VwGH 98/11/0176

VwGH98/11/017617.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. P in W, vertreten durch Dr. Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien VIII, Josefstädterstraße 87, gegen die Bescheide des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Braunegg,

Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 14. Mai 1998 und vom 6. Juli 1998, beide Zl. B 47/98, betreffend Fondsbeitrag 1995,

Normen

ÄrzteG 1984 §77;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §62 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
ÄrzteG 1984 §77;
AVG §56;
AVG §58 Abs2;
AVG §62 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr §10 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid vom 14. Mai 1998 wird für gegenstandslos erklärt und das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

2. zu Recht erkannt:

Der zweitangefochtene Bescheid vom 16. Juli 1998 wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 20.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien hat mit Bescheid vom 13. März 1998 den Fondsbeitrag des Beschwerdesführers - eines Mitgliedes der genannten Ärztekammer - für das Jahr 1995 mit S 159.053,-- festgesetzt; unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen ergebe sich ein Beitragsrückstand von S 129.534,70. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erlaß bzw. auf höchstmögliche Ermäßigung des Fondsbeitrages wurde abgewiesen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf vollständigen Erlaß des Fondsbeitrags 1995.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde der Bescheid der Erstbehörde vom 13. März 1998 aufgehoben, der Fondsbeitrag 1995 mit S 79.526,50 festgesetzt und die offene Beitragsschuld unter Berücksichtigung der geleisteten Vorauszahlungen von S 29.518,30 mit S 21.991,80 festgestellt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zur hg. Zl. 98/11/0176 protokollierte Beschwerde.

In der Folge erließ die belangte Behörde einen mit 6. Juli 1998 datierten, als "Berichtigter Bescheid gemäß § 62 Abs. 4 AVG" bezeichneten Bescheid, gegen den sich die zur hg. Zl. 98/11/0177 protokollierte Beschwerde richtet. Dieser Bescheid ist nahezu gleichlautend mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 14. Mai 1998. Die einzigen Unterschiede bestehen darin, daß im Bescheid vom 6. Juli 1998 der Beitragsrückstand mit S 50.008,20 angegeben wird und daß die Begründung um einen Satz ergänzt wurde, in dem auf einen offenkundigen Schreib- und Rechenfehler im Bescheid vom 14. Mai 1998 und die Notwendigkeit, diesen gemäß § 62 Abs. 4 AVG zu berichtigen, hingewiesen wird.

In seiner gegen die beiden Bescheide gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung beider Bescheide. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Was das Verhältnis der beiden angefochtenen Bescheide betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26. März 1998, Zl. 97/11/0267, 0268, 0314, ausgesprochen, daß bei einer derartigen Konstellation - ein Berichtigungsbescheid nach § 62 Abs. 4 AVG wiederholt den berichtigten Bescheid im Spruch und Begründung zur Gänze (und setzt damit den Bescheidadressaten in die mißliche Lage, aus Gründen der Vorsicht beide Bescheide anfechten zu müssen) - dem ursprünglichen Bescheid keine normative Bedeutung mehr zukommt. Sitz des Abspruches über die Höhe des Fondsbeitrags und über das Begehren des Beschwerdeführers auf dessen Erlaß ist nur mehr der zweitangefochtene "Berichtigte Bescheid".

Voraussetzung dafür ist freilich, daß tatsächlich ein Fall für eine Berichtigung vorgelegen ist. Andernfalls wäre der "Berichtigte Bescheid" aufzuheben und der zuerst erlassene Bescheid in seiner "unberichtigten" Fassung zu prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber keinen Zweifel daran, daß in Anbetracht des offenkundigen Rechenfehlers eine Berichtigung vorzunehmen war. Auch der Beschwerdeführer bringt nichts gegen die Zulässigkeit einer Berichtigung vor.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos zu erklären und das Verfahren war insoweit einzustellen.

2. Der Beschwerdeführer bekämpft den zweitangefochtenen Bescheid der Sache nach nur in Ansehung der Abweisung seines Antrages auf gänzlichen Erlaß des Fondsbeitrags. Gegen die Festsetzung des Fondsbeitrags selbst bringt er nichts vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem ebenfalls dem Beschwerdeführer gegenüber erlassenen Erkenntnis vom 26. März 1998, Zl. 97/11/0366, betreffend Fondsbeitrag 1994 zum Ausdruck gebracht, daß die Frage des Erlasses bzw. der Ermäßigung des Fondsbeitrags nach § 77 ÄrzteG und § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien eine Ermessensentscheidung ist. Nach der zuletzt genannten Verordnungsbestimmung kann der Fondsbeitrag u.a. bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitglieds jeweils bis zur Dauer eines Jahres zur Gänze erlassen werden.

Die belangte Behörde hat den Fondsbeitrag des Beschwerdeführers für 1995 um 50 % ermäßigt, den gänzlichen Erlaß mit dem Hinweis darauf, daß die von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen nicht erkennen ließen, daß er die Kosten für seine private Lebensführung seiner geänderten Einkommenssituation angepaßt hätte, verweigert. Als Beispiel dafür führte sie die Kosten der Schulerziehung der Kinder des Beschwerdeführers an, die nur daraus resultieren könnten, daß eine Privatschule besucht würde.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde dagegen vor, seine Kinder besuchten - entgegen der von der belangten Behörde angestellten Vermutung - eine öffentliche Schule. Dieser Irrtum hätte von der belangten Behörde durch Gewährung des Parteiengehörs vermieden werden können. Dem hält die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift wiederum entgegen, daß die Kosten des Schulbesuchs der Kinder des Beschwerdeführers nur als Beispiel angeführt worden seien.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht und belegt, daß er durch die krankheitsbedingt erheblich zurückgegangenen Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen (nicht berufstätige Ehefrau und drei schulpflichtige Kinder) nicht mehr bestreiten könne. Für das Jahr 1997 als das zur Beurteilung der gegenständlichen Problematik maßgebende Jahr würde sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von etwa S 100.000,-- ergeben, die aus Ersparnissen abzudecken seien.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Auffassung, daß eine solche Konstellation den Erlaß der Fondsbeiträge rechtfertigen würde. Eine andere Sichtweise wäre nur dann angebracht, wenn der Beschwerdeführer über ein hinreichend großes Vermögen verfügte, das ihm die Abdeckung der in Rede stehenden Deckungslücke über einen längeren Zeitraum ermöglichte, oder wenn der Beschwerdeführer ungeachtet seiner eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zumutbarerweise höhere Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit beziehen könnte. Derartiges hat die belangte Behörde aber nicht angenommen. Sie hat keine Ermittlungen in dieser Richtung angestellt. Sie ist vielmehr von den ziffernmäßigen Angaben des Beschwerdeführers sowie von einer unrichtigen Annahme betreffend die Ursachen der Lebenshaltungskosten des Beschwerdeführers ausgegangen. Sie hat auch darüber hinaus nicht dargetan, was an den vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Kosten in Ansehung seines Einkommens unangemessen hoch und reduzierbar wäre.

Sie hat es damit unterlassen, ihrer Ermessensentscheidung eine ausreichende Begründung zu geben, die dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung ermöglichte, ob die Ermessensentscheidung im Sinne des Gesetzes erfolgt ist. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 1998

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