VwGH 2008/08/0072

VwGH2008/08/007225.5.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der M T in E, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rathausplatz 8/4, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 25. Februar 2008, Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2008, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs2 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs3 idF 2004/I/077;
AÜG §10;
AVG §39 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §10 Abs3 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs1 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs2 idF 2004/I/077;
AlVG 1977 §9 Abs3 idF 2004/I/077;
AÜG §10;
AVG §39 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. November 2007 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice B gegenüber der Beschwerdeführerin den Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 19. September bis 30. Oktober 2007 aus. Die Beschwerdeführerin habe sich geweigert, eine Beschäftigung als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin bei der Firma M ab 19. September 2007 anzunehmen; berücksichtigungswürdige Umstände für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und beantragte darin die Aufhebung des Bescheides aus sozialen Gründen, da ihre beiden Kinder studierten, ihr Ehegatte schwer krank sei und der Kindesvater einen Schlaganfall und eine Herzoperation gehabt habe. Sie bewerbe sich außerdem immer wieder bei den verschiedensten Firmen um eine Stellung. In einer Ergänzung zur Berufung führte die Beschwerdeführerin weiter aus, sie habe sich nicht geweigert, die Beschäftigung als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin bei der Firma M anzunehmen. Sie habe bei Herrn Ing. K von der Firma M am 7. September 2007 einen Termin gehabt, wo ausführlich über verschiedene Jobmöglichkeiten gesprochen worden sei. Der ursprünglich angebotene Job sei für geriatrische Langzeitpflege im 22. Bezirk in Wien gewesen. Gleichzeitig sei der Beschwerdeführerin aber mitgeteilt worden, dass diese Beschäftigung nur vorübergehend sein werde, da die Firma M mit ca. 20 Pflegeeinrichtungen zusammenarbeite und sich dabei immer eine Notwendigkeit ergebe, kurzfristig die Einrichtung zu wechseln.

Bei einem weiteren Gesprächstermin bei der Firma M sei die Beschwerdeführerin, abgesehen von den nicht optimalen Arbeitsbedingungen, über die schlechte Entlohnung schockiert gewesen, da sie in einem 40-Stunden-Dienstverhältnis ca. EUR 1.000,-- brutto weniger verdienen sollte als in ihrem bisherigen Beschäftigungsverhältnis mit 30 Wochenstunden. Aufgrund der gesundheitlichen und finanziellen Notsituation ihres ersten Mannes müsse die Beschwerdeführerin alleine für den Unterhalt ihrer beiden studierenden Kinder aufkommen. Da auch ihr zweiter Mann schwer erkrankt sei, sei eine fixe Anstellung mit angemessenem Entgelt - nicht bei einem Personalüberlasser - für die Beschwerdeführerin lebensnotwendig. Aufgrund des Entgeltschutzes nach § 9 Abs. 3 AlVG sei es der Beschwerdeführerin nicht zumutbar, die angebotene Beschäftigung anzunehmen, da die Entlohnung nicht dem Entgelt von mindestens 80% der letzten Bemessungsgrundlage entspreche. Die angebotene Beschäftigung sei nämlich keine Beschäftigung im bisherigen Beruf als Krankenschwester, sondern im Bereich der Altenpflege und Betreuung. Doch selbst bei Annahme eines bloß generellen Entgeltschutzes wäre das angebotene Entgelt bei der Firma M nicht angemessen im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG, da das Entgelt, "falls die Firma überhaupt Kollektivvertrag gezahlt hätte", nicht ortsüblich sei, weil in Wien Krankenschwestern und auch Altenbetreuerinnen mehr als das kollektivvertragliche Mindestentgelt verdienen würden.

Die Verwendung einer diplomierten Krankenschwester in der Altenbetreuung sei außerdem nicht zumutbar, da eine künftige Verwendung im bisherigen Beruf dadurch erschwert werde. Eine solche Tätigkeit habe nämlich nur teilweise mit den Tätigkeiten einer Krankenschwester zu tun und die Qualifikation ginge in weiterer Folge verloren.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 2008, mit dem die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde. Nach Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen und des bisherigen Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin sei verheiratet und diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester. Vom 1. Oktober 2004 bis 11. August 2007 sei sie beim Magistrat der Stadt Wien in der Krankenfürsorge beschäftigt gewesen (Ende der Beschäftigung am 31. Mai 2007, für die Zeit vom 1. Juni bis 11. August 2007 Bezug von Urlaubsabfindung bzw. Urlaubsentschädigung), das zuletzt bezogene Entgelt habe EUR 2.195,52 betragen. In der Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 2007, mit anschließender Urlaubsabfindung bis 7. August 2007, sei die Beschwerdeführerin bei der H. Krankenhaus GmbH vollversichert beschäftigt gewesen, diese Beschäftigung habe durch Zeitablauf geendet.

Am 1. August 2007 (mit Geltendmachung ab 12. August 2007) habe die Beschwerdeführerin Arbeitslosengeld beantragt, das ihr zuerkannt worden sei. Bei der Antragstellung habe sie den Wunsch geäußert, ihr neuer Arbeitsplatz solle in einem öffentlichen Krankenhaus oder Pensionisten- bzw. Pflegeheim in Wien liegen.

Am 17. August 2007 sei der Beschwerdeführerin von der regionalen Geschäftsstelle die Beschäftigung als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester bei der Firma M in Wien mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung (38,5 Wochenstunden) und möglichem Arbeitsbeginn am 19. September 2007 für eine Einrichtung der geriatrischen Langzeitpflege in 1220 Wien angeboten worden. Vorausgesetzt worden sei ein Diplom oder eine Nostrifikation der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege.

Laut Rückmeldung des potentiellen Dienstgebers habe sich die Beschwerdeführerin am 7. September 2007 vorgestellt und sei vorgemerkt worden. Bei einem weiteren Kontakt am 17. September 2007 sei sie nicht eingestellt worden, da sie nicht für einen Personaldienstleister arbeiten wolle. Am 19. September 2007 habe die Beschwerdeführerin niederschriftlich zum Nichtzustandekommen der Beschäftigung erklärt, dass sie hinsichtlich der konkret angebotenen Entlohnung, der angebotenen beruflichen Verwendung, der vom Unternehmen geforderten Arbeitszeit, hinsichtlich körperlicher Fähigkeiten, Gesundheit und Sittlichkeit, hinsichtlich der täglichen Wegzeit und der Betreuungspflichten keine Einwendungen habe. Als sonstige Gründe habe sie vorgebracht, dass ihre beiden Kinder studieren würden und sie nicht für eine Leihfirma arbeiten wolle, sondern lieber "eine ordentliche Arbeit" haben wolle. Die Beschwerdeführerin wolle außerdem mitteilen, dass sie sich selbst eine Arbeit suche und ihre Tochter eine Erkrankung der Schilddrüse habe. Die Beschwerdeführerin habe ohne Angaben von Gründen ihre Unterschrift auf der Niederschrift verweigert.

Im Berufungsverfahren sei die Firma M telefonisch kontaktiert worden. Die Kontaktperson, Herr K, habe dabei erklärt, dass er gemäß dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung, gültig im Jahr 2007, entlohne. Daraus ergebe sich für eine qualifizierte Facharbeiterin, wie eine diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester, ein monatliches Grundentgelt von EUR 1.830,42 für eine 38,5 Stunden-Woche ohne Anrechnung von Zulagen und Vordienstzeiten.

Eine telefonische Rücksprache mit dem vorherigen Dienstgeber, dem Magistrat der Stadt Wien, habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin zuletzt für 30 Stunden in der Woche ein Entgelt von ca. EUR 1.650,- erzielt habe. Die H Krankenhaus GmbH habe in einer am 26. Februar 2008 der belangten Behörde übermittelten Arbeitsbescheinigung angegeben, dass die Beschwerdeführerin im Juni 2007 ein Bruttoentgelt inklusive Sonderzahlungen in der Höhe von EUR 2.181,04 und im Juli 2007 in der Höhe von EUR 2.828,91 erzielt habe.

Eine Abfrage des Hauptverbands der Österreichischen Sozialversicherungsträger vom 18. Februar 2008 habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin während der verhängten Ausschlussfrist keine Beschäftigung aufgenommen habe, sie sei jedoch seit dem 15. Februar 2008 bei der T GmbH, einem Vermittler von diplomiertem Gesundheitspersonal, vollversichert beschäftigt.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Beschäftigung ausschließlich die Kriterien des § 9 Abs. 2 AlVG maßgebend seien. Der potentielle Dienstgeber, die Firma M, entlohne gemäß dem anzuwendenden Kollektivvertrag, ein Vergleich mit dem Entgelt früherer Beschäftigungen sei daher nicht zutreffend und auch nicht entscheidungsrelevant. Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Entgeltschutz des § 9 Abs. 3 AlVG komme nicht zum Tragen, da sie in ihrem Beruf als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester zugewiesen und beschäftigt worden wäre. Dies gelte auch für das Vorbringen des Berufsschutzes, da eine Beschäftigung als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester angeboten worden sei, wenn auch in einer Einrichtung für geriatrische Langzeitpflege. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin sogar den Wunsch nach einer Beschäftigung in einem öffentlichen Krankenhaus oder einem Pensionisten- bzw. Pflegeheim in Wien geäußert.

Die Beschwerdeführerin sei (bei der Firma M) nach einer ersten Vorstellungsrunde vorgemerkt worden, habe jedoch bei einem weiteren Gespräch erklärt, nicht bei einer Leihfirma arbeiten zu wollen und sei daher nicht eingestellt worden. Durch diese ausdrückliche Aussage, nicht bei einer Leihfirma arbeiten zu wollen, habe sie die Annahme einer zugewiesenen und zumutbaren Beschäftigung verweigert. Dadurch habe nach Ansicht der belangten Behörde die Beschwerdeführerin den Tatbestand des § 10 Abs. 1 AlVG verwirklicht, der den Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes für sechs Wochen rechtfertige. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG, wie zB Arbeitsaufnahme innerhalb der Ausschlussfrist, würden nicht vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs könne sich ein Arbeitsloser mit dem Hinweis auf Sorgepflichten gegenüber unterhaltsberechtigten, einkommenslosen Familienangehörigen einer Sanktion nach § 10 AlVG nicht entziehen, zumal kein berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG vorliege, weil den Arbeitslosen die Sorgepflichten für seine Familienangehörigen nicht härter treffen würden als andere Arbeitslose, die ebenfalls eine Familie zu versorgen hätten. Deshalb stelle das Vorbringen, die Kinder der Beschwerdeführerin würden studieren und ihr erster und zweiter Ehemann seien schwer krank, keinen ausreichenden Nachsichtsgrund im Sinne dieser Bestimmung dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 9 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 lautet (auszugsweise):

"(1) Arbeitswillig ist, wer bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen, sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- oder umschulen zu lassen, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen, von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen und von sich aus alle gebotenen Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung zu unternehmen, soweit dies entsprechend den persönlichen Fähigkeiten zumutbar ist.

(2) Eine Beschäftigung ist zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung.

(3) In den ersten 100 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Vermittlung in eine nicht dem bisherigen Tätigkeitsbereich entsprechende Tätigkeit nicht zumutbar, wenn dadurch eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf wesentlich erschwert wird. In den ersten 120 Tagen des Bezuges von Arbeitslosengeld auf Grund einer neu erworbenen Anwartschaft ist eine Beschäftigung in einem anderen Beruf oder eine Teilzeitbeschäftigung nur zumutbar, wenn das sozialversicherungspflichtige Entgelt mindestens 80 vH des der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld entsprechenden Entgelts beträgt.

…"

§ 10 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 lautet (auszugsweise):

"§ 10. (1) Wenn die arbeitslose Person

1. sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

2. sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach(Um)schulung zu entsprechen oder durch ihr Verschulden den Erfolg der Nach(Um)schulung vereitelt, oder

3. ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

4. auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung nachzuweisen,

so verliert sie für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß Z 1 bis 4 um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft. Die Zeiten des Anspruchsverlustes verlängern sich um die in ihnen liegenden Zeiträume, während derer Krankengeld bezogen wurde.

(3) Der Verlust des Anspruches gemäß Abs. 1 ist in berücksichtigungswürdigen Fällen wie zB bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen."

Diese Bestimmungen sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung einer ihm zumutbaren Beschäftigung in den Arbeitsmarkt einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2010, Zl. 2008/08/0108).

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassung der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (auch nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. November 2010, Zl. 2008/08/0258).

Wenn ein Arbeitsloser die Zumutbarkeit einer zugewiesenen Arbeitsstelle gegenüber den Arbeitsmarktservice bestreitet, hat sich das Arbeitsmarktservice mit dieser Frage in der Begründung seines Bescheides auch dann auseinander zu setzen, wenn es die Einwände nicht für berechtigt hält. Das Arbeitsmarktservice hat insbesondere auch darzutun, welche Anforderungen mit der zugewiesenen Beschäftigung verbunden sind und ob der Arbeitslose nach seinen geistigen und körperlichen Fähigkeiten diesen Anforderungen genügt, sowie dass mit der in Aussicht genommenen Stelle auch eine konkret anzugebende, angemessene, d.h. dem in Betracht kommenden Kollektivvertrag entsprechende Entlohnung verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 2008, Zl. 2007/08/0148).

2. Im gegenständlichen Verfahren ist im Wesentlichen strittig, ob die vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Beschäftigung bei der Firma M der Beschwerdeführerin zumutbar war bzw. ob berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG vorlagen. Unbestritten ist jedoch, dass die Beschwerdeführerin die Annahme der Beschäftigung durch ihr Verhalten - sie hatte gegenüber der Firma M angegeben, nicht bei einem "Personalüberlasser" arbeiten zu wollen - veweigert hat.

3. Die Beschwerde führt zunächst aus, dass der Beschwerdeführerin eine Beschäftigung bei der Firma M angeboten worden sei, sohin bei einem Unternehmen, das nicht selbst ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim betreibe, sondern dessen Tätigkeitsbereich lediglich in der Arbeitskräfteüberlassung liege. Ihr sei mitgeteilt worden, dass die Tätigkeit in der geriatrischen Langzeitpflege nur eine kurzfristige wäre und sie danach damit zu rechnen hätte, dass ihr ein "anderer Arbeitsplatz" zugewiesen würde. Ausgehend davon, dass die Beschwerdeführerin Berufsschutz als diplomierte Krankenschwester genieße, sei es ihr unzumutbar, sich darauf einzulassen, dass sie kurzfristig in der geriatrischen Langzeitpflege tätig sein werde, jedoch nach kurzer Zeit ihr Tätigkeitsinhalt völlig unabsehbar werde.

Von der belangten Behörde sei nicht festgestellt worden, "in welchem Bereich der Arbeitskräfteüberlassung" die Firma M tätig sei und welche Tätigkeitszuweisungen die Beschwerdeführerin bei Annahme der angebotenen Beschäftigung zu gewärtigen gehabt hätte. Es sei nicht festgestellt worden, dass sie bei den weiteren Tätigkeitszuweisungen als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester arbeiten hätte können. Überdies sei der angebotene Tätigkeitsbereich in der geriatrischen Langzeitpflege derart unspezifisch, dass auch nicht daraus geschlossen werden könne, dass in diesem Tätigkeitsbereich die Beschwerdeführerin ihre besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester verwerten hätte können bzw. dass im Zuge dieser Tätigkeit diese besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht sogar verloren gegangen wären. Aufgrund dieser besonderen Unsicherheiten und aufgrund der Tatsache, dass auch in der geriatrischen Langzeitpflege, so wie sie im gegenständlichen Verfahren festgestellt worden sei, nicht mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin ihre Kenntnisse und Fähigkeiten als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester hätte verwerten können, habe die Beschwerdeführerin zu Recht auf ihren Berufsschutz verwiesen und sei nicht verpflichtet gewesen, diese Tätigkeit anzunehmen.

4. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass der Berufsschutz nach § 9 Abs. 3 erster Satz AlVG nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung auf die vermittelte "Tätigkeit" - nicht aber auf die Art des Dienstgebers - abstellt. Eine Tätigkeit ist daher auch dann im Sinne dieser Bestimmung zumutbar, wenn es sich beim potentiellen Dienstgeber um ein Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen handelt, sofern die im Rahmen des angebotenen Dienstverhältnisses zu leistenden Dienste dem bisherigen Tätigkeitsbereich des Arbeitslosen entsprechen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass im Fall einer Anstellung bei einem Arbeitskräfteüberlasser aufgrund der Schutzbestimmungen des AÜG, insbesondere dessen § 10, auch der sich aus dem Berufsschutz in der Regel indirekt - über die zu berücksichtigenden lohngestaltenden Vorschriften - ergebende Entgeltschutz gewährleistet ist.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid war die Beschwerdeführerin vor ihrer Arbeitslosigkeit zuletzt in ihrem erlernten Beruf als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester beschäftigt; bei der vermittelten Tätigkeit handelte es sich um eine Beschäftigung ausdrücklich "als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester" in einer Einrichtung der geriatrischen Langzeitpflege. Schon im Hinblick auf das gesetzliche Berufsbild (gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege, vgl. § 11 GuKG) kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im vorliegenden Fall von einer Vermittlung im bisherigen Tätigkeitsbereich ausgegangen ist. Der Beschwerde kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Tätigkeitsbeschreibung "geriatrische Langzeitpflege" zu "unspezifisch" wäre; denn nach den diesbezüglich unstrittigen Feststellungen wurde nicht "unspezifisch" eine - irgendeine - Tätigkeit in der geriatrischen Langzeitpflege angeboten, sondern ausdrücklich eine Tätigkeit als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester, sohin im Rahmen des gesetzlichen Berufsbildes, das im Sinne des § 11 Abs. 2 GuKG "die Pflege und Betreuung von Menschen aller Altersstufen bei körperlichen und psychischen Erkrankungen, die Pflege und Betreuung behinderter Menschen, Schwerkranker und Sterbender sowie die pflegerische Mitwirkung an der Rehabilitation, der primären Gesundheitsversorgung, der Förderung der Gesundheit und der Verhütung von Krankheiten im intra- und extramuralen Bereich" umfasst. Dass der bisherige Tätigkeitsbereich der Beschwerdeführerin nur einen besonderen Ausschnitt aus diesem Berufsbild umfasst hätte oder eine hochgradige Spezialisierung vorgelegen wäre, sodass aus diesem Grunde die angebotene Tätigkeit in der geriatrischen Langzeitpflege allenfalls als Wechsel des Tätigkeitsbereichs angesehen werden könnte, macht die Beschwerde nicht geltend.

Soweit die Beschwerdeführerin Befürchtungen über allfällige zukünftige Änderungen in der Beschäftigung äußert, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach eine Tätigkeit als diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester angeboten war. Der Abschluss eines Arbeitsvertrages über eine derartige Tätigkeit schließt es auch bei einem Leiharbeitsunternehmen aus, zur Aufnahme einer anderen als dieser Tätigkeit für künftige Beschäftiger verpflichtet zu sein.

Da der Beschwerdeführerin eine Tätigkeit im bisherigen Tätigkeitsbereich angeboten wurde, hatte die belangte Behörde sohin weder zu prüfen, ob die neue Tätigkeit eine künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf wesentlich erschweren würde (§ 9 Abs. 3 erster Satz letzter Halbsatz AlVG), noch ob das Entgelt die 80 %-Grenze der letzten Bemessungsgrundlage im Sinne des § 9 Abs. 3 zweiter Satz AlVG erreicht hätte.

5. Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die belangte Behörde habe es verabsäumt, die Höhe ihres Einkommens beim Magistrat der Stadt Wien und bei der H Krankenhaus GmbH genau zu erheben. Es sei auch nicht erhoben worden, wie hoch das von der Firma M angebotene Entgelt tatsächlich gewesen wäre.

Die Beschwerdeausführungen beziehen sich in diesem Zusammenhang ausschließlich auf den von der Beschwerdeführerin behaupteten Entgeltschutz im Sinne des § 9 Abs. 3 zweiter Satz AlVG. Wie oben (Punkt 4.) dargelegt, ist die belangte Behörde jedoch zutreffend von einer Vermittlung im bisherigen Tätigkeitsbereich und nicht "in einem anderen Beruf" ausgegangen, sodass es weder auf die Höhe des zuletzt bezogenen Entgelts (genauer: der letzten Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosenentgelt), noch auf das angebotene Entgelt für die vermittelte Tätigkeit - sofern dieses im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG grundsätzlich zumindest den anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entspricht (was von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird) - ankommt.

6. Schließlich bringt die Beschwerde vor, die belangte Behörde habe keine Feststellungen hinsichtlich des Vorliegens von Nachsichtsgründen gemäß § 10 Abs. 3 AlVG getroffen. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, dass sie sorgepflichtig für zwei studierende Kinder sei und der Vater der Kinder nichts zum Unterhalt beitragen könne, sodass sie allein sorgepflichtig wäre. Daher sei es für die Beschwerdeführerin besonders notwendig, dass sie bei weiteren Beschäftigungen so viel verdiene wie bisher, weshalb ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG vorliege. Würde sie außerdem 40 statt bisher 30 Wochenstunden arbeiten, würde sie zur Betreuung ihres schwer kranken Ehegatten Fremdhilfe benötigen, was ihre Fixkostenbelastung erhöhe. Dividiere man das bei der Firma M zu erwartende Nettoeinkommen durch vier erwachsene Personen (für die die Beschwerdeführerin sorgepflichtig sei), ergebe sich pro Person lediglich ein Betrag von EUR 300,- pro Monat, was bei weitem unter dem Existenzminimum liege.

Berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG sind Gründe, die dazu führen, dass der Ausschluss vom Bezug der Leistung den Arbeitslosen aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. April 2008, Zl. 2007/08/0234 mwN).

Ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG kann nur dann vorliegen, wenn der Arbeitslose in der Folge entweder selbst ein Verhalten gesetzt hat, welches den potentiellen Schaden, der durch seine Nichteinstellung entstanden ist, ganz oder teilweise wieder beseitigt (also insbesondere durch alsbaldige tatsächliche Aufnahme einer anderen Beschäftigung), oder wenn ihm sein Verhalten ausnahmsweise aus besonderen (jedenfalls nicht auf Dauer vorliegenden und auch die Verfügbarkeit oder die Arbeitsfähigkeit nicht ausschließenden) Gründen im Einzelfall nicht vorgeworfen werden kann. Es kommt dabei aber nicht auf persönliche finanzielle Umstände an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2010, Zl. 2007/08/0231 mwN).

Die grundsätzlich gebotene amtswegige Prüfung des Sachverhaltes unter dem Gesichtspunkt des § 10 Abs. 3 AlVG hat sich auf die Gründe zu beziehen, die der Arbeitslose bekannt gibt oder für die es sonstige Hinweise in den Akten gibt. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Angaben des Arbeitslosen im erstinstanzlichen oder erst im zweitinstanzlichen Verfahren gemacht wurden bzw. wann im Verwaltungsverfahren entsprechende Anhaltspunkte hervorgekommen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2010, Zl. 2008/08/0018).

Nach dem Verwaltungsakt hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass sie Sorgepflichten für ihre beiden erwachsenen Kinder zu erfüllen habe und dass ihre Tochter an der Schilddrüse erkrankt sei, weiters dass ihr Ehegatte und der Kindesvater schwer krank seien. Diese von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründe sind aber nicht geeignet, einen berücksichtigungswürdigen Nachsichtsgrund im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG anzunehmen:

Sorgepflichten gegenüber unterhaltsberechtigten, einkommenslosen Familienangehörigen treffen einen Arbeitslosen nämlich in der Regel nicht härter als jeden anderen Arbeitslosen, der eine Familie hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 2008, Zl. 2007/08/0187 und zur - im Wesentlichen gleich lautenden - Rechtslage vor dem 1. Jänner 2005 das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 95/08/0030 sowie auch das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/08/0585). Damit kann aber der Hinweis der Beschwerdeführerin, ihre Kinder würden studieren, keinen berücksichtigungswürdigen Nachsichtsgrund im Sinne des § 10 Abs. 3 AlVG begründen. In welcher Weise die Schilddrüsenerkankung ihrer Tochter die Beschwerdeführerin finanziell besonders hart treffe, hat sie im Verwaltungsverfahren ebensowenig substantiiert wie eine unverhältnismäßige - über die Unterhaltspflicht hinausgehende - finanzielle Belastung aufgrund der Erkrankung des Kindesvaters und ihres Ehegatten; zudem ist nicht erkennbar, weshalb auf Grund dieser Umstände die Weigerung der Beschwerdeführerin, eine ihr angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, als weniger schwer wiegender Verstoß gegen die Pflichten des Beziehers von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu beurteilen wäre.

Dass die Beschwerdeführerin schließlich aufgrund einer Beschäftigung im Ausmaß von 40 Stunden pro Woche (nach den Feststellungen: 38,5 Stunden) ihren Ehegatten nicht mehr betreuen könnte und daher Fremdhilfe benötigen würde, richtet sich gegen die Zumutbarkeit der zugewiesenen Beschäftigung, wurde aber zum ersten Mal in der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgebracht und unterliegt damit dem verwaltungsgerichtlichen Neuerungsverbot gemäß § 41 VwGG.

Dass eine gegenüber anderen Arbeitslosen unverhältnismäßige finanzielle Belastung durch die geltend gemachten Betreuungspflichten eingetreten ist, hat die Beschwerdeführerin somit im Verwaltungsverfahren gar nicht behauptet. Die belangte Behörde konnte damit zu Recht davon ausgehen, dass im gegenständlichen Verfahren kein berücksichtigungswürdiger Grund für eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG vorgelegen ist.

7. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des - hier vorliegenden - Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind. In der Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatsachenfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Wien, am 25. Mai 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte