Normen
AVG §45 Abs2
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
KFG 1967 §102 Abs1
KFG 1967 §102 Abs4
KFG 1967 §4 Abs2
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VStG §6
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1988:1988020123.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe „am 16.6.1987 als Lenker des Kraftfahrzeuges W nn 1) um 11.05 Uhr in Wien 20, Webergasse 2 und 2) um 11.07 Uhr in Wien 20, Webergasse Ecke Treustraße mit dem .... Kraftfahrzeug ungebührlichen Lärm verursacht, indem“ er „den Motor aufheulen“ ließ „und die Räder zum Quietschen“ brachte.
Dadurch habe er zwei Übertretungen nach § 102 Abs. 4 KFG 1967 begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 102 Abs. 4 KFG 1967 in der Fassung der 9. Novelle, BGBl. Nr. 552/1984, ist es dem Lenker eines Kraftfahrzeuges u.a. verboten, mit diesem ungebührlichen Lärm zu verursachen. Die Ursache für die Lärmentwicklung darf nicht ein Defekt des Kraftfahrzeuges sein; diesfalls würde eine Übertretung nach § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 KFG 1967 vorliegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. Nr. 10.493 A/1981, das zwar zur Rechtslage vor Inkrafttreten der 9. Novelle ergangen ist, die aber in Ansehung des zitierten Rechtssatzes keine Änderung gebracht hat).
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, daß der Beschwerdeführer vom Meldungsleger aufgefordert wurde, sein Kraftfahrzeug aus einer beschilderten Halteverbotszone zu entfernen, dabei den Motor laut aufheulen ließ und mit durchdrehenden und quietschenden Antriebsrädern wegfuhr, an der nächstgelegenen Kreuzung scharf abbremste und sodann abermals mit quietschenden Reifen abbog.
1. Der Beschwerdeführer bringt vor, es liege Verfolgungsverjährung vor, weil in der Frist des § 31 Abs. 2 VStG 1950 keine „Begründung für die Ursache der Lärmerregung“ erfolgt sei.
Dieser Vorwurf geht schon deswegen ins Leere, weil in der Anzeige vom 16. Juni 1987 der gesamte entscheidungsrelevante Sachverhalt, darunter insbesondere die Elemente „Aufheulen des Motors“, „Quietschen der Reifen“ und „unsachgemäße Inbetriebnahme“, enthalten waren und dem Beschwerdeführer diese Anzeige bereits am 13. November 1987, demnach innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist, zur Kenntnis gebracht wurde.
2. Die zu § 102 Abs. 4 in der Fassung vor der 9. Novelle getroffene Aussage, die Ursache für die Lärmentwicklung müsse in der Begründung des Straferkenntnisses genannt werden (VwSlg. Nr. 7746 A/1970), ist ebenfalls noch aktuell. Einer Angabe der Ursache des Lärms im Spruch des Straferkenntnisses bedurfte es daher nicht. Im übrigen ist darauf zu verweisen, daß in dem von der belangten Behörde neu formulierten Spruch ebenfalls vom „Aufheulenlassen des Motors“ und „Zum‑Quietschen‑Bringen der Räder“ die Rede ist. In diesem Zusammenhang stellt es keine Rechtswidrigkeit dar, wenn im Spruch nicht zwischen den beiden Tathandlungen in der Weise unterschieden wird, daß in einem Fall das Aufheulen des Motors und das Quietschen der Räder, im anderen nur letzteres Ursache des erzeugten Lärms gewesen sei.
Es kann auch keine Rede davon sein, daß der von der belangten Behörde formulierte „Schuldvorwurf“ weit über den „Schuldvorwurf“ im erstinstanzlichen Straferkenntnis, der Beschwerdeführer hat jeweils „durch unsachgemäße Inbetriebnahme vermeidbaren Verkehrslärm verursacht“, hinaus gehe. Die belangte Behörde hat lediglich den bereits von der Erstbehörde festgestellten Sachverhalt dem § 102 Abs. 4 KFG 1967 in der Fassung der 9. Novelle, deren Geltung die Erstbehörde offenbar übersehen hat, unterstellt. Hiezu war sie gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 verpflichtet.
3. Der Beschwerdeführer bestreitet auch, daß die durch sein Fahrverhalten hervorgerufenen Geräusche „ungebührlicher Lärm“ im Sinne des Gesetzes gewesen seien. Er begründet dies zum einen damit, daß die Fahrbahn mit nassem Sand bedeckt gewesen sei, und rügt die Nichteinholung einer Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik.
Dazu ist zunächst festzuhalten, daß die Behörde ‑ was die Witterung zur Tatzeit anlangt ‑ von Fahrbahnnässe ausgegangen ist. Wie immer sein diesbezügliches Vorbringen zu deuten ist ‑ daß Reifenquietschen auf einer mit nassem Sand oder Schotter bedeckten Fahrbahn nicht möglich sei oder daß ein solches Geräusch auch bei ordnungsgemäßem Betrieb des Kfz auf einer derart beschaffenen Fahrbahn nicht vermieden werden könne -, stellt es eine durch nichts belegte, der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechende Behauptung des Beschwerdeführers dar. Es bleibt auch unerfindlich, was die vom Beschwerdeführer vermißte Auskunft der genannten Anstalt zu diesem Thema hätte bringen können. Im übrigen hat es der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich für möglich erachtet, daß die Räder des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges „durchgedreht“ hätten. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß sich die Behauptung, auf der Fahrbahn sei nasser Sand gelegen, offensichtlich nur auf den Tatort der ersten Übertretung bezogen hat, hinsichtlich derer jedenfalls auch das Aufheulen des Motors als (weitere) Lärmursache angenommen wurde.
4. Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß der von ihm verursachte Lärm nie quantifiziert worden sei. Er vermißt auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und inwieweit Verkehrslärm in einer Großstadt überhaupt als ungebührlich beurteilt werden kann.
In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Verkehrslärm an sich selbstredend nicht ungebührlich ist. Von einem ungebührlichen Lärm kann jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn ein Kraftfahrzeug in einer Weise betrieben wird, die dem Standard üblicher Verhaltensweisen im Straßenverkehr entspricht. Die Beurteilung, ob von diesem Standard abgewichen wird und diese Abweichung die Ursache dafür ist, daß erheblich lautere als gewöhnliche Betriebsgeräusche erzeugt werden, kann einem in der Überwachung des Straßenverkehrs geschulten Sicherheitsorgan zugetraut werden (vgl. das zu § 102 Abs. 4 KFG 1967 in der Fassung vor der 9. Novelle ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. März 1977, Zl. 1039/76). Der vom Beschwerdeführer vermißten Angabe einer „Meßeinheit bzw. Bezugspunkt hinsichtlich des .... Lärms“ bedurfte es angesichts der vom Meldungsleger angegebenen, jedenfalls über gewöhnliche Betriebsgeräusche hinausgehenden Geräusche nicht.
5. Der Beschwerdeführer bringt ferner vor, er sei von einer Pollenallergie befallen gewesen und habe sich deswegen in einer „Notstandssituation“ befunden. Er habe so rasch wie möglich eine Apotheke aufsuchen wollen, um Medikamente zur Linderung seines Leidenszustandes zu erwerben.
Damit macht er aber keinen schuldausschließenden Notstand im Sinne des § 6 VStG 1950 geltend, weil keine Rede davon sein kann, er habe sich nur durch Begehung der ihm zur Last gelegten Handlungen ‑ die zur Erregung ungebührlichen Lärms geführt haben ‑ von einer schweren unmittelbar drohenden Gefahr befreien können. Schnelles Wegfahren ist nicht notwendigerweise mit „Reifenquietschen“ und „Motorheulen“ verbunden.
6. Mit seinem weiteren Vorbringen, er habe in seinem Leidenszustand das Fahrzeug nicht so in der Gewalt gehabt wie üblich, macht der Beschwerdeführer geltend, ihn hätte an der Lärmverursachung kein Verschulden getroffen, weil er nicht völlig dispositionsfähig gewesen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, wieso die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Auswirkungen der Pollenallergie ‑ seine Augen seien tränenverquollen gewesen, er habe sich ständig schneuzen müsssen und unter Atemnot gelitten ‑ mit den in Rede stehenden Betriebsgeräuschen in ursächlichem Zusammenhang gestanden sein könnten. Die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen betrafen ausschließlich den Bereich des Gesichtes und Oberkörpers des Beschwerdeführers „Reifenquietschen“ und „Motorheulen“ werden hingegen durch Bestätigung von Kupplungs- und Gaspedal, also mit den Beinen verursacht.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 16. November 1988
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