Normen
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs2;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §10 Abs2;
AlVG 1977 §9 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde über Antrag Arbeitslosengeld ab 17. Juni 1997 gewährt. Nach dem Inhalt der mit dem Beschwerdeführer am 25. Juni 1997 beim Arbeitsmarktservice Stegersbach aufgenommenen Niederschrift wurde ihm am 17. Juni 1997 eine Beschäftigung als Malerhelfer bei der Firma Marek in Wien mit einer kollektivvertraglichen Entlohnung und Arbeitsantritt am 25. Juni 1997 zugewiesen. Nach den Angaben des Beschwerdeführers sei dieses Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen, weil er von der Firma nicht eingestellt worden sei; mehr könne er dazu nicht sagen.
In einer Stellungnahme des Vermittlers vom 25. Juni 1997 an den Regionalbeirat ist festgehalten, eine telefonische Rücksprache mit Herrn Marek am 25. Juni 1997 habe ergeben, daß der Beschwerdeführer sich vorstellen gewesen sei und nur einen "Stempel fürs Arbeitsamt haben wollte - von Arbeit habe er nichts wissen wollen".
Mit Bescheid vom 1. Juli 1997 sprach das Arbeitsmarktservice Stegersbach aus, der Beschwerdeführer habe den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum 25. Juni 1997 bis 5. August 1997 verloren. In der Begründung wurde nach auszugsweiser Wiedergabe des im Spruch genannten Paragraphen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe die angebotene Beschäftigung bei der Firma Marek in Wien nicht angenommen. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin führte er aus, er habe "ihm" (gemeint: dem Repräsentanten der zugewiesenen Firma) den Zettel vom Arbeitsamt gegeben, worauf er gefragt worden sei, ob er Erfahrung habe. Der Beschwerdeführer habe erklärt, Maler mit langjähriger Praxis zu sein. Daraufhin habe er (der Repräsentant der zugewiesenen Firma) geantwortet, er brauche nur einen Helfer und zwar einen solchen, der in Wien wohne.
Weiters führte der Beschwerdeführer aus, seine Gattin sei arbeitslos und bekomme keine Unterstützung. Er habe monatlich Zahlungen vorzunehmen, habe aber kein Einkommen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Berufung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesstellen und Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es sei von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe keine "Betreuungspflichten". Seine Gattin sei im Haushalt tätig. Vom 19. Juni 1990 bis 24. Jänner 1997 habe er bei einer Baugesellschaft in Wien als Facharbeiter (Maler und Anstreicher) gearbeitet. Am 27. Jänner 1997 habe er sich beim Arbeitsmarktservice Bau-Holz in Wien arbeitslos gemeldet und in der Zeit vom 27. Jänner 1997 bis 2. März 1997 Arbeitslosengeld bezogen. Vom 3. März 1997 bis 15. Juni 1997 habe er abermals bei der genannten Baugesellschaft gearbeitet. Nach Beendigung dieser Beschäftigung bzw. nach erfolgter Übersiedlung nach Neustift bei Güssing habe sich der Beschwerdeführer am 17. Juni 1997 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Stegersbach arbeitslos gemeldet. Das Arbeitslosengeld sei ab dem Tag der Geltendmachung, dem 17. Juni 1997, zur Anweisung gebracht worden. Am 17. Juni 1997 sei dem Beschwerdeführer seitens der regionalen Geschäftsstelle Stegersbach eine Beschäftigung als Malerhelfer bei einer namentlich genannten Firma in Wien 15. mit kollektivvertraglicher Entlohnung und Arbeitsantritt am 25. Juni 1997 zugewiesen worden. Eine Einstellung seitens des vorgesehenen Dienstgebers sei nicht erfolgt, weil der Beschwerdeführer nur den "Stempel" für die regionale Geschäftsstelle Stegersbach habe erhalten wollen und an einer tatsächlichen Arbeitsaufnahme nicht interessiert gewesen sei.
Zu diesem Sachverhalt befragt habe der Beschwerdeführer am 25. Juni 1997 niederschriftlich erklärt, daß seitens des vorgesehenen Dienstgebers keine Einstellung erfolgt sei, weitere Angaben hätte er nicht machen können.
Anläßlich einer weiteren Vermittlung durch die regionale Geschäftsstelle Stegersbach habe der Beschwerdeführer am 28. Juli 1997 die Beschäftigung bei einer namentlich genannten Firma aufgenommen.
Die Feststellungen hinsichtlich des Nichtzustandekommens des Dienstverhältnisses würden sich auf das Telefonat mit dem vorgesehenen Dienstgeber gründen. Die übrigen Feststellungen würden sich auf das Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den Inhalt des Leistungsaktes stützen.
Dem Beschwerdeführer sei die ihm zugewiesene Beschäftigung als Malerhelfer bei einer namentlich genannten Firma in Wien 15. zumutbar gewesen. Er sei ca. sieben Jahre bei einer Baugesellschaft als Maler bzw. Facharbeiter beschäftigt und als solcher auch bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer habe jedoch keine Befähigungsnachweise vorgelegt, die beweisen könnten, daß er den Beruf eines Malers und Anstreichers tatsächlich erlernt habe. Mangels Vorliegens geeigneter Nachweise über eine absolvierte Lehre als Maler und Anstreicher hätte seitens der regionalen Geschäftsstelle Stegersbach somit nur eine Vermittlung als Malerhelfer mit Praxis erfolgen können.
Zum Einwand des Beschwerdeführers, der vorgesehene Dienstgeber hätte Arbeitskräfte mit Wohnsitz in Wien bevorzugt, sei auszuführen, daß im Inserat dieses Dienstgebers keinerlei Einschränkungen hinsichtlich des Wohnsitzes der Arbeitskräfte enthalten seien. Es könne somit nur der Schluß gezogen werden, daß der vorgesehene Dienstgeber einzig und allein Wert auf einen pünktlichen täglichen Arbeitsbeginn gelegt habe.
Die Mitteilung des Dienstgebers per Telefongespräch am 25. Juni 1997 habe ergeben, daß der Beschwerdeführer an einer Arbeitsaufnahme kein Interesse gehabt und bei seiner Bewerbung nur die Bestätigung des Dienstgebers auf der Vorstellungskarte für das Arbeitsmarktservice habe erhalten wollen. Da der Beschwerdeführer beim Bewerbungsgespräch eindeutig zu verstehen gegeben habe, die Beschäftigung als Malerhelfer nicht annehmen zu wollen, sei das Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen.
Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine zumutbare Beschäftigung nicht anzunehmen, sei daher als Arbeitsverweigerung zu qualifizieren.
Berücksichtigungswürdige Gründe für die Erteilung von Nachsicht von den Rechtsfolgen der erfolgten Arbeitsverweigerung habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht bzw. seien solche Gründe auch nicht von Amts wegen aus dem Sachverhalt ersichtlich.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG ist eine Beschäftigung zumutbar, die den körperlichen Fähigkeiten des Arbeitslosen angemessen ist, seine Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert. Die letzte Voraussetzung bleibt bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung zumutbar ist, außer Betracht, wenn der Anspruch auf den Bezug des Arbeitslosengeldes erschöpft ist und keine Aussicht besteht, daß der Arbeitslose in absehbarer Zeit in seinem Beruf eine Beschäftigung findet.
Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, die Aufnahme einer Beschäftigung als Malerhelfer sei dem Beschwerdeführer zumutbar gewesen. Er habe nämlich nicht nachweisen können, daß er eine Lehre als Maler und Anstreicher absolviert habe.
Letzterer Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der in der zitierten Gesetzesstelle verankerte Berufsschutz stellt nicht auf formelle Befähigungsnachweise ab. Nicht nur solche Qualifikationsnachweise vermögen den Berufsschutz zu begründen, sondern auch die in der Praxis erworbenen und unter Beweis gestellten Fertigkeiten und Kenntnisse des Arbeitslosen (vgl. Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsrecht, 3. Auflage, Seite 86).
Die Zuweisungstauglichkeit einer angebotenen Beschäftigung ist aber schon dann gegeben, wenn dem Arbeitslosen durch die Aufnahme und Ausübung der angebotenen Beschäftigung eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert wird.
Der Beschwerdeführer bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides vor, er habe vor Eintritt der Arbeitslosigkeit als Facharbeiter gearbeitet und anläßlich einer weiteren Vermittlung am 28. Juli 1997 eine Beschäftigung wiederum als Facharbeiter aufgenommen. Hätte er zwischendurch als Malerhelfer gearbeitet, wäre ihm die Erlangung einer solchen Stelle als Maler und Anstreicher-Facharbeiter wesentlich erschwert worden.
Richtig an diesem Vorbringen ist, daß der Beschwerdeführer vor Eintritt der gegenständlichen Arbeitslosigkeit zufolge der vorgelegten Arbeitsbescheinigung als Facharbeiter beschäftigt war.
Dieser Hinweis, die Annahme der zugewiesenen Tätigkeit als Malerhelfer hätte ihm eine künftige Anstellung als Facharbeiter wesentlich erschwert, ist im Ergebnis berechtigt. Es stellt nämlich eine allgemeine Erfahrungstatsache dar, daß Hilfsarbeiter nicht ohne weiteres in der Folge eine Anstellung als Facharbeiter angeboten erhalten. Falls daher die vermittelte Beschäftigung als Malerhelfer nur den Aufgabenkreis eines Hilfsarbeiters beinhaltete, wäre die angebotene Tätigkeit als Malerhelfer ausgehend von dem Umstand, daß der Beschwerdeführer in den Jahren vor Eintritt seiner Arbeitslosigkeit als Facharbeiter beschäftigt wurde, nicht zuweisungstauglich. Die belangte Behörde wird deshalb im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob dem Beschwerdeführer ausgehend von seiner bisherigen Tätigkeit die Annahme einer Stelle als "Malerhelfer" i.S.d. § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar war.
Wenn sich diese Stelle als zuweisungstauglich erweisen sollte, wird das Nachsichtsbegehren zu prüfen sein. Hiezu ist folgendes zu sagen:
Gemäß § 10 Abs. 2 AlVG ist der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise nachzusehen. Vor dieser Nachsicht sowie vor Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören.
Die Sorgepflicht für die einkommenslose Gattin und die Gefährdung des eigenen Unterhaltes stellen nach der Judikatur keine Gründe dar, derentwegen der vorübergehende Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes den Beschwerdeführer härter träfe als dies im allgemeinen der Fall ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/08/0080). Hingegen hat die belangte Behörde festgestellt, daß der Beschwerdeführer innerhalb der Sperrfrist eine andere ihm zugewiesene Tätigkeit aufgenommen hat. Dies stellt unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände einen Grund für eine gänzliche oder teilweise Nachsicht des Ausschlusses vom Bezug des Arbeitslosengeldes nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 AlVG dar. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 20. Oktober 1998
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)