VwGH 2005/08/0146

VwGH2005/08/014620.9.2006

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des L in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien je vom 24. Juni 2005, Zl. je LGSW/Abt. 3-AlV/1218/56/2004-6334, betreffend 1. Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld (protokolliert zur hg. Zl. 2005/08/0146) und 2. Einstellung von Arbeitslosengeld (protokolliert zur hg. Zl. 2005/08/0147), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §50 Abs1;
UniversitätsG 2002 §53;

 

Spruch:

Der zu 1. angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die Rückforderung von Arbeitslosengeld wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 789,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen zur Zl. 2005/08/0146 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides das dem Beschwerdeführer in der Zeit vom 14. März 2003 bis zum 30. April 2004 und vom 23. September bis zum 31. Oktober 2004 zuerkannte Arbeitslosengeld widerrufen und das in diesem Zeitraum zu Unrecht bezogene Arbeitslosengeld in der Höhe von EUR 12.072,45 zurückgefordert.

In der Begründung gab die belangte Behörde den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung und der Berufung wieder und stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Sie beziehen seit 16.7.01 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zuletzt mit einem Tagsatz von EUR 26,65. Unbestritten ist, dass sie seit 14.3.03 als ordentlicher Hörer an der Universität Linz studieren. Weder im Leistungsakt noch in der EDV des Arbeitsmarktservice ist eine Meldung Ihres Studiums ab 14.3.03 ersichtlich. Auch in ihrer Berufung haben sie diese Tatsache nicht bestritten. Im Berufungsverfahren haben sie ihr Studienbuchblatt nachgereicht, aus dem hervorgeht, dass sie in der Zeit vom 1.5.04 bis 22.9.04 nicht inskribiert waren."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer als ordentlicher Hörer einer Hochschule während der genannten Zeit ausgebildet worden sei und daher gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos gelte. Er habe das Studium dem Arbeitsmarktservice nicht gemeldet, weshalb er eine Meldepflichtverletzung begangen habe und das bezogene Arbeitslosengeld, dessen Bezug er durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe, zurück gefordert werde.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen zur Zl. 2005/08/0147angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Einstellung des Bezuges des Arbeitslosengeldes durch den Beschwerdeführer ab 8. November 2004 mangels Arbeitslosigkeit mit der im Wesentlichen gleichen Begründung ausgesprochen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f leg. cit. gilt insbesondere nicht als arbeitslos im Sinne des Abs. 1, wer in einer Schule oder in einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme von § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sind in § 12 Abs. 4 AlVG näher geregelt. Danach muss der Arbeitslose u.a. vor der Arbeitslosigkeit zugleich mit seiner Beschäftigung dem Studium oblegen sein, was im Beschwerdefall unbestrittener Maßen nicht vorliegt.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, während der festgestellten Zeiten und weiterhin als ordentlicher Hörer an der Universität Linz ein Studium betrieben zu haben bzw. zu betreiben. Er wendet sich jedoch gegen die Anwendung der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG mit der Begründung, es handle sich um ein Fernstudium, das keine Anwesenheit erfordere und auf die Bedürfnisse von Berufstätigen ausgerichtet sei.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass ein Studierender, der einer Universität durch die Inskription (nunmehr "Fortsetzung der Zulassung") nach seiner Aufnahme als ordentlicher Studierender in der Form der Immatrikulation (nunmehr "Zulassung") meldet, dass er das gewählte ordentliche Studium im betreffenden Semester beginnen oder fortsetzen werde, so lange nicht als arbeitslos gilt, als er nicht in der nach den studienrechtlichen Vorschriften vorgesehenen Form (z.B. durch Exmatrikulation) die Beendigung seiner Studien wirksam dokumentiert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2006, Zl. 2004/08/0062).

Das Gleiche gilt, wenn in dem ordentlichen Studium, zu dem der Beschwerdeführer zugelassen wurde, Fernstudieneinheiten im Sinne des § 53 UG festgelegt wurden. Es kommt auch zufolge der formalen Anknüpfung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG auf das Fehlen einer Anwesenheitspflicht nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0163, mwN).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass das Studium des Beschwerdeführers seine Arbeitslosigkeit ausgeschlossen hat, weshalb sich der Widerruf und die Einstellung des Arbeitslosengeldes durch die belangte Behörde als rechtmäßig erweist.

Dadurch, dass die belangte Behörde zu 1. den Bezug des Arbeitslosengeldes widerrufen und nicht eingestellt hat - das Studium hat der Beschwerdeführer nach Antragstellung begonnen - wurde er nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. das Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 97/08/0424).

Zur Rückforderung bringt der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, eine Verpflichtung, den Beginn des Studiums zu melden, habe schon deswegen nicht bestanden, weil es sich dabei nicht um eine Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gehandelt habe. Im Übrigen habe er beim Übertritt aus der Stiftungsbetreuung in die Betreuung des Arbeitsmarktservice am 21. Oktober 2004 gemeldet, dass er am 14. März 2003 sein Fernstudium an der Universität Linz begonnen habe. Die Meldepflicht habe er daher nicht verletzt.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf den zweiten Tatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG gestützt (Verschweigung maßgebender Tatsachen).

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, durch die Aufnahme des "Fernstudiums" sei keine Änderung in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten, weshalb auch keine Meldepflicht bestanden habe. Diese sei auch schon deshalb zu verneinen, weil es sich beim "Fernstudium" eben um keine Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG handle.

Der Zweck des § 50 Abs. 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, darauf hin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 94/08/0040, mwN).

Es kommt somit weder darauf an, ob ein Umstand unmittelbar Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Leistungsbezieher hat noch darauf, ob er sich in einem Rechtsirrtum über die Relevanz des zu meldenden Umstandes befindet; das Risiko eines Rechtsirrtums trifft grundsätzlich den Arbeitslosen (vgl. zu Letzterem das hg. Erkenntnis vom 21. November 2001, Zl. 97/08/0415).

Den Beschwerdeführer traf demnach bei Aufnahme des Studiums die Verpflichtung, dies - unabhängig vom Eintritt in eine Arbeitsstiftung - nach dem Gesetzeswortlaut der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu melden.

Die Rückforderung der empfangenen Leistungen durch die belangte Behörde erfolgte daher - vorbehaltlich des gleich Ausgeführten - ebenfalls zu Recht.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, er habe sein Studium bereits am 21. Oktober 2004 gemeldet. Tatsächlich findet sich im Verwaltungsakt eine elektronische Aktennotiz vom 22. Oktober 2004 folgenden Inhalts:

"Nach telefonat mit dem Kunden stellt sich heraus, daß er im zweiten Semester Jus studiert und es somit fraglich ist ob er dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen kann. Einstellung erfolgt über 961"

Zudem wurde dem Beschwerdeführer am 21. Oktober 2004 beim Arbeitsmarktservice ein Antragsformular übergeben, in dem die Frage nach einer Ausbildung bejaht wurde. Dieses wurde vom Beschwerdeführer am 5. November 2004 wieder abgegeben.

Entgegen diesem Akteninhalt hat die belangte Behörde, ohne dass dies durch ein Ermittlungsergebnis gedeckt gewesen wäre, das Ende des Rückforderungszeitraumes mit dem 31. Oktober 2004 festgestellt. Nach der eben wiedergegebenen Aktenlage wurde die belangte Behörde jedoch schon spätestens am 22. Oktober 2004 vom Beschwerdeführer über sein Studium informiert, sodass bereits ab diesem Zeitpunkt keine Meldepflichtverletzung mehr bestanden hätte, somit die Verletzung des § 50 AlVG als Grundlage für eine Rückforderung für den auf die telefonische Anzeige folgenden Kalenderzeitraum weggefallen ist. Die belangte Behörde hat demnach den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen.

Mangels Teilbarkeit des Ausspruches über die Rückforderung des Arbeitslosengeldes, war der zur Zl. 2005/08/0146 angefochtene Bescheid hinsichtlich der Rückforderung zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG aufzuheben.

Im Übrigen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Der dem Beschwerdeführer wegen der - teilweisen - Aufhebung des zur Zl. 2005/08/0146 angefochtenen Bescheides zustehende Aufwandersatz von EUR 1.171,20 war gegen den der belangten Behörde wegen der Abweisung der zur Zl. 2005/08/0147 erhobenen Beschwerde zustehende Aufwandersatz von EUR 381,90 aufzurechnen. Das vom Beschwerdeführer über den in dieser Verordnung festgesetzten pauschalierten Aufwandersatz hinausgehende Kostenbegehren war ebenso abzuweisen, wie das Begehren auf Ersatz der Umsatzsteuer, da letztere im pauschalierten Aufwandersatz bereits enthalten ist.

Wien, am 20. September 2006

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