VwGH 2007/06/0149

VwGH2007/06/014924.2.2009

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des Dr. HH, Rechtsanwalt in W, gegen den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum) wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einem Verfahren betreffend die Feststellung der zustehenden Zusatzpension bzw. die Auszahlung der rückständigen Beträge,

Normen

AVG §64a Abs1 impl;
AVG §73 Abs1 impl;
AVG §73 Abs2;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z31;
VwRallg;
AVG §64a Abs1 impl;
AVG §73 Abs1 impl;
AVG §73 Abs2;
EGVG 1991 Anlage Art2 Abs2 Z31;
VwRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. August 2006 betrifft, zurückgewiesen;

2. im Übrigen zu Recht erkannt:

Gemäß § 42 Abs. 4 i.V.m. § 62 Abs. 2 VwGG und Art. II Abs. 2 Z. 31 EGVG wird der Antrag des Beschwerdeführers vom 15. November 2006 auf Entscheidung durch die belangte Behörde über den Antrag vom 3. August 2006 zurückgewiesen.

Die Rechtsanwaltskammer Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. Mai 2002 stellte der Beschwerdeführer an die Rechtsanwaltskammer Wien den Antrag auf Altersrente bzw. die Auszahlung der Altersrente aus der Versorgungseinrichtung Teil B "Zusatzpension neu".

Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung Ib, gab diesem Antrag mit Bescheid vom 27. August 2002 statt. Die Altersrente betrage brutto EUR 3.025,38 p.A./S 41.630,14 p.A., die in 14 Teilbeträgen zu EUR 216,10/S 2.953,60 ausbezahlt werde.

Die belangte Behörde wies die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 5. November 2002 ab.

Auf Grund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid vom 5. November 2002 mit Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2002/06/0201, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.

Da die belangte Behörde in der Folge über die wieder offene Vorstellung des Beschwerdeführers nicht entschied, erhob der Beschwerdeführer mit dem am 10. November 2004 eingelangten Schriftsatz vom 8. November 2004 Säumnisbeschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 25. April 2006, Zl. 2004/06/0182-10, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. September 2006, Zl. 2004/06/0182- 12, die angeführte Vorstellung des Beschwerdeführers vom 6. September 2002 als unbegründet ab und sprach über den Antrag wie folgt ab:

"Dem Antrag des Beschwerdeführers vom 22. Mai 2002 auf Gewährung einer Altersrente aus der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien, Teil B, wird mit Wirkung vom 1. Juni 2002 stattgegeben: Die Altersrente beträgt im Jahr der Antragstellung monatlich EUR 216,10 und wird nach den Bestimmungen der geltenden Leistungsordnung ausbezahlt.

Anpassungen dieser Altersrente erfolgen auf Grund der zugewiesenen Erträge eines Rechnungsjahres gemäß Pkt. 5.3. des Geschäftsplanes mit Wirkung zum 1.1. des Folgejahres."

Mit Schriftsatz der X Management & Consulting AG vom 16. Juni 2003 wurde dem Beschwerdeführer mit näherer Begründung mitgeteilt, dass die monatliche Bruttopensionsleistung ohne Berücksichtigung einer eventuell anfallenden Lohnsteuer rückwirkend ab 1. Jänner 2003 EUR 202,38 betrage.

Mit Schreiben vom 3. August 2006 (eingelangt bei der Wiener Rechtsanwaltskammer am 4. August 2006) stellte der Beschwerdeführer den an die Kammer gerichteten Antrag, seine jeweilige Altersrente aus der Versorgungseinrichtung Teil B "Zusatzpension neu" ab 1. Jänner 2003, ab 1. Jänner 2004, ab 1. Jänner 2005 und ab 1. Jänner 2006 mit Beschluss (richtig wohl: mit Bescheid) festzusetzen und die sich ergebenden Fehlbeträge auszuzahlen. Entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2006 sei ihm ab 1. Juni 2002 im Jahr 2002 monatlich eine Zusatzpension in der Höhe von EUR 216,10 ausbezahlt worden. Seit 1. Jänner 2003 erhalte er tatsächlich lediglich eine monatliche Rente von EUR 202,38. Für diese Zahlungen liege ihm weder ein Bescheid noch ein Beschluss seitens der Rechtsanwaltskammer Wien vor.

Der Ausschuss der Wiener Rechtsanwaltskammer teilte dem Beschwerdeführer zu seiner "Anfrage betreffend die Festsetzung" seiner Altersrente aus der Versorgungseinrichtung Teil B "Zusatzpension neu" ab 1. Jänner 2003 mit Erledigung vom 10. Oktober 2006 näher begründet mit, dass der Verwaltungsgerichtshof die Altersrente für das Jahr 2002 mit einem Betrag von EUR 216,10 brutto monatlich festgelegt habe. Für die Folgejahre sei auch durch den Verwaltungsgerichtshof darauf hingewiesen worden, dass Anpassungen dieser Altersrente auf Grund der zugewiesenen Erträge eines Rechnungsjahres gemäß Punkt 5.3. des Geschäftsplanes mit 1.1. des Folgejahres Wirkung entfalteten.

Der Beschwerdeführer stellte mit Schriftsatz vom 15. November 2006 (bei der Rechtsanwaltskammer Wien eingelangt am selben Tag) den Antrag an die belangte Behörde, über seinen Antrag vom 3. August 2006 zu entscheiden.

Die belangte Behörde wies die gegen die Erledigung vom 10. Oktober 2006 erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 28. November 2006 zurück, da das an den Beschwerdeführer gerichtete Schreiben des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 10. Oktober 2006 keinen Bescheidcharakter habe.

Mit der am 8. Juni 2007 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten gegen das Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (die belangte Behörde) gerichtete Säumnisbeschwerde vom 6. Juni 2007 macht der Beschwerdeführer die Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 132 B-VG im Hinblick auf seinen Antrag vom 3. August 2006 geltend und beantragt beim Verwaltungsgerichtshof, seine Altersrente aus der Zusatzpension neu ab 1. Jänner 2003, 1. Jänner 2004, 1. Jänner 2005 und 1. Jänner 2006 mit Bescheid bzw. mit Beschluss festzusetzen und auszusprechen, die Rechtsanwaltskammer sei schuldig, die sich ergebenden Fehlbeträge samt Zinsen zu bezahlen. In der Begründung der Beschwerde rügt der Beschwerdeführer auch, dass die belangte Behörde über seine Eingabe vom 15. November 2006, mit der die Entscheidungspflicht der belangten Behörde im Hinblick auf seinen Antrag vom 3. August 2006 in Anspruch genommen worden sei, bisher nicht mit Bescheid abgesprochen habe.

In der dazu erstatteten Gegenschrift der belangten Behörde wird die Ansicht vertreten, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege, daher sei es auch zu keiner bescheidmäßigen Erledigung des Antrages des Beschwerdeführers gekommen. Die Versicherung habe schon mit Schreiben vom 16. Juni 2003 den Beschwerdeführer ausreichend über die Kürzung der Rentenleistung mit 1. Jänner 2003 von EUR 216,10 auf EUR 202,83 aufgeklärt. Dem Beschwerdeführer stehe nach der geltenden Satzung der Versorgungseinrichtung Teil B kein subjektives Recht auf bescheidmäßige Erledigung seiner Anträge zu, darüber hinaus liege auch kein Rechtsschutzinteresse vor. Aus der geltenden Satzung ergebe sich, dass das gegenständliche Versorgungssystem dem Grundsatz des Pensionskassengesetzes folge. Eine gesonderte jährliche bescheidmäßige Erledigung sei nicht vorgesehen und nicht erforderlich. Vielmehr ergebe sich der Leistungsanspruch des jeweiligen Pensionsempfängers aus dem Kontostand und dem Geschäftsplan. Der Kontostand sei von den jeweiligen jährlichen Veranlagungsergebnissen abhängig, sodass theoretisch jährlich Änderungen der Rentenhöhe eintreten könnten. Diese Ansicht finde auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2006 ihre Deckung.

Die Beschwerde ist, soweit sie sich auf den Antrag vom 3. August 2006 bezieht, nicht zulässig:

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008, kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im administrativen Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz über den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Besteht der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer aus mindestens 10 Mitgliedern, so ist gemäß § 26 Abs. 2 Rechtsanwaltsordnung, RGBL. Nr. 96/1868 (RAO) i.d.F. BGBl. Nr. 570/1973, u.a. die Zuerkennung von Leistungen aus den Versorgungseinrichtungen in Abteilungen zu erledigen. Die Abteilungen bestehen aus fünf Ausschussmitgliedern. Der Ausschuss hat die Abteilungen zusammenzusetzen und die Geschäfte unter die Abteilungen zu verteilen.

Gemäß § 26 Abs. 5 RAO kann gegen den Beschluss einer Abteilung binnen 14 Tagen nach Zustellung des Beschlusses Vorstellung erhoben werden; über diese entscheidet der Ausschuss.

Gemäß § 54 RAO i.d.F. BGBl. I Nr. 128/2004 hat der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer längstens innerhalb dreier Monate über einen Antrag auf Gewährung von Leistungen aus der Versorgungseinrichtung zu entscheiden.

Eine Voraussetzung für eine zulässige Säumnisbeschwerde ist, dass für die belangte Behörde (hier: der Ausschuss der Wiener Rechtsanwaltskammer/Plenum) in der betreffenden Angelegenheit eine Entscheidungspflicht bestanden hat.

Für den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. August 2006 war gemäß § 26 Abs. 2 RAO in erster Instanz die zuständige Abteilung des Ausschusses der Wiener Rechtsanwaltskammer zuständig. Gegen eine Entscheidung der Abteilung des Ausschusses sieht § 26 Abs. 5 RAO das Rechtsmittel an den Ausschuss (gemeint das Plenum des Ausschusses) vor.

Gemäß Art. II Abs. 2 Z. 31 EGVG ist das AVG im Verfahren vor den Organen der gesetzlichen beruflichen Vertretungen nicht anwendbar. Im Verfahren vor Behörden, die das AVG nicht anzuwenden haben, sind die Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 2004, Zl. 2000/10/0062). Aus dem Umstand, dass die Rechtsanwaltskammern als gesetzliche berufliche Vertretungen in ihrem Verfahren das AVG nicht anzuwenden haben, folgt u.a., dass die Möglichkeit der Erhebung eines Devolutionsantrages gemäß § 73 AVG bei Säumigkeit mit der Entscheidung über einen in diesem Selbstverwaltungsbereich gestellten Antrag ausscheidet (vgl. das bereits angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 2004 zu den Notariatskammern). Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer - wie eingangs dargestellt - an die belangte Behörde (den Ausschuss der Rechtsanwaltskammer/ Plenum) den Devolutionsantrag vom 15. November 2006 gestellt. Dieser Antrag war, da § 73 AVG im Verfahren vor den Organen der Wiener Rechtsanwaltskammer nicht gilt, nicht zulässig. Ein unzulässiger Devolutionsantrag bewirkt keinen Übergang der Zuständigkeit in der betreffenden Angelegenheit (hier betreffend den Antrag vom 3. August 2006) auf die bezogene Behörde. Für die belangte Behörde hat daher hinsichtlich des Antrages des Beschwerdeführers vom 3. August 2006 keine Entscheidungspflicht bestanden.

Die Beschwerde war daher im Hinblick auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 3. August 2006 gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VwGG mangels Entscheidungspflicht der belangten Behörde zurückzuweisen.

 

Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die vorliegende Säumnisbeschwerde bezieht sich auch auf den an die belangte Behörde gerichteten Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 15. November 2006. Sie war im Hinblick auf diesen Devolutionsantrag zulässig:

Für den verfahrensgegenständlichen Selbstverwaltungsbereich gilt - wie darlegt - das AVG zwar nicht, dennoch gilt - wie dies der Verwaltungsgerichtshof gleichfalls bereits in dem angeführten Erkenntnis vom 27. Jänner 2004 ausgesprochen hat - auch in einem solchen Verwaltungsbereich eine Entscheidungspflicht für gestellte Anträge, einschließlich solcher, die wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen sind. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass § 54 RAO für Ansprüche betreffend die Gewährung von Leistungen aus der Versorgungssicherung ausdrücklich bestimmt, dass über solche Anträge binnen 3 Monaten zu entscheiden ist.

Der verfahrensgegenständliche Devolutionsantrag vom 15. November 2006 ist bei der belangten Behörde am selben Tag, die Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof am 18. Juni 2007 eingelangt. Es kann dahingestellt bleiben, ob für den vorliegenden Devolutionsantrag, der sich auf einen Antrag auf Festsetzung der Altersrente bezieht, § 54 RAO und die dort bestimmte, besondere Frist gilt, weil die vorliegenden Beschwerde auch die in § 27 Abs. 1 VwGG vorgesehene sechsmonatige Frist eingehalten hat.

Dieser Devolutionsantrag war, da § 73 AVG im Verfahren vor der belangten Behörde als einem Organ einer gesetzlichen Interessenvertretung gemäß Art. II Abs. 2 Z. 31 EGVG nicht anzuwenden ist, wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. I Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Februar 2009

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