VwGH 88/05/0097

VwGH88/05/00977.7.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des Dr. J und der GB in W, vertreten durch Dr. Gerd Hartung, Rechtsanwalt in Wien XVII, Elterleinplatz 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. März 1988, Zl. MDR-B XVIII-14-17/87, betreffend eine baubehördliche Abbruchsbewilligung (mitbeteiligte Partei:

VH GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien VIII, Josefstädterstraße 23), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §4 Abs2;
BauO Wr §5 Abs4 lita;
BauO Wr §60 Abs1 litd;
BauO Wr §60 Abs1 lite;
BauO Wr §60;
BauO Wr §7;
BauRallg;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 37, vom 12. Juni 1987 wurde mit Berufung auf § 70 der Bauordnung für Wien unter Vorschreibung mehrerer Auflagen die Bewilligung erteilt, die in Wien 18., H-Gasse 10 und 12 (ident mit S-Straße 16 und 18), gelegenen Häuser einschließlich des Kellermauerwerkes abzutragen. Die u. a. von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Einwendungen wurden zum Teil als im Gesetz nicht begründet abgewiesen, teilweise als unzulässig zurückgewiesen oder auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Auf Grund der dagegen u. a. von den Beschwerdeführern erhobenen Berufung wurde der erstinstanzliche Bescheid mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. März 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit der Abänderung bestätigt, daß dem Spruch vor dem Abspruch über die Einwendungen folgender Passus angefügt wird:

"Die auf den Grundflächen der Bauwerberin bestehenden Bauwerke werden zunächst bis zum Gehsteigniveau abgetragen und die offenen Kellerräume durch eine provisorische Dachkonstruktion abgedeckt. Das anfallende Niederschlagswasser wird in den nach der ersten Abbruchstufe noch bestehenden Hauskanal abgeleitet. Durch diese Maßnahmen sind sowohl der nicht fundierte Gehsteig gegen Abrutschen gesichert als auch die Fundamente und das jeweils unmittelbare Nachbargebäude gegen möglicherweise deren Standfestigkeit beeinflussende Witterungseinflüsse geschützt. Der restliche Abbruch erfolgt innerhalb der gesetzlichen Gültigkeitsdauer der Abbruchsbewilligung nach Rechtskraft der Baubewilligung für einen auf der Liegenschaft geplanten Neubau."

 

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Mit hg. Verfügung vom 3. Juni 1988, Zl. 88/05/0097-8, wurden die Beschwerdeführer auf die bereits im Verfahren über ihren Antrag, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zur Kenntnis gebrachte gutachtliche Stellungnahme des Zivilingenieurs für Bauwesen Dipl.-Ing. HE vom 16. April 1988 hingewiesen, aus welcher hervorgeht, daß das den Gegenstand des angefochtenen Bescheides bildende (der Liegenschaft der Beschwerdeführer zugewandt gewesene) Gebäude mittlerweile bereits zur Gänze abgetragen und die entstandene Grube ausgefüllt, auf Gehsteigniveau nivelliert und verdichtet worden ist. Daher wurde in dieser Verfügung die Frage aufgeworfen, ob an der Entscheidung des Gerichtshofes über den die Bewilligung dieses Abbruches betreffenden angefochtenen Bescheid überhaupt noch ein rechtliches Interesse bestehen kann und nicht vielmehr davon auszugehen ist, daß die Beschwerde mittlerweile gegenstandslos geworden ist, zumal die darin geäußerten Befürchtungen über eine Gefährdung der Standsicherheit des Hauses der Beschwerdeführer durch die inzwischen eingetretene Änderung der Sachlage nicht mehr begründet sein dürften.

In ihrer Antwort auf diese Anfrage des Gerichtshofes haben die Beschwerdeführer daraufhin mitgeteilt, daß sie die unter Punkt

"2.1. Gefährdung der Standsicherheit unseres Hauses, S-Straße 14" enthaltenen Ausführungen ihrer Beschwerde zurückziehen, weshalb der Gerichtshof auf die darin aufgeworfenen Fragen nicht mehr einzugehen hatte.

In dem sohin verbleibenden Teil der Beschwerde machen die Beschwerdeführer zunächst im wesentlichen geltend, in ihren subjektiven Anrainerrechten und "verfahrensrechtlichen Beteiligtenrechten" dadurch beeinträchtigt zu sein, daß der Abbruchwerber nach dem Ende der zur Erhebung von Einwendungen vorgesehenen Bauverhandlung ausgewechselt worden sei, was insofern eine Rolle spiele, als die Frage offen bleibe, ob nun nicht ein Gewerbebetrieb anstelle des gemeinnützigen Krankenhausunternehmens geplant sei. In der Flächenwidmung für die vom Abbruch betroffene Liegenschaft sei aber kein Gewerbebetrieb vorgesehen. Die Beschwerdeführer hätten daher beantragt, das Projekt an die Baubehörde erster Instanz zurückzuverweisen und einem neuen Baubewilligungsverfahren zu unterziehen, in welchem entsprechende Einwendungen erhoben werden könnten. Andernfalls sei eine Beeinträchtigung subjektiver Anrainerrechte durch den Bauwerberwechsel nicht ausgeschlossen.

Gemäß § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 sind im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften außer dem Antragsteller (Bauwerber) die

Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien; ... ferner

sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.

Aus dieser Regelung ergibt sich mit Deutlichkeit, daß eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführer in dem vorliegenden Verfahren über die Erteilung einer Abbruchbewilligung nur dann erfolgt sein könnte, wenn die belangte Behörde bestimmte, zum Schutz der Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Nachbarn der von dem Abbruch betroffenen Liegenschaft erlassenen baurechtlichen Normen außer acht gelassen hätte, wobei die Nachbarn nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die Erkenntnisse vom 26. November 1974, Slg. N. F. Nr. 8713/A, und vom 8. November 1976, Slg. N. F. Nr. 9170/A) allfällige Verfahrensmängel nur insoweit geltend machen können, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigt werden. Von einer derartigen Annahme kann aber im Falle des bloßen Wechsels des Bauwerbers, also ohne Änderung des Projektes, nicht die Rede sein, wobei die Beschwerdeführer auch übersehen haben dürften, daß die Frage der Flächenwidmung im Verfahren über die Erteilung einer Abbruchbewilligung unter dem Gesichtspunkt der durch die Bauordnung eingeräumten Nachbarrechte der Beschwerdeführer nicht von Bedeutung sein kann, sondern erst im Baubewilligungsverfahren hinsichtlich der Errichtung eines Neubaues aufzurollen sein wird, wobei den Beschwerdeführern in diesem Verfahren Gelegenheit zur Erhebung ihrer allfälligen diesbezüglichen Einwendungen zu geben sein wird. Ob also anstelle eines Krankenhauses ein Gewerbebetrieb errichtet werden soll, ist daher bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des den Abbruch bewilligenden angefochtenen Bescheides ohne rechtliche Bedeutung, weshalb die Beschwerdeführer mit dem geschilderten Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermögen.

Schließlich weisen die Beschwerdeführer darauf hin, daß durch eine Bürgerinitiative ein Schutzzonenverfahren eingeleitet worden sei, weshalb das Abbruchbewilligungsverfahren bis zur Erledigung dieses Schutzzonenverfahrens zu unterbrechen gewesen wäre. Die Beschwerdeführer seien dadurch in ihren subjektiven Anrainerrechten schwer beeinträchtigt, weil sie im Falle des Vorliegens einer Schutzzone ein Recht auf die Erhaltung der Bausubstanz des Nachbargebäudes hätten.

In Erwiderung auf dieses Vorbringen genügt ein neuerlicher Hinweis auf die vorstehend wiedergegebenen Regelungen des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien, mit der Ergänzung, daß die Bestimmungen der Bauordnung für Wien über Schutzzonen nicht dem Schutz der Nachbarn dienen, sodaß die Beschwerdeführer daraus auch keine subjektiv-öffentlichen Rechte, also vor allem keinen Rechtsanspruch auf eine allfällige Unterbrechung des Abbruchbewilligungsverfahrens, ableiten können. Im übrigen hatte die belangte Behörde - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen - bei ihrer Entscheidung von der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegebenen Rechtslage und sohin davon auszugehen, daß in dem für die in Rede stehende Liegenschaft geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan noch gar keine Schutzzone ausgewiesen war. Die Beschwerdeführer sind daher auch unter diesem Gesichtspunkt durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt worden.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil die Verwaltungsakten auch im Zusammenhang mit der gegen denselben angefochtenen Bescheid gerichteten Beschwerde, welche unter der hg. Zl. 88/05/0096 protokolliert worden ist, vorgelegt worden sind, sodaß in jedem der beiden Beschwerdefälle jeweils nur der halbe Vorlageaufwand zuzusprechen war.

Wien, am 7. Juli 1988

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