VwGH 2006/18/0382

VwGH2006/18/038211.12.2007

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des Mag. A E in W, geboren 1973, vertreten durch Mag. Wilfried Embacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 13. September 2005, Zl. 141.658/2-III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art45 Abs1;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art59 Abs1;
62002CJ0327 Panayotova VORAB;
AuslBG §24;
EURallg;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §14 Abs2a;
FrG 1997 §18 Abs1a;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §22 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs4;
VwRallg;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art45 Abs1;
21994A1231(24) AssAbk Bulgarien Art59 Abs1;
62002CJ0327 Panayotova VORAB;
AuslBG §24;
EURallg;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §14 Abs2a;
FrG 1997 §18 Abs1a;
FrG 1997 §19 Abs1;
FrG 1997 §22 Abs2;
FrG 1997 §31 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 13. September 2005 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines bulgarischen Staatsangehörigen, vom 9. April 2002 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zum Zweck der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 14 Abs. 2 iVm Abs. 2a Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei zuletzt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student", gültig bis 31. Dezember 2002 gewesen. Am 9. April 2002 habe er den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eingebracht. Der Beschwerdeführer (der sich nach dem Beschwerdevorbringen seit Juli 1998 ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält) wäre gemäß § 14 Abs. 2a FrG nur zur Inlandsantragstellung berechtigt, wenn er einen Antrag für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbstständig" eingebracht hätte. Sein Antrag sei jedoch im Sinn des "Europaabkommens mit Bulgarien" ausschließlich als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "selbstständig, § 30 Abs. 2 FrG" zu sehen und könne keinesfalls als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck einer Schlüsselkraft gesehen werden.

Da der Beschwerdeführer somit nicht zur Inlandsantragstellung berechtigt gewesen sei, sei sein Antrag abzuweisen gewesen. Eine Abwägung der persönlichen Interessen mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen sei bei Abweisung eines Antrages wegen Inlandsantragstellung nicht erforderlich.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof trat die Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 26. September 2006, B 3291/05).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die belangte Behörde bringt in ihrer Gegenschrift vor, der Beschwerdeführer habe am 30. Jänner 2006 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, für den Aufenthaltszweck "beschränkt" gestellt. Der diesen Antrag abweisende Bescheid der Behörde erster Instanz sei infolge Beitritts Bulgariens zur Europäischen Union von der belangten Behörde am 3. Jänner 2007 ersatzlos behoben worden. Damit sei der Beschwerdeführer klaglos gestellt worden.

1.2. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, dass keine formelle Klaglosstellung vorliege. Auch materiell sei er nicht klaglos gestellt, weil die Frage der Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts im Zeitraum zwischen dem Ablauf des ihm zuletzt erteilten Aufenthaltstitels mit 31. Oktober 2002 und dem Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union mit 1. Jänner 2007 davon abhänge, ob der angefochtene Bescheid weiterhin dem Rechtsbestand angehöre. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts in diesem Zeitraum sei u.a. für die Verleihung der Staatsbürgerschaft und den Zugang zum Arbeitsmarkt von Bedeutung.

1.3. Gemäß § 31 Abs. 4 erster Satz FrG halten sich Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben, bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/18/0182) gilt dies aber nur, wenn der Fremde auch zur Inlandsantragstellung berechtigt ist, kann doch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit § 31 Abs. 4 FrG die Regelungen über die Inlandsantragstellung unterlaufen wollte.

Gemäß § 11a Abs. 4 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG, BGBl. Nr. 311, ist einem Fremden nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8, Abs. 2 und Abs. 3 leg. cit. die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn (Z. 2) er im Besitz der Staatsangerhörigkeit eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist.

Für die demnach für die Verleihung der Staatsbürgerschaft wesentliche Frage, ob sich der Beschwerdeführer seit sechs Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, ist es daher entscheidend, ob der das Recht des Beschwerdeführers auf Inlandsantragstellung - und damit das Aufenthaltsrecht während des Verfahrens - verneinende angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof - mit Wirkung ex tunc - aufgehoben wird.

Schon aus diesem Grund ist das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers nicht weggefallen.

2. Der Beschwerdeführer hat unstrittig zuletzt über eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums mit einer Gültigkeitsdauer bis 31. Oktober 2002 verfügt. Den gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zur Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit hat er vom Inland aus eingebracht. Er hält sich seither durchgehend im Bundesgebiet auf.

Zunächst ist festzuhalten, dass das Europa-Abkommen vom 19. Dezember 1994 zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Bulgarien andererseits, ABL Nr. L 358 vom 31. Dezember 1994 (im Folgenden: Europa-Abkommen), der Abweisung eines Niederlassungsbewilligungsantrages wegen Inlandsantragstellung nicht entgegensteht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Mai 2005, Zl. 2003/18/0168, und vom 20. April 2006, Zl. 2006/18/0068).

3. Gemäß dem mit der am 1. Jänner 2003 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 126/2002 eingefügten, mangels anders lautender Übergangsbestimmung auch auf den gegenständlichen Fall anzuwendenden § 14 Abs. 2a FrG ist für Fremde, die über einen Aufenthaltstitel gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 (zum Zweck des Schulbesuchs oder des Studiums) verfügen, die Antragstellung auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels - und damit auch das Abwarten des Verfahrens - im Inland nur dann zulässig, wenn ein Schul- oder Studiennachweis erbracht wird oder der Antragsteller nach erfolgreichem Abschluss seiner Schul- oder Studienausbildung oder auf Grund seiner besonderen Fähigkeiten die Anforderungen an eine Schlüsselkraft (§ 2 Abs. 5 AuslBG und § 24 AuslBG) erfüllt.

Die belangte Behörde hat sich mit der somit für die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung und des Abwartens des Verfahrens im Inland wesentlichen Frage, ob der Beschwerdeführer nach erfolgreichem Abschluss seiner Ausbildung oder auf Grund seiner besonderen Fähigkeiten die Anforderungen an eine Schlüsselkraft erfüllt, nicht auseinandergesetzt. Dazu hat sie ausgeführt, dass der Antrag des Beschwerdeführers als selbstständig Erwerbstätiger im Sinn des Europa-Abkommens als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "selbstständig, § 30 Abs. 2 FrG" anzusehen sei und "keinesfalls als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck einer Schlüsselkraft gesehen werden" könne.

Sollte die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen haben wollen, dass unter das Europa-Abkommen fallende bulgarische Staatsangehörige von vornherein nie gemäß § 14 Abs. 2a FrG zur Stellung des Antrages und zum Abwarten des Verfahrens im Inland berechtigt sein können, hätte sie die Rechtslage verkannt, kann doch weder dem Europa-Abkommen noch dem FrG eine solche Schlechterstellung von bulgarischen Staatsangehörigen gegenüber anderen Fremden entnommen werden.

4. Es kann jedoch aus folgenden Gründen dahinstehen, ob die belangte Behörde die Rechtslage tatsächlich in diesem Sinn verkannt hat:

Nach der hg. Judikatur ist für die Beurteilung, ob eine selbstständige Tätigkeit zur Stellung als "Schlüsselkraft" führt, primär der gesamtwirtschaftliche Nutzen der Erwerbstätigkeit maßgeblich. Bei der Beurteilung, ob ein derartiger gesamtwirtschaftlicher Nutzen vorliegt, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob mit der Erwerbstätigkeit ein Transfer von Investitionskapital verbunden ist und/oder ob die Erwerbstätigkeit der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen dient (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2004/18/0378). In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einem gastgewerblichen Betrieb mit einem Umsatz von EUR 10.000,-- pro Halbjahr und einem beschäftigten Arbeitnehmer nicht von einem derartigen gesamtwirtschaftlichen Nutzen gesprochen werden könne.

Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme vom 7. April 2004 ausgeführt, als Einzelunternehmer im Gewerbe der Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t tätig zu sein. Er arbeite als Einzelunternehmer und habe keine Dienstnehmer. Es gäbe bereits zwei Vorverträge mit potenziellen Kunden. In der Berufung hat er dazu ergänzt, dass er aus dieser Tätigkeit im Jahr 2002 ein Einkommen von insgesamt EUR 7.259,17 und im Jahr 2003 ein Gesamteinkommen von EUR 8.568,13 erwirtschaftet habe. Überdies bestehe nunmehr auch ein Vorvertrag mit einem dritten Kunden. Mit Schreiben vom 22. Juli 2005 hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass eine Inlandsantragstellung nur zulässig wäre, wenn er die Anforderungen an eine Schlüsselkraft (§ 2 Abs. 5 und § 24 Ausländerbeschäftigungsgesetz) erfüllen würde und einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Schlüsselkraft - selbstständig" gestellt hätte. Der Antrag des Beschwerdeführers sei jedoch im Sinn des Europa-Abkommens als Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "selbstständig" zu werten. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat dazu nicht vorgebracht, die Anforderungen für die Stellung als Schlüsselkraft zu erfüllen, sondern lediglich ausgeführt, dass er nach dem Europa-Abkommen zur Niederlassung berechtigt sei und § 14 Abs. 2a FrG daher auf ihn nicht anwendbar sei.

Von daher bestand für die belangte Behörde mangels aktenkundiger Anhaltspunkte keine Veranlassung für die Überprüfung, ob dem Beschwerdeführer die Stellung als Schlüsselkraft zukomme.

Da der bisher zum Zweck des Studiums aufenthaltsberechtigte Beschwerdeführer jedenfalls ab dem Inkrafttreten des § 14 Abs. 2a FrG mit 1. Jänner 2003 nicht (mehr) berechtigt war, den Ausgang des Verfahrens im Inland abzuwarten, hat die belangte Behörde den Antrag zutreffend nach dieser Bestimmung abgewiesen.

5. Soweit der Beschwerdeführer einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben geltend macht und die Unterlassung einer ausreichenden Interessenabwägung rügt, ist ihm zu entgegnen, dass bei Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wegen Antragstellung bzw. Abwarten des Verfahrens im Inland eine Abwägung der persönlichen Interessen des Fremden an einer Niederlassung im Bundesgebiet mit den gegenläufigen öffentlichen Interessen nicht erforderlich ist (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, Zl. 2002/18/0267).

6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 11. Dezember 2007

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