Normen
BAO §215;
BAO §216;
BAO §77 Abs1;
BAO §92;
VwRallg;
BAO §215;
BAO §216;
BAO §77 Abs1;
BAO §92;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im angefochtenen Bescheid wird ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Pensionist. Strittig sei, ob die von Amts wegen vorgenommene Umbuchung des aus Einkommensteuergutschriften auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers entstandenen Guthabens auf das Abgabenkonto seines Bruders rechtmäßig gewesen sei.
Nach Durchführung einer finanzstrafbehördlichen Prüfung über die Jahre 1991 bis 1998 bei der W-GmbH & Co KG sei das Finanzamt zur Ansicht gelangt - so die weiteren Ausführungen im angefochtenen Bescheid -, die Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Gesellschaft sei bloß vorgetäuscht gewesen. Das Finanzamt habe die Einkünfte aus der Gesellschaft (eines Isoliertechnikbetriebes) somit ausschließlich dem Bruder des Beschwerdeführers zugerechnet. Im Zusammenhang damit habe das Finanzamt am 13. März 2003 Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1995 erlassen. Die daraus resultierenden Gutschriften am Abgabenkonto des Beschwerdeführers hätten ein Guthaben im Betrag von 476.438,67 EUR ergeben. Am 14. März 2003 habe das Finanzamt von Amts wegen eine Umbuchung dieses Guthabens auf das einen hohen Abgabenrückstand aufweisende Abgabenkonto des Bruders des Beschwerdeführers vorgenommen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin mit Schreiben vom 16. Oktober 2003 die Erlassung eines Abrechnungsbescheides beantragt.
Das Finanzamt habe am 2. Dezember 2003 einen Abrechnungsbescheid erlassen, wonach das Guthaben im Betrag von 476.438,67 EUR nach Umbuchung nicht mehr bestehe. Zur Begründung habe das Finanzamt ausgeführt, die Ermittlungen der Finanzbehörde hätten zu dem Ergebnis geführt, dass der Beschwerdeführer in seiner Stellung als Kommanditist der ehemaligen W-GmbH & Co KG nur als Strohmann fungiert habe, weshalb Beteiligung und Erträge aus dieser Stellung seinem Bruder rechtskräftig zuzurechnen gewesen seien. In "Anwendung des § 24 BAO" - der Strohmann sei zivil- und steuerrechtlich als Treuhänder zu qualifizieren - sei somit auch das angeführte Guthaben auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers seinem Bruder zuzurechnen gewesen. Nach § 215 Abs. 1 BAO sei ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 BAO ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschulden zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde habe. Nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei der Bruder des Beschwerdeführers als Abgabepflichtiger im Sinne der genannten Bestimmungen zu qualifizieren. Dem in § 215 Abs. 1 BAO normierten Auftrag sei somit durch Umbuchung des sich ergebenden Guthabens zu entsprechen gewesen.
In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, das Finanzamt habe ihm gegenüber niemals einen Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO erlassen. Das Abgabenkonto sei nur die kassentechnische Abbildung der steuerlichen Rechtsbeziehungen "zwischen der Republik Österreich und dem normunterworfenen Steuerpflichtigen". Ein wirtschaftliches Eigentum an einem Steuerkonto sei daher bereits begrifflich nicht möglich. Auch könne die Rechtsbeziehung, die "ein Staatsbürger zur Republik Österreich habe", nicht wie ein Wirtschaftsgut Dritten überlassen werden. Die Finanzbehörde habe das Gesetz denkunmöglich angewandt. Darüber hinaus sei das Ermittlungsergebnis nicht unstrittig, wonach er lt. Abrechnungsbescheid "in seiner Eigenschaft der ehemal. W-GmbH & Co KG" nur als Strohmann fungiert habe. Mit der vorgenommenen Zurechnung seines persönlichen Einkommensteuerguthabens von Amts wegen an seinen Bruder sei auch der im Einkommensteuergesetz verankerte Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verletzt worden. Er habe in der Vergangenheit, insbesondere in den Jahren 1991 bis 1998, Zahlungen an das Finanzamt zur Begleichung seiner Einkommensteuerschulden geleistet. Diese seien ihm zwar nach Wegfall der Einkunftsquelle "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" gutgeschrieben, aber noch vor Zustellung des diesbezüglichen Bescheides von Amts wegen wieder "weggenommen" worden. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Vorgangsweise sei von der Abgabenbehörde nicht dargelegt worden.
Nach einer - weitgehend wörtlichen - Wiedergabe verschiedener vom Finanzamt an die belangte Behörde vorgelegter Niederschriften über Einvernahmen des Beschwerdeführers, seines Bruders und anderer Personen sowie eines Referats über den Inhalt der mündlichen Berufungsverhandlung wird im angefochtenen Bescheid festgehalten, ein Streit über die Richtigkeit der Gebarung auf dem Abgabenkonto sei im Verfahren nach § 216 BAO auszutragen. Nach Zitaten der §§ 213 und 215 BAO sowie des § 1438 ABGB ist im angefochtenen Bescheid davon die Rede, dass nicht jeder Zahlungsvorgang eine Tilgung im verrechnungsrechtlichen Sinne bewirke. Erfolge eine Einzahlung ohne das Vorliegen eines Titels oder Rechtsgrundes einer Abgabenentrichtung, trete die Rechtswirkung der Entrichtung, "der Tilgung einer Abgabenschuld (Gutschrift)", nicht ein. Es sei auch davon auszugehen, dass bei einer Einzahlung eines Dritten "ohne Vorliegen eines Titels und eines Rechtsgrundes einer Abgabenentrichtung die Rechtswirkung der Abgabenentrichtung nicht als bewirkt gilt, eine allfällige Abgabenschuld durch bloße Einzahlung (ohne Rechtsgrund) daher nicht als erloschen gelten, aber auch ein Guthaben des Abgabepflichtigen auf diese Weise (Einzahlung eines Dritten ohne Rechtsgrund) nicht entstehen kann". Damit entstünde allerdings ein Rückzahlungsanspruch des Dritten, der "solchermaßen (ohne Rechtsgrund) eingezahlt hat (vgl. Stoll, BAO3, 2471)".
Täusche "nun jemand gegenüber dem Finanzamt eine Steuerpflicht vor, um dadurch die Steuerpflicht bzw. das wahre Ausmaß der Steuerpflicht eines Dritten zu verdunkeln (vgl. z.B. VwGH 20. April 1993, 93/14/0007) und hat es dieser Dritte im Innenverhältnis übernommen, die dadurch entstehenden Abgabenschulden zu bezahlen, so ist es daher rechtmäßig, wenn das Finanzamt nach Erkennen des wahren Sachverhaltes das aus der Gutschrift der betroffenen Abgaben am Abgabenkonto bestehende Guthaben, welches tatsächlich aus finanziellen Mitteln des Dritten stammt, mit einem auf dessen Abgabenkonto bestehenden Rückstand aufrechnet". "Unbesehen" des § 215 BAO könnten offene Forderungen des Staates, "überhaupt öffentlich-rechtliche Forderungen" auch gemäß § 1438 ABGB durch Aufrechnung mit einem auf dem Abgabenkonto des Abgabepflichtigen bestehenden Guthaben getilgt werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. November 1990, 88/15/0064).
Nach "gründlicher Würdigung" der vorliegenden Beweismittel (insbesondere der niederschriftlichen Aussagen des Beschwerdeführers) sei die belangte Behörde zur Ansicht gekommen, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem Finanzamt seine Beteiligung an der W-GmbH & Co KG und damit seine Steuerpflicht vorgetäuscht habe, um damit die Steuerpflicht (bzw. deren wahres Ausmaß) seines Bruders zu verdunkeln, und dass es der Bruder im Innenverhältnis übernommen habe, die dadurch entstehenden Abgabenschulden zu bezahlen.
Zum Berufungsvorbringen sei auszuführen, dass kein Haftungsbescheid zu ergehen gehabt habe, weil der Beschwerdeführer im Streitfall nicht Haftungspflichtiger sei. Eine Verletzung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liege nicht vor, weil im Beschwerdefall bloß die Frage der Rechtmäßigkeit einer Umbuchung strittig sei. Eine allenfalls mangelhafte Beweiswürdigung habe im Rechtsmittelverfahren saniert werden können. Auch könne der Beschwerdeführer nichts aus seinem Vorbringen zu den von der W-GmbH & Co KG direkt auf sein Abgabenkonto vorgenommenen Einkommensteuerzahlungen gewinnen, weil es die belangte Behörde als erwiesen ansehe, dass es sich bei der W-GmbH & Co KG um ein Unternehmen seines Bruders gehandelt habe, über das ausschließlich dieser verfügt habe, "die Einkommensteuerzahlungen somit von diesem aus seinem Vermögen auf das Abgabenkonto" des Beschwerdeführers geleistet worden seien.
Da es die belangte Behörde als erwiesen ansehe, dass der Beschwerdeführer gegenüber dem Finanzamt seine Beteiligung an der W-GmbH & Co KG und damit eine Steuerpflicht vorgetäuscht habe, um damit die Steuerpflicht bzw. das wahre Ausmaß der Steuerpflicht seines Bruders zu verdunkeln, und dass es sein Bruder "im Innenverhältnis übernommen habe, die dadurch entstehenden Abgabenschulden zu bezahlen, war es rechtmäßig, wenn das Finanzamt nach Erkennen des wahren Sachverhaltes das aus den Einkommensteuergutschriften am Abgabenkonto entstehende Guthaben des Bw., welches tatsächlich aus finanziellen Mitteln seines Bruders (nämlich aus der W-GmbH & Co KG) stammte, mit einem auf dessen Abgabenkonto bestehenden Rückstand aufgerechnet hat".
In der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf ordnungsgemäße Ausstellung eines Abrechnungsbescheides verletzt. Die vom Finanzamt vorgenommene amtswegige Umbuchung sei zu Unrecht unverändert geblieben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bestehen zwischen einem Abgabepflichtigen und der Abgabenbehörde Meinungsverschiedenheiten, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, so hat die Abgabenbehörde gemäß § 216 BAO darüber auf Antrag zu entscheiden (Abrechnungsbescheid).
Der Abrechnungsbescheid ist seinem Wesen und möglichen Inhalt nach ein Feststellungsbescheid, der Klarheit zu schaffen hat, durch welche Verrechnungsvorgänge und Tilgungstatbestände das Erlöschen einer bestimmten Zahlungsverpflichtung bewirkt wurde (vgl. die bei Ritz, BAO 3, § 216 Tz. 9, wiedergegebenen Nachweise). Im Abrechnungsbescheid sind umstrittene abgabenrechtliche Gebarungsakte schlechthin zu klären, nicht jedoch die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung zu prüfen (vgl. Ritz, aaO, § 216 BAO Tz. 3 und 4, ebenso etwa die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1996, 93/14/0089, vom 12. November 1997, 96/16/0285, vom 28. Oktober 1998, 97/14/0160, und vom 20. Juli 1999, 99/13/0071). Ob Umbuchungen oder Überrechnungen gemäß § 215 BAO rechtmäßig sind, ist im Verfahren gemäß § 216 BAO zu entscheiden (vgl. Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung, § 216 BAO Tz 4).
Nach § 215 Abs. 1 BAO ist ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 BAO unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist. Umbuchungen von einem Abgabenkonto auf das Abgabenkonto eines anderen Steuerpflichtigen dürfen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. November 1987, 84/13/0229).
Nach § 213 Abs. 1 BAO ist bei den von derselben Abgabenbehörde wiederkehrend zu erhebenden Abgaben und den zu diesen Abgaben zu erhebenden Nebenansprüchen, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, für jeden Abgabepflichtigen, bei Gesamtschuldverhältnissen für die Gesamtheit der zur Zahlung Verpflichteten, die Gebarung (Lastschriften, Zahlungen und alle sonstigen ohne Rücksicht aus welchem Anlass entstandenen Gutschriften) in laufender Rechnung zusammengefasst zu verbuchen.
Gemäß § 77 Abs. 1 BAO ist Abgabepflichtiger im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt. Abgabepflichtiger ist demnach jeder, sei es natürliche oder juristische Person, eine Vermögensmasse oder eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung, mit dem die Abgabenbehörde im Hinblick auf seine möglicherweise gegebene Abgabenschuld in einem Abgabenverfahren in Verbindung tritt oder in Verbindung treten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1993, 91/13/0169, mwN). Abgabenschuldner (Abgabepflichtiger) ist auch derjenige, der für eine Abgabe in Anspruch genommen wird, obwohl er den Tatbestand, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, nicht verwirklicht hat (vgl. Ritz, aaO, § 77 Tz. 1, mwN).
Damit war es aber unzulässig, das auf dem Abgabenkonto des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Gebarung nach § 213 BAO bestehende Guthaben von Amts wegen nach § 215 Abs. 1 BAO auf das Abgabenkonto seines Bruders umzubuchen, handelte es sich doch bei diesen beiden Personen um jeweils verschiedene Abgabepflichtige im Sinne des § 77 Abs. 1 BAO. Dass die zum (Einkommen‑)Steuerguthaben führenden Buchungsvorgänge nicht der Rechtslage entsprochen hätten, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Ein Abrechungsbescheid gemäß § 216 BAO dient - wie erwähnt - nur zur Klärung umstrittener abgabenrechtlicher Gebarungsakte. Ob eine Steuerpflicht seitens eines Abgabepflichtigen gegebenenfalls nur vorgetäuscht wurde (somit die Abgabenfestsetzung zu korrigieren war) oder die seinerzeitige Entrichtung der (wenn auch zu Unrecht) vorgeschriebenen Abgaben von dritter Seite finanziert wurde, ist zur Beurteilung der (bloß) rechnungsmäßigen Richtigkeit der Gebarungsakte nicht von Bedeutung.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der strittigen Umbuchungsmaßnahme verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen, das auch die Annahmen der belangten Behörde zur Vortäuschung der Abgabepflicht bzw. Herkunft der Mittel zur Abgabenentrichtung bestreitet, näher einzugehen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. Dezember 2007
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