VwGH 84/13/0229

VwGH84/13/022918.11.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rat Dr. Papierer, über die Beschwerde des Dr. PS in W, vertreten durch DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwalt in Wien I, Börsegasse 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Mai 1981, Zl. GA 7-880/6/1981, betreffend Abrechnungsbescheid, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §215 Abs4;
BAO §215 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Steuerberater. Mit Schreiben vom 2. November 1976 richtete er an das Finanzamt folgendes Ersuchen:

"Namens und im Auftrag unseres Mandanten (einer GmbH & Co KG, im folgenden KG genannt) ersuchen wir vom bestehenden Guthaben S 140.000,-- auf das Steuerkonto ... lautend auf (den

Beschwerdeführer) ... umzubuchen."

Der Beschwerdeführer war zu diesem Zeitpunkt dem Finanzamt gegenüber mit einer Vollmacht der KG ausgewiesen. Die Vollmacht war mit 31. März 1976 datiert und vom Geschäftsführer der Komplementärges.m.b.H. Erich F. unterfertigt.

Das Finanzamt buchte den Betrag von S 140.000,-- antragsgemäß vom Konto der KG auf jenes des Beschwerdeführers um (Buchungstag: 16. November 1976).

Mit Schreiben vom 25. Jänner 1977 beantragte die KG die Rückbuchung des genannten Betrages mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei nicht berechtigt gewesen, den Umbuchungsantrag zu stellen. Die Vollmacht vom 31. März 1976 sei nicht firmenmäßig gezeichnet. Beigeschlossen waren dem Schreiben Amtsbestätigungen des Handelsgerichtes Wien, in denen die Zeichnungsberechtigung für die Komplementärges.m.b.H. wie folgt bestätigt wird:

In der Zeit vom 14. Jänner 1976 bis 11. März 1976: Erich F. allein

in der Zeit vom 12. März 1976 bis 29. September 1976: Erich F. und Dr. Alois W. gemeinschaftlich

ab 30. September 1976: Dr. Alois W. allein.

Das Finanzamt wies den Rückbuchungsantrag der KG ab. Der Beschwerdeführer sei dem Finanzamt gegenüber als Bevollmächtigter der KG aufgetreten. Gegen die Rechtsgültigkeit der vorgelegten Vollmacht hätten keine Bedenken bestanden. Der Beschwerdeführer sei wiederholt sowohl vor als auch nach dem Umbuchungsantrag für die KG eingeschritten. Die KG sei somit in Kenntnis der Vertretungstätigkeit des Beschwerdeführers gewesen und habe sie widerspruchslos geduldet. Sie habe daher die vom Beschwerdeführer abgegebenen Erklärungen gegen sich gelten zu lassen.

Die KG erhob Berufung. Abgesehen davon, daß die Vollmacht von Erich F. und Dr. Alois W. gemeinschaftlich zu zeichnen gewesen wäre, hätte dem Finanzamt auch auffallen müssen, daß Erich F. die Vollmacht ohne Firmenbezeichnung unterfertigt habe.

Im Zuge dieses Berufungsverfahrens teilte der Beschwerdeführer über Vorhalt mit, er sei mit Zustimmung der Geschäftsführer und sämtlicher Gesellschafter zur steuerlichen Vertretung der KG bevollmächtigt worden. Zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung sei in die Urkunde kein Datum eingesetzt worden. Die spätere Datierung mit 31. März 1976 sei vom Beschwerdeführer ohne Kenntnis davon erfolgt, daß zu diesem Zeitpunkt Erich F. nur mehr gemeinschaftlich mit Dr. Alois W. zeichnungsberechtigt gewesen sei. Auch in der Folge, insbesondere am 5. August 1976 sei ihm eine weitere Vollmacht ausgestellt und darin ausdrücklich die Vollmachtserteilung durch sämtliche Gesellschafter und Geschäftsführer der KG festgehalten worden. Gleiches gelte für den Aktenvermerk vom 12. Juli 1976, der ebenfalls von sämtlichen Geschäftsführern gefertigt und in dem die Vertretungsbefugnis des Beschwerdeführers festgestellt worden sei.

Zu dem Zeitpunkt als Dr. Alois W. allein zeichnungsberechtigter Geschäftsführer geworden war (Eintragung in das Handelsregister am 30. September 1976), sei mit diesem vereinbart worden, daß die Honorarnote des Beschwerdeführers durch Umbuchung eines Steuerguthabens der KG auf das Abgabenkonto des Beschwerdeführers berichtigt werden sollte. Dr. Alois W. habe dazu ausdrücklich seine Einwilligung gegeben. Erst als bei der KG ein Eigentümerwechsel eingetreten sei, habe die KG versucht, durch den gleichfalls ausgewechselten Geschäftsführer "diesen Sachverhalt zu negieren". Der Beschwerdeführer stimme einer Rückbuchung des Guthabens nicht zu.

In einem Schreiben vom 20. Juni 1978 bestätigte Dr. Alois W. das Vollmachtsverhältnis zwischen der KG und dem Beschwerdeführer, das erst mit Wirkung vom 1. Dezember 1976 seitens der KG aufgekündigt worden sei. Weiters bestätigte Dr. Alois W., daß die Honoraransprüche des Beschwerdeführers dem Grunde nach anerkannt worden seien. Er sei beauftragt, "die sanierte Anerkennung der vorgenommenen Umbuchung dort amtsbekannt zu geben".

Der Masseverwalter der zwischenzeitig in Konkurs gegangenen KG teilte über Aufforderung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit, eine Zurückziehung der Berufung komme nicht in Frage. Die Auskunft des Dr. Alois W. sei für die KG nicht rechtsverbindlich, weil seine Geschäftsführungsbefugnis bereits erloschen sei. Auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten Vollmacht scheine bei der Unterschrift weder die Firma der KG noch die der Komplementärges.m.b.H. auf. Der Name der KG befindet sich lediglich "links oben" auf der Vollmachtsurkunde, sei vom Beschwerdeführer geschrieben worden und stelle keine Zeichnung, sondern eine Bezeichnung des Steuerpflichtigen dar. Der Beschwerdeführer habe die Vollmacht erst mit Schreiben vom 8. Juni 1976 dem Finanzamt vorgelegt. Das Finanzamt hätte sofort Bedenken gegen die Vollmacht haben müssen, da im Begleitbrief ausgeführt worden sei, daß der Beschwerdeführer "ab heute" den Auftrag zur steuerlichen Vertretung habe. Dem widerspreche aber das Datum 31. März 1976. Es sei unglaubwürdig, daß der Beschwerdeführer ab 8. Juni 1976 eine Vertretung führe, jedoch schon vor dem 31. März 1976 eine entsprechende Vollmacht ausgestellt erhalten habe.

Aber selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß die Vollmacht rechtswirksam erteilt worden wäre, so hätte sie den Beschwerdeführer nicht berechtigt, den Umbuchungsantrag zu stellen. Dieser Antrag sei nämlich nicht als Vertretungshandlung, sondern als unzulässiges "Eigengeschäft" des Beschwerdeführers anzusehen. Es liege eine Zession vor, bei der der Beschwerdeführer dem Finanzamt (= debitor cessus) gegenüber gleichzeitig als Zedent und Zessionar aufgetreten sei.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, am 5. August 1976 sei ihm eine weitere Vollmacht ausgestellt worden, sei unrichtig. Bei dieser Urkunde handle es sich "ausschließlich um Ermächtigungen im Interesse des Herrn L." (= ein Gesellschafter der KG) und nicht um solche der KG. Herr L. sei für die KG nicht vertretungsbefugt gewesen.

Der Beschwerdeführer nahm zu dem Schreiben des Masseverwalters Stellung. Dem Umstand, daß die Vollmacht erst einige Zeit nach ihrer Ausstellung dem Finanzamt vorgelegt worden sei, komme keine Bedeutung zu. Es sei üblich, eine Vollmacht erst vorzulegen, wenn von ihr Gebrauch gemacht werde. Was die Zeichnung der Vollmacht betreffe, so genüge es, wenn für jeden Dritten eindeutig erkennbar sei, wer Vollmachtgeber sei; ein formeller Firmenzusatz sei entbehrlich.

Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß Dr. Alois W. (dessen Unterschrift als gemeinschaftlich zeichnungsberechtigter Geschäftsführer auf der Vollmacht vom Masseverwalter vermißt werde) dem Finanzamt gegenüber ausdrücklich die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Stellung des Umbuchungsantrages bestätigt habe. Der Beschwerdeführer legte den Durchschlag eines an ihn gerichteten Schreibens des Dr. Alois W. vor, in dem dieser den Umbuchungsantrag als "berechtigt anerkannt" bestätigte.

Schließlich teilte Erich F. der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit, daß er nur in der Zeit von Mitte Dezember 1975 bis Anfang Februar 1976 für die KG allein zeichnungsberechtigt gewesen sei "und daher nur in diesem Zeitraum, vermutlich Ende Jänner 1976, die Vollmacht ... ausstellen konnte".

Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gab der Berufung der KG (die sie als Berufung gegen einen Abrechnungsbescheid wertete) statt und buchte den Betrag von S 140.000,-- wiederum vom Konto des Beschwerdeführers auf jenes der KG um.

In der Folge beantragte der Beschwerdeführer seinerseits die Erlassung eines Abrechnungsbescheides. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag mit einem Bescheid, in welchem auf die Begründung der eben erwähnten, an die KG gerichteten Berufungsentscheidung verwiesen wurde.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Der Hinweis auf die Berufungsentscheidung stelle keine Begründung dar. Im übrigen habe die Finanzlandesdirektion übersehen, daß die KG nur die Rückbuchung von S 134.415,-- begehrt habe. Der Differenzbetrag von S 5.585,-- sei vom Beschwerdeführer der KG bereits rückgezahlt worden. Abgesehen davon sei die Umbuchung (bzw. Rückbuchung) in ihrem gesamten Ausmaß zu Unrecht vorgenommen worden; es werde beantragt, den Betrag von S 140.000,-- auf dem Konto des Beschwerdeführers gutzuschreiben.

Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Der seinerzeit vom Beschwerdeführer namens der KG gestellte Umbuchungsantrag sei mangels eines rechtswirksamen Vollmachtsverhältnisses nicht der KG zuzurechnen gewesen. Der Inhalt der Vertretungsbefugnis richte sich gemäß § 83 Abs. 2 BAO nach dem Wortlaut der Vollmacht. Nach ihrem klaren Wortlaut sei diese erst am 31. März 1976 ausgestellt worden und daher mangels Unterschrift des zweiten Geschäftsführers (Dr. Alois W.) ungültig gewesen. Die Umbuchung auf das Konto des Beschwerdeführers sei daher vom Finanzamt zu Unrecht vorgenommen worden. Auch treffe es nicht zu, daß die KG nur "die Rückerstattung von S 134.415,--" begehrt habe. Vielmehr sei von ihr der gesamte Umbuchungsvorgang angefochten worden.

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluß vom 26. September 1984, B 368/81, abgelehnt wurde. Über die antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Aus den §§ 213 ff BAO ergibt sich, daß die Abgabenbehörde Gutschriften auf dem Konto eines Abgabepflichtigen mit Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen hat, wobei gemäß § 215 BAO auch Abgabenschuldigkeiten in Betracht kommen, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde hat. Absatz 4 der letztzitierten Bestimmung normiert, daß Guthaben, soweit sie nicht mit Abgabenschuldigkeiten verrechnet wurden, nach Maßgabe des § 239 BAO zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmung über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen ist. Daraus folgt, daß Umbuchungen von einem Abgabenkonto auf das Abgabenkonto eines anderen Steuerpflichtigen grundsätzlich nur mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten vorgenommen werden dürfen, wobei die Zustimmung auch von einem mit ordnungsmäßiger Geldvollmacht ausgestatteten Vertreter des Verfügungsberechtigten erteilt werden kann. Das bedeutet aber nicht, daß die Abgabenbehörde dann, wenn sie gegen dieses Gebot verstößt, den unzulässigen Buchungsvorgang wiederum rückgängig machen könnte. Mit der Rückgängigmachung würde sie nämlich wiederum gegen dasselbe Gebot verstoßen: Sie würde die "Rückbuchung" (= Umbuchung) ohne Zustimmung des nunmehr Verfügungsberechtigten vornehmen.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil ein Zuspruch von Schriftsatzaufwand nur in einfacher Höhe gebührt und ein Zuspruch von Umsatzsteuer über diesen pauschalierten Aufwandersatz hinaus nicht vorgesehen ist.

Wien, am 18. November 1987

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