VwGH 88/08/0099

VwGH88/08/009916.1.1990

N gegen Landeshauptmann von Wien vom 11. Jänner 1988, Zl. MA 14-M 12/87, betreffend Begünstigung gemäß §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten)

Normen

ASVG §500;
ASVG §502 Abs1;
VwGG §63 Abs1;
ASVG §500;
ASVG §502 Abs1;
VwGG §63 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Beschwerdefall ist der Verwaltungsgerichtshof bereits im zweiten Rechtsgang befaßt; zur Vorgeschichte wird daher auf die detaillierte Sachverhaltsdarstellung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1987, Zl. 85/08/0142, verwiesen. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten hat die beantragte begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten für R, den verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin, für die Zeit vom 13. März 1938 bis 31. März 1959 mit der Begründung abgelehnt, die geltend gemachte Emigration sei in keinem Zusammenhang mit einer Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung erfolgt. Dagegen erhob R mit der Begründung Einspruch, er habe nachgewiesen, daß er auf Grund seiner engen Verbindungen zu jüdischen Freunden und seiner Hilfeleistung für diese Freunde im Falle eines Verbleibens in Österreich Gefahr gelaufen wäre, in ein Konzentrationslager eingeliefert zu werden. Er sei daher aus politischen Gründen ausgewandert und gehöre dem Personenkreis des § 500 ASVG an. Dieser Einspruch wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 19. Juli 1985 als unbegründet abgewiesen. Über Beschwerde der in das Begünstigungsverfahren eintrittsberechtigten Witwe (nunmehrige Beschwerdeführerin) hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. Februar 1987 den damals angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen aus:

"In den Erkenntnissen vom 9. Juli 1982, Zl. 81/08/0193, und vom 30. Juni 1983, Zl. 83/08/0018, sprach der Gerichtshof aus, daß nach zeitgeschichtlichen Quellen in der Zeit vom 13. März 1938 bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges keine allgemeine Verfolgungsgefahr für Personen 'arischer' Abstammung bestand, die mit Juden intime Beziehungen unterhielten.

In der vorliegenden Angelegenheit wird behauptet, der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin habe sich wegen seiner gesellschaftlichen Kontakte zu Juden und wegen der Erledigung von Behördenwegen für diese Personen vor einer politischen Verfolgung gefürchtet. Diese Furcht wäre aber nur unter der Voraussetzung objektiv begründet und damit begünstigungsrechtlich relevant, wenn in der Zeit vom 13. März 1938 bis zum 1. September 1938 (Auswanderung) eine allgemeine Verfolgungsgefahr für Personen 'arischer' Abstammung bestand, die mit Juden solche Beziehungen unterhielten, wie dies vom verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin angegeben wird. Ob deshalb eine solche allgemeine Verfolgungsgefahr angenommen werden kann, ist klärungsbedürftig. Im Hinblick auf das Schreiben des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes vom 14. Dezember 1982 hätte von der belangten Behörde zur Frage, ob sich der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin aus objektiven Gründen vor einer konkreten politischen Verfolgung gefürchtet habe, ein entsprechender Sachverständiger befragt werden müssen. Von diesem wäre unter Bedachtnahme auf die obgenannten Erkenntnisse vom 9. Juli 1982 und vom 30. Juni 1983 zu klären gewesen, ob das angegebene Verhalten des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin Personen 'arischer' Abstammung auf Grund einer auf irgendeiner Rechtsstufe stehenden generellen Vorschrift vor dem 1. September 1938 bei Strafe untersagt war oder ob aufgrund von Präzedenzfällen (wenn auch nur im örtlichen Bereich des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin) eine generelle Duldung von Verfolgungsmaßnahmen wegen eines derartigen Verhaltens erschlossen werden kann.

Erst aufgrund dieses (im Beschwerdefall nicht durchgeführten) Sachverständigenbeweises hätte die Beurteilung der belangten Behörde erfolgen können, ob sich der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin objektiv begründet (und damit begünstigungsrechtlich relevant) oder nur aus einer bloßen Überreaktion heraus vor der ihm durch seinen Bruder in Aussicht gestellten Verbringung in ein Konzentrationslager fürchtete."

Auf Grund der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes hat die belangte Behörde im Hinblick auf die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens folgenden Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:

Der am 25. Februar 1913 geborene Johann AR, spätere Namensführung R, der selbst nicht jüdischer Abstammung gewesen sei, habe in der Zeit nach dem 13. März 1938 für seinen jüdischen Freundes- und Bekanntenkreis Behördenwege erledigt und Ausreisepapiere beschafft. Der Genannte sei bis zum 20. September 1938 in Wien als Mechanikergehilfe gemeldet gewesen. Im Herbst 1938 habe er Österreich verlassen und sei in das Ausland, zuerst nach Mailand, dann nach Kapstadt gereist. Er sei nach eigenen Angaben legal als Auslandsagent für Südafrika für eine inländische Firma über Italien ausgewandert.

Zu den Bestätigungen der Zeugen X und Y, wonach R vor Maßnahmen der NS-Behörden seitens seines Bruders, eines ehemaligen illegalen NS-Sympatisanten, gewarnt worden sei, führte die belangte Behörde aus, diese Bestätigungen seien nach der Aktenlage nur so erklärbar, daß eben tatsächlich irgendein inkompetenter nationalsozialistischer Funktionär derartige Absichten ausgesprochen habe, keinesfalls jedoch eine planmäßige Vorbereitung einer Schutzhaft durch die geheime Staatspolizei existiert habe.

Nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem der Einspruch des am 19. August 1983 verstorbenen R, weitergeführt durch dessen Witwe DR, nunmehr verehelichte N, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 5. März 1982, betreffend Begünstigung gemäß § 500 ff ASVG, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen und gemäß §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG festgestellt wurde, daß für den am 19. August 1983 verstorbenen R die Zeit vom 16. August 1938 bis 31. März 1959 auf Grund von § 502 Abs. 4 ASVG in der Pensionsversicherung der Angestellten nicht begünstigt anzurechnen sei. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, die Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes habe in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, daß das angegebene Verhalten des Ehegatten der Beschwerdeführerin Personen "arischer" Abstammung auf Grund genereller rechtlicher Vorschriften vor dem 1. September 1938 mit Sicherheit nicht untersagt gewesen sei. Allerdings habe es auch in späteren Jahren solche generellen Rechtsvorschriften in schriftlicher Form nicht gegeben. Auch das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien habe mitgeteilt, daß es keine Rechtsvorschriften gegeben habe, die das angegebene Verhalten des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin unter Strafe gestellt hätten. Dieses Institut habe ausdrücklich festgehalten, es habe bis zum Sommer 1938 eine ganze Reihe von Anordnungen und Befehlen an Partei- und Gliederungsfunktionäre (SA, SS) gegeben, daß willkürliche Verhaftungen verboten seien und Schutzhaft allein in der Kompetenz der Gestapo läge.

Die belangte Behörde habe - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - sohin in freier Beweiswürdigung festgestellt, daß eine konkrete objektiv begründete Verfolgungsgefahr auf Grund des angegebenen Verhaltens des

R nicht bestanden habe. Ein lediglich subjektives Gefühl einer Gefährdung aus politischen Gründen sei hingegen begünstigungsrechtlich nicht relevant. Es sei bedeutungslos, ob der Bruder des R als ehemaliger illegaler Nationalsozialist über verläßliche Informationen darüber habe verfügen können, ob gegen R "etwas geplant oder im Gange gewesen ist", weil die belangte Behörde bereits auf Grund der Aktenlage festgestellt habe, daß der Genannte auf Grund seines angegebenen Verhaltens politisch nicht gefährdet gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Nach den Beschwerdeausführungen sei zwar die belangte Behörde gemäß § 63 Abs. 1 VwGG auf Grund eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihr zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Allerdings habe die Behörde bei Erlassung ihres neuen Bescheides die inzwischen eingetretenen Änderungen in der Rechts- und Sachlage zu berücksichtigen. Keineswegs sei die Behörde an einen vom Verwaltungsgerichtshof unrichtig angenommenen Sachverhalt gebunden. Die im aufhebenden Erkenntnis vom 12. Februar 1987 zum Ausdruck gekommene Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes fuße ersichtlich auf der Annahme, daß die Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes auf einer auf irgendeiner Rechtsstufe stehenden generellen Vorschrift beruhten. Ausgehend von dieser Annahme habe der Verwaltungsgerichtshof auf das Vorliegen einer "allgemeinen Verfolgungsgefahr" abgestellt. Die gesamte Verfolgung, insbesondere auch jene der Personen jüdischer Abstammung, sei jedoch ohne auf irgendeiner Rechtsstufe stehende generelle Normen erfolgt. Mit dem Entfall der Sachverhaltsannahme, es habe im Zusammenhang mit Verfolgungshandlungen überhaupt generelle Normen gegeben, sei auch der vom Verwaltungsgerichtshof darauf gegründeten Rechtsauffassung, es komme auf eine "allgemeine Verfolgungsgefahr an", der Boden entzogen und es liege insoweit keine Bindung an das Vorerkenntnis vor. Es komme nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und auch nach der wohl unzweifelhaften Absicht des Gesetzgebers auf die Ursache der Emigration im Einzelfall an, und nicht auf die Frage, ob für derartige Sachverhalte eine "allgemeine Verfolgungsgefahr" bestanden habe. Verfehlt sei auch die Meinung, es komme darauf an, ob sich der verstorbene Versicherte "mit Grund" fürchten habe müssen oder ob eine "Überreaktion" vorgelegen sei. Für einen Begünstigungstatbestand im Sinne des § 500 halte es die Beschwerdeführerin für ausgeschlossen, den Sachverhalt "ex post" zu beurteilen. Maßgebend sei vielmehr ausschließlich die Sachlage, wie sie sich dem Betroffenen im Zeitpunkt der Emigration dargestellt haben mußte. Es sei schlechthin nicht zumutbar, vom Verfolgten zu verlangen, er hätte sich im Zeitpunkt der Emigration mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zuerst vergewissern müssen, ob die gegen ihn erhobenen Drohungen ernst zu nehmen seien. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die belangte Behörde dem Beweisantrag der Beschwerdeführerin nachkommen müssen und Feststellungen zu treffen gehabt, ob sie den vom verstorbenen Versicherten angegebenen Sachverhalt an Hand der vorliegenden Beweismittel (Aussagen des verstorbenen Versicherten und von Zeugen, Meldebestätigung über die NS-Nähe des Bruders T) als erwiesen annehme und - unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes - die Bedrohung des verstorbenen Versicherten von einem durchschnittlich verständigen Bürger des Jahres 1938 unter den damals obwaltenden Umständen als ernst angesehen werden habe müssen.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, eine Gegenschrift, in der jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden aufgrund eines aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Die belangte Behörde ist an die in dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gekommene Rechtsmeinung im Zusammenhalt mit dem von ihr angenommenen Sachverhalt gebunden (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1955, Slg. 3706/A, vom 30. September 1983, Zl. 83/08/0114, u.a.). Auch der Verwaltungsgerichtshof selbst ist an die von ihm geäußerte Rechtsansicht in den Fragen, zu denen er sich geäußert hat, gebunden (Erkenntnis vom 18. Dezember 1985, Zl. 85/13/0072, u. a.).

Die im Erkenntnis vom 12. Februar 1987 zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes fußte aber entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht auf der Annahme, daß die Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes auf einer auf irgendeiner Rechtsstufe stehenden generellen Vorschrift beruht hätten. Ausdrücklich legte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis fest, es sei für die Beantwortung der Frage des Bestehens einer allgemeinen Verfolgungsgefahr "zu klären, ob das angegebene Verhalten des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin Personen 'arischer' Abstammung auf Grund einer auf irgendeiner Rechtsstufe stehenden generellen Vorschrift vor dem 1. September 1938 bei Strafe untersagt war oder ob aufgrund von Präzedenzfällen (wenn auch nur im örtlichen Bereich des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin) eine generelle Duldung von Verfolgungsmaßnahmen wegen eines derartigen Verhaltens erschlossen werden kann.

Erst aufgrund dieses (im Beschwerdefall nicht durchgeführten) Sachverständigenbeweises hätte die Beurteilung der belangten Behörde erfolgen können, ob sich der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin objektiv begründet (und damit begünstigungsrechtlich relevant) oder nur aus einer bloßen Überreaktion heraus vor der ihm durch seinen Bruder in Aussicht gestellten Verbringung in ein Konzentrationslager fürchtete". Daraus geht aber hervor, daß auch eine aufgrund von Präzedenzfällen erschlossene generelle Duldung von Verfolgungsmaßnahmen ausgereicht hätte, einen begünstigungsrechtlich relevanten Sachverhalt darzustellen.

Die belangte Behörde holte ergänzend ein Gutachten des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes sowie des Institutes für Zeitgeschichte der Universität Wien ein. Zutreffend hat die belangte Behörde auf Grund dieser Gutachten angenommen, daß das angegebene Verhalten des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin nicht auf Grund einer auf irgendeiner Rechtsstufe stehenden generellen Vorschrift vor dem 1. September 1938 bei Strafe untersagt war.

Zur Frage, ob auf Grund von Präzedenzfällen (wenn auch nur im örtlichen Bereich des Aufenthaltes des verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin) eine generelle Duldung von Verfolgungsmaßnahmen wegen eines derartigen Verhaltens erschlossen werden könne, führte das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes in seinem Gutachten vom 18. Mai 1987 aus, es seien bis September 1938 - im Gegensatz zu später - generell nicht alle, die Juden geholfen hätten, inhaftiert worden, andererseits habe aber im Einzelfall durchaus die Möglichkeit dazu bestanden. Es habe dazu ein persönlich mißliebiger NS-Funktionär in der Nachbarschaft genügen können. Die vorliegenden Angaben erlaubten weder eine Bestätigung noch eine Zurückweisung. Das Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien führte zu dieser Frage in seinem Gutachten vom 10. August 1987 aus, die Information, der Ehegatte der Beschwerdeführerin sei auf einer Liste für die Einlieferung in Dachau gestanden, könne nicht mehr überprüft werden. Nach der damals durch die geheime Staatspolizei geübten Praxis sei die bloße Durchführung von Behördenwegen und eine vage "Judenfreundlichkeit" keineswegs ausreichend für eine Schutzhaft in einem Konzentrationslager gewesen, vielmehr sei auch in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit eines anderen, von der Begünstigungswerberin nicht angegebenen Grundes für eine Verfolgung durch die Nationalsozialisten gegeben. Eine andere Erklärung könne aber auch darin liegen, daß es damals üblich gewesen sei, Gerüchte von Verfolgungen oder geplanten Verhaftungen aus Wichtigmacherei oder weil tatsächlich irgendein inkompetenter nationalsozialistischer Funktionär derartige Absichten ausgesprochen habe, weiterzugeben. Eine allgemeine Verfolgungsgefahr könne auf Grund des Verhaltens von R nicht angenommen werden, eine subjektive Verfolgungsgefahr allein aus den von der Begünstigungswerberin angenommenen Gründen sei eher unwahrscheinlich.

Die belangte Behörde ging aufgrund dieser beiden Gutachten davon aus, daß auch keine generelle Duldung von Verfolgungshandlungen für ein Verhalten, wie es vom Ehegatten der Beschwerdeführerin angegeben wurde, vorgelegen sei. Daß sich diese Annahme nicht aus den beiden Gutachten ergäbe oder die Gutachten selbst nicht schlüssig wären, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Wenn schließlich die belangte Behörde aus dem Umstand, daß der Ehegatte der Beschwerdeführerin legal ins Ausland ausgewandert sei und den Bestätigungen der Zeugen X und Y, wonach R vor Maßnahmen der NS-Behörden durch seinen Bruder gewarnt worden sei, angenommen hat, daß auch keine konkrete, individuelle Verfolgungshandlung stattgefunden habe, erscheint dies durchaus schlüssig.

Wenn die belangte Behörde auf Grund der im Erkenntnis vom 12. Februar 1987 dargelegten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes und der ergänzend durchgeführten Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangte, daß die Furcht des R objektiv nicht begründet war und daher kein begünstigungsrechtlich relevanter Tatbestand vorlag, vermag der Verwaltungsgerichtshof darin keine Unschlüssigkeit zu erkennen. Es erübrigte sich aber auch eine ergänzende Stellungnahme des Dokumentationsarchives betreffend die Informationen und die Möglichkeiten des Bruders von R, da nach der oben wiedergegebenen Ausführungen der Verwaltungsgerichtshof bei Fehlen einer generellen Strafnorm oder generellen Duldung von Verfolgungsmaßnahmen oder konkreten, individuellen Verfolgungshandlungen keine objektiv begründete Furcht angenommen werden kann. Eine auf die allfällige Nähe des Bruders des R zum NS-Regime oder auf andere Umstände gegründete Furcht konnte demnach nur subjektiv begründet sein und war somit begünstigungsrechtlich irrelevant.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Vor der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

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