VwGH 2010/10/0145

VwGH2010/10/014526.9.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landeshauptmannes von Niederösterreich, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, betreffend Bestrafung nach dem LMSVG (mitbeteiligte Partei: WS in O, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch, Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
LMSVG 2006 §18 Abs2;
LMSVG 2006 §5 Abs2 Z1;
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z4;
LMSVG 2006 §90 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §52;
LMSVG 2006 §18 Abs2;
LMSVG 2006 §5 Abs2 Z1;
LMSVG 2006 §90 Abs1 Z4;
LMSVG 2006 §90 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 2. März 2009 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der S. GmbH zu verantworten, dass das kosmetische Mittel "Mozart's Face Cream" mit der zur Irreführung geeigneten Angabe "Austrian Natural Cosmetic", was mit "Österreichische Naturkosmetik" zu übersetzen sei, in Verkehr gebracht worden sei, obwohl es den durch chemische Synthese hergestellten Inhaltsstoff "Propylene Glycol" enthalten habe und daher nicht dem Teilkapitel "Naturkosmetik" des Kapitels B 33 des österreichischen Lebensmittelbuches entsprochen habe. Der Mitbeteiligte habe dadurch die Übertretung gemäß § 90 Abs. 1 Z. 4 iVm § 5 Abs. 2 Z. 1 und § 18 Abs. 2 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 365,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 19 Stunden, verhängt werde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. April 2010 hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich der Berufung des Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid Folge gegeben und das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass im Gutachten der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (AGES) die Anpreisung des gegenständlichen Produkts "Austrian Natural Cosmetic" mit "Österreichisches Naturkosmetikum" übersetzt worden sei. Nach Ansicht der AGES sei diese Anpreisung gleichsinnig zum Begriff "Naturkosmetik" und geeignet, den Verbraucher in die Irre zu führen, weil das Produkt nicht der österreichischen Verkehrsauffassung über Naturkosmetika und den Bestimmungen des Österreichischen Lebensmittelbuches entspreche.

Dieser Auffassung der AGES könne sich die belangte Behörde nicht anschließen. Auf der am gegenständlichen Produkt angebrachten Vignette befinde sich der Fantasiename "Mozart's Melody of Beauty" und eine Abbildung von Wolfgang Amadeus Mozart in hervorgehobener Form. Weiters werde das Produkt als "Mozart's Face Cream" in einer zwar kleineren aber doch stärkeren Beschriftung bezeichnet. Um die Mozartsilhouette befinde sich ferner die Aufschrift "Austrian Natural Cosmetic" zwischen zwei konzentrischen Kreisen. Weiters enthalte die Vignette eine Bestandteilliste. Bei der Übersetzung der Wortfolge "Austrian Natural Cosmetic" als "österreichische Naturkosmetik" handle es sich um eine allzu freie Übersetzung, welche im Widerspruch zum im Internet verfügbaren Deutsch-Englisch-Wörterbuch "LEO" stehe. Diesem Wörterbuch sei zu entnehmen, dass der englische Begriff "natural" ein Adjektiv sei, welches mit "natürlich" übersetzt werden müsse. Demzufolge laute die Übersetzung ins Deutsche "Österreichische natürliche Kosmetik". Ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher werde beim vorliegenden Kosmetikum, insbesondere unter Berücksichtigung des Gesamteindruckes, keinesfalls annehmen, es handle sich um ein Produkt, das ausschließlich aus Naturstoffen bestehe. Zudem werde im Österreichischen Lebensmittelbuch, Kapitel B 33, Teilkapitel "Naturkosmetik" unter Punkt 1.3.3 erläutert, dass in der Bezeichnung kosmetischer Mittel, die nicht der Definition "Naturkosmetik" entsprächen, auf die Verwendung von Naturstoffen ("mit natürlichem Lindenblütenextrakt") hingewiesen werden dürfe. Angesichts der Tatsache, dass bei der Herstellung des gegenständlichen Produkts auch Naturstoffe verwendet worden seien, sei daher die gewählte Aufschrift "Austrian Natural Cosmetic" auch mit den Bestimmungen des Lebensmittelbuches konform. Auf der Vignette befinde sich auch keine Abbildung von Pflanzen, welche den Eindruck eines ausschließlichen Naturprodukts hervorrufen könnte.

Die dem Mitbeteiligten zur Last gelegte Irreführung im Hinblick auf das Vorliegen von Naturkosmetik habe daher nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können. Demzufolge sei "in Ermangelung der subjektiven Tatseite" mit Verfahrenseinstellung vorzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Ebenso beantragte der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 2 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere (Z. 1) zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittel, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart. Diese Bestimmung gilt gemäß §18 Abs. 2 LMSVG sinngemäß für kosmetische Mittel.

Wer kosmetische Mittel mit (u.a.) irreführenden Angaben in Verkehr bringt, begeht eine gemäß § 90 Abs. 1 Z. 4 mit Geldstrafe bis zu EUR 20.000,--, im Wiederholungsfall bis EUR 40.000,--, zu bestrafende Verwaltungsübertretung.

Die für die Frage, ob eine Angabe gemäß § 5 Abs. 2 Z. 1 iVm § 18 Abs. 2 LMSVG zur Täuschung über die Eigenschaften des Kosmetikums geeignet ist, maßgebliche Erwartung eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. November 2006, 2003/10/0042, und die dort verwiesene Judikatur des EuGH) wird im vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebenen Österreichischen Lebensmittelbuch (im Folgenden: Lebensmittelbuch), das den Charakter eines objektivierten Sachverständigengutachtens hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1994, Zl. 92/10/0118), widerlegbar wiedergegeben.

Gemäß Kapital B 33 "kosmetische Mittel", Teilkapitel "Naturkosmetik", Punkt 1.2.1 des Lebensmittelbuches, IV. Auflage, sind Naturkosmetika Erzeugnisse, die ausschließlich aus Naturstoffen bestehen, wobei Ausnahmen nur für bestimmte - naturidente - Konservierungsmittel (Punkt 1.2.7) und aus bestimmten Naturstoffen gewonnene Emulgatoren und Tenside (Punkt 1.2.8) bestehen. Solche Kosmetika dürfen gemäß Punkt 1.3.1 des genannten Kapitels des Lebensmittelbuches mit der zusätzlichen Bezeichnung "Naturkosmetik" oder gleichsinnig ausgelobt werden. Gemäß Punkt 1.3.3 kann in der Bezeichnung kosmetischer Mittel, die nicht der Definition "Naturkosmetik" entsprechen, aber Naturstoffe enthalten, auf die Verwendung von Naturstoffen (wie "mit natürlichem Lindenblütenextrakt") hingewiesen werden.

Das gegenständliche Produkt erfüllt unstrittig nicht die Definition von "Naturkosmetik" gemäß dem Lebensmittelbuch. Die Inverkehrbringung dieses Produkts mit der Bezeichnung "Naturkosmetik" oder einer gleichsinnigen Bezeichnung wäre daher unter Zugrundelegung der aus dem Lebensmittelbuch als objektiviertem Sachverständigengutachten hervorgehenden maßgeblichen Verbrauchererwartung zur Täuschung über die Eigenart des Kosmetikums geeignet.

Die belangte Behörde vertrat im Ergebnis die Ansicht, dass die Anpreisung als "Austrian Natural Cosmetic" nicht gleichsinnig mit der Bezeichnung "Naturkosmetik" sei. Diese englische Wortfolge sei nämlich nicht - wie von der Behörde erster Instanz unter Zugrundelegung des Gutachtens der AGES angenommen - mit "Naturkosmetik", sondern mit "natürlicher Kosmetik" zu übersetzen. Eine derartige Bezeichnung erwecke unter Berücksichtigung des Gesamteindruckes des Produkts (keine Abbildungen von Pflanzen auf der Vignette) keine unrichtigen Käufererwartungen und stehe auch mit dem Lebensmittelbuch im Einklang, das bei Kosmetika, die die Definition der Naturkosmetik nicht erfüllten, ausdrücklich den Hinweis auf die Verwendung von Naturstoffen erlaube.

Dem ist zu entgegnen, dass nach der im Lebensmittelbuch vertypten Verbrauchererwartung bei einem die Anforderungen an "Naturkosmetik" nicht erfüllenden Kosmetikum zwar der Hinweis, dass dieses Naturstoffe enthält, (der den Schluss nahelegt, dass andere Inhaltsstoffe nicht natürlichen Ursprungs sind) nicht irreführend und daher zulässig ist, nicht aber eine Anpreisung des gesamten Produkts als natürlich, was - wie die AGES in ihrem bei den Verwaltungsakten erliegenden ergänzenden Gutachten vom 2. Februar 2009 festgehalten hat - jedenfalls auch durch die Bezeichnung "natürliche Kosmetik" erfolgen würde. Die Auslobung als "Austrian Natural Cosmetic" ist daher unabhängig davon, ob diese Wortfolge vom durchschnittlichen Verbraucher mit "Naturkosmetik" oder gleichsinnig mit "natürliche Kosmetik" übersetzt wird, nach dem Lebensmittelbuch jedenfalls zur Täuschung über die Eigenschaft des Produkts geeignet. Die Aufmachung ohne Abbildungen von Pflanzen kann daran nichts ändern, ist doch unter Zugrundelegung der in den oben wiedergegebenen Passagen des Lebensmittelbuch vertypten Verbrauchererwartung eine dem Begriff Naturkosmetik gleichsinnige Bezeichnung jedenfalls - unabhängig von der sonstigen Aufmachung des Produkts - zur Täuschung geeignet.

Die belangte Behörde ist somit vom Lebensmittelbuch als objektiviertem Sachverständigengutachten abgewichen, ohne dies nachvollziehbar zu begründen.

Weiters hat die belangte Behörde ausgeführt, dass das Strafverfahren "in Ermangelung der subjektiven Tatseite "einzustellen sei, ohne sich inhaltlich mit Elementen des Verschuldens des Mitbeteiligten auseinanderzusetzen. Dazu sei festgehalten, dass 90 Abs. 1 LMSVG weder eine Bestimmung über das Verschulden enthält, noch zum Tatbestand des Inverkehrbringens mit zur Irreführung geeigneten Angaben der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG ist daher Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden trifft (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2010, Zl. 2008/10/0169).

Auf Grund der aufgezeigten Verfahrensmängel war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 26. September 2011

Stichworte