VwGH 84/13/0251

VwGH84/13/02514.6.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Dorner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. September 1984, Zl. GA 6/2‑2281/1984, betreffend die Körperschaftsteuer 1982 der mitbeteiligten Partei „E“ Vertriebsgesellschaft m. b. H. in W, vertreten durch Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 18/16, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §18 Abs1 Z4
GmbHG §76
KStG 1966 §8 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1984130251.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist eine Gesellschaft m. b. H. und wurde am 18. Oktober 1977 in das Handelsregister eingetragen. Ihr damaliger Betriebsgegenstand war

a) die Herausgabe, das Verlegen, der Druck und der Vertrieb von Büchern, Zeitschriften und Zeitungen;

b) die Weiterführung einer bestimmten Zeitschrift;

c) die Übernahme der Geschäftsführung von gleichen oder ähnlichen Unternehmen.

Auf Grund der von der Generalversammlung der Mitbeteiligten am 20. Dezember 1982 beschlossenen Änderung und Neufassung des Gesellschaftsvertrages wurde am 16. März 1983 in das Handelsregister die Änderung der Firma und des Betriebsgegenstandes eingetragen; der nunmehrige Betriebsgegenstand ist

a) der Handel mit Waren aller Art, insbesondere mit Möbel unter einer bestimmt genannten, auf Möbel hinweisenden Bezeichnung;

b) der Betrieb, die Übernahme und die Vermittlung aller mit dem Gesellschaftszweck in Verbindung stehenden Geschäfte;

c) die Beteiligung an gleichartigen Unternehmungen sowie die Geschäftsführung und Vertretung solcher Unternehmungen.

Das Stammkapital betrug und beträgt weiterhin S 100.000,--. Seit der Änderung und Neufassung des Gesellschaftsvertrages sind an die Stelle der bis dahin vier Gesellschafter zwei von diesen verschiedene neue Gesellschafter getreten; zum selben Zeitpunkt wurde der bisherige Alleingeschäftsführer gegen einen anderen Alleingeschäftsführer ausgewechselt. Die Geschäftsleitung wurde von einem Wiener Gemeindebezirk in einen anderen Wiener Gemeindebezirk verlegt.

Die Mitbeteiligte machte in der Körperschaftsteuererklärung 1982 Verlustabzüge aus 1977 bis 1981 und in der Gewerbesteuererklärung 1982 Fehlbeträge aus 1977 bis 1981 geltend.

Das Finanzamt ließ bei der Erlassung der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbescheide 1982 die geltend gemachten Verlustabzüge und Fehlbeträge außer Ansatz.

Die Mitbeteiligte erhob dagegen Berufung. Sie habe seit 1979 keinerlei Umsätze getätigt. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß durch die Neuübernahme von Stammanteilen und durch die Änderung des Betriebsgegenstandes der Gewerbebetrieb eine Änderung erfahren habe. Die Auffassung, der Steuerpflichtige, der die Verluste erlitten habe, sei nicht ident mit dem, der sie nunmehr als Verlustabzug bzw. Fehlbetrag geltend mache, sei nicht zu teilen.

Die Finanzlandesdirektion gab mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1982 Folge; die Berufung gegen den Gewerbesteuerbescheid 1982 wurde hingegen abgewiesen. Die Mitbeteiligte, deren Anteile an neue mit den bisherigen in keinerlei Zusammenhang stehende Gesellschafter übertragen worden seien, habe spätestens seit 1979 keinerlei geschäftliche Tätigkeit mehr entfaltet. Der bisherige Betriebsgegenstand sei grundlegend umgestaltet worden, sodaß eine wirtschaftliche Kontinuität nicht erkennbar sei; der Ort der nunmehrigen Geschäftsleitung sei ein anderer als jener, den die Gesellschaft vor ihrer grundlegenden Umstrukturierung innegehabt habe. Es sei aber trotzdem die Auffassung zu vertreten, daß mangels Vorliegens einer körperschaftsteuerrechtlichen Regelung der Nichtabzugsfähigkeit derartiger Verlustabzüge und im Hinblick darauf, daß die zivilrechtliche Gestalt der Gesellschaft im konkreten Fall keine Änderung erfahren habe, dem Vorbringen der Mitbeteiligten entsprochen werden müsse und die in der Körperschaftsteuererklärung 1982 geltend gemachten Verlustabzüge Anerkennung zu finden hätten. Zur Gewerbesteuer müsse allerdings bemerkt werden - „wiewohl aus den bereits hinsichtlich der Körperschaftsteuer 1982 getroffenen Erwägungen die Zuerkennung von gewerbesteuerlichen Fehlbeträgen nicht“ vom „Vorliegen der Subjektidentität abhängig“ gemacht werde -, daß in Entsprechung des Grundsatzes der Objektsidentität ein Verlust nur in dem Besteuerungsobjekt vorgetragen werden könne, in dem er erlitten worden sei. Eine Gleichheit des Objekts liege aber nur dann vor, wenn zwischen beiden Tätigkeiten ein enger finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Zusammenhang bestehe. Dies sei jedoch hier nicht gegeben, weshalb das Finanzamt mit Recht dem Begehren der Mitbeteiligten nicht entsprochen habe, bei der Erstellung des Gewerbesteuerbescheides 1982 Fehlbeträge der Vorjahre zu berücksichtigen.

Der Präsident der Finanzlandesdirektion wendet sich in seiner, nur die Körperschaftsteuer 1982 betreffenden Beschwerde gegen die Rechtsansicht, daß einer Kapitalgesellschaft ein Verlustabzug im Sinne des § 8 Abs. 1 KStG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 auch dann zustehe, wenn die Gesellschaft im Rahmen einer durchgreifenden Änderung des Gesellschaftsvertrages Firma, Geschäftsführer und Betriebsgegenstand geändert habe und gleichzeitig auch die Gesellschaftsanteile von neuen Anteilseignern übernommen worden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich ‑ u. a. bei Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung) ‑ was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes. Hiebei sind auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu berücksichtigen. Bei Ermittlung des abzugsfähigen Verlustes sind die Vorschriften des § 10 leg. cit. - Befreiungen bei Schachtelgesellschaften - nicht anzuwenden.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 sind Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen sind, bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 1 leg. cit. oder § 5 leg. cit. auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, die in den fünf vorangegangenen Wirtschaftsjahren entstandenen Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind. Die Höhe des Verlustes ist nach den Vorschriften der §§ 4 bis 14 leg. cit. zu ermitteln.

Beim Verlustabzug handelt es sich um eine aus dem Zusammenhang mit den einzelnen, das Einkommen bildenden Einkünften völlig losgelöste persönliche Ausgabe des Steuerpflichtigen, die - von hier weder behaupteten noch anwendbaren gesetzlichen Ausnahmebestimmungen abgesehen - nur von der Person geltend gemacht werden kann, die den Verlust erlitten hat (vgl. Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG 1972, § 18 Abs. 1 Z. 4, Lfg. Jänner und August 1985, Tz. 4; Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer‑Handbuch2, S 18, Tz. 78).

Dieser Verlustabzug gilt auch für Körperschaften. Wie bei der Einkommensteuer kann er nur von jener Körperschaft in Anspruch genommen werden, die den Verlust erlitten hat (vgl. Mayr, Die Körperschaftsteuer3, 69 f; Hofstätter/Reichel, a. a. O., § 18 Abs. 1 Z. 4, Tz. 4).

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist als solche ein eigenes Rechtssubjekt; sie besitzt selbständige Rechtspersönlichkeit (vgl. Reich‑Rohrwig, GmbH‑Recht, 543). Diese Rechtspersönlichkeit wird durch den Wechsel der von der GmbH verschiedenen Gesellschafter nicht berührt, der Änderung des Gegenstandes des Unternehmens kann spätestens seit der Überwindung der Ultra‑vires‑Lehre (Reich‑Rohrwig, a. a. O., 667) keine Bedeutung mehr beigemessen werden und die Änderung der Firma erschöpft sich im Namenswechsel; die Verlegung des Sitzes im Inland berührt die Rechtspersönlichkeit der GmbH ebensowenig wie der Wechsel des Geschäftsführers als notwendiges Organ der GmbH.

Die Auffassung, daß bei Vorliegen eines sogenannten Mantelkaufes, das ist der Erwerb von allen oder fast allen Anteilen an einer GmbH, deren Unternehmen praktisch nicht mehr betrieben wird, der Verlustabzug versagt werden kann, wenn eine vollkommene Änderung der GmbH in ihrem sachlichen und personellen Substrat eingetreten ist, wird nicht geteilt. Weder § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 noch § 8 Abs. 1 KStG bieten einen Anhaltspunkt dafür, die Nämlichkeit der mit ihren Gesellschaftern nicht identen GmbH verschieden zu beurteilen, je nach dem, ob es die bisherigen Gesellschafter sind, die Firma, Sitz und Gegenstand des Unternehmens ändern, den Geschäftsführer wechseln und weiteres Kapital zuführen, oder ob es neue Gesellschafter sind, die gleiches besorgen.

Die Beschwerde ist deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.

Wien, am 4. Juni 1986

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