VwGH 84/11/0332

VwGH84/11/033213.3.1987

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde des NG in A, vertreten durch Dr. Christoph Haffner, Rechtsanwalt in Amstetten, Burgfriedstraße 11, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. November 1984, 21. VII/1-F-24.985/1-84, betreffend Kostenersatz für Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §143 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
SHG NÖ 1974 §42 idF 9200-4;
ABGB §143 Abs2;
AVG §38;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
SHG NÖ 1974 §42 idF 9200-4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren hinsichtlich Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Datum 8. Mai 1972 schlossen die Ehegatten J und HG einerseits und B und CK andererseits eine "Vereinbarung", deren Punkt 5.6 wie folgt lautet:

"Bei Pflegebedürftigkeit oder Gebrechen der Ehegatten J und HG übernehmen die Ehegatten B und CK die Verpflichtung, für sie zu sorgen, bzw. für deren Pflege aufzukommen."

HG (Mutter des Beschwerdeführers) wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 20. Jänner 1984 gemäß § 33 Abs. 4 des NÖ. Sozialhilfegesetzes (NÖ. SHG), LGBl. 9200-4, als Hilfe in besonderen Lebenslagen Pflege im NÖ. Landes-Pensionistenheim Amstetten (Pflegeabteilung) ab Aufnahmetag gewährt. Die Genannte wurde am 25. Jänner 1984 in das besagte Pflegeheim aufgenommen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 6. April 1984 wurde JG gemäß § 42 NÖ. SHG verpflichtet, dem Land Niederösterreich zu den Kosten der Sozialhilfe durch Unterbringung seiner Gattin im Landespensionistenheim ab 25. Jänner 1984 einen Ersatzleistungsbetrag von S 100,-- täglich zu leisten. Dieser Bescheid erwuchs (als unangefochten) in Rechtskraft.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 16. April 1984 wurde der Beschwerdeführer nach derselben Gesetzesstelle zu einem Ersatzleistungsbetrag für die Unterbringung seiner Mutter in Höhe von S 60,-- täglich ab dem 25. Jänner 1984 verpflichtet. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung mit der Begründung, zufolge der Vereinbarung vom 8. Mai 1972 seien allein die Ehegatten B und CK ersatzpflichtig. Im übrigen sei nicht geprüft worden, inwieweit der Ehegatte der HG (sein Vater) im Rahmen seiner Unterhaltspflicht Ersatz zu leisten habe.

Mit zwei Bescheiden vom 5. Juni 1984 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Amstetten gemäß § 42 NÖ. SHG B und CK zur Leistung eines Ersatzleistungsbetrages von jeweils S 75,-- täglich ab 25. Jänner 1984; dies mit der Begründung, sie hätten zufolge des Vertrages vom 8. Mai 1972 für HG zu sorgen bzw. für deren Pflege aufzukommen. Die Genannten erhoben jeweils eine Berufung. Mit zwei Bescheiden der NÖ. Landesregierung vom 19. Jänner 1985 wurde diesen Berufungen nur insoweit Folge gegeben, als die Ersatzleistungspflicht erst mit dem 14. März 1984 zu beginnen habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der Ausspruch des erstinstanzlichen Bescheides über die Ersatzleistungspflicht des Beschwerdeführers wiederholt. Zur Berufung des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, es treffe zu, daß primär der Gatte der HG unterhaltspflichtig sei. Dieser sei auch mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 6. April 1984 im Rahmen seiner Unterhaltspflicht (unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit) zu einem Kostenersatz von S 100,-- täglich verpflichtet worden. Weiters sei auch das Ehepaar K auf Grund der vertraglichen Verpflichtung zu einer Kostenersatzleistung herangezogen worden. Die Berufungsbehörde pflichte der Auffassung der Erstbehörde bei, daß das Ehepaar K im Hinblick auf die Textierung des Übergabsvertrages vom 8. Mai 1972 nur zum Ersatz der aus der Pflegebedürftigkeit der HG resultierenden Kosten herangezogen werden könne. Zur Bemessung des dem Beschwerdeführer vorgeschriebenen Ersatzbetrages wurde ausgeführt, die Verpflegskosten für die Mutter des Beschwerdeführers im Landespensionistenheim Amstetten beliefen sich auf S 310,-- täglich; hievon entfielen S 160,-- auf die Grundgebühr (sozusagen der "Lebensunterhalt") und S 150,-- auf die Kosten der (Intensiv)Pflege. Unbestritten geblieben sei die Höhe des ermittelten Einkommens des Beschwerdeführers von S 17.700,-- monatlich inklusive Familienbeihilfe. Nach Abzug eines "Sonderbelastungspauschale" von S 1.200,-- sei, ausgehend von einem anrechenbaren Nettoeinkommen von S 16.500,-- und unter Berücksichtigung der drei Sorgepflichten des Beschwerdeführers, ein Kostenersatzbetrag von S 60,-- täglich errechnet worden. Dies entspreche 11,06 % seines Nettoeinkommens, gerechnet im Jahresdurchschnitt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die in der Sozialhilfesache der HG geführten Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 42 NÖ. SHG haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Empfängers der Sozialhilfe verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten.

Gemäß § 143 Abs. 1 ABGB schuldet das Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Nach Abs. 2 erster Satz dieser Gesetzesstelle steht die Unterhaltspflicht der Kinder der eines Ehegatten im Range nach.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den angefochtenen Bescheid aus den beiden bereits in der Berufung vorgetragenen Gründen. Soweit mit dem Hinweis auf die vertragliche Verpflichtung der Ehegatten B und CK eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides behauptet wird, ist die Beschwerde nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer bringt gegen die Auslegung des Punktes 5.6 der Vereinbarung vom 8. Mai 1972 in der Sache lediglich vor, die Aufteilung der täglichen Pflegegebühr von S 310,-- in die Grundgebühr und in die Kosten für die Intensivpflege sei "bei der rechtlichen Beurteilung unerheblich". Er ist damit nicht im Recht:

Da die vertragliche Verpflichtung, für J und HG "zu sorgen bzw. für deren Pflege aufzukommen" ausdrücklich nur für den Fall von "Pflegebedürftigkeit oder Gebrechen" der Genannten bedungen war, konnte die belangte Behörde B und CK lediglich zum Ersatz der aus der Pflegebedürftigkeit der HG resultierenden Kosten, sohin des "Pflegezuschlages" im Sinne der Kundmachung der NÖ. Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Festsetzung der Pflegegebühren und der Zuschläge zu den Pflegegebühren in den NÖ. Landespensionistenheimen ab 1. Jänner 1984, LGBl. 9201/2-0, und nicht auch zum Ersatz der der HG zur Bestreitung des sonstigen Lebensunterhaltes gewährten Sozialhilfe (der "Grundgebühr" im Sinne der zitierten Verordnung) heranziehen. Dieser auf die "Pflege" eingeschränkten vertraglichen Unterhaltspflicht der Ehegatten B und CK trug die Behörde mit der vom Beschwerdeführer gerügten Aufteilung Rechnung.

Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen verneint der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die primäre Unterhaltspflicht des JG den Bestand einer Unterhaltspflicht seinerseits gegenüber seiner Mutter HG. Das Verfahren habe keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß deren Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten uneinbringlich sei oder daß dieser seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommen könne. Die Behörde habe nicht begründet, warum der in aufrechter Ehe mit HG lebende Ehegatte nicht zum Ersatz der gesamten Pflegekosten herangezogen worden sei.

Diese Einwände führen die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

Im Hinblick auf den subsidiären Charakter der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber jener eines Ehegatten durfte der Beschwerdeführer hinsichtlich der "Grundgebühr" von S 160,-- täglich nur so weit zur Ersatzleistung verpflichtet werden, als JG als primär Unterhaltspflichtiger hiezu nicht in der Lage war. Dies erforderte demnach zunächst die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des JG. Über diese für den Bestand und die Höhe der Ersatzpflicht des Beschwerdeführers entscheidende Frage wurde nun zwar bereits mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 6. April 1984 rechtskräftig abgesprochen. Dieser Bescheid erging allerdings nur an JG. Da der Beschwerdeführer als subsidiär Ersatzpflichtiger dem Verfahren mit dem Genannten nicht als Partei zugezogen worden war und der erwähnte Bescheid mangels einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage keine auch den Beschwerdeführer treffende (erweiterte) Rechtskraft entfaltete (vgl. hiezu sinngemäß die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1985, Zl. 84/11/0118; diesbezüglich wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert), hatte die belangte Behörde im Verfahren des Beschwerdeführers die in Rede stehende Frage ohne Bindung an den bezeichneten Bescheid neuerlich zu klären. Die belangte Behörde hat die Ansehung dieser Frage zum einen dem Beschwerdeführer entgegen dem Gebot des § 45 Abs. 3 AVG 1950 kein Parteiengehör gewährt. Zum anderen hat sie sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit der Behauptung begnügt, JG sei "im Rahmen seiner Unterhaltspflicht (unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit)" zum Kostenersatz verpflichtet worden, und entgegen der ihr gemäß §§ 60, 67 AVG 1950 obliegenden Begründungspflicht nicht dargelegt, von welchen Annahmen und Erwägungen sie dabei ausgegangen ist. Das Nachholen dieser Begründungselemente in der Gegenschrift vermag den aufgezeigten Begründungsmangel nicht zu sanieren. Die im Beschwerdefall unterlaufenen Verfahrensmängel sind wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid gekommen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeführer an Stempelgebühren lediglich S 390,-- zu entrichten hatte (S 240,-- für die zwei Ausfertigungen der Beschwerde; S 120,-- für die Vollmacht; S 30,-- für den in einer Ausfertigung vorzulegenden angefochtenen Bescheid).

Wien, am 13. März 1987

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