VwGH 2001/07/0043

VwGH2001/07/004325.7.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der .A GesmbH & Co Nfg KG in Wien, vertreten durch Mag. Herwig Kraemmer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 59-61, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft vom 23. Jänner 2001, Zl. 31 3572/14- III/1 U/01, betreffend Feststellung nach § 4 AWG, zu Recht erkannt:

Normen

31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1 lita idF 31991L0156;
31975L0442 Abfallrahmen-RL idF 31991L0156;
31991L0156 Nov-31975L0442;
61988CJ0206 Vessoso VORAB;
61992CJ0422 Kommission / Deutschland;
61996CJ0129 Inter-Environnement Wallonie ASBL VORAB;
61997CJ0418 ARCO Chemie Nederland Ltd VORAB;
62000CJ0009 Palin Granit Oy VORAB;
AWG 1990 §1 Abs2 Z2;
AWG 1990 §1 Abs3;
AWG 1990 §2 Abs1 Z1;
AWG 1990 §2 Abs1 Z2;
AWG 1990 §2 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs2 Z1;
AWG 1990 §2 Abs2 Z2;
AWG 1990 §2 Abs2 Z3;
AWG 1990 §2 Abs2;
AWG 1990 §2 Abs3;
EURallg;
VwRallg;
31975L0442 Abfallrahmen-RL Art1 lita idF 31991L0156;
31975L0442 Abfallrahmen-RL idF 31991L0156;
31991L0156 Nov-31975L0442;
61988CJ0206 Vessoso VORAB;
61992CJ0422 Kommission / Deutschland;
61996CJ0129 Inter-Environnement Wallonie ASBL VORAB;
61997CJ0418 ARCO Chemie Nederland Ltd VORAB;
62000CJ0009 Palin Granit Oy VORAB;
AWG 1990 §1 Abs2 Z2;
AWG 1990 §1 Abs3;
AWG 1990 §2 Abs1 Z1;
AWG 1990 §2 Abs1 Z2;
AWG 1990 §2 Abs1;
AWG 1990 §2 Abs2 Z1;
AWG 1990 §2 Abs2 Z2;
AWG 1990 §2 Abs2 Z3;
AWG 1990 §2 Abs2;
AWG 1990 §2 Abs3;
EURallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 3. Juli 2000 beim Bürgermeister der Stadt W die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG) hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin in ihrer Betriebsanlage in W aus Kunststoffabfällen produzierten Regelbrennstoffes, der als "A" vermarktet werden solle. Dieser Regelbrennstoff könne nach Angaben der Beschwerdeführerin dahingehend umschrieben werden, dass verschiedene Inputstoffe (pulverförmige Abfälle, die beim Schleifen von Plexiglas anfielen; PE-Folien, die als Zwischenlagerung bei der Reifenproduktion Verwendung fänden; Spritzgussabfälle aus der Schibindungs- und Miniatureisenbahnerzeugung; bunte PET-Flaschen und deren Vorformlinge aus dem Getränkeflaschenspritzblasen; Verbundfolien aus dem Lebensmittelverpackungsbereich; Scheiben aus geschäumten PE, eingesetzt bei Verpackungen der Unterhaltungselektronikbranche) pro Produktgruppe separat gelagert und auch getrennt verarbeitet würden. Diese Stoffe würden im Hinblick auf Hartstoffe und sonstige Störstoffe nachsortiert, anschließend zerkleinert und eventuell noch immer enthaltene Schwerstoffe (Glas, Stein, Eisen) über eine Windsichtung und einen Elektromagneten ausgeschieden. Die zerkleinerten Flocken würden im Halbfertigmateriallager je nach Produktgruppe separat zwischengelagert, von dort je nach Mischungsverhältnis entnommen und in Mischsilos gemischt. Nach erfolgter Mischung werde das Material durch Anschmelzen auf Agglomerat mit einer definierten Partikelgröße von ca. 8 mm konditioniert. Durch eine weitere Mischung des Agglomerates werde ein homogenes Material erzielt. Das Fertigprodukt werde - je nach Kundenwunsch - noch vermahlen (bis 4 mm) und verpackt bzw. im Container zum Kunden transportiert.

Die Eigenschaften des Produktes seien hinsichtlich der manipulations- bzw. lagerrelevanten Materialeigenschaften, der chemisch-physikalischen Eigenschaften und der Verbrennungseigenschaften mit den klassischen Brennstoffen wie Stein- und Braunkohle, Holz und Heizöl vergleichbar, denen "A" als zumindest gleichwertig anzusehen sei. Der erzeugte Regelbrennstoff werde am Markt nachgefragt und könne beispielhaft in Wirbelschichtanlagen der Papier- und Zellstoffindustrie, bei Kohlestaub- und Rostfeuerungen im Kraftwerksbereich, bei Rostfeuerungen von Fernwärmeanlagen und bei Rost- und Wirbelschichtfeuerungen der Holz verarbeitenden Industrie verwendet werden. Durch den beschriebenen Produktionsprozess aus sortenreinen Abfällen bekannter Herkunft und Zusammensetzung werde ein neuer Brennstoff produziert, dessen Produkteigenschaften jenen von klassischen Brennstoffen entsprächen bzw. diese sogar überträfen. Es könne daher nach allen gängigen Kriterien davon ausgegangen werden, dass die eingesetzten Abfälle stofflich verwertet würden, die Abfalleigenschaft des hergestellten Regelbrennstoffes mit Abschluss der Verwertung (Herstellung des Produktes) erlösche und kein Abfall im Rechtssinn vorliege.

Mit Gutachten vom 6. November 2000 kam der von der Behörde erster Instanz beigezogene chemisch-technische Amtsachverständige zur Auffassung, dass das Projekt "Regelbrennstoff aus Kunststoff" eine umfassende Darstellung jener Angaben enthalte, die für eine abfalltechnische Beurteilung von Relevanz seien. Die Einsatzstoffe (Rückstände aus der Primärkunststoffproduktion) zur Herstellung des Regelbrennstoffes würden unter Angaben der Zulieferfirmen definiert, ebenso (im Rahmen von Schwankungsbreiten) die Mischungsverhältnisse der einzelnen unterschiedlichen Kunststofffraktionen. Durch die Kenntnis der Zulieferfirmen sowie der von diesen verwendeten Rezepturen zur Herstellung der Primärkunststoffe werde der Ausschluss von umweltrelevanten Inhaltsstoffen (Additiva) in den zu verwertenden Grundstoffabfällen sicher gestellt. Das Projekt beinhalte in diesem Zusammenhang getrennt nach Kunststoffsorten Angaben über relevante Additiva. Die vorgesehene Verwertung (Zerkleinerung, Aufbereitung/Sortierung, Konfektionierung) in üblichen Kunststoffverarbeitungsanlagen sei übersichtlich dargestellt und umfasse auch Fraktionierschritte zur Abtrennung unerwünschter Störstoffe. Diese fänden sich nach der Aufbereitung in den abgetrennten Fraktionen "Qualität 2" (Zementwert) und "Qualität 3" (Müllverbrennung) wieder; das seien Fraktionen, die auf Grund ihrer Zusammensetzung weiterhin Abfälle blieben und somit nicht Gegenstand dieses Antrages und der abfalltechnischen Beurteilung seien. Qualitätssichernde Maßnahmen seien im Bereich der Wareneingangskontrolle, der analytischen Produktzwischenkontrolle sowie der analytischen Endkontrolle gesetzt worden. Die analytischen Kontrollen würden durch eigenes Personal unter Verwendung vorhandener Laborgeräte, andererseits per externen befugten Fachpersonen oder Fachanstalten im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen durchgeführt. Dadurch sei sicher gestellt, dass der produzierte Regelbrennstoff ("Qualität 1") im Hinblick auf sein lagerungstechnisches Manipulationsverhalten und seine Zusammensetzung laufend geprüft werde und die verschiedenen Produkteigenschaften einhalte. Die Brennstoffzusammensetzung werde auf Grund durchgeführter Untersuchungen am Institut für Brennstofftechnik der TU Wien ausführlich dargelegt. Diese Untersuchungen beinhalteten Elementaranalysen zur Interpretation der ermittelten Heizwerte, Gesamtgehaltsbestimmungen relevanter Inhaltsstoffe (Chlor, Schwefel, Schwermetalle) sowie verbrennungstechnische Angaben über Wassergehalt, Aschegehalt und Heizwert. Die bei der Untersuchung des Regelbrennstoffes "A" erhaltenen Analysenwerte würden mit den Angaben anderer Brennstoffe (Biomasse, fossile Brennstoffe) verglichen und dabei werdefestgestellt, dass der produzierte Regelbrennstoff keine relevant höheren Schadstoffgehalte oder ungünstigere Brennstoffeigenschaften als beispielsweise biogene Brennstoffe (Holz) oder fossile Brennstoffe (Steinkohle) aufweise. In einem abschließenden Kapitel des Projektes werde dargelegt, in welchen technischen Großanlagen der Regelbrennstoff energetisch verwertet werden solle; dabei werde die Feuerungstechnologie berücksichtigt und würden Angaben über anlagenspezifische Kenngrößen gegeben. Feuerungstechnisch besitze der Regelbrennstoff "A" keine nachteiligen Eigenschaften. Hinsichtlich der beabsichtigten Vermarktung werde festgestellt, dass eine Nachfrage nach dem hergestellten Regelbrennstoff bestehe.

Zusammenfassend kam der Sachverständige zur Beurteilung, dass auf Grund der vorgelegten Projektsunterlagen der hergestellte Regelbrennstoff "A" geeignet sei, in den genannten Verbrennungsanlagen verfeuert zu werden, welche in ausreichender Zahl vorhanden seien und somit eine Vermarktung des hergestellten Produktes erlaubten. Weiters könne festgestellt werden, dass bei einer Verwendung des Produktes "A" in diesen Anlagen über den Luft- und Aschepfad keine anderen oder zusätzliche Emissionen zu erwarten seien als bei der Verwendung konventioneller Brennstoffe. Bei projektsgemäßer Herstellung und Zusammensetzung sowie "bei Einhaltung nachstehend angeführter Bedingungen" sei davon auszugehen, dass es sich bei dem antragsgegenständlichen Regelbrennstoff der Bezeichnung "A" um ein Produkt und somit um keinen Abfall nach den Bestimmungen des AWG handle.

Als "Bedingungen" nannte der Sachverständige folgende Punkte:

"Bedingungen:

1. Für die Herstellung des Regelbrennstoffes dürfen nur Produktionsrückstände aus der Kunststoffprimärproduktion verwendet werden. Entsprechende Zuliefererverträge und -zertifizierungen sind zu erstellen und auf Verlangen der Behörde zur Einsicht vorzulegen.

2. Für die Herstellung des Regelbrennstoffes dürfen keine Produktionsrückstände aus reinen halogenhaltigen Kunststoffen (z.B. PVC) verwendet werden.

3. Im Zuge der Herstellung des Regelbrennstoffes sind laufend qualitätssichernde Maßnahmen in Form von Wareneingangskontrolle, analytischer Produktzwischenkontrolle sowie analytischer Endkontrolle durchzuführen. Diese Kontrollen sind in einem Betriebsbuch, welches in der Betriebsanlage in W jederzeit einsehbar aufzubewahren ist, fortlaufend zu dokumentieren. Die Durchführung der analytischen Kontrollen kann alternativ durch betriebseigene Personen und Geräte oder durch extern befugte Fachpersonen oder Fachanstalten durchgeführt werden.

4. Für die Qualität des hergestellten Regelbrennstoffes aus Kunststoffmaterialien werden folgende einzuhaltende höchstzulässige Grenzwerte (bezogen jeweils auf Trockensubstanz) festgelegt:

Chlor: 3.000 ppm

Schwefel: 5.000 ppm

Arsen: 20 ppm

Blei: 100 ppm

Kadmium: 5 ppm

Chrom: 100 ppm

Kobalt: 100 ppm

Nickel: 100 ppm

Quecksilber: 0,5 ppm

Der Gehalt anderer relevanter Halogene (F, Br) ist stichprobenartig zu überprüfen und zu dokumentieren. Ebenso ist der Gehalt anderer Schwermetalle (z.B. Zn, Sn) stichprobenartig zu überprüfen und zu dokumentieren. Die erhaltenen Analysenwerte (Gesamtgehalte) sind zu bewerten und haben sich an den üblichen Konzentrationen von handelsüblichen Steinkohlensorten zu orientieren.

5. Eine Verwendung des hergestellten Regelbrennstoffes ist nur in entsprechend genehmigten Verbrennungsanlagen folgender Wirtschaftszweige zulässig:

"§ 1. (1) ...

(3) Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1. die Gesundheit des Menschen gefährdet und unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2. Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden können,

3. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

  1. 4. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
  2. 5. Geräusche und Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

    6. das Auftreten und die Vermehrung von schädlichen Tieren und Pflanzen sowie von Krankheitserregern begünstigt werden,

  1. 7. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann,
  2. 8. Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,

1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat, oder

2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten ist.

Die Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse kann auch dann geboten sein, wenn für eine bewegliche Sache ein Entgelt erzielt werden kann.

(2) Eine geordnete Erfassung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten,

1. als eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2. solange sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungsgemäßen Verwendung steht oder

3. solange die Sache nach dem Ende ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung im unmittelbaren Bereich des Haushaltes bzw. der Betriebsstätte auf eine zulässige Weise verwendet oder verwertet wird.

Die Erfassung und Behandlung von Mist, Jauche, Gülle und organisch kompostierbarem Material als Abfall ist dann nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs. 3) geboten, wenn diese im Rahmen eines inländischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes anfallen und im unmittelbaren Bereich eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes einer zulässigen Verwendung zugeführt werden.

(3) Ist eine Sache Abfall und wird sie sodann einer Verwertung zugeführt (Altstoff), gilt sie so lange als Abfall, bis sie oder die aus ihr gewonnenen Stoffe einer zulässigen Verwendung oder Verwertung zugeführt werden. Auf Altstoffe sind die §§ 16 und 28 nicht anzuwenden. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie kann, soweit dies zur Erleichterung der Verwertung dienlich ist und mit den öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vereinbar ist, mit Verordnung jene Stoffe bestimmen, welche jedenfalls als Altstoffe in Betracht kommen.

....

§ 4. (1) Bestehen begründete Zweifel,

  1. 1. ob eine Sache Abfall im Sinne dieses Bundesgesetzes ist,
  2. 2. welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder

    3. ob eine bestimmte Sache bei der Verbringung gemäß §§ 34 ff als notifizierungspflichtig erfasst ist,

    hat die Behörde dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten mit Bescheid festzustellen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 kann nur beantragt werden, sofern nicht § 4a zur Anwendung kommt.

(2) ..

(3) Die Behörde hat den Bescheid unverzüglich an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, kann ein Bescheid gemäß Abs. 1 von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Erlassung abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1. der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist."

Die "Sache", deren Feststellung als Nichtabfall begehrt wurde, ist im vorliegenden Fall der Regelbrennstoff "A". Dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 3. Juli 2000 lag eine ausführliche Beschreibung dieses "Brennstoffes aus Kunststoff" bei. Dem im Verfahren vor der belangten Behörde verschiedentlich geäußerten Vorwurf, den Projektsunterlagen sei nicht zu entnehmen, welche Aluminiumgehalte die aus dem Einsatz des Regelbrennstoffes resultierenden Verbrennungsaschen enthielten, kann nicht gefolgt werden; so wies die von der Beschwerdeführerin beigezogene Privatgutachterin zutreffend auf die Angaben der Prozentsatzes dieses Stoffes im Input, auf die Angaben des Prozentsatzes des Einsatzes des Regelbrennstoffes bei der thermischen Verwertung und auf die Möglichkeit, aus diesen Angaben den Aluminiumgehalt in den Aschen zu errechnen, hin. Aber selbst wenn tatsächlich vom Fehlen dieser (notwendigen) Angaben auszugehen gewesen wäre, wäre die Behörde verpflichtet gewesen, der Partei im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens gemäß § 37 AVG zur Wahrung ihrer Rechte Gelegenheit zur Geltendmachung der klärenden Umstände, hier: zur Darlegung der entsprechenden Angaben und Berechnungen, zu geben (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 21. November 1994, Zl. 94/10/0082). Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin eigeninitiativ durch die Vorlage des Privatgutachtens die vermissten Daten erläutert. Die dort hinsichtlich der Angaben der Aluminiumgehalte in den Aschen getroffenen Angaben ergänzen diesen Teil des verfahrensgegenständlichen Projektes.

Übereinstimmend gehen die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde davon aus, dass die sortenreinen Kunststoffabfälle, die als Inputmaterialien zur Erzeugung dieses Brennstoffes geliefert werden, (subjektive) Abfälle im Rechtssinn sind. Mit der Frage, ob hinsichtlich der Inputmaterialien, die aus der Ausschussproduktion der kunststoffverarbeitenden Industrie, aus dem Verpackungs- und Betriebsstoffbereich stammen, (auch) der objektive Abfallbegriff erfüllt wird, setzt sich die belangte Behörde nicht explizit auseinander.

Der aus diesen Abfällen erzeugte Brennstoff, um dessen Abfalleigenschaft allein es im vorliegenden Verfahren geht, wäre dann Abfall, wenn er entweder Abfall in subjektiver oder in objektiver Hinsicht wäre. Letzteres hätte zudem zur Voraussetzung, dass keiner der Tatbestände des § 2 Abs. 2 AWG vorliegt. Schließlich könnte auch eine Verwertung nach § 2 Abs. 3 AWG zu einem Ende der Abfalleigenschaft geführt haben.

Es stellt sich daher im vorliegenden Fall vorerst die Frage, ob hinsichtlich des erzeugten Regelbrennstoffes vom Vorliegen von Abfall im subjektiven Sinn auszugehen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn die Beschwerdeführerin hinsichtlich des von ihr eigens erzeugten Brennstoffes überwiegend Entledigungsabsicht hätte. Dass dies der Fall wäre, ist - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - aber nicht erkennbar. Von einer Entledigung im Sinne des AWG kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn das überwiegende Motiv der Entäußerung einer Sache darin liegt, diese los zu werden (vgl. dazu u.a. das hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001, Zl. 99/07/0177). Die Beschwerdeführerin kauft die Inputmaterialien zu dem Zwecke ein, den verfahrensgegenständlichen Brennstoff zu erzeugen. Sie hat eigene Produktionsmechanismen für die Herstellung dieses Brennstoffes in ihrem Betrieb geschaffen, für das hergestellte Produkt existiert ein Markt; das Produkt kann Gewinn bringend verkauft werden. Es ist auf Grund dieser unbestrittenen Sachverhaltsannahmen daher nicht davon auszugehen, dass die Weggabe des Brennstoffes durch Verkauf in erster Linie darauf abzielt, diesen los zu werden. Die gewinnmaximierende Absicht der Beschwerdeführerin ist im Gegenteil evident. Von einer Erfüllung des subjektiven Abfallbegriffes durch den erzeugten Brennstoff kann daher nicht die Rede sein.

Auch die Frage, ob Abfall im objektiven Sinn vorliegt, lässt sich an Hand der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit ausreichender Sicherheit beantworten.

§ 2 Abs. 2 AWG trifft die Anordnung, dass bei Vorliegen einer der in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen eine geordnete Erfassung und Behandlung (einer Sache) nicht im öffentlichen Interesse geboten ist, was nach § 2 Abs. 1 Z. 2 AWG zur Folge hat, dass diese Sache nicht dem objektiven Abfallbegriff zuzuordnen ist. Eine Sache, auf die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 AWG zutreffen, kann daher von vornherein nicht Abfall im objektiven Sinn sein. Die Prüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 AWG ist daher Teil der Prüfung des objektiven Abfallbegriffes.

§ 2 Abs. 2 Z. 2 und 3 AWG scheiden im Beschwerdefall von vornherein aus.

Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1994, 93/05/0018 (zur Kieselfluorwasserstoffsäure) stellt es ein maßgebliches Kriterium für den Begriff der (nach allgemeiner Verkehrsauffassung) neuen Sache im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 AWG dar, dass es sich um eine Sache handeln muss, die erst ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung (durch wen auch immer) harrt. Dies ergibt sich auch im Zusammenhalt mit § 2 Abs. 2 Z. 2 AWG. Gegenüber dem dort erfassten Tatbestand der bestimmungsgemäßen Verwendung einer Sache meint die Z. 1 dieses Absatzes offensichtlich die noch nie bestimmungsgemäß verwendete neue Sache. Bei der allgemeinen Verkehrsauffassung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 1 AWG kommt es auf die durchschnittliche Auffassung der in Betracht kommenden Verkehrskreise an.

Dass der im Beschwerdefall in Rede stehende, einem Primärrohstoff vergleichbare Brennstoff als neue Sache betrachtet werden könnte, ist nicht von vornherein auszuschließen. Dazu wären von der belangten Behörde entsprechende Feststellungen zu treffen gewesen, die aber fehlen.

Selbst wenn es sich aber bei dem Brennstoff um keine neue Sache handelte, wäre damit noch nicht gesagt, dass der Brennstoff Abfall im objektiven Sinn ist.

§ 2 Abs. 2 AWG trifft nur eine Regelung darüber, dass bei Zutreffen von dort genannten Voraussetzungen jedenfalls der objektive Abfallbegriff nicht erfüllt ist, enthält aber keine abschließende Regelung solcher Fälle.

In Fällen, auf die § 2 Abs. 2 AWG nicht zutrifft, ist daher trotzdem zu prüfen, ob die Erfassung und Behandlung einer Sache als Abfall im öffentlichen Interesse geboten ist.

Dazu fehlen im angefochtenen Bescheid ausreichend nachvollziehbare, auf die Kriterien des § 1 Abs. 3 AWG zugeschnittene Ausführungen.

Die Behörde hat sachverständig untermauerte Feststellungen dahin unterlassen, ob vom Regelbrennstoff (Produkt) Gefahren für die Schutzgüter des § 1 Abs. 3 AWG ausgehen oder nicht. Zu den diesbezüglichen Ausführungen in den Projektsunterlagen, wonach das Produkt biologisch und chemisch stabil, gegen atmosphärische Einflüsse beständig und geruchlos sei, keine Wassergefährdung damit verbunden sei und wegen der Verpackung grundsätzlich eine Freisetzung in die Umgebung ausgeschlossen werden könne, fehlen fachkundige Ausführungen des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen und eine entsprechende Begründung des angefochtenen Bescheides.

Zu einem anderen Ergebnis gelangte man auch nicht bei der Betrachtung, die im Mittelpunkt sowohl der von der belangten Behörde als auch von der beschwerdeführenden Partei angestellten Überlegungen steht. Beide Verfahrensparteien legen das Schwergewicht ihrer Ausführungen auf die Frage der Herstellung (Verwertung der in die Erzeugung des Brennstoffes eingegangenen Materialien) bzw. auf die Frage des Rückstandes aus der Verbrennung (Aschenqualität), was auf eine Prüfung hinausläuft, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 AWG für das Ende der Abfalleigenschaft der Materialien vorliegen, aus denen der Brennstoff gewonnen wurde, und welche Bedeutung das Ende dieser Abfalleigenschaft für die Frage der Abfalleigenschaft des zu beurteilenden Brennstoffen selbst hat.

§ 2 Abs. 3 AWG regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Sache, die als Abfall einzustufen ist, diese Eigenschaft wieder verliert.

§ 2 Abs. 3 AWG führt den Begriff "Altstoff" ein. Altstoffe werden vom AWG nicht vom Abfallbegriff ausgenommen; sie werden vielmehr ausdrücklich den Abfällen zugeordnet, sind aber vom Geltungsbereich einzelner Bestimmungen des AWG ausgenommen. Sie sind dazu bestimmt, verwertet oder verwendet zu werden. Mit einer (zulässigen) Verwertung oder Verwendung endet ihre Abfalleigenschaft.

§ 2 Abs. 3 AWG spricht zweimal davon, dass eine Sache einer "Verwertung zugeführt" wird. Im ersten Halbsatz wird damit, nämlich mit der "Zuführung zu einer Verwertung" einer als Abfall geltenden Sache der Altstoffbegriff definiert, im zweiten Halbsatz wird derselbe Ausdruck verwendet, um (alternativ zum Begriff der "Verwendung") die Beendigung der Abfalleigenschaft zu markieren. Das "Zuführen zu einer Verwertung" muss daher im ersten Halbsatz einen anderen Begriffsinhalt haben als im zweiten, da "Altstoff", zu dessen Definition das "Zuführen zu einer Verwertung" im ersten Halbsatz gebraucht wird, Abfall ist, im zweiten Halbsatz aber mit dem "Zuführen zu einer Verwertung" gerade diese Abfalleigenschaft beendet werden soll. Sinnvoll erscheint daher nur eine Auslegung dahin, dass im ersten Halbsatz des § 2 Abs. 3 AWG mit dem "Zuführen zu einer Verwertung" der Beginn eines Verwertungsprozesses (im weitesten Sinn) gemeint ist, der Altstoff entstehen lässt, während im zweiten Halbsatz derselbe Ausdruck ein Ergebnis des Verwertungsprozesses bezeichnet (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001).

Eine Verwertung im Sinne des § 2 Abs. 3 AWG liegt nicht erst dann vor, wenn der aus Abfällen hergestellte Stoff seiner endgültigen (letzten) Bestimmung zugeführt wurde, wenn also etwa der Brennstoff verheizt oder ein aus Abfällen erzeugter Dünger ausgebracht wurde; vielmehr kann eine Verwertung oder Verwendung auch bereits in der Herstellung des Produktes, das zu diesen Zwecken verwendet werden soll, liegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis vom 4. Juli 2001, 99/07/0177, ausgesprochen, dass auch Zwischenprodukte als die Abfalleigenschaft beendende Ergebnisse des Verwertungsprozesses in Betracht kommen.

Die belangte Behörde ist somit zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine zulässige Verwertung erst beim Einsatz des Brennstoffes in der Verbrennung in fremden Anlagen vorliege und dass in der Herstellung des Brennstoffes selbst keinesfalls eine solche zulässige Verwertung liegen könne. Das aber ist unzutreffend.

Schließlich gebieten auch die Vorschriften des Gemeinschaftsrechtes und die dazu ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) eine zwingende Einstufung des Regelbrennstoffes als Abfall nicht.

Die belangte Behörde zitiert diesbezüglich vor allem das Urteil des EuGH vom 15. Juni 2000, C-418/97 und C- 419/97 , (ARCO Chemie Nederland Ltd.), auf die Wiedergabe der wesentlichen Aussagen dieses Urteils im bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 4. Juli 2001 wird verwiesen. Bereits damals führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass all diesen Urteilen gemeinsam sei, dass der EuGH klarstellt, welche Umstände nicht verhindern können, dass eine Sache als Abfall qualifiziert wird, ohne dass aber umgekehrt gesagt wird, dass das Vorliegen dieser Umstände zwingend auch zum Vorliegen von Abfall führen müsste. Es gibt Indizien, die für oder gegen das Vorliegen von Abfall sprechen, wobei aber die Abfalleigenschaft anhand sämtlicher Umstände zu prüfen ist und das Vorliegen eines einzelnen Indizes zu einer Entscheidung noch nicht reicht. Entscheidendes Kriterium ist die Zielsetzung der Richtlinie, wobei darauf zu achten ist, dass ihre Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird. Daran ändert auch das Urteil des EuGH vom 18. April 2002 in der Rechtssache C-9/00 (Palin Granit Oy) nichts, in dem der EuGH zu einzelnen Rechtssätzen der Causa ARCO erläuternd Stellung nahm. Abgesehen davon, dass der dem letztzitierten Fall zu Grunde liegende Sachverhalt einen Vergleich mit dem hier vorliegenden nicht zulässt, weil es sich dort um Produktionsrückstände aus der Gesteinsgewinnung (Bruchgestein) handelt, vermeidet der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft auch dort eine Aussage darüber, dass das Vorliegen bestimmter Umstände zwingend auch zum Vorliegen von Abfall führen müsste.

Die aufgezeigten Begründungsmängel des angefochtenen Bescheides gründen in einer unzutreffenden Rechtsansicht der belangten Behörde, weshalb der angefochtene Bescheid wegen der diesfalls vorgehenden inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Juli 2002

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