VwGH 88/13/0006

VwGH88/13/000628.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde 1. des R und 2. des O, beide in W, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD Wien, NÖ, Bgld vom 23.10.1985, Zl. 6/3-3128/85, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1979,

Normen

ABGB §354
ABGB §509
EStG 1972 §16 Abs1 Z8
EStG 1972 §2 Abs2
EStG 1972 §2 Abs3 Z6
EStG 1972 §28
EStG 1972 §4 Abs4
EStG 1972 §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1992:1988130006.X00

 

Spruch:

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie den Zweitbeschwerdeführer betrifft, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird, soweit sie den Erstbeschwerdeführer betrifft, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer eines Mietwohnhauses. Während der Zweitbeschwerdeführer die auf seine Eigentumshälfte entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte, war die Eigentumshälfte des Erstbeschwerdeführers im Streitjahr 1979 mit einem lebenslänglichen Fruchtgenußrecht seiner Mutter belastet. Dementsprechend wurden die auf diese Eigentumshälfte entfallenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Mutter des Erstbeschwerdeführers zugerechnet.

Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob beim Erstbeschwerdeführer hinsichtlich seines Hälfteanteiles an der Liegenschaft eine Absetzung für Abnutzung zu berücksichtigen war, die mangels zurechenbarer Einnahmen zu einem Verlust aus Vermietung und Verpachtung führte (Auffassung der Beschwerdeführer), oder ob dies nicht der Fall war (Auffassung der belangten Behörde).

Die Beschwerdeführer haben den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde zunächst mit Verfassungsgerichtshofbeschwerde bekämpft, deren Behandlung jedoch vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 27. November 1987, B 15/86, abgelehnt wurde. Gleichzeitig wurde die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden in einer Beschwerdeergänzung Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Der Zweitbeschwerdeführer ist zwar Miteigentümer der streitgegenständlichen Liegenschaft und erzielte als solcher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 188 Abs. 1 lit. d BAO einheitlich und gesondert festgestellt wurden; mit Rücksicht auf den Beschwerdepunkt, der nur die steuerliche Berücksichtigung der Absetzung für Abnutzung (AfA) beim Erstbeschwerdeführer zum Gegenstand hat, ist jedoch nicht erkennbar, in welchem subjektiven öffentlichen Recht der Zweitbeschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid verletzt sein sollte. Auch die Beschwerdegründe geben keinen Hinweis auf eine derartige Rechtsverletzungsmöglichkeit. Die Beschwerde war daher, soweit sie den Zweitbeschwerdeführer betraf, mangels Berechtigung zur Beschwerdeerhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG unter Bedachtnahme auf § 12 Abs. 3 leg. cit. in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Insoweit die Beschwerde den Erstbeschwerdeführer betrifft, ist folgendes zu sagen:

Mit der Frage, ob beim Eigentümer eine Mietobjektes, welches mit einem Fruchtgenußrecht belastet ist, einkommensteuerlich eine AfA zu berücksichtigen ist, die mangels zurechenbarer Einnahmen zu einem ausgleichsfähigen Verlust aus Vermietung und Verpachtung führt, hat sich der Gerichtshof bereits wiederholt befaßt. Er hat diese Frage mit der Begründung verneint, daß das Mietobjekt beim fruchtgenußbelasteten Eigentümer keine Einkunftsquelle darstellt, da auf Dauer gesehen keine Einnahmenüberschüsse zu erwarten sind (vgl. die hg. Erkentnisse vom 12. November 1986, 86/13/0023, 0024, 0025, vom 3. Dezember 1986, 84/13/0122, vom 16. September 1987, 86/13/0144, und vom 6. November 1991, Zl. 91/13/0074).

Der Erstbeschwerdeführer bringt zunächst vor, bei ihm sei die Einkunftsquelleneigenschaft deswegen zu bejahen, weil er über mehrere Mietobjekte, teils als Alleineigentümer, teils als Anteilseigentümer, verfüge, wobei sich die Belastung mit dem Fruchtgenußrecht seiner Mutter nicht auf sämtliche Mietobjekte bzw. nicht auf sämtliche Anteile an diesen beziehe. Alle diese Liegenschaften bzw. Liegenschaftshälften seien bei der Beurteilung, ob beim Beschwerdeführer eine Einkunftsquelle vorliege, gemeinsam "in Betracht zu ziehen".

Dabei verkennt der Beschwerdeführer, daß im Bereich des Einkommensteuerrechtes mehrere Einkunftsquellen stets getrennt als solche zu beurteilen sind. Verfügt ein Abgabepflichtiger über mehrere Mietwohnhäuser, so ist die Einkunftsquelleneigenschaft bei jedem dieser Objekte in der Regel gesondert zu beurteilen. Der Umstand, daß die Mietwohnhäuser gemeinsam verwaltet werden oder - worauf der Erstbeschwerdeführer hinweist - mit einheitlichem Schenkungsvertrag erworben wurden, hat nicht zur Folge, daß sie zu einer einheitlichen Einkunftsquelle zusammengezogen werden. Dies selbst dann nicht, wenn die Eigentumsverhältnisse bei allen Mietwohnhäusern dieselben sein sollten, was aber im Beschwerdefall offensichtlich nicht zutrifft, weil der Erstbeschwerdeführer zum Teil Allein-, zum Teil Miteigentum an den verschiedenen Liegenschaften behauptet. Eine einheitliche Betrachtungsweise könnte nur dann geboten sein, wenn mehrere Mietobjekte bei Eigentümeridentität Gegenstand EINHEITLICHER vertraglicher Abmachungen betreffend die Erzielung der Mieteinnahmen wären, oder in einem sonstigen engen wirtschaftlichen Nutzungszusammenhang stünden. Derartiges wird in der Beschwerde nicht vorgebracht, sodaß die Einkunftsquelleneigenschaft des streitgegenständlichen Liegenschaftsanteiles losgelöst von anderen Mietobjekten zu beurteilen ist.

Der Erstbeschwerdeführer verweist weiters auf verschiedene Aktivitäten, z.B. Umschuldungen, die er im "Interesse an einer zukunftsorientierten Ertragsmaximierung" für die Zeit nach Ableben seiner Mutter und damit nach Erlöschen des Fruchtgenußrechtes vorgenommen habe. Es treffe zwar zu, daß "die Erzielung eines positiven Ergebnisses aus den zum Fruchtgenuß überlassenen Objekten bis zum Wegfall des Fruchtgenußrechtes nicht möglich war"; nach herrschender Lehre und Rechtsprechung seien aber auch Aufwendungen, "die VOR Aufnahme einer Erwerbstätigkeit getätigt werden" als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn ein eindeutiger Zusammenhang mit der KÜNFTIGEN Erwerbstätigkeit bestehe.

Da die Mutter des Erstbeschwerdeführers keine lange Lebenserwartung mehr gehabt habe und tatsächlich bereits im Jahr 1981 verstorben sei, sei der Zeitraum, für den das Fruchtgenußrecht wirksam war, "rückblickend betrachtet relativ kurz" gewesen. Gerade bei der Vermietung und Verpachtung von Miethäusern sei eine vorausschauende Planung und Bewirtschaftung der Substanz erforderlich, um in Zukunft Einkünfte erzielen zu können. Mit den Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers sei das Ziel verfolgt worden, künftig (nach Wegfall des Fruchtgenußrechtes) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Der von der Judikatur geforderte klare Zusammenhang der Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers "mit künftigen Einkünften" sei damit eindeutig gegeben. Dies habe zur Folge, daß bereits im Streitjahr das Vorliegen einer Einkunftsquelle zu bejahen und damit die AfA als Werbungskosten zu berücksichtigen sei.

Dieser Argumentation ist die bereits oben zitierte hg. Rechtsprechung entgegenzuhalten, wonach auch der Umstand, daß der zivilrechtliche Eigentümer eines Mietobjektes mit der Möglichkeit rechnen kann, nach Wegfall der Belastung durch das Fruchtgenußrecht positive Einkünfte zu erwirtschaften, nichts daran ändert, daß ihm bis dahin keine Einkunftsquelle zuzurechnen ist (Erkenntnis vom 16. September 1987, 86/13/0144). Der Gerichtshof hat diesen Grundsatz auch im Fall einer relativ nur kurzfristigen (zweijährigen) Belastung einer Liegenschaft mit einem Fruchtgenußrecht betont, und darauf hingewiesen, daß im Wegfall eines Fruchtgenußrechtes eine Änderung der Art des wirtschaftlichen Engagements zu erblicken sei, die bei Beurteilung eines Mietobjektes als Einkunftsquelle nur für die Zukunft, nicht jedoch rückprojizierend für die Vergangenheit zu berücksichtigen sei (Erkenntnis vom 3. Dezember 1986, 84/13/0122).

Der Erstbeschwerdeführer zitiert das hg. Erkenntnis vom 16. September 1987, 86/13/0144, wonach "aus dem fruchtgenußbelasteten Gebäude IN DER REGEL nur dem Fruchtgenußberechtigten, nicht aber auch dem zivilrechtlichen Eigentümer Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes zugerechnet" werden können. Mit den Worten "in der Regel" werde zum Ausdruck gebracht, daß es auch abweichende steuerliche Konsequenzen geben müsse. Tatsächlich rechtfertigt die zitierte Formulierung eine derartige Vermutung. Es kann aber im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, in welchen Fällen der zivilrechtliche Eigentümer eines Mietobjektes trotz Bestehens einer unentgeltlich übernommenen oder auferlegten Fruchtgenußbelastung Einnahmen aus dem Objekt erzielen kann und damit über eine ihm zurechenbare Einkunftsquelle verfügt. Der Erstbeschwerdeführer betont nämlich auf Seite 7 der Beschwerdeergänzung ausdrücklich, daß ihm die Erzielung eines positiven Ergebnisses während der Dauer der Fruchtgenußbelastung nicht möglich war.

Die vom Beschwerdeführer entfalteten Aktivitäten mögen durchaus dazu geführt haben, daß er nach Wegfall der Belastung mit dem Fruchtgenußrecht höhere Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen konnte, als dies ohne sein Tätigwerden der Fall gewesen wäre. Dies ändert aber nach dem Vorhergesagten nichts daran, daß der Erstbeschwerdeführer im Streitzeitraum über keine Einkunftsquelle verfügte. Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe sich mit diesem Vorbringen nicht in genügendem Maße auseinandergesetzt, ist daher für den Beschwerdefall irrelevant.

Auf Seite 9 der Beschwerdeergänzung wird als weiterer Verfahrensmangel gerügt, die belangte Behörde habe keine Feststellungen darüber getroffen, inwieweit von der Mutter des Erstbeschwerdeführers das Fruchtgenußrecht überhaupt ausgeübt worden sei. Mit diesem Beschwerdevorbringen wird angedeutet, daß die Einkunftsquelle im Hinblick auf die Aktivitäten des Erstbeschwerdeführers und die mangelnde Tätigkeit seiner Mutter nicht dieser, sondern dem Erstbeschwerdeführer zuzurechnen sei. In der Verfassungsgerichtshofbeschwerde wird dieser Gesichtspunkt sogar ausdrücklich behandelt. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat er jedoch außer Betracht zu bleiben, weil er vom Beschwerdepunkt nicht umfaßt ist. Der Erstbeschwerdeführer hat sich nämlich nicht dadurch in seinen Rechten verletzt erklärt, daß seiner Mutter und nicht ihm die Einkünfte aus dem Mietobjekt zugerechnet wurden, sondern dadurch, daß bei ihm als dem zivilrechtlichen Eigentümer keine AfA berücksichtigt wurde. Daß er im Streitzeitraum KEINE positiven Einkünfte erzielt hat, wird vom Erstbeschwerdeführer - wie bereits gesagt - dezidiert außer Streit gestellt.

Der Erstbeschwerdeführer regt auch an, die Rechtsfrage einem verstärkten Senat vorzulegen. Dazu genügt es darauf hinzuweisen, daß § 13 VwGG die Entscheidung in einem verstärkten Senat nur vorsieht, wenn der Gerichtshof mit seiner Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung abweichen würde, oder wenn die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wäre; beides trifft im Beschwerdefall nicht zu.

Schließlich bezeichnet es der Erstbeschwerdeführer als rechtsirrig, wenn die Gebäude-AfA weder beim Fruchtgenußberechtigten noch beim Fruchtgenußbelasteten steuerlich Berücksichtigung finde. Dazu ist festzustellen, daß die Gebäude-AfA nicht deswegen unberücksichtigt geblieben ist, weil ihre wesensmäßige Eigenschaft als Teil der steuerlich relevanten Werbungskosten verneint worden wäre, sondern deswegen, weil der Erstbeschwerdeführer, bei dem sie grundsätzlich zu berücksichtigen wäre, über keine Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuerrechtes verfügte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1991, 91/13/0074). Gleiches trifft auf sämtliche Aufwendungen zu, die typischerweise Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, wenn sie in einer Sphäre anfallen, die steuerlich nicht als Einkunftsquelle zu beurteilen ist. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.

Bemerkt sei der Vollständigkeit halber noch, daß der angefochtene Bescheid nur über das Jahr 1979 abspricht und der Erstbeschwerdeführer daher durch diesen Bescheid hinsichtlich der im Beschwerdepunkt erwähnten Jahre 1980 und 1981 in keinem Recht verletzt sein konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1991_104_0/1991_104_0.pdf .

 

Wien, am 28. Oktober 1992

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