Normen
GVG NÖ 1973 §1 Abs4
GVG NÖ 1973 §2 Abs2
GVG NÖ 1973 §8 Abs3 litb
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1987:1986020176.X00
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.550,‑ ‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Ausländergrundverkehrskommission beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung von 15. September 1986 wurde „dem Kaufvertrag vom 3. bzw. 4. April 1986, womit der holländische Staatsangehörige C P V von W S das Grundstück 1513/1, KG. G gekauft hat“, gemäß § 1 Abs. 4 i.V.m. § 8 Abs. 3 des NÖ Grundverkehrsgesetzes 1973, LGBl. Nr. 6800‑3 (GVG), die Zustimmung versagt.
Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Oktober 1986 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 „im Grunde des § 8 Abs. 3 lit. b“ GVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 1 Abs. 4 lit. a GVG bedarf jeder Rechtserwerb unter Lebenden an Liegenschaften unbeschadet der Vorschriften der Absatze 1 bis 3 zu seiner Gültigkeit der Zustimmung der Ausländergrundverkehrskommission, wenn er durch natürliche Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, erfolgt. Gemäß § 2 Abs. 2 GVG finden die Vorschriften dieses Gesetzes im Falle des § 1 Abs. 4 keine Anwendung, wenn staatsvertragliche Verpflichtungen entgegenstehen. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß solche staatsvertragliche Verpflichtungen der Anwendung des GVG im vorliegenden Beschwerdefall nicht entgegenstehen; dies stimmt auch mit der ‑ im Hinblick auf den Notenwechsel zwischen der Republik Osterreich und dem Königreich der Niederlande vom 28. Februar 1985, BGBl. Nr. 299/1985, über die (mit 1. Juli 1985 in Kraft getretene) Änderung des Handels‑ und Schiffahrtsvertrages zwischen der Republik Österreich und dem Königreich der Niederlande vom 28. März 1929, BGBl. Nr. 299/1930 ‑ eingeholten Auskunft des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten vom 11. Mai 1987 überein. Gehört aber der Rechtserwerber dem im § 1 Abs. 4 angeführten Personenkreis an, so ist gemäß § 8 Abs. 3 GVG die Zustimmung unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 1 und 2 nur zu erteilen, wenn a) staatspolitische Interessen nicht beeinträchtigt werden und b) am Rechtserwerb ein volkswirtschaftliches, soziales oder kulturelles Interesse des Landes oder einer niederösterreichischen Gemeinde besteht.
Der Beschwerdeführer hat in seinem zugrundeliegenden Antrag vom 22. Juli 1986 geltend gemacht, daß am Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft durch ihn „ein volkswirtschaftliches und soziales Interesse“ bestehe, und dies damit begründet, daß er beabsichtige, „in den Räumen dieses Gebäudes ein Blumenbinderunternehmen zu betreiben, wobei im Verkauf drei und in der Verwaltung ‑ die auch weitere Betriebsstätten des Einschreiters umfassen würde ‑ fünf Arbeitsplätze geschaffen werden würden“. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 15. September 1936 wiederholte der Beschwerdeführer einleitend dieses Vorbringen, fügte jedoch ergänzend hinzu, daß er „tatsächlich ein in der Gemeinde G bereits ansässiges und gut eingeführtes gewerbliches Unternehmen, nämlich jenes der H GesmbH leitet, welches durch den gegenständlichen Grunderwerb erweitert wird“. „Diese Ausdehnung des Unternehmens und die damit verbundene Schaffung neuer und Sicherung bestehender Arbeitsplätze“ liege „aber wohl im volkswirtschaftlichen und sozialen Interesse der Gemeinde G“, die diesem Erwerb auch zugestimmt habe, sowie weiters „im überörtlichen öffentlichen Interesse".
Die belangte Behörde hat die grundverkehrsbehördliche Zustimmung zu diesem Rechtsgeschäft deshalb versagt, weil auf das Bestehen eines der im § 8 Abs. 3 lit. b GVG angeführten Interessen „aufgrund des entscheidenden Umstandes, daß nicht die gewerbliche Unternehmensgesellschaft selbst, nämlich die H GesmbH, sondern der Leiter der Unternehmung für sich das gegenständliche Grundstück gekauft hat, in keiner Weise geschlossen werden kann“. In der während des erstinstanzlichen Verfahrens abgegebenen Stellungnahme der Gemeinde G sei dem Grundstücksankauf durch den Beschwerdeführer keineswegs, wie dieser vermeine, zugestimmt, sondern bloß erklärt worden, daß dagegen kein Einwand bestehe.
Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, daß die Gemeinde G in ihrer Stellungnahme vom 8. September 1986 lediglich mitgeteilt hat, daß gegen das gegenständliche Rechtsgeschäft kein Einwand bestehe, weshalb schon daraus ‑ entgegen der Ansicht des Beschwerdefahrers ‑ das vom Gesetz geforderte positive Vorliegen eines im § 8 Abs. 3 lit. b GVG genannten (und vom Beschwerdeführer behaupteten) Interesses nicht abgeleitet werden kann (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Jänner 1984, Zl. 84/07/0008). Auf die erst am 29. Oktober 1986, somit nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, bei der belangten Behörde eingelangte weitere Äußerung der Gemeinde G vom 27. Oktober 1986, wonach „auf Grund der Schaffung von 5 Arbeitsplätzen seitens der Gemeinde G ein volkswirtschaftliches und soziales Interesse am Ankauf der genannten Liegenschaft durch den Antragsteller besteht“ und „deshalb um positive Erledigung“ gebeten werde, konnte von der belangten Behörde nicht mehr Bedacht genommen werden. Dies vermag aber nichts daran zu ändern, daß sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in einer den Verfahrensvorschriften entsprechenden Weise auseinanderzusetzen gehabt hätte.
Richtig ist wohl, daß die belangte Behörde auf Grund des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers davon ausgehen durfte, daß dieser beabsichtige, die gegenständliche Liegenschaft nicht für ein von ihm geführtes Einzelunternehmen zu verwenden, sondern der Rechtserwerb vielmehr für geschäftliche Zwecke der H Gesellschaft mbH bestimmt sein sollte. In diesem Sinne spricht der Beschwerdeführer in Erwiderung auf die Begründung des angefochtenen Bescheides auch davon, das nach § 8 Abs. 3 lit. b GVG „tatsächlich ausschlaggebend ist, daß der Rechtserwerb einem Interesse des Landes oder einer niederösterreichischen Gemeinde dient“ und „dem Gesetz hingegen nicht zu entnehmen ist, daß die zu diesem Nutzen führenden Umstände ausschließlich in der Person des Erwerbers gelegen sein müssen“ und die Voraussetzung dieser gesetzlichen Bestimmung „nicht erfüllt wäre, wenn das volkswirtschaftliche und soziale Interesse einer Gemeinde an der Schaffung von Arbeitsplätzen nicht durch ein Einzelunternehmen des Liegenschaftserwerbers, sondern durch ein von ihm auf der Liegenschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mbH betriebenes Unternehmen erreicht werden würde“. Auch der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß das genannte Vorhaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verwendung der von ihm erworbenen Liegenschaft das Vorliegen der nach § 8 Abs. 3 lit. b GVG maßgebenden Interessen nicht von vornherein ausschließt. Sicherlich konnte ‑ wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift betont ‑ „der Umstand, daß nicht die H GesmbH, sondern der Leiter des von dieser Gesellschaft betriebenen Unternehmens das gegenständliche Grundstück gekauft hat, nicht als gleichgültig gewertet werden“, doch ließ dieser Umstand für sich allein noch nicht zwingend die von der belangten Behörde gezogene Schlußfolgerung zu, auch wenn „der Käufer niemals die Gründe dafür angegeben und seine Stellung in der Unternehmensgesellschaft nicht definiert hat“. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, von Amts wegen (§ 39 Abs. 2 AVG 1950) den maßgebenden Sachverhalt festzustellen oder feststellen zu lassen (§ 37, 66 Abs. 1 AVG 1950), die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sorgfältig zu berücksichtigen (§ 45 Abs. 2 AVG 1950) und diese sodann in der Begründung des Bescheides klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60, 67 AVG 1950). Sie hatte daher die derzeit bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse an der H Gesellschaft mbH, insbesondere die vom Beschwerdeführer in dieser Gesellschaft eingenommene rechtliche Stellung, klären und sich damit befassen müssen, ob auf Grund dieser Verhältnisse unter Berücksichtigung der von dieser Gesellschaft bereits in G ausgeübten Tätigkeit, allenfalls auch der bestehenden Eigentumsverhältnisse an den dort von ihr benützten Liegenschaften, erwartet werden kann, daß die gegenständliche Liegenschaft die vom Beschwerdeführer behauptete Verwendung finden wird. Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, daß die Beurteilung von Interessen der bezeichneten Art auch von der Einschätzung in der Zukunft eintretender Umstände abhängt, weil das Rechtsgeschäft erst durch die Zustimmung gültig wird und vorher der Nutzung der betroffenen Liegenschaft unzulässig ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 1982, Zl. 81/07/0019, und vom 20. Februar 1986, Zl. 86/02/0014). In diesem Zusammenhang könnte auch die Beantwortung der Fragen durch den Beschwerdeführer, welche Gründe ihn veranlaßt haben, die gegenständliche Liegenschaft im eigenen Namen zu erwerben, anstatt daß als Käufer die H Gesellschaft mbH aufgetreten ist, und welche Schritte er zu unternehmen gedenkt, um die ungehinderte Verwendung dieser Liegenschaft durch die Gesellschaft zu gewährleisten, von Bedeutung sein, weshalb gleichfalls diese noch abzuverlangenden Angaben der Würdigung durch die belangte Behörde zu unterziehen sein werden. Erst dann kann hinreichend beurteilt werden, ob das vom Beschwerdeführer behauptete volkswirtschaftliche und (oder) soziale Interesse am Erwerb dieser Liegenschaft durch ihn gegeben ist.
Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Hinsichtlich der zitierten Erkenntnisse wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in dem mit S 9.270,‑ ‑ pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist und lediglich S 280,‑ ‑ an Stempelgebühren (S 240,‑ ‑ für zwei Beschwerdeausfertigungen S 30,‑ ‑ für eine Bescheidausfertigung und S 10,‑ ‑ für die beglaubigte Vollmacht) beizubringen waren.
Wien, 4. Juni 1987
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