VwGH 2008/10/0010

VwGH2008/10/001015.12.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des K L in Wien, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. November 2007, Zl. UVS- 06//50/8495/2006-13, betreffend Übertretung des Arzneimittelgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für Gesundheit), zu Recht erkannt:

Normen

AMG 1983 §11 Abs1;
AVG §56;
AVG §67g Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §67g Abs2 Z2 idF 1998/I/158;
AVG §8;
VStG §24;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31 Abs3 idF 1998/I/158;
VStG §32 Abs1;
VStG §46 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AMG 1983 §11 Abs1;
AVG §56;
AVG §67g Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §67g Abs2 Z2 idF 1998/I/158;
AVG §8;
VStG §24;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §31 Abs3 idF 1998/I/158;
VStG §32 Abs1;
VStG §46 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 29. November 2004 als Betriebsinhaber in seinem Gewerbebetrieb an einer näher bezeichneten Adresse in Wien entgegen § 11 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (idF des BGBl. I Nr. 35/2004), wonach Arzneispezialitäten im Inland erst abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden dürften, wenn sie vom Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz zugelassen würden, die Arzneispezialität "Senna-Chrysanthemum-Beutel (Tee)" zur Abgabe im Inland bereitgehalten, obwohl die erforderliche Zulassung dieser Arzneispezialität gemäß § 11 Arzneimittelgesetz nicht vorliege. Er habe dadurch gegen § 11 Abs. 1 iVm § 84 Z. 5 Arzneimittelgesetz verstoßen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer einer Woche) verhängt werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah allerdings von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Die Beschwerde bringt ausschließlich vor, die Strafbarkeit sei gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz VStG wegen des Ablaufs von drei Jahren seit Begehung der Tat verjährt, weil der angefochtene Bescheid erst am 7. Dezember 2007 dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde zum Erfolg:

Gemäß § 31 Abs. 2 VStG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 158/1998) beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz leg.cit. darf - wenn seit dem in Abs. 2 bezeichneten Zeitpunkt drei Jahre vergangen sind - ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden.

Als Straferkenntnis im Sinn des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG ist auch die Bestätigung eines solchen durch die im Instanzenzug angerufene Berufungsbehörde - wie im vorliegenden Fall - zu verstehen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 31 VStG E 74 wiedergegebene ständige hg. Rechtsprechung).

Gemäß § 67 g Abs. 1 AVG (ebenfalls in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 158/1998), welcher zufolge § 24 erster Satz VStG auch auf das Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, sind im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten der Bescheid und seine wesentliche Begründung aufgrund der Verhandlung, und zwar wenn möglich, sogleich nach deren Schluss zu beschließen und öffentlich zu verkünden. Die Verkündung des Bescheides ist von der Anwesenheit der Parteien unabhängig. Gemäß § 67 g Abs. 2 leg.cit. entfällt die Verkündung, wenn (Z. 1) eine Verhandlung nicht durchgeführt (fortgesetzt) worden ist oder (Z. 2) der Bescheid nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung beschlossen werden kann und jedermann die Einsichtnahme in den Bescheid gewährleistet ist. Gemäß § 67 g Abs. 3 leg.cit. ist den Parteien eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides zuzustellen.

Das Protokoll über die von der belangten Behörde am 22. Oktober 2007 durchgeführte Verhandlung umfasst den folgenden Absatz:

"Die Verkündung der Entscheidung kann nicht im Anschluss an die öffentliche mündliche Verhandlung stattfinden, der Berufungswerber (Beschwerdeführer) erklärt sich damit einverstanden und verzichtet auf die Anberaumung einer Verkündungstagsatzung. Der Berufungsbescheid ergeht schriftlich."

Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten wurde die schriftliche Ausfertigung des angefochtenen Bescheides dem Beschwerdeführer tatsächlich erst am 7. Dezember 2007 zugestellt.

Die Beschwerde weist in diesem Zusammenhang zutreffend auf die ständige hg. Rechtsprechung hin, wonach die Dreijahresfrist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nur dann gewahrt ist, wenn das Straferkenntnis innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde. Die Erlassung des Straferkenntnisses gegenüber einer anderen Verfahrenspartei (im vorliegenden Fall etwa gegenüber dem Magistrat der Stadt Wien als Strafbehörde erster Instanz nach § 51d VStG) ist hingegen nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen (vgl. etwa die Judikaturnachweise bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 31 VStG E 81 sowie etwa aus neuerer Zeit den hg. Beschluss vom 29. April 2003, Zl. 2002/02/0295).

Ausgehend von dem von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Tatzeitpunkt (29. November 2004) und der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegenüber dem Beschwerdeführer erst am 7. Dezember 2007 ist somit Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

Daran vermag auch der im Verwaltungsakt enthaltene Aktenvermerk vom 23. November 2007 nichts zu ändern, mit dem "gemäß § 67g Abs. 2 AVG" beurkundet wurde, dass am 23. November 2007 "der Berufungsbescheid verkündet" worden sei.

So wurde die in § 67 g Abs. 2 AVG in der Fassung des BGBl. Nr. 471/1995 unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichte Beurkundung der Verkündung eines Bescheides durch Aktenvermerk bereits mit der am 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 beseitigt (vgl. deren Z. 35 und 47).

Aus § 67 g Abs. 2 Z. 2 AVG in der hier maßgeblichen Fassung folgt vielmehr, dass die mündliche Verkündung eines Bescheides überhaupt zu entfallen hat, wenn dieser nicht unmittelbar im Anschluss an die mündliche Verhandlung beschlossen werden kann. Eine entgegen § 67 g Abs. 2 AVG erfolgte mündliche "Verkündung" des Bescheides ist unwirksam, sodass der Bescheid durch die Zustellung der schriftlichen Ausfertigung zu erlassen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 67g Rz 6 und 10, mwN).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 5 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 15. Dezember 2011

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