunktion führte dieser Sachverständige aus, dass die zur Rodung beantragte Fläche weder im Nahbereich konkret bekannter Schadstoffquellen noch in einem Bereich besonderer Ausbreitungsbedingungen von Luftschadstoffen liege und daher die Wertziffer 3 für die Wohlfahrtsfunktion nicht gerechtfertigt sei. Die Funktion der Bindung und Filterung von Feinemissionen sei jedoch für den Wienerwald generell gegeben. Hinsichtlich der Kriterien Klimaausgleich und Reinigung der Luft werde der gegenständlichen Fläche daher die Wertziffer W 2 (mittlere Wertigkeit der Wohlfahrtsfunktion) zugeordnet.

Der Wohlfahrtsfunktion der gegenständlichen Fläche kommt daher nach einem diese konkrete Fläche betreffenden Gutachten mittlere Wertigkeit zu. Der Umstand, dass es sich bei der gegenständlichen Fläche um einen Teil des in seiner Gesamtheit für die Wohlfahrtsfunktion bedeutenden Wienerwaldes handelt, kann an der sachverständig beurteilten Wohlfahrtswirkung der konkreten Fläche nichts ändern. Ebenso unerheblich sind die vorgebrachten Umstände, dass die Waldeigenschaft der gegenständlichen Fläche erst im Jahr 2000 festgestellt worden sei und die Wirkungen der geplanten Beerenkultur den Wirkungen eines Waldes gleichkämen.

Da somit ein in der Wohlfahrtsfunktion begründetes besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung vorliegt, kommt die Erteilung einer Rodungsbewilligung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG nur in Betracht, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt. Als dabei zu berücksichtigendes öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der Fläche kommt fallbezogen das in der beispielhaften (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Juni 2011, Zl. 2009/10/0173) Aufzählung des § 17 Abs. 4 ForstG genannte Interesse an der Agrarstrukturverbesserung in Betracht.

Ein solches öffentliches Interesse ist nach der ständigen hg. Judikatur dann zu bejahen, wenn die Rodung eine Maßnahme darstellt, die für die Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung dieses Betriebes oder dem gleichermaßen bedeutsamen Blickwinkel der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig ist. Nur ein derartiges Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen ausschließendes Verständnis wird dem Ausnahmecharakter einer Rodungsbewilligung gerecht. Bei weiter Auslegung des Begriffes der Agrarstrukturverbesserung könnten diesem allenfalls - im Sinn des öffentlichen Interesses an der Existenz leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe - auch mit einer anderweitigen Verwendung von Waldboden verbundene Maßnahmen zugeordnet werden, die durch eine Verbesserung der Ertragssituation eine Sicherung des Bestandes von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, die sonst in ihrer Existenz gefährdet wären, bewirken, sofern die angestrebte Verwendung der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit zugeordnet und nicht auf anderen zur Verfügung stehenden Flächen ausgeübt werden kann. Rein privatwirtschaftliche Nützlichkeitserwägungen reichen jedoch zur Begründung eines öffentlichen Interesses an einer anderweitigen Verwendung von Waldboden nicht aus. Ein im Rahmen der Interessenabwägung nach § 17 Abs. 3 ForstG ins Gewicht fallender Mangel der Agrarstruktur unter dem Gesichtspunkt der Erfordernisse eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebs kann etwa in mangelnder Verkehrserschließung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke bestehen, die einer rationellen Bearbeitung entgegensteht (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. November 1997, Zl. 95/10/0257, und vom 29. September 2010, Zl. 2004/10/0145). Es ist Sache des Antragstellers, den Rodungszweck soweit zu konkretisieren, dass eine Beurteilung möglich ist, ob daran ein öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis zur Zl. 2009/10/0173).

Die Beschwerdeführerin hat sich im Verwaltungsverfahren der Sache nach darauf berufen, dass die beantragte Rodung der Erweiterung ihres landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebes diene, um dessen Existenz zu sichern. Dazu hat sie in der Ergänzung ihres Antrages vom 11. November 2008 vorgebracht, dass sie derzeit einen Bestand von acht Schafen und vier Bienenstöcken habe. Auf einer etwa 1.000 m2 großen Fläche zwischen den hochstämmigen Obstbäumen habe sie mit dem Anbau von Himbeeren und Brombeeren begonnen. Sie beabsichtige auf der zur Rodung beantragten Fläche den Beerenanbau auszubauen. Damit könne sie den Großteil des Familieneinkommens erwirtschaften. Die Schafe würden zur Pflege der Grünstreifen zwischen den Beeren und Obstbäumen eingesetzt. Weiters beabsichtige sie den Bienenbestand aufzustocken, weil Bienen gute Bestäuber für Beerenobst seien. Eine andere Fläche für ihre Landwirtschaft stehe ihr nicht zur Verfügung. Im von der Beschwerdeführerin vorgelegten Privatgutachten von DI K. wird zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sie als Tierärztin an der medizinischen Universität Wien angestellt sei und sich derzeit in Elternteilzeit befinde.

Aus dem Gutachten des agrartechnischen Amtssachverständigen vom 23. Dezember 2008, dem die Beschwerdeführerin insoweit nicht entgegengetreten ist, ergibt sich zum derzeitigen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb der Beschwerdeführerin Folgendes:

Die Beschwerdeführerin hat auf der zur Rodung beantragten Fläche im Ausmaß von 7.435 m2 bereits den forstlichen Bewuchs entfernt und die landwirtschaftliche Nutzung in Angriff genommen. Inklusive dieser Fläche stünden für den landwirtschaftlichen Betrieb 1,1 ha, ohne diese Fläche lediglich 3.700 m2 zur Verfügung. Die Beschwerdeführerin hat auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche verschiedene Obstsorten in einem weiten Verband von etwa 12 x 12 m in der Art einer Streuobstwiese angelegt. Es handelt sich um Hochstamm-Obstbäume, die frühestens nach 10 Jahren in Ertrag kommen. Im etwas weniger steilen westlichen Bereich des Grundstückes wurden drei Reihen mit Himbeeren und zwei Reihen mit Brombeeren gepflanzt. Weiters befinden sich auf der Liegenschaft ein etwa 4 x 4 m großer Schafunterstand und eine ebenfalls etwa 4 x 4 m große Hütte, in der Heu gelagert wird. Es werden acht Mutterschafe gehalten. An Nachzucht fallen etwa acht Lämmer an, die im Schlachthof geschlachtet und für den Eigenbedarf genutzt bzw. an Bekannte verkauft werden. Durch die Weidenutzung der Streuobstwiese wurden schon einige Obstbäume in Mitleidenschaft gezogen bzw. zum Absterben gebracht. Auf Grund der geringen Flächenausstattung wird nur ein kleiner Teil des Winterfutters selbst produziert, im Jahr 2008 etwa 60 Kleinballen zu je 10 kg. Der Großteil, etwa 200 Ballen zu je 15 kg, werden zugekauft. Der Honig der vier Bienenstöcke wird bei einem befreundeten Imker geschleudert. An landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen besitzt die Beschwerdeführerin nur einen Balkenmäher und diverse Kleingeräte. Andere Geräte werden bei Bedarf ausgeborgt. Die Beschwerdeführerin ist bei der SVA der Bauern versichert.

Die von der Beschwerdeführerin geplante Erweiterung des landwirtschaftlichen Betriebes wäre bei der Interessenabwägung gemäß § 17 Abs. 3 ForstG nur zu berücksichtigen, wenn sie im Interesse der Existenzsicherung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe und damit im Interesse der Agrarstrukturverbesserung im Sinn der zitierten hg. Judikatur läge. Ein solches Interesse setzt voraus, dass überhaupt ein Betrieb besteht, dessen Sicherung im öffentlichen Interesse an der Existenz leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe gelegen ist. Es muss also bereits vor der geplanten Erweiterung ein Betrieb bestehen, dessen Einstellung eine relevante Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses am Bestehen leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe bedeuten würde. Dies ist beim Betrieb der Beschwerdeführerin nicht der Fall, stehen ihr doch ohne die zur Rodung beantragte Fläche nur 3.700 m2 landwirtschaftlich nutzbare Fläche zur Verfügung, die extensiv zur Schafhaltung und als im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht im Ertrag stehende Streuobstwiese sowie für vier Bienenstöcke verwendet wird.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die belangte Behörde hätte die vorgelegten Privatgutachten aus den Fachbereichen Obstbau und Forsttechnik nicht einfach als nicht auf gleicher fachlicher Ebene mit dem Amtssachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der Agrartechnik gelegen abtun dürfen, bezieht sie sich erkennbar auf die im Privatgutachten des forstfachlichen Sachverständigen DI K. und im obstbautechnischen Privatgutachten der Universität für Bodenkultur enthaltenen Aussagen, dass der Rodungszweck im Interesse der Agrarstrukturverbesserung gelegen sei.

Dazu sei zunächst ausgeführt, dass es sich bei der Frage, ob eine Agrarstrukturverbesserung im Sinn des § 17 Abs. 4 ForstG vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt, die die Behörde - auf Grund der im Befund eines Sachverständigen festgestellten Tatsachen und der daraus im Gutachten gezogenen Schlussfolgerungen - zu lösen hat (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/10/0257).

Der forsttechnische Privatsachverständige DI K. hat seine Ansicht, der Rodungszweck liege im Interesse der Agrarstrukturverbesserung, im Wesentlichen darauf gestützt, dass die zur Rodung beantragte Fläche die "Kernfläche" des landwirtschaftlichen Betriebes der Beschwerdeführerin ausmache und der Betrieb ohne diese Fläche in seiner Existenz gefährdet wäre. Das obstbautechnische Sachverständigengutachten der Universität für Bodenkultur führt aus, dass der von der Beschwerdeführerin geplante biologische Anbau von Beerenobst mit Selbsternteangebot eine innovative Maßnahme zur Sicherung eines kleinen landwirtschaftlichen Betriebes im Interesse der Agrarstrukturverbesserung darstelle.

Diese Umstände ändern nichts daran, dass es sich beim landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der derzeit - ohne die beantragte Rodung - zur Verfügung stehenden Flächen und der derzeitigen Bewirtschaftungsform um keinen Betrieb handelt, dessen Erhaltung im Interesse an der Existenzsicherung leistungsfähiger landwirtschaftlicher Betriebe und damit im öffentlichen Interesse an der Agrarstrukturverbesserung gelegen ist.

Bei der gemäß § 17 Abs. 3 ForstG durchzuführenden Abwägung, ob das öffentliche Interesse an der Verwirklichung eines im Interesse der Agrarstrukturverbesserung gelegenen Projekts das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegt, ist zwar gemäß § 17 Abs. 3 leg. cit. insbesondere auf eine ausreichende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; weiters sind - gegenüber der erforderlichen Waldausstattung nachrangig gereiht (Brawenz/Kind/Reindl, ForstG3, Anm. 11 zu § 17) - die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen. Dies setzt jedoch voraus, dass das beantragte Projekt - vorliegend also die von der Beschwerdeführerin geplante landwirtschaftliche Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche - an sich im Interesse an der Agrarstrukturverbesserung liegt. Das Vorhandensein einer ausreichenden Waldausstattung und die Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der Raumordnung können keinesfalls für sich allein ein Interesse an der Agrarstrukturverbesserung bewirken.

Die belangte Behörde ist daher zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass das Projekt der Beschwerdeführerin nicht im öffentlichen Interesse an der Agrarstrukturverbesserung liegt und daher keine das öffentliche Interesse an der Erhaltung der gegenständlichen Fläche als Wald überwiegenden öffentlichen Interessen vorliegen.

Da es dabei - wie dargestellt - nicht auf das Vorhandensein einer ausreichenden Waldausstattung und die Übereinstimmung des Projekts mit den von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten raumordnungsrechtlichen Zielsetzungen der Gemeinde ankommt, kann dahinstehen, ob die belangte Behörde zur Beurteilung des Vorhandenseins einer ausreichenden Waldausstattung zu Recht den Bewaldungsgrad der KG K. herangezogen hat. Aus diesem Grund vermag die Beschwerdeführerin mit der Rüge, die belangte Behörde habe sich mit ihrem Vorbringen betreffend die Übereinstimmung des Projekts mit raumordnungsrechtlichen Zielsetzungen nicht ausreichend auseinandergesetzt, keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. Juni 2013

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