VwGH 87/14/0128

VwGH87/14/012813.9.1988

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Hnatek, Dr. Pokorny und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der I-Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch Dkfm. DDr. Wilfried Dorazil, Rechtsanwalt in Wien V, Reinprechtsdorferstraße 57/2, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 20. Februar 1986, Zl. 6/34/4-BK/Fu-1986, betreffend Körperschaftsteuer 1980, zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 1980;
BAO §22;
EStG 1972 §18 Abs1 Z4;
KStG 1966 §8 Abs1;
StruktVG 1969 §1 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende GmbH (Beschwerdeführerin) wies in der Körperschaftsteuererklärung für 1980 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von S 22,056.142,-- aus. An Sonderausgaben machte sie "aus Fusion O GmbH" einen Verlustabzug von (berichtigt) insgesamt S 22,842.948,-- geltend. Die Beschwerdeführerin hatte zunächst im Februar 1980 alle Anteile an der zum 31. Jänner bilanzierenden O GmbH erworben. Am 21. Oktober 1980 war dann gemäß § 96 GmbHG, rückbezogen auf den 31. Jänner 1980, eine Verschmelzung der O GmbH mit der Beschwerdeführerin als übernehmender Gesellschaft beschlossen worden.

Die belangte Behörde trug mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid dem aus den Verlusten der O GmbH resultierenden Verlustabzug nicht Rechnung. Begründend führte sie aus, daß bei Übernahme der Stammanteile der O GmbH durch die Beschwerdeführerin und auch bei der Verschmelzung auf Grund der bereits mehrere Jahre hindurch betriebenen Betriebsauflösung das verlustverursachende Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft nicht mehr vorhanden gewesen sei. Weiters bezog sich die belangte Behörde auf die (frühere) Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zum "Mantelkauf" und auf dieser Rechtsprechung zustimmendes Schrifttum. Im Sinne dieser Belegstellen wäre auch im Beschwerdefall ein Mißbrauch von Formen- und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts anzunehmen. Sei doch das im Beschwerdefall anzuwendende Strukturverbesserungsgesetz entsprechend seiner wirtschaftlichen Zielsetzung durchaus wirtschaftlicher Betrachtungsweise zugänglich. Nicht vereinbar mit der Sinngebung des Strukturverbesserungsgesetzes wäre es aber, wenn etwa ein bereits liquidationsreifes Unternehmen ohne Betriebsvermögen unter Ausnutzung der Bestimmungen des Strukturverbesserungsgesetzes fusioniert und damit letztlich nur der Verlustvortrag für die Verwertung in einem anderen Unternehmen "am Leben" erhalten werden sollte. Daß eine uneingeschränkte Möglichkeit des Verlustabzuges auch nicht Wille des Gesetzgebers gewesen sei, gehe aus den Erläuterungen zum Abgabenänderungsgesetz 1980 hervor, in denen es heiße, daß durch die nunmehr im § 1 Abs. 5 des Strukturverbesserungsgesetzes vorgesehene Einschränkung erreicht bzw. klargestellt werden solle, daß bei Verschmelzungen der Übergang der verlustverursachenden Vermögensteile Voraussetzung für den Übergang des Verlustvortragsrechtes sei. Wenn auch diese Einschränkung erst ab 1981 im Wortlaut des Gesetzes verankert sei, könne doch nach dem Sinn des Gesetzes davon ausgegangen werden, daß diese Einschränkung bereits dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Im Beschwerdefall habe die Beschwerdeführerin für den Erwerb der Stammanteile an der O GmbH und insbesondere für die vorgenommene Fusion letztlich keine sachlichen oder wirtschaftlichen Gründe aufzeigen können. Laut einem "Aktenvermerk" vom 30. Jänner 1980 habe sie mit dem Beteiligungserwerb Aktiva von S 514.000,-- und Passiva in Höhe von S 5,715.000 (darunter eine Bankverbindlichkeit von S 4,120.000,--) übernommen. Bei dieser Vermögenskonstellation sei die Bezahlung eines Kaufpreises für den Beteiligungserwerb in Höhe von S 350.000,-- geradezu unverständlich. Weiters falle ins Gewicht, daß die in der Bilanz der O GmbH zum 31. Jänner 1980 noch ausgewiesene Verbindlichkeit von S 6,500.000,-- an den früheren Alleingesellschafter der O GmbH am 13. August 1980, sohin bereits zum Zeitpunkt des Alleineigentums der Beschwerdeführerin an den Anteilen der O GmbH und kurz vor dem auf den 31. Jänner 1980 rückwirkenden Fusionsvertrag, bezahlt worden sei. Die Finanzierung dieses Betrages habe ebenfalls die Beschwerdeführerin übernommen. Insgesamt sei die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit dem Beteiligungserwerb finanzielle Verpflichtungen von rund 12 Mio S eingegangen (Übernahme von Passiven in Höhe von rund 5,7 Mio S, Zahlung des Kaufpreises von S 350.000,-- und Abdeckung der Verbindlichkeit von 6,5 Mio S), wobei lediglich Aktiva von S 514.000.-- (im wesentlichen handle es sich um Forderungsbeträge) als bilanzmäßige Gegenleistung vorhanden gewesen wären. Diese Handlungsweise sei nur dann erklärbar, wenn man die durch den beanspruchten Verlustvortrag erwartete Steuerersparnis von rund 12 Mio S (die gesamte Körperschaftsteuer der Beschwerdeführerin für 1980) in Anschlag bringe. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich des wirtschaftlichen Wertes des Beteiligungserwerbes könne an dieser Auffassung nichts ändern, da es - aus von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid im einzelnen dargelegten Gründen - nicht stichhältig sei. Bei wirtschaftlicher Betrachtung hätte nur der wirtschaftliche Wert des Verlustabzuges den Kaufgegenstand gebildet, eine Betrachtung, für die schließlich auch ein Inserat der Beschwerdeführerin in den Medien betreffend "Übernahme einer Gesellschaft mit Verlustvortrag" spreche. Die Inanspruchnahme der Begünstigung des § 1 Abs. 5 des Strukturverbesserungsgesetzes sei als mißbräuchlich im Sinne des § 22 BAO zu qualifizieren und demnach der geltend gemachte Verlustabzug nicht anzuerkennen.

Die Beschwerdeführerin erhob zunächst beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde, doch lehnte dieser Gerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 13. Juni 1987, B 367/86-12, ab.

In einem ergänzenden Schriftsatz machte die Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Art. I des Strukturverbesserungsgesetzes, BGBl. Nr. 69/1969 (StruktVG) normierte für die "Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften" abgabenrechtliche Begünstigungen. So sah § 1 Abs. 5 leg. cit. in der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 1980, BGBl. Nr. 563 (AbgÄg 1980), folgendes vor:

"Bei Verschmelzungen im Sinne des Abs. 1 und 2 tritt die übernehmende Gesellschaft abgabenrechtlich als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein. Dies gilt auch hinsichtlich des Verlustabzuges gemäß § 10 Abs. 1 Z. 5 des Einkommensteuergesetzes 1967, BGBl. Nr. 268, und des Fehlbetrages gemäß § 6 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. Nr. 2/1954."

2. Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die O GmbH mit der Beschwerdeführerin im Sinne des § 1 Abs. 1 StruktVG verschmolzen wurde. Im Hinblick auf diese Verschmelzung ging das Recht auf den Verlustabzug gemäß dem § 10 Abs. 1 Z. 5 EStG 1967 entsprechenden § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 (§ 109 EStG 1972) von der O GmbH auf die Beschwerdeführerin über. Diesem Übergang liegt die Konstruktion der Gesamtrechtsnachfolge ("Dies gilt auch ...") zugrunde. Es kam also der Beschwerdeführerin der Verlustabzug so zu, wie er der O GmbH zugestanden hätte. Der O GmbH stand aber der Verlustabzug als eine aus dem Zusammenhang mit den einzelnen, das Einkommen bildenden Einkünften völlig losgelöste persönliche Ausgabe zu, die allein an die Identität der juristischen Person geknüpft war und von Umständen wie z.B. dem Wechsel der Gesellschafter, der Änderung des Gegenstandes des Unternehmens, dem Wechsel des Geschäftsführers, ja auch von dem Umstand, ob das Unternehmen der GmbH noch betrieben worden war, unberührt blieb (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 1986, Zl. 84/13/0251). Diese bei der O GmbH für den Verlustabzug unbeachtlichen Umstände konnten im Hinblick auf die Konstruktion des Überganges des Verlustabzuges auf die Beschwerdeführerin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch bei dieser keine Rolle spielen.

3. Für den Verwaltungsgerichtshof ist im Beschwerdefall auch kein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts zu erkennen. Setzt doch ein solcher Mißbrauch nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes - siehe z.B. das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom 26. Juni 1984, Zl. 83/14/0258 - eine im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnliche und unangemessene rechtliche Gestaltung voraus. Von einer ungewöhnlichen oder unangemessenen rechtlichen Gestaltung kann aber nicht gesprochen werden, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar jenen Weg beschreitet, den das Gesetz selbst vorzeichnet, mag auch die Steuerersparnis das Ziel der Gestaltung sein. Der Steuerpflichtige verantwortet - mit anderen Worten - keinen Gestaltungsmißbrauch im Sinne des § 22 BAO, wenn er lediglich eine Steuerbegünstigung auf dem vom Gesetz selbst hiefür vorgesehenen Weg in Anspruch nimmt. Nichts anderes ist aber im Beschwerdefall geschehen: Der Verlustabzug der O GmbH wurde auf dem von Art. I StruktVG vorgezeichneten Weg der Verschmelzung auf die Beschwerdeführerin übertragen.

4. Der belangten Behörde sei zugegeben, daß den Regelungen des Strukturverbesserungsgesetzes das Ziel zugrunde lag (und liegt), die Struktur der österreichischen Unternehmen zu verbessern. Im Interesse dieses Zieles nahm es der Gesetzgeber mit der ursprünglichen Fassung des § 1 Abs. 5 StruktVG zunächst auch in Kauf, daß Verschmelzungen auch (allein) zwecks Verlustverwertung vorgenommen werden konnten. Dies erscheint nicht unbedingt sachfremd, wenn man berücksichtigt, daß Bilanzverlusten in der Regel effektive Vermögensminderungen in der Wirklichkeit gegenüberstehen (vgl. Helbich, Neuerungen im Strukturverbesserungsrecht2, Seite 26). Nichtsdestoweniger konnte die ursprünglich uneingeschränkte Möglichkeit der Verlustverwertung in der Folge als zu weitgehend empfunden werden. Es war dann Sache des Gesetzgebers, die Möglichkeit der Verlustverwertung einzuschränken. Diese Einschränkung fand auch tatsächlich mit dem schon erwähnten AbgÄG 1980 statt, und zwar durch eine Änderung des § 1 Abs. 5 StruktVG (siehe Abschnitt V Art. I Z. 1 AbgÄG 1980). Diese Änderung war aber nach Abschnitt V Art. III AbgÄG 1980 erst auf Verschmelzungen anzuwenden, wenn die Beschlüsse nach dem 31. Dezember 1980 (und vor dem 1. Jänner 1984) zum Handelsregister angemeldet wurden. Davon, daß der Verschmelzungsbeschluß vom 21. Oktober 1980 erst nach dem 31. Dezember 1980 zum Handelsregister angemeldet worden wäre, geht auch die belangte Behörde nicht aus. Ihrer Auffassung aber, die neue Fassung des § 1 Abs. 5 StruktVG hätte ihrem Sinngehalt nach schon der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers entsprochen, steht die sonst entbehrliche Übergangsregelung des Abschnittes V Art. III AbgÄG 1980 entgegen. Sollten die Gesetzesredaktoren in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AbgÄG 1980, 457 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates,

XV. GP, durch die Wendung, mit der im § 1 Abs. 5 vorgesehenen Einschränkung solle "erreicht bzw. klargestellt" werden, daß bei Verschmelzungen der Übergang der verlustverursachenden Vermögensteile Voraussetzung für den Übergang des Verlustvortragsrechtes sei, entsprechend der Auffassung der belangten Behörde eine rückwirkende Einschränkung der Verlustverwertung angestrebt haben, so wäre dies in Anbetracht der Gesetzeslage ein Versuch mit untauglichen Mitteln gewesen. Im übrigen sprechen die Erläuterungen im Zusammenhang mit der Verlustverwertung (und dem "Mantelkauf") allein von einer Einschränkung des Verlustvortragsrechtes, und zwar entsprechend der Empfehlung der Steuerreformkommission. Diese Kommission aber schlug, wie dies die Beschwerdeführerin richtig ins Treffen führt, eine Änderung des Gesetzes vor, daß nämlich die Bestimmungen des Art. I StruktVG beim "Mantelkauf" und bei der Verlustverwertung nur mehr eingeschränkt angewendet werden können sollen (Helige, Dokumentation zur Steuerreformkommission, Seiten 56 und 114). Auch bei Helbich, a. a.O., ist in diesem Zusammenhang von neuen gesetzlichen Bestimmungen und neuen gesetzlichen Regelungen die Rede.

5. Mit ihrer Ansicht, die Verlustverwertung wäre schon für den vom AbgÄG 1980 noch nicht erfaßten Beschwerdefall eingeschränkt, hat die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243. Für bereits im verfassungsgerichtlichen Verfahren zu entrichtende Stempelgebühren konnte kein Aufwandersatz zuerkannt werden.

Wien, am 13. September 1988

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