VwGH 2011/01/0228

VwGH2011/01/022826.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Pitsch, in der Beschwerdesache des Dr. H in W, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Dannebergplatz 6/4/4, gegen den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend Altersrente, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
EGVG 2008 Art1 Abs2 Z27;
VwGG §27;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2013:2011010228.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hat (mit Wirkung vom 30. September 2003) auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet und bezieht (seit 1. Oktober 2003) eine Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien.

Die Abteilung VI des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien hat mit Beschluss vom 2. Juni 2009 die Altersrente des Beschwerdeführers mit Wirkung vom 1. Juli 2009 auf monatlich EUR 182,42 (brutto) neu festgesetzt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.

Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) hat mit Beschluss vom 29. September 2009 dieser Vorstellung (des Beschwerdeführers) Folge gegeben und die Sache an die Abteilung VI "zur neuerlichen Behandlung und Beschlussfassung zurückverwiesen".

Mit der am 15. Juli 2011 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, der "Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien" (belangte Behörde) sei seiner Entscheidungspflicht nicht nachgekommen. Er bringt vor, die Abteilung VI des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien sei (seit Zustellung des Zurückverweisungsbeschlusses) untätig geblieben. Deshalb habe er am 15. Dezember 2010 "Devolution an die Oberbehörde, den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien" beantragt; der Devolutionsantrag sei am 16. Dezember 2010 bei der belangten Behörde eingetroffen.

Die belange Behörde sei die oberste Behörde, die im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen habe werden können. Seit Eintreffen des Devolutionsantrages habe die belangte Behörde "nicht in der Sache entschieden". Der Beschwerdeführer stellte in der Säumnisbeschwerde abschließend den Antrag, "der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen".

Nach Ausweis der (von der belangten Behörde) vorgelegten Verwaltungsakten hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung VI, am 11. Jänner 2011, GZ 5199/2008, folgenden Beschluss gefasst:

"Die Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, von Herrn Dr. H, em. Rechtsanwalt, wohnhaft in H, wird auf Grund der Ergebnisse des Jahresabschusses 2008 neu festgesetzt und beträgt seit 01.07.2009 nach Abzug der Verwaltungskosten EUR 182,42 p.m. (brutto)." Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 16. Dezember 2011(nachweislich) zugestellt.

Zu diesem (nach Einbringung der Säumnisbeschwerde) ergangenen Beschluss der Abteilung VI der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes aus, diese am 16. Dezember 2011 (von ihm) übernommene Entscheidung sei mit Nichtigkeit behaftet, weil sie von der unzuständigen Behörde erster Instanz getroffen worden sei. Die an die Behörde zweiter Instanz übergegangene Entscheidungspflicht könne die Behörde erster Instanz nicht rechtswirksam erfüllen. Der Beschwerdeführer wiederholte in seinen weiteren Schriftsätzen (vom 29. Dezember 2011, 19. Jänner 2012 und 12. April 2012) seinen Antrag, "der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst erkennen".

Die Säumnisbeschwerde ist nicht zulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Art. 132 B-VG gewährt Rechtsschutz in den Fällen, in denen jemand einen Rechtsanspruch darauf hat, dass eine Verwaltungsbehörde einen Bescheid erlässt; die Säumnisbeschwerde schützt den Einzelnen vor behördlicher Untätigkeit in der Hoheitsverwaltung (vgl. die hg. Beschlüsse vom 24. Juli 2012, Zl. 2009/03/0070; und vom 27. November 2012, Zl. 2012/03/0155, mwN).

Gemäß Art. I Abs. 2 Z. 27 EGVG (BGBl. I Nr. 87/2008 idF BGBl. I Nr. 20/2009 und 22/2013) ist im Verfahren der Organe der gesetzlichen beruflichen Vertretungen das AVG nicht anwendbar. Im Verfahren vor Behörden, die das AVG nicht anzuwenden haben, sind die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2000/10/0062).

Die Rechtsanwaltskammern als gesetzliche berufliche Vertretungen haben das AVG in ihrem Verfahren nicht anzuwenden. Die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG bei Säumigkeit mit der Entscheidung über einen in diesem Selbstverwaltungsbereich gestellten Antrag scheidet daher aus. Der (am 15. Dezember 2010) an die belangte Behörde gestellte Devolutionsantrag des Beschwerdeführers war, da § 73 AVG im Verfahren vor den Organen der Wiener Rechtsanwaltskammer nicht gilt, nicht zulässig. Dieser unzulässige Devolutionsantrag bewirkte keinen Übergang der Zuständigkeit in der betreffenden Angelegenheit auf die damit angerufene Behörde. Für die belangte Behörde hat hinsichtlich der Angelegenheit der Festsetzung (Herabsetzung) der Altersrente des Beschwerdeführers daher keine Entscheidungspflicht bestanden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2009, Zl. 2007/06/0149).

Die vorliegende Säumnisbeschwerde richtete sich allein darauf, die belangte Behörde habe "in der Sache" nicht entschieden, bzw. der Verwaltungsgerichtshof möge "in der Sache selbst" entscheiden. Mangels Entscheidungspflicht der belangten Behörde "in der Sache" war die Säumnisbeschwerde aber schon aus diesem Grund zurückzuweisen (vgl. das oben genannte Erkenntnis Zl. 2007/06/0149).

Die vorliegende Säumnisbeschwerde war somit mangels einer Entscheidungspflicht der belangten Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mangels gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2013

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