Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §58 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der 1961 geborene Beschwerdeführer ist ägyptischer Staatsangehöriger. Am 25. September 2003 wurde ihm eine bis 30. Oktober 2004 gültige Aufenthaltserlaubnis "Ausbildung, § 7 Abs. 4 Z 1 FrG" erteilt, auf deren Basis er in der Folge in das Bundesgebiet einreiste. Ein Verlängerungsantrag blieb erfolglos, auch ein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung als selbständige Schlüsselkraft wurde - mit Bescheid vom 21. September 2004 - abgewiesen.
Am 26. November 2004 heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin. Hierauf gestützt beantragte er in der Folge eine Niederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG".
Mit Beschluss vom 8. Mai 2008 wurde die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 55a Ehegesetz geschieden. Bereits davor, am 15. April 2008, hatte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Mit dem angefochtenen, im Devolutionsweg ergangenen Bescheid vom 12. Oktober 2008 verhängte die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 9 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot. Das begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK mit seiner seinerzeitigen österreichischen Ehefrau nie geführt, sondern diese Ehe nur zu dem Zweck geschlossen habe, um fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligungen zu erlangen.
Dabei verwies die belangte Behörde insbesondere auf das Ergebnis einer Hauserhebung vom Juni 2006 an der Adresse der ehemaligen Ehefrau des Beschwerdeführers: Die Hausbesorgerin habe angegeben, dass an dieser Adresse lediglich zwei Frauen und zwei Kinder wohnten, einen Mann habe sie dort noch nie gesehen. Ebenso seien im Rahmen der Hauserhebung die beiden Kinder der "Exgattin" befragt worden und hätten diese angegeben, dass nur sie und ihre Mutter "hier wohnten, ein Mann wohne hier nicht". Diese Angaben erschienen unbedenklich und glaubwürdig, zumal davon auszugehen sei, dass die Kinder (zum Zeitpunkt der Hauserhebung acht und zehn Jahre alt) auch unter Berücksichtigung ihres Alters fähig seien, Auskunft darüber zu geben, wer mit ihnen gemeinsam in einer Wohnung lebe. Die Wohnung selbst habe nicht den Eindruck erweckt, als würde der Beschwerdeführer dort tatsächlich wohnen. Auch habe seine "Exgattin" keine Angaben zu der Höhe seines Einkommens machen können.
Die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zur Verschaffung fremdenrechtlicher Vorteile stelle - so die belangte Behörde weiter - eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet berühre ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Insoweit lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 9 und "somit" auch des § 62 Abs. 1 und 2 FPG vor. Das Verhalten des Beschwerdeführers dokumentiere darüber hinaus, dass er nicht gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften zu beachten und sich dementsprechend zu verhalten. Die Dauer des gegen ihn erlassenen Rückkehrverbotes entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel in Bezug auf seine Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden könne.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde hat unter Bezugnahme auf die Ergebnisse einer Hauserhebung Argumente ins Treffen geführt, die für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe sprechen. Sie hat es allerdings verabsäumt, sich mit anderen, gegenläufigen Ermittlungsergebnissen zu beschäftigen und beweiswürdigend darzulegen, warum sie nicht diesen Ermittlungsergebnissen folge sondern jenen, aus denen der Abschluss einer Aufenthaltsehe abzuleiten ist. In diesem Sinn hätte sie zunächst darauf eingehen müssen, dass nach dem erwähnten Hauserhebungsbericht in der Wohnung der Ehefrau des Beschwerdeführers Kleidungsstücke vorgefunden wurden, die - so der Bericht - "einer männlichen Person gehören könnten". Sie hätte weiter auf schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Fotos Bezug nehmen müssen, die den Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und deren Kindern aus erster Ehe zeigen. Vor allem hätte sie aber auch die Angaben der Ehefrau zu würdigen gehabt, die schon aus Anlass einer ersten Hauserhebung gemäß dem darüber in den Verwaltungsakten erliegenden Bericht angegeben hatte, "dass sie sicherlich keine Scheinehe eingegangen ist". Alle diese Umstände werden im bekämpften Bescheid mit keinem Wort erwähnt, es wird aber auch nicht ausgeführt, warum dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst, es liege keine Scheinehe vor, kein Glauben geschenkt wurde. Eine wertende Gegenüberstellung der für und gegen das Vorliegen einer Scheinehe sprechenden Argumente fehlt somit völlig.
Die belangte Behörde hat es aber auch verabsäumt, auf das Berufungsvorgehen einzugehen, wonach die Kinder der Ehefrau des Beschwerdeführers bei der Hauserhebung von den Exekutivbeamten nach ihrem Vater befragt worden seien, was - so dieses Vorbringen sinngemäß - deren negative Antwort (der Beschwerdeführer sei weder der leibliche Vater noch der Adoptivvater) erkläre. Auch dem Widerspruch zwischen den dargestellten Angaben der Hausbesorgerin (an der Adresse wohnten zwei Frauen und zwei Kinder) und jenen der beiden Kinder (dort wohnten nur sie und ihre Mutter) wurde nicht nachgegangen. Schließlich ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang auch noch anzulasten, dass sie die Einvernahme einer vom Beschwerdeführer beantragten Zeugin "unter Anwendung des Grundsatzes der Verfahrensökonomie" für entbehrlich erachtete. Diese Begründung vermag die Abstandnahme von der beantragten Zeugeneinvernahme nicht zu tragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 2009, Zl. 2008/21/0648, Punkt 2.2.2.).
Neben den aufgezeigten Begründungsmängeln ist der bekämpfte Bescheid auch aus einem anderen Grund mit Rechtswidrigkeit belastet. Wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, ist gemäß § 62 Abs. 3 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung vor dem FrÄG 2011) nämlich auch im Fall von Rückkehrverboten § 66 FPG (in der zuvor genannten Fassung) zu beachten. Die demnach gebotene Interessenabwägung lässt der bekämpfte Bescheid jedoch - in offenkundiger Verkennung der Rechtslage - zur Gänze vermissen. Er war daher ungeachtet des Vorgesagten schon wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 20. März 2012
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