VwGH 2010/12/0060

VwGH2010/12/006026.1.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Köhler, in der Beschwerdesache des HB in I, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I, gegen den Bundesminister für Finanzen wegen Verletzung der Entscheidungspflicht betreffend eine Berufung gegen die Zurückweisung von Feststellungsanträgen i.A. Befolgungspflicht von Weisungen, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs1;
AVG §33 Abs3;
AVG §45 Abs2;
DVG 1984 §1 Abs1;
PostG 1997 §2 Z9;
AVG §13 Abs1;
AVG §33 Abs3;
AVG §45 Abs2;
DVG 1984 §1 Abs1;
PostG 1997 §2 Z9;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 8. August 2008 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, ob die Befolgung näher genannter Weisungen zu seinen Dienstpflichten zähle, als unzulässig zurückgewiesen. Mit seiner am 26. März 2010 zur Post gegebenen Säumnisbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung einer behauptetermaßen gegen den vorzitierten Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers geltend.

Der Säumnisbeschwerde angeschlossen ist eine am 26. August 2008 vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers verfasste Berufung gegen den genannten Bescheid und die Kopie eines Aufgabescheines betreffend die eingeschriebene Versendung dieser Berufung an das Finanzamt Innsbruck.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2010 wurde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgetragen, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen oder darzulegen, weshalb eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie vorbrachte, die eingeschriebene Briefsendung sei bei der erstinstanzlichen Behörde (und auch bei der belangten Behörde) nicht eingelangt. Dies sei dem Beschwerdevertreter auch mit einer E-Mail vom 28. September 2009 zur Kenntnis gebracht worden.

Mit Verfügung vom 3. August 2010 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer auf, zur Gegenschrift der belangten Behörde Stellung zu nehmen, insbesondere innerhalb dieser Frist den Nachweis dafür vorzulegen, dass die nach Maßgabe der Aktenlage eingeschrieben aufgegebene Berufung seitens der Post an das Finanzamt Innsbruck ausgefolgt wurde.

In einer Stellungnahme vom 10. September 2010 brachte der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe unzweifelhaft Kenntnis von der eingebrachten Berufung gehabt. Dies werde auch durch das bereits erwähnte E-Mail vom 28. September 2009 bestätigt, insbesondere, weil aus dieser E-Mail erkennbar sei, um welchen Akt es sich handle.

Im Übrigen sei es nach Auskunft der Österreichischen Post AG nur in den ersten drei Monaten nach Absenden eines Briefes nachvollziehbar, wann und wer die eingeschriebene Briefsendung in Empfang genommen habe. Jedoch sei mitgeteilt worden, dass eingeschriebene Briefsendungen in der Regel vom Postzusteller in der Post-Einlaufstelle des Finanzamtes Innsbruck abgegeben würden. Der zuständige Finanzbeamte der Post-Einlaufstelle bestätige dem Postzusteller sodann den Empfang der Briefsendungen mittels Einlaufstempel. Überdies führe der Finanzbeamte des Post-Einlaufes eine Liste, in welcher das Datum und die Einschreibe- /Aufgabenummer der übernommenen Briefsendung genau vermerkt würden und an wen das Schriftstück (behördenintern) weitergeleitet werde. Der Beschwerdeführer beantragte, der belangten Behörde die Vorlage dieser Liste aufzutragen.

Dem Antrag ist auch die erwähnte E-Mail vom 28. September 2009 angeschlossen, welche lautet (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; gilt auch im Folgenden):

"Betreff: Beschwerdeführer - GZ. 4910/94-PA-W/T/08 vom 08.08.2008

Sehr geehrter Beschwerdevertreter,

in Erledigung Ihrer heutigen telefonischen Anfrage darf ich Ihnen mitteilen, dass der Eingang einer Berufung gegen den im Betreff bezeichneten Bescheid des Finanzamtes Innsbruck weder bei dieser Dienstbehörde noch bei der Berufungsinstanz (BMF, Abt. I/20) feststellbar ist.

..."

Mit Verfügung vom 16. September 2010 erging an die belangte Behörde der vom Beschwerdeführer beantragte Auftrag. Die belangte Behörde erstattete daraufhin am 14. Oktober 2010 zunächst folgende Stellungnahme zur vorgelegten E-Mail:

"Die vom Bf. angeführte e-mail vom 28.09.2009 an die e-mail-Adresse des Beschwerdevertreters erging deshalb, weil eine unmittelbare telefonische Rückantwort von Herrn HR F an die Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf. erfolglos verlief. Im gegenständlichen e-mail wurde unter dem Betreff:

Beschwerdeführer - GZ. 4910/94-PA-W/T/08 vom 08.08.2008 bezugnehmend auf die telefonische Anfrage der Kanzlei des Rechtsvertreters des Bf. mitgeteilt, dass der Eingang einer Berufung gegen den im Betreff bezeichneten Bescheid des Finanzamtes Innsbruck weder bei dieser Dienstbehörde noch bei der Berufungsinstanz feststellbar sei. Wenn der Bf. nunmehr - bezugnehmend auf dieses e-mail - behauptet, dass sich daraus ergäbe, dass die belangte Behörde unzweifelhaft Kenntnis von der eingebrachten Berufung hatte, so erfolgt diese Behauptung zu Unrecht und ist nicht nachvollziehbar. Natürlich erfolgte die Beantwortung (e-mail vom 28.09.2009) auf die konkrete telefonische Anfrage hin, ob eine Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 08.08.2008, GZ. 4910/94-PA-W/T/08 eingegangen sei, unter Bezugnahme auf die konkreten Bescheiddaten.

Unmissverständlich und völlig klar vom Inhalt ergibt sich aus der gegenständlichen e-mail, dass ein Eingang einer Berufung gegen den gegenständlichen Bescheid weder bei der Dienstbehörde noch bei der Berufungsinstanz feststellbar sei (Anmerkung der belangten Behörde: der Umstand des Nichteinlangens der gegenständlichen Berufung ist dem Bf. somit ab diesem Zeitpunkt bekannt)."

Im Übrigen führte die belangte Behörde aus, die vom Beschwerdeführer erwähnte Posteingangsliste werde im Finanzamt Innsbruck der dortigen Verwaltungspraxis entsprechend lediglich zwei Monate aufbewahrt und in der Folge skartiert. Sie könne daher nicht vorgelegt werden.

Der Beschwerdeführer erstattete zu diesem Schreiben am 23. November 2010 seinerseits eine Stellungnahme, in welcher er die Auffassung vertrat, die Beweislast für das Einlangen des aufgegebenen Schriftstückes treffe den Absender lediglich bei nicht bescheinigten Briefsendungen. Dazu komme noch, dass die belangte Behörde ihre Posteingangslisten lediglich zwei Monate lang aufbewahrt habe.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Beförderung einer - nicht eingeschrieben versendeten - Sendung durch die Post auf Gefahr des Absenders erfolgt. Die Beweislast für das Einlangen des Schriftstückes bei der Behörde trifft diesen (vgl. für das Säumnisbeschwerdeverfahren insbesondere auch das hg. Erkenntnis vom 21. März 1952, Zl. 122/52 = VwSlg. Nr. 2485/A). Dafür reicht der Beweis der Postaufgabe nicht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. März 2007, Zl. 2005/15/0137, und vom 15. Februar 2006, Zl. 2002/13/0165). Wenn auch gemäß § 33 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 DVG die Tage des Postenlaufes in die Fristen des Verfahrens nicht eingerechnet werden, bedeutet dies nicht etwa, dass für die Einhaltung der Frist allein die Aufgabe des Schriftstückes zur Post maßgebend ist. Auch hier ist stets die Einbringung (das Einlangen) bei der zuständigen Behörde maßgebend. Die Beförderung durch die Post erfolgt auf Gefahr des Absenders (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. November 1989, Zl. 88/14/0223).

Dies wird vom Beschwerdeführer auch nicht in Frage gestellt. Er behauptet lediglich, dass der Sachverhalt im Hinblick auf die eingeschriebene Absendung der Berufung anders zu beurteilen sei.

Der Oberste Gerichtshof fasste in seinem Beschluss vom 30. Juni 2010, 3 Ob 69/10h, seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Beweislast betreffend den Zugang eingeschriebener Sendungen wie folgt zusammen:

"Unter Hinweis auf deutsche Lehre und Rechtsprechung sprach der Oberste Gerichtshof zu 7 Ob 24/09v (= ecolex 2009/215 (zustimmend Friedl); ebenfalls zustimmend Ertl in ecolex 2010, 332) - unter Abkehr von bisheriger Rechtsprechung - aus, dass es sich verbiete, den Nachweis der Aufgabe eines Schreibens (im Anlassfall: Qualifiziertes Mahnschreiben gemäß § 39 VersVG) bei Einschreiben 'auf erste Sicht' als für den Nachweis des Zugangs an den Versicherungsnehmer ausreichend anzusehen.

Nach allgemeinen Grundsätzen hat jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (RIS-Justiz RS0037797). Eine Verschiebung der Beweislast kommt nur dann in Betracht, wenn ein allgemein, also für jedermann auf gleiche Weise bestehender Beweisnotstand vorliegt und wenn objektiv typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungssätzen beruhende Geschehensabläufe für den Anspruchswerber sprechen (RIS-Justiz RS0039895). Auch wenn man davon ausgeht, dass nach allgemein gültigen Erfahrungssätzen eingeschrieben aufgegebene Briefsendungen typischerweise auch zugestellt werden, kann - jedenfalls solange eine Möglichkeit besteht, die Zustellung der Briefsendung durch das 'TuT-System' oder mittels Rückscheinzustellung zu beweisen - von einem Beweisnotstand im Sinn der Rechtsprechung zum prima facie-Beweis nicht gesprochen werden.

Nach dem derzeit noch in Geltung stehenden § 2 Z 9 PostG 1997 können 'Einschreiben' (entgeltpflichtige Sonderbehandlung einer Postsendung, die durch den Dienstanbieter pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert wird und bei der dem Absender, gegebenenfalls auf sein Verlangen, eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung und ihre Aushändigung an den Empfänger erteilt wird) in Verbindung mit den von der Österreichischen Post AG erlassenen 'AGB Briefdienst Inland' durch Inanspruchnahme der weiteren entgeltpflichtigen Zusatzleistung 'TuT für Einschreiben' vom Absender anhand der Aufgabenummer hinsichtlich ihres Sendestatus verfolgt werden. Überdies kann der Absender die weitere entgeltpflichtige Zusatzleistung 'Eigenhändig' oder 'Rückschein' wählen. Dadurch wird der Absender in die Lage versetzt, eine Bestätigung über die Abgabe der Sendung vorzuweisen. Es spricht nichts dagegen, einen Absender, der sich einer Übersendungsart bedient, die es ihm ermöglicht, sich per Nachforschungsauftrag ein objektives Beweismittel für den Zugang seiner Erklärung zu verschaffen, nicht auch zu verpflichten, diese Möglichkeit zu nutzen (Wukoschitz, Bringt die Post allen was?, ecolex 2005, 106).

Für den Anlassfall muss daher davon ausgegangen werden, dass allein die Tatsache der eingeschriebenen Aufgabe des Kündigungsschreibens noch keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Beklagten bewirkt. ..."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an. Demnach bewirkt der Nachweis der eingeschriebenen Absendung der Berufung noch nicht den prima facie-Beweis ihres Einlangens bei der erstinstanzlichen Dienstbehörde. Es wäre daher Angelegenheit des Beschwerdeführers gewesen, das Einlangen der Berufung beim Finanzamt Innsbruck unter Beweis zu stellen. Dies ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen. Insbesondere ergibt sich ein solcher Beweis weder aus der vom Beschwerdeführer geschilderten allgemeinen Praxis der Post bei Zustellungen von Rückscheinbriefen an das Finanzamt Innsbruck noch aus der bereits mehrfach erwähnten E-Mail vom 28. September 2009, wie die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2010 mit überzeugenden Argumenten dartut, denen der Beschwerdeführer auch in seiner Replik vom 23. November 2010 gar nicht mehr entgegen tritt.

Schließlich führt auch die (vor Urgenz einer Erledigung der Berufung durch den Beschwerdeführer erfolgte) Skartierung der Posteingangsliste durch das Finanzamt Innsbruck im Hinblick auf die den Beschwerdeführer treffende Beweislast zu keiner abweichenden Beurteilung.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass Säumnis der belangten Behörde mangels Einlangens der Berufung beim Finanzamt Innsbruck nicht vorliegt, weshalb die vorliegende Säumnisbeschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. Jänner 2011

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