VwGH 83/08/0114

VwGH83/08/011430.9.1983

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Mag. Öhler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde des Dr. FP in W, Beschwerde gemäß § 24 Abs. 2 VwGG 1965 versehen mit der Unterschrift des Rechtsanwaltes Dr. Otto Schumeister, Schwechat, Bruck-Hainburgerstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Mai 1983, Zl. MA 14-P 11/83 (mitbeteiligte Partei:

Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien II, Friedrich Hillegeist-Straße 1), betreffend Feststellungsantrag gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG, zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §63;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1983:1983080114.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der wesentliche Sachverhalt ist in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1975, Zl. 368/75, vom 28. September 1977, Zl. 1029/76, und - zuletzt - vom 20. Jänner 1983, Zl. 08/1776/80, aufgezeigt. Hervorzuheben ist nunmehr nur noch, daß der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 19. Jänner 1979 an die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983, Zl. 08/1776/80, wörtlich wiedergegebenen Antrag stellte.

Mit Schriftsatz vom 21. August 1979 stellte der Beschwerdeführer an die belangte Behörde einen Devolutionsantrag gemäß § 410 Abs. 2 ASVG, worin er im wesentlichen darauf hinwies, daß nach Einbringung seines Antrages vom 19. Jänner 1979 mehr als sechs Monate ohne eine bescheidmäßige Erledigung vergangen seien.

Dieser Antrag des Beschwerdeführers vom 21. August 1979 wurde im Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Mai 1980, Zl. MA 14-P 68/79, auf Grund von § 354 Z. 1 in Verbindung mit §§ 413 und 414 ASVG als unzulässig zurückgewiesen. Nach der Begründung dieses Bescheides ziele der Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Entscheidungspflicht ausschließlich auf die Behebung der durch das angeblich schuldhafte Verhalten der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten entstandenen Rechtswidrigkeiten bei Feststellung einer zu niedrigen Pensionsleistung an den Beschwerdeführer und Berichtigung seiner monatlichen Alterspension ab. Da sowohl der Antrag vom 19. Jänner 1979 als auch der Devolutionsantrag ausschließlich Leistungssachen behandelten, sei die belangte Behörde zur Entscheidung über letzteren Antrag unzuständig. Der Devolutionsantrag sei daher als unzulässig zurückzuweisen und es sei meritorisch auf die Ausführungen nicht einzugehen gewesen.

Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Mai 1980, Zl. MA 14-P 68/79, mit dem Erkenntnis des Gerichtshofes vom 20. Jänner 1983, Zl. 08/1776/80, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

In dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof ebenfalls mit Beschwerde angefochtenen Ersatzbescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Jänner 1979, "betreffend Berichtigung seiner zu niedrigen Alterspension aus der Pensionsversicherung der Angestellten mit Wirkung vom 3. Mai 1968", unter Bedachtnahme auf das in der Sache ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983, Zl. 08/1776/80, gemäß § 73 AVG 1950 und gemäß §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG als unbegründet abgewiesen. In Entsprechung dieses Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes - so heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides - werde ausgeführt, daß im Gegenstand der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, in dem die Höhe der Alterspension des Beschwerdeführers festgesetzt worden sei, außer Kraft getreten sei und an dessen Stelle das in Rechtskraft erwachsene Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. Dezember 1970 getreten sei, in welchem das Mehrbegehren des Beschwerdeführers, welches sich aus seiner Meinung nach durch den Versicherungsträger und die Gerichte unrichtig ausgelegten Bestimmungen über die Bemessungsgrundlage habe ergeben sollen, abgewiesen worden sei. Hiezu sei aber festzuhalten, daß die Verwaltungsbehörden nur eigene Bescheide oder Bescheide der ihnen untergeordneten Behörden aufheben oder abändern könnten, weshalb auch im Gegenstand die Aufhebung oder Abänderung des Urteiles des Oberlandesgerichtes Wien durch den Landeshauptmann nicht möglich gewesen sei. Somit habe dem Antrag des Beschwerdeführers nicht entsprochen werden können.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird u.a. erklärt, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Ersatzbescheid der belangten Behörde in seinem Rechtsanspruch darauf, daß der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 63 Abs. 1 VwGG 1965 entsprochen werde, verletzt werde. In der gegenständlichen Verwaltungssache sei schon seit Jahren ausgeführt worden, daß ein Leistungsstreitverfahren vorausgegangen sei, das mit dem abweisenden Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. Dezember 1970 geendet habe. So habe der Beschwerdeführer schon darum keinen Grund gehabt, eine Aufhebung oder Abänderung dieses Urteiles durch den Landeshauptmann anzustreben. Dem Beschwerdeführer sei klar, daß der Landeshauptmann dazu nicht zuständig sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im (den ursprünglichen Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 1980 aufhebenden) Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes wird eindeutig dessen Rechtsanschauung festgelegt, daß der Beschwerdeführer auf Grund der wörtlich wiedergegebenen Formulierungen des Antragsbegehrens sowie eines Teiles der Begründung in erster Linie eine Feststellung der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit der erfolgten Leistungsbemessung erreichen wollte. Bei diesem Verlangen handelt es sich um ein solches auf eine bescheidmäßige Feststellung der sich für den Beschwerdeführer aus dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz ergebenden Rechte gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG.

Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG 1965 sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131 a B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

An eine in einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gekommene Rechtsmeinung zu einem von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt ist diese gebunden, und zwar unbeschadet des Umstandes, daß nur eine dieser Rechtsmeinungen den Grund für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gebildet hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. April 1955, Zl. 653/54, Slg. N. F. Nr. 3706/A).

Die Aufhebung des ursprünglichen Bescheides der belangten Behörde vom 22. Mai 1980 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erfolgte im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983 deswegen, weil die belangte Behörde über das schriftliche Verlangen des Beschwerdeführers vom 21. August 1979 auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Landeshauptmann gemäß § 410 Abs. 2 ASVG meritorisch hätte entscheiden müssen. Dies war wohl der ins Auge springende Aufhebungsgrund, der aber die Folge der oben wiedergegebenen Aussage des Verwaltungsgerichtshofes ist, daß es sich bei dem an die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gerichteten Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Jänner 1979 um ein Feststellungsbegehren gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG handelt. Diese Wertung ist rein rechtlicher Natur. Wenn der Verwaltungsgerichtshof diese Frage gelöst hat, so kann eine Bindung der belangten Behörde an diese Lösung nicht vereint werden. Der § 63 Abs. 1 VwGG 1965 kann gewiß nicht so ausgelegt werden, daß eine mehrmalige Befassung des Verwaltungsgerichtshofes mit derselben Frage in derselben Sache durch die Anfechtung von Bescheiden nötig wird, die auf einem der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entgegengesetzten Standpunkt beharren (vgl. zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1983, Zl. 82/09/0132, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der hg. Geschäftsordnung, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen wird).

Im Gegensatz zu der im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983 zum Ausdruck gekommenen Rechtsmeinung legt die belangte Behörde - wie sich aus dem im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Betreff sowie aus der Bescheidbegründung ergibt - den Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Jänner 1979 neuerlich als einen solchen auf "Berichtigung", "Aufhebung oder Abänderung des Urteiles des Oberlandesgerichtes Wien durch den Landeshauptmann" aus.

Der Beschwerdeführer hat aber einen Rechtsanspruch darauf, daß die durch § 63 VwGG 1965 bewirkte Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes beachtet wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. April 1969, Zl. 708/68, Slg. N. F. Nr. 7549/A, und das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1971, Zl. 1430/69, Slg. N. F. Nr. 8091/A).

Somit wäre unter Berücksichtigung des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 410 Abs. 2 ASVG vom 21. August 1979 der an die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gerichteten Antrag des Beschwerdeführers vom 19. Jänner 1979 als ein Verlangen gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG zu werten und darüber meritorisch zu entscheiden gewesen. Diesen dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1983 entsprechenden Rechtszustand hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht hergestellt und diesen daher mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Seine Aufhebung muß daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 erfolgen.

Wien, am 30. September 1983

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