VwGH 86/18/0171

VwGH86/18/017130.1.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Petrik und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Renner, über die Beschwerde des RS in D, vertreten durch Dr. Bernhard Kessler, Rechtsanwalt in Dornbirn, Eisengasse 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 30. April 1986, Zl. Ib-292-15/1986, betreffend Übertretungen des KFG 1967, zu Recht erkannt.

Normen

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.170,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 30. April 1986 wurde das gegen den Beschwerdeführer ergangene, mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellte "Straferkenntnis" der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 17. Jänner 1986, mit welchem über den Beschwerdeführer wegen mehrerer am 20. November 1985 begangener Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt worden sind, teilweise bestätigt.

Mit der auf dem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1986 beruhenden Anfrage gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG wurde den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mitgeteilt, daß der angefochtene Bescheid nach vorläufiger Rechtsansicht des Gerichtshofes aus nachstehenden Gründen inhaltlich rechtswidrig sein könnte:

"Gemäß § 18 Abs. 4 AVG 1950 müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Gemäß § 58 Abs. 3 AVG 1950 gelten diese Vorschriften auch für Bescheide. Beide genannten Bestimmungen gelten zufolge § 24 VStG 1950 auch für das Verwaltungsstrafverfahren.

Das bedeutet, daß ungeachtet der Form der Bescheidausfertigung im Sinne des § 18 Abs. 4 AVG 1950 die Urschrift (Konzept, Entwurf, Referatsbogen, etc.) wesentlich mit der Unterschrift versehen sein muß. An diesem Grundsatz hat auch die AVG-Novelle 1982 keine Änderung gebracht, weil diese sich nur auf verschiedene Fälle der formalen Bescheidausfertigungen bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Dezember 1985, Zl. 85/18/0029).

Die belangte Behörde hat unter Bezugnahme auf ein diesbezügliches Ersuchen des Gerichtshofes mit Schreiben vom 6. November 1986 mitgeteilt, daß eine unterfertigte Urschrift des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 17. Jänner 1986 nicht vorgelegt werden kann, wohl jedoch der Verfügungsbogen im Original hinsichtlich des Strafaktes der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn mit der Zahl X-13618-1985, welcher auch das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn umfasse.

Dieser "Verfügungsbogen" enthält, soweit im Beschwerdefall von Bedeutung, neben der Behördenbezeichnung die mit dem Straferkenntnis vom 17. Jänner 1986 übereinstimmende Zahl "X-13618- 1985" und unter der Überschrift "Übertretungen" die ausgefüllten Rubriken "Code", "Strafe S" sowie "Übertretungsparagraph". Unmittelbar unter diesen Rubriken befindet sich neben dem Datum "13.1.86" eine offenbar den Namenszug "H" enthaltene Unterschrift.

Nach Ansicht des Gerichtshofes kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit diesem "Verfügungsbogen" dem Erfordernis des § 18 Abs. 4 erster Satz AVG 1950 entsprochen ist, weil allein auf Grund dieses "Verfügungsbogens" nicht von einer Genehmigung der Erledigung, also nicht davon die Rede sein kann, daß damit das in der Folge ausgefertigte Straferkenntnis vom 17. Jänner 1986 genehmigt worden ist. Dem "Verfügungsbogen" kommt vielmehr nur die Bedeutung einer "Verfügung", also einer Weisung an den oder die Organwalter der Behörde zu, welcher "Code" bei der Erstellung des Straferkenntnisses mit automationsunterstützter Datenverarbeitung zu verwenden, und welche Strafe sowie welche Bestimmung im Sinne des § 44 a lit. b VStG 1950 einzusetzen ist. Erst auf Grund dieser Verfügung wird jene "Erledigung" im Sinne des ersten Satzes des § 18 Abs. 4 AVG 1950, nämlich das Straferkenntnis, erstellt, welche entsprechend dieser zwingenden Anordnung zu genehmigen ist und inhaltlich mit der zuzustellenden Ausfertigung dieses Bescheides übereinstimmen muß. Schon der Umstand, daß in dem "Verfügungsbogen" wesentliche Teile des in der Folge ausgefertigten Straferkenntnisses fehlen (u.a. der Name des Beschuldigten sowie die für die Konkretisierung der ihm angelasteten Übertretungen unabdingbaren Angaben über Tatzeit und Tatort), führt daher dazu, daß der Unterfertigung des "Verfügungsbogens" nicht die Bedeutung einer Genehmigung des als "Erledigung" anzusehenden Straferkenntnisses zukommen kann, was auch mit besonderer Deutlichkeit dadurch zum Ausdruck kommt, daß das Datum der Unterfertigung des "Verfügungsbogens" nicht mit dem des Straferkenntnisses übereinstimmt.

Unter diesen Umständen fehlt daher dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Straferkenntnis mangels Genehmigung der Charakter als Bescheid, weshalb die belangte Behörde auf Grund der dagegen erhobenen Berufung zu deren Zurückweisung wegen Unzulässigkeit verpflichtet gewesen wäre. Die mit dem angefochtenen Bescheid trotzdem ergangene Sachentscheidung ist daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde haben rechtzeitig Stellungnahmen dazu übermittelt.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

Der Gerichtshof erhebt die im vorstehend erwähnten Beschluß vertretene vorläufige Rechtsauffassung zu seiner endgültigen und geht demgemäß davon aus, daß der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Erledigung mangels Genehmigung der Bescheidcharakter fehlt, weshalb die belangte Behörde nicht zu einer meritorischen Erledigung der dagegen erhobenen Berufung berechtigt war, sondern das Rechtsmittel zurückzuweisen gehabt hätte.

In Erwiderung auf die zum hg. Beschluß vom 21. November 1986 erstattete Äußerung der belangten Behörde ist darauf hinzuweisen, daß die ins Treffen geführte sofortige Eruierbarkeit einerseits des Organwalters der Behörde erster Instanz, welcher das Straferkenntnis erlassen hat, sowie andererseits der Behörde, in deren Auftrag dieser Organwalter gehandelt hat, nichts daran zu ändern vermag, daß keine Urschrift genehmigt worden ist, welche mit dem in der Folge ausgefertigten "Straferkenntnis" übereinstimmt und sohin alle für ein solches wesentlichen Bestandteile aufweist. Die bloße Zurechenbarkeit des Organwalters der Behörde sowie dieser selbst kann das erwähnte Erfordernis einer Unterfertigung der Urschrift nicht ersetzen. Im übrigen ist der belangten Behörde durchaus beizupflichten, daß die zu § 18 Abs. 4 AVG 1950 ergangene Novelle BGBl. Nr. 199/1982 als Verwaltungsvereinfachung gedacht war; doch darf nicht übersehen werden, daß sich diese im Beschwerdefall relevante Vereinfachung ausdrücklich auf schriftliche Ausfertigungen bezieht, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, womit aber nichts an dem Grundsatz geändert worden ist, daß jede einer Bescheidausfertigung zugrunde liegende Urschrift wesentlich mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen sein muß. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer dieses Ergebnis im Hinblick darauf als unbefriedigend erachtet, daß Erledigungsentwürfe zufolge § 17 Abs. 3 AVG 1950 von der Akteneinsicht ausgenommen sind. Angesichts der Tatsache, daß unter den gegebenen Umständen nicht vom Vorliegen eines mittels Berufung bekämpfbaren erstinstanzlichen Straferkenntnisses ausgegangen werden durfte, kann der Einwand der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer sei dadurch "kein Nachteil entstanden", daß "auf dem im Akt der Erstbehörde verbleibenden Durchschlag der behördlichen Erledigung eine Unterschrift des betreffenden Organs dieser Behörde nicht aufscheint", zu keinem anderen Beurteilungsergebnis führen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil mit den in der erwähnten Verordnung genannten Pauschalbetrag der gesamte Schriftsatzaufwand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgegolten und die Umsatzsteuer darin enthalten ist.

Wien, am 30. Jänner 1987

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