VwGH 2007/07/0090

VwGH2007/07/009030.9.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. Sulzbacher und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der P AG, vertreten durch Schwartz und Huber-Medek Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 7. Mai 2007, BMLFUW-UW.2.2.1/0035-VI/1/2007-Fa, betreffend Feststellung nach § 6 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 und nach § 10 Altlastensanierungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt L), zu Recht erkannt:

Normen

ALSAG 1989 §10 Abs2 Z1;
ALSAG 1989 §10 Abs2;
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 litc;
ALSAG 1989 §3 Abs1a Z6 idF 2004/I/136;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §68;
AWG 1990 §4 Abs3;
AWG 2002 §6 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
ALSAG 1989 §10 Abs2 Z1;
ALSAG 1989 §10 Abs2;
ALSAG 1989 §3 Abs1 Z1 litc;
ALSAG 1989 §3 Abs1a Z6 idF 2004/I/136;
AVG §66 Abs2;
AVG §68 Abs1;
AVG §68;
AWG 1990 §4 Abs3;
AWG 2002 §6 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft UU (BH) vom 15. März 2007 wurde über Antrag der beschwerdeführenden Bau-Gesellschaft festgestellt, dass es sich bei dem auf dem Grundstück Nr. 956/2, KG. St., ("Abschnitt 4") bis zur Fertigstellung der Aufschüttungsmaßnahmen eingebauten "Recyclingmaterial", dessen Menge sich auf 43.068 m3 Aushubmaterial und 14.550 m3 Recyclingmaterial belaufe, um keinen Abfall handle (Spruchpunkt I.), und dass es sich bei diesem Material um keinen beitragspflichtigen Abfall handle (Spruchpunkt II.). Beim ersten Spruchpunkt wurde § 6 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) als Rechtsgrundlage genannt, beim zweiten Spruchpunkt § 10 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG).

Diesen Bescheid hob der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (die belangte Behörde) mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 7. Mai 2007 in Wahrnehmung seines Aufsichtsrechtes von Amts wegen wieder auf und verwies "die Frage", ob es sich bei dem "gegenständlichen Recyclingmaterial" um Abfall handle und ob es dem Altlastenbeitrag unterliege, "zur neuerlichen Ermittlung und Entscheidung" an die BH zurück.

In der Begründung legte die belangte Behörde dar, dass sie nach Übermittlung des eingangs genannten Bescheides der BH zu den Fragen, ob es sich bei dem "Recyclingmaterial" um Abfall handle, wann dessen Einbau erfolgt sei und ob es sich bei diesem Material, soweit der Einbau nach dem 1. Jänner 2006 vorgenommen worden sei, um einen altlastenbeitragspflichtigen Abfall handle, die Stellungnahme ihres Amtssachverständigen eingeholt habe. Der Inhalt der dazu ergangenen Äußerungen des Amtssachverständigen vom 30. März 2007 und vom 4. April 2007 wurde im angefochtenen Bescheid wie folgt wörtlich wiedergegeben:

"Zu den Fragen der Abt. VI/1 wird wie folgt Stellung genommen:

Der Zeitpunkt des Einbaus des Materials wird im gesamten Gutachten nicht hinreichend präzisiert, muss nach den getroffenen Angaben aber vollständig zwischen dem 02.07.2003 (offizieller Beginn) und dem 06.11.2006 (bereits Lastplattenversuche) erfolgt sein. Eine genauere Chronologie nach Fraktionen wäre allenfalls anhand der Beprobungsdaten vorzunehmen: Da die Beprobung des in der oberen Schicht zum Einsatz kommenden Recycling- und Aushubmaterials ab Mai 2006 (als Haufen bzw. v-Material in situ) erfolgte, ist zu folgern, dass der Einbau desselben erst danach erfolgte. Das in der unteren Schicht zum Einsatz kommende Aushubmaterial (mengenmäßig über 2/3 des gesamthaft eingesetzten Materials) wurde hingegen schon im Jänner 2005 beprobt; eine weitere Präzisierung des Ablaufs ist nicht möglich.

Ob die Verwendung von Recyclingmaterial (ca. 30.000 t; neben ca. 7.500 t kiesförmigem Aushubmaterial Herkunft v) in der obersten Schicht bautechnisch unbedingt notwendig war, geht aus dem Gutachten nicht hervor.

Probenahmen und Analysen scheinen repräsentativ. Das eingesetzte Recyclingmaterial (Beton, Ziegelbruch, Sand) hält durchwegs die Qualitätsklasse A des Bundesabfallwirtschaftsplans (und der ÖBRV-Richtlinie) ein. Der v-Kies wurde mittels Gesamtbeurteilung auf die Grenzwerte der Bodenaushubdeponie hin untersucht, er hält aber offenbar auch die Qualitätsklasse A+ des Bundesabfallwirtschaftsplans ein. Dem Hauptanteil, ca. 82.500 t Aushub aus dem Bereich Autobahn, L, wurde in zwei Gutachten (beide görtler) ebenfalls Bodenaushubqualität bescheinigt, allerdings fehlen die hierfür relevanten Eluatuntersuchungen vollständig, wobei unklar ist ob es sich ev. nur um einen Formularfehler handelt, da auch die entsprechenden Grenzwerte fehlen.

Eine Beantwortung der do. gestellten Fragen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus Sicht des Sachbearbeiters unmöglich. Zu klären wären

1. die Notwendigkeit der Verwendung von Recyclingmaterial (Baurestmassen) beim ggst. Bauvorhaben,

  1. 2. die exakte Chronologie des Einbaus nach Fraktionen und
  2. 3. die tatsächliche chemische Qualität der Hauptfraktion hinsichtlich der Eluatgehalte.

    DI H.-C. E.,

    30.03.2007

    Zusammenfassung für Parteiengehör gemäß Rücksprache mit Mag. R. (iV Mag. M. nach Rspr. mit demselben, 03.04.2007):

    Folgende Fragen wurden aufgeworfen:

    Handelt es sich beim eingesetzten Material um Abfall?

    Wann wurde das Material bzw. wurde Material nach dem 01.01.2006 eingebaut?

    Handelt es sich beim eingebauten Material um beitragspflichtiges Material?

    Diese Fragen sind nur zu beantworten, wenn weitere Unterlagen vorgelegt werden können. Zu klären wären

    1. die Notwendigkeit der Verwendung von Recyclingmaterial (Baurestmassen) beim ggst. Bauvorhaben im Aufbau der oberen Schicht,

    2. die exakte Chronologie des Einbaus nach Fraktionen (gegliedert nach den vorliegenden chemischen Gutachten) und

    3. die tatsächliche chemische Qualität der Hauptfraktion hinsichtlich der Eluatgehalte, welche in den beiden vorliegenden Gesamtbeurteilungen von g nicht aufscheinen.

    4. Anzufordern wäre laut DI W. auch der wasserrechtliche Bewilligungsbescheid wegen allfälliger erteilter Auflagen.

    Sollte die Vorlage geeigneter Unterlagen nicht möglich sein, ist davon auszugehen, dass

    1. der Aufbau der oberen Schicht, in der das Recyclingmaterial zum Einsatz kam, jedenfalls nach dem 01.01.2006 erfolgte (vermutlich ab Mai 2006),

    2. die unbedingte Notwendigkeit der Verwendung von Recyclingmaterial (Recyclingbaustoffe wären laut Bundesabfallwirtschaftsplan 2006 im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß einzusetzen, vgl. auch Stellungnahme von Mag. M. vom 17.01.2007 zu Bescheid TBS) bautechnisch nicht gegeben war und stattdessen auch Bodenaushub zum Einsatz hätte kommen können,

    3. das in der unteren Schicht eingesetzte Aushubmaterial zwar gemäß gutachterlicher Beurteilung die Grenzwerte der Bodenaushubdeponie einhält, aber nicht unbedingt die strengeren Grenzwerte der Qualitätsklasse A+ oder A des Bundesabfallwirtschaftsplans 2006, weshalb das Material als Abfall zu betrachten wäre und entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen und Verwendungsbeschränkungen unterläge (vgl. gleichfalls o. g. Stellungnahme Mag M.)."

    In der dazu im Rahmen des gewährten Parteiengehörs erstatteten Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 2. Mai 2007 werde - so begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weiter - "u.a. festgehalten, dass das BMLFUW vorläufig 'nur ermittelt (hat), dass zur Klärung der Zulässigkeit der Verwertung bzw. der Beitragsfreiheit einige weitere Fragen zu beantworten sind'."

    Danach führte die belangte Behörde rechtlich aus, gemäß § 6 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 könne vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ein Feststellungsbescheid innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung aufgehoben werden, wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt worden sei. Gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 ALSAG könne ein Feststellungsbescheid gemäß Abs. 1 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen aufgehoben werden, wenn der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt worden sei. Eine unvollständige Feststellung müsse einer unrichtigen Feststellung gleichgehalten werden.

    Gemäß § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG unterlägen mineralische Baurestmassen nicht dem Altlastenbeitrag, sofern durch ein Qualitätssicherungssystem gewährleistet werde, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben sei, und diese Abfälle im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c AlSAG verwendet würden.

    Ob die Verwendung von Recyclingmaterial in der obersten Bauschicht - so die anschließende fallbezogene Begründung der belangten Behörde - bautechnisch unbedingt notwendig gewesen sei, gehe aus dem erstinstanzlichen Gutachten nicht hervor. Eine exakte Chronologie des Einbaus nach Fraktionen fehle. Dies wäre aber im Hinblick auf die am 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Bestimmung des § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG, wonach bei mineralischen Baurestmassen durch ein Qualitätssicherungssystem zu gewährleisten sei, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben sei, erforderlich gewesen. Weiters sei im Verfahren bei der BH die tatsächliche chemische Qualität der Hauptfraktionen hinsichtlich der Eluatgehalte nicht ermittelt worden. Die Klärung dieser Fragen im Aufsichtsverfahren sei der belangten Behörde jedoch verwehrt, sodass spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

    Die belangte Behörde legte nur Teile ihrer Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

    Dazu replizierte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2008, zu dem sich die belangte Behörde mit Schreiben vom 11. Februar 2008 äußerte. Hierauf erfolgte am 29. Februar 2008 noch einmal eine Replik der Beschwerdeführerin.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, mit Bescheid des Landeshauptmannes von O vom 29. November 2001 sei (u.a.) für das Grundstück Nr. 956/2, KG St., die wasserrechtliche Bewilligung zur Durchführung einer Geländeaufhöhung im Hochwasserabflussbereich der Donau, die der Vorbereitung der Errichtung eines Gewerbegebietes diene, erteilt worden. Entsprechend diesem Bescheid und dem zugrundeliegenden Projekt sei die Aufschüttung in vier Abschnitten bis auf die Höhe der Fahrbahnoberkante der B 3 vorgenommen worden. Der verfahrensgegenständliche Bauabschnitt 4 sei in der Zeit von Anfang Mai bis Mitte Oktober 2006 hergestellt worden. Für die Bauabschnitte 1 bis 3 habe die BH jeweils antragsgemäß mit rechtskräftigen Bescheiden festgestellt, dass es sich bei dem eingebauten Recyclingmaterial um keinen Abfall iSd AWG 2002 und um keinen beitragspflichtigen Abfall iSd ALSAG handle. Eine entsprechende Feststellung habe die BH nunmehr auch für das beim Abschnitt 4 eingebaute Material getroffen, die von der belangten Behörde zu Unrecht aufgehoben worden sei.

Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Abfalleigenschaft nach dem AWG 2002 als auch zur Frage der Beitragspflicht nach dem ALSAG bringt die Beschwerdeführerin dann zusammengefasst vor, das von der belangten Behörde herangezogene Kriterium der "unbedingten bautechnischen Notwendigkeit" sei nach den gesetzlichen Grundlagen und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder für die Beurteilung des Abfallendes noch für das Bestehen einer Ausnahme von der Beitragspflicht relevant. Sollte die belangte Behörde aus der Formulierung in § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG "im unbedingt erforderlichen Ausmaß" herauslesen, dass die "unbedingte bautechnische Notwendigkeit" zu prüfen sei, so verwechsle sie offenbar die Frage nach dem "ob" mit der Frage nach dem "wie viel". Der eindeutige Wortlaut dieser Bestimmung ziele lediglich darauf, dass Abfälle nur in dem Ausmaß verwendet werden sollten, der durch eine Baumaßnahme gerechtfertigt sei, um zu verhindern, dass es "unter dem Schleier" der Baumaßnahme zu einer versteckten Beseitigung von Abfällen komme. Das habe mit der von der belangten Behörde thematisierten Frage nach der "unbedingten bautechnischen Notwendigkeit" nichts zu tun.

Zu der nach Ansicht der belangten Behörde fehlenden "exakten Chronologie des Einbaus nach Fraktionen" führt die Beschwerde - hinsichtlich beider Feststellungen - ins Treffen, auch dieses Kriterium sei den gesetzlichen Grundlagen nicht zu entnehmen. Weder für die Frage des Abfallendes noch für die Frage der Beitragsfreiheit sei es erforderlich, den Zeitpunkt des Einbaus exakt zu dokumentieren. § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG setze zwar voraus, dass durch ein Qualitätssicherungssystem gewährleistet werde, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben sei. Das verlange der Gesetzgeber, damit es nicht zum Einbau chemisch belasteter und bautechnisch ungeeigneter Materialien komme, die zu einer Umweltgefährdung führen könnten. Eine exakte Chronologie des Einbaus sei für diese Zwecke nicht erforderlich. Abgesehen davon habe die Beschwerdeführerin die von der belangten Behörde diesbezüglich geforderten Informationen mit Schreiben vom 2. Mai 2007 übermittelt. Es bleibe völlig rätselhaft, warum die belangte Behörde diese Informationen nicht gewürdigt habe.

In Bezug auf die nach Ansicht der belangten Behörde nicht ermittelten Eluatgehalte verweist die Beschwerde darauf, dass die von der Beschwerdeführerin der BH übermittelten Unterlagen zweifelsfrei ergeben hätten, dass das eingebaute Bodenaushubmaterial die maßgeblichen Qualitätskriterien erfülle und davon kein höheres Umweltrisiko ausgehe als bei Verwendung eines vergleichbaren Primärrohstoffes. Mit der vorgelegten Gesamtbeurteilung sei das Material der Schlüsselnummer 31411 "Bodenaushub" mit den Spezifizierungen "30" und "31" zugeordnet worden. Nach Anlage 5 Punkt 1.2.1. der AbfallverzeichnisVO bedeute die Spezifizierung "30", dass das Bodenaushubmaterial der Klasse A 1 zuzuordnen und daher sogar für die Verwertung in landwirtschaftlichen Kultivierungsschichten geeignet sei. Die Spezifizierung "31" bedeute, dass das Material der Klasse A 2 zuzuordnen sei und somit zulässigerweise für Verfüllungen und nicht-landwirtschaftliche Rekultivierungsschichten verwendet werden könne. Die für diese Einstufungen maßgeblichen Parameter (auch die Eluatgehalte) seien jedenfalls sachverständig bewertet worden. Mit der gutachterlichen Zuordnung zu einer Schlüsselnummer und einer Spezifizierung - so brachte die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang in der zweiten Replik ergänzend vor - sei eine eindeutige Aussage über die Eluatgehalte des Bodenaushubmaterials getroffen worden. Auf Basis der sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachten ergebenden Einstufung des eingebauten Aushubmaterials habe die BH zweifelsfrei davon ausgehen können, dass es sich bei diesem Material sogar um ein gemäß § 3 Abs. 1a Z 4 ALSAG beitragsfreies Bodenaushubmaterial iSd § 2 Abs. 17 ALSAG handle. Es bleibe rätselhaft, warum die belangte Behörde die sich aus den chemischen Analysen ergebenden Einstufungen des Materials unbeachtet gelassen habe.

Schließlich kritisiert die Beschwerdeführerin noch, die belangte Behörde habe die von ihr im Verfahren vor der BH vorgelegten Unterlagen und ihre Stellungnahme vom 2. Mai 2007 im Wesentlichen ignoriert. Demzufolge sei die Beweiswürdigung mangelhaft. Die Begründung des Bescheides sei völlig unzureichend, zumal sie offen lasse, ob sich die - ohnehin sehr dürftigen - Argumente auf die Beurteilung nach dem AWG 2002 oder auf die Beurteilung nach dem ALSAG beziehen. Unklar sei auch, ob sie das eingebrachte Bodenaushubmaterial oder das eingesetzte Recyclingmaterial betreffen.

Diese Einwände sind berechtigt:

Die Feststellung der BH im Spruchpunkt I. des Bescheides vom 15. März 2007 und deren Aufhebung durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. Mai 2007 haben ihre verfahrensrechtliche Grundlage in § 6 AWG 2002, der auszugsweise in der (damals geltenden) Fassung BGBl. I Nr. 34/2006 lautete:

"Feststellungsbescheide

§ 6. (1) Bestehen begründete Zweifel,

1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,

...

hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen. ...

(4) Die Behörde hat den Bescheid samt einer Kopie der diesbezüglichen Akten unverzüglich an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen."

Die Feststellung der BH im Spruchpunkt II. des Bescheides vom 15. März 2007 und deren Aufhebung durch die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. Mai 2007 haben ihre verfahrensrechtliche Grundlage in § 10 ALSAG, der auszugsweise in der (damals geltenden) Fassung BGBl. I Nr. 71/2003 lautete:

"Feststellungsbescheid

§ 10. (1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,

...

2. ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,

...

(2) Der Bescheid samt einer Kopie der Akten des Verwaltungsverfahrens ist unverzüglich an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Bescheid gemäß Abs. 1 vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen."

Die belangte Behörde ist insofern von einer Unvollständigkeit des im Verfahren der BH ermittelten Sachverhaltes ausgegangen, als aus dem - dem Bescheid der BH zugrundeliegenden - "erstinstanzlichen Gutachten" nicht hervorgehe, ob die Verwendung von "Recyclingmaterial" in der obersten Bauschicht unbedingt notwendig gewesen sei. Dem billigt die belangte Behörde offenbar - anders als die BH - rechtliche Relevanz zu. Der Sache nach würde es sich somit um einen aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung durch die BH unterlaufenen Feststellungsmangel handeln, der dem Aufhebungsgrund nach der Z 2 des § 6 Abs. 4 Z 1 AWG 2002 bzw. des § 10 Abs. 2 Z 1 ALSAG zu unterstellen wäre.

Der belangte Behörde ist aber in diesem Zusammenhang zunächst ein Begründungsmangel vorzuwerfen, weil sich dem angefochtenen Bescheid nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen lässt, aus welchen rechtlichen Überlegungen dem Kriterium "bautechnische unbedingte Notwendigkeit der Verwendung von Recyclingmaterial" entscheidungswesentliche Bedeutung für die Feststellung der Abfalleigenschaft nach dem AWG und/oder für die Feststellung betreffend eine Ausnahme von der Beitragspflicht nach dem ALSAG zukommen soll.

Soweit das genannte Kriterium als Tatbestandsvoraussetzung des in der Begründung des bekämpften Bescheides unmittelbar vorangehend zitierten § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG angesehen wurde, findet dies - wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt - in der genannten Norm keine Deckung. Dazu ist zu bemerken, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei einer Feststellung nach § 10 ALSAG die Behörde jene Rechtslage anzuwenden hat, die zu dem Zeitpunkt galt, zu dem der die Beitragspflicht auslösende Sachverhalt verwirklicht wurde (siehe etwa das Erkenntnis vom 25. Juni 2009, Zl. 2006/07/0150, mwN). Mit dem aufgehobenen Bescheid der BH wurde (nach dem Beschwerdevorbringen unstrittig) über Geländeanschüttungen beginnend mit Mai 2006 bis Oktober 2006 abgesprochen. Für die Beurteilung der Beitragspflicht nach dem ALSAG ist daher die damals geltende Rechtslage maßgebend. Der angesprochene § 3 ALSAG lautete in der in diesem Zeitraum geltenden Fassung BGBl. I Nr. 136/2004 auszugsweise:

§ 3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen

1. das Ablagern von Abfällen oberhalb oder unterhalb (d.h. unter Tage) der Erde; als Ablagern im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt auch

...

c) das Verfüllen von Geländeunebenheiten (u.a. das Verfüllen von Baugruben oder Künetten) oder das Vornehmen von Geländeanpassungen (u.a. die Errichtung von Dämmen oder Unterbauten von Straßen, Gleisanlagen oder Fundamenten) oder der Bergversatz mit Abfällen,

...

(1a) Von der Beitragspflicht ausgenommen sind

...

6. mineralische Baurestmassen, wie Asphaltgranulat, Betongranulat, Asphalt/Beton-Mischgranulat, Granulat aus natürlichem Gestein, Mischgranulat aus Beton oder Asphalt oder natürlichem Gestein oder gebrochene mineralische Hochbaurestmassen, sofern durch ein Qualitätssicherungssystem gewährleistet wird, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben ist, und diese Abfälle im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß Abs. 1 Z 1 lit. c verwendet werden,

..."

Die zitierte Bestimmung macht somit die Ausnahme von der Beitragspflicht für mineralische Baurestmassen - abgesehen von der Gewährleistung gleichbleibender Qualität - nur davon abhängig, dass sie im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme im unbedingt erforderlichen Ausmaß zulässigerweise für eine Tätigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Z 1 lit. c ALSAG (fallbezogen: Vornehmen von Geländeanpassungen durch die Errichtung von Unterbauten für Straßen und Fundamente) verwendet wurden. Dass jedoch für die hier zu beurteilenden Geländeaufschüttungen die Verwendung von "Recyclingmaterial" bautechnisch unbedingt notwendig sein muss, also - im Sinne der von der belangten Behörde offenbar übernommenen Ausführungen ihres Amtssachverständigen - dass (aus bautechnischen Gründen) statt dessen nicht auch Bodenaushub zum Einsatz hätte kommen können, lässt sich als Voraussetzung für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes der zitierten Bestimmung nicht entnehmen. Dieses Kriterium hat somit keine gesetzliche Grundlage. Insoweit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Schon deshalb konnte der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben. Die in der Begründung eines auf § 10 Abs. 2 ALSAG gestützten Bescheides enthaltenen, für die Aufhebung tragenden Gründe binden nämlich in einem allfälligen fortgesetzten Verfahren die Unterbehörde. Entspricht ein solches tragendes Begründungselement nicht dem Gesetz, dann hat das dieselbe Konsequenz wie bei Bescheiden, die auf § 66 Abs. 2 AVG gestützt sind, nämlich die Rechtswidrigkeit des Behebungsbescheides (vgl. das Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2002/07/0014). Das gilt sinngemäß auch für einen gemäß § 6 Abs. 4 AWG 2002 ergangenen Aufhebungsbescheid.

Die fehlende "exakte Chronologie des Einbaus nach Fraktionen" und die nicht ermittelten Eluatgehalte der "Hauptfraktionen" hielt die belangte Behörde - der fallbezogenen Bescheidbegründung zufolge, der keine Ausführungen in Bezug auf die Abfalleigenschaft nach dem AWG 2002 zu entnehmen sind - offenbar nur im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG zu gewährleistende gleichbleibende Qualität für erforderlich. Insoweit erachtete sie die erkennbar getroffene gegenteilige (Sachverhalts‑)Annahme der BH, die Beschwerdeführerin habe durch ein Qualitätssicherungssystem gewährleistet, dass eine gleichbleibende Qualität gegeben sei, und die dabei zugrundegelegte sachverständige Einstufung des eingebauten Materials als aus umwelttechnischer Sicht unbedenklich für unrichtig. Diesbezüglich wäre - wie von der belangten Behörde auch angenommen - der Aufhebungsgrund des ersten Falles des § 10 Abs. 2 Z 1 ALSAG gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch in dem - auch in der Gegenschrift insoweit wiedergegebenen - Erkenntnis vom 18. Oktober 2001, Zl. 2000/07/0003, mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt, dass die Aufhebung wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellungen nach der ersten Alternative des § 10 Abs. 2 Z 1 ALSAG auf die Fälle beschränkt ist, wo die Unrichtigkeit der Sachverhaltsfeststellung sofort ins Auge springt, offenkundig oder leicht feststellbar ist. In allen anderen Fällen, wo ein die Frist von sechs Wochen übersteigendes Ermittlungsverfahren der Aufsichtsbehörde zur Feststellung der Unrichtigkeit des von der Unterbehörde festgestellten Sachverhaltes notwendig wäre, steht ihr nur die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 68 AVG - bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen - offen.

In diesem Zusammenhang bemängelt die Beschwerde zu Recht, dass die belangte Behörde eine nähere Befassung mit der (im angefochtenen Bescheid nur rudimentär wiedergegebenen) Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 2. Mai 2007 und eine argumentative Auseinandersetzung mit den dem Bescheid der BH zugrundeliegenden Gutachten im Verhältnis zu den Ausführungen der Amtssachverständigen der belangten Behörde zur Gänze unterlassen hat. Demzufolge fehlt eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme einer Unrichtigkeit der Sachverhaltsfeststellungen der BH. Insoweit leidet der bekämpfte Bescheid an einem (weiteren) relevanten Begründungsmangel.

Dem liegt - wie von der belangten Behörde in der Gegenschrift verdeutlicht wird - offenbar die Auffassung zugrunde, wegen der kurzen Entscheidungsfrist von sechs Wochen habe sie nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, "die Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit" des von der BH im Bescheid vom 15. März 2007 festgestellten Sachverhaltes zu ermitteln, sodass zur Klärung der hiefür als maßgeblich angesehenen Fragen durch die BH deren Bescheid zu Recht aufgehoben worden sei. Es bedarf aber keiner weiteren Erörterung, dass diese Deutung des § 10 Abs. 2 ALSAG im Widerspruch zu der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht, wonach in einer solchen Konstellation nur die Möglichkeit zu einem allfälligen Vorgehen nach § 68 AVG bliebe.

Der angefochtene Bescheid war somit aus den angeführten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 30. September 2010

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