VwGH 86/05/0106

VwGH86/05/010625.11.1986

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Leukauf und Dr. Degischer als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungskommissär Mag. Gehart, über die Beschwerde des W F in E, vertreten durch Dr. Erich Sieder, Rechtsanwalt in Enns, Stadlgasse 5, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 2. Juni 1986, Zl. BauR‑6596/1‑1986 Stö/Ja, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. M AG, und 2. Stadtgemeinde E, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §42 Abs1
BauO OÖ 1976 §41 Abs1 lita
BauO OÖ 1976 §41 Abs1 litc
BauO OÖ 1976 §46 Abs3
BauO OÖ 1976 §49
BauRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986050106.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde E vom 12. Februar 1986 wurde der erstmitbeteiligten Partei dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die baubehördliche Bewilligung „für den Umbau im Geschäftshaus in E. und Errichtung von Parkplätzen entsprechend den bei der mündlichen Bauverhandlung aufgelegenen und als solche gekennzeichneten Planunterlagen“ erteilt. Die u.a. auch vom Beschwerdeführer als Nachbar erhobenen Einwendungen wurden gemäß § 50 Abs. 1 und 3 der OÖ Bauordnung 1976 abgewiesen.

Der gegen diesen Gemeinderatsbescheid u. a. auch vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der OÖ Landesregierung vom 2. Juni 1986 gemäß § 102 der OÖ Gemeindeordnung 1979 in Verbindung mit § 67 der OÖ Bauordnung 1976 mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß der Beschwerdeführer durch diesen Gemeinderatsbescheid in seinen Rechten nicht verletzt worden sei.

Nach einer Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes und Wiedergabe der für die Entscheidung maßgebenden Bestimmungen der OÖ Gemeindeordnung 1979 sowie der OÖ Bauordnung 1976 führte die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, daß die Baubehörde erster Instanz nach Durchführung der Bau‑ und Abbruchsverhandlung, zu welcher auch der Beschwerdeführer ordnungsgemäß geladen worden sei, das Baubewilligungsverfahren und das Abbruchsbewilligungsverfahren voneinander getrennt habe, den Abbruch mit Bescheid vom 2. Juli 1985 bewilligt und die Baubewilligung mit Bescheid vom 11. November 1985 erteilt habe. Obwohl diese beiden Verwaltungsverfahren als getrennte, voneinander unabhängig zu beurteilende Verfahren zu betrachten seien, in denen den Parteien jeweils separat die Verfolgung ihrer Rechte zustehe, und Gegenstand des Vorstellungsverfahrens nur die Baubewilligung sei, könne die Vorstellungsbehörde nicht umhin, darauf hinzuweisen, daß der Abbruchsbewilligungsbescheid vom 2. Juli 1985 u. a. dem Beschwerdeführer nicht zugestellt worden sei, obwohl sich die Vorstellungswerber in der Bauverhandlung zumindest schlüssig gegen den Abbruch ausgesprochen hätten. Ohne einer endgültigen Entscheidung in der Angelegenheit des Abbruchsbewilligungsverfahrens vorgreifen zu wollen, müsse des weiteren darauf hingewiesen werden, daß im Sinne der fundamentalen Grundsätze des Verwaltungsverfahrens (§§ 37 ff AVG 1950) den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben sei. Hiezu gehöre jedenfalls auch die Zustellung von Bescheiden. Von einer übergangenen Partei spreche man dann, wenn diese dem Verfahren überhaupt nicht beigezogen oder der das Verfahren abschließende Bescheid ihr gegenüber nicht erlassen worden sei. Als Grundsatz habe hier zu gelten, daß der Bescheid der übergangenen Partei gegenüber keine Rechtswirkungen zu entfalten vermöge. Die übergangene Partei besitze die Möglichkeit, die Zustellung des Bescheides unter Hinweis auf ihre Parteistellung zu begehren, im Falle der Strittigkeit der Parteistellung eine Entscheidung über diese. Es stehe jedenfalls fest, daß über das gegenständliche Abbruchsbewilligungsverfahren keine formale, auch gegenüber den Einschreitern rechtskräftige Entscheidung vorliege. Unbeschadet dessen könne grundsätzlich eine Trennung des Abbruchs‑ bzw. des Baubewilligungsverfahrens durchaus zu Recht erfolgen. Zu beachten wäre allerdings, daß eine rechtskräftige Baubewilligung unter Umständen mangels einer rechtskräftigen Abbruchsbewilligung nicht verwirklicht werden könne. Die Einschreiter seien daher in ihren Rechten auf Grund der Trennung von Baubewilligungsverfahren nicht verletzt, da ihnen als übergangene Nachbarn die Möglichkeit offenstehe, ihre Rechte im Abbruchsbewilligungsverfahren zu wahren. Im Zusammenhang mit den Einwendungen der Vorstellungswerber gegen die Errichtung der für das Bauvorhaben erforderlichen Stellplätze und die von diesen zu erwartenden Emissionen verwies die Aufsichtsbehörde auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1984, Zl. 81/05/0026 (siehe BaurechtsSlg. Nr. 287) und führte dazu ergänzend aus, aus dem Verfahrensakt gehe nicht hervor und sei von den Einschreitern auch nicht behauptet worden, daß auf dem gegenständlichen Baugrundstück mehr als die gemäß § 30 Abs. 1 der OÖ Bauordnung in Verbindung mit der OÖ Stellplatzverordnung vorgeschriebenen Stellplätze errichtet werden sollen. Die gegen die Errichtung der Stellplätze erhobenen Einwendungen gingen daher allein schon aus diesem Grunde ins Leere, zumal auch nicht behauptet worden sei und sich auch kein Anhaltspunkt dafür finde, daß die Stellplätze einer anderen als der „normalmäßigen Verwendung“ im Sinne der zitierten Judikatur zugeführt werden sollen. Maßgebend für die Zulässigkeit eines bestimmten Bauvorhabens samt den damit verbundenen, verpflichtend vorzuschreibenden Stellplätzen sei immer die für das Baugrundstück geltende rechtswirksame Flächenwidmung. Daß der gegenständliche Lebensmittelmarkt in der Flächenwidmungskategorie „Kerngebiet“ gemäß § 16 Abs. 6 des OÖ Raumordnungsgesetzes grundsätzlich zulässig sei, bedürfe keiner näheren Erörterung und sei von den Einschreitern auch nicht bestritten worden. Darüber hinaus dürfe auch noch darauf hingewiesen werden, daß im Kerngebiet selbst Bauten zulässig seien, die eine wesentlich höhere Anzahl von Stellplätzen erfordern (z. B. Versammlungs‑ und Vergnügungsstätten etc.). Aus den geschilderten Überlegungen erübrige sich auch ein Gutachten über die zur Nachtzeit zu erwartenden Emissionen von den Stellplätzen, da die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens nicht verneint worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 46 Abs. 2 der OÖ Bauordnung 1976 können Nachbarn gegen die Erteilung der Baubewilligung mit der Begründung Einwendungen erheben, daß sie durch das Bauvorhaben in subjektiven Rechten verletzt werden, die entweder in der Privatrechtsordnung (privatrechtliche Einwendungen) oder im öffentlichen Recht (öffentlich‑rechtliche Einwendungen) begründet sind. Öffentlich‑rechtliche Einwendungen der Nachbarn sind zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle im Baubewilligungsverfahren nur zu berücksichtigen, wenn sie sich auf solche Bestimmungen des Baurechtes oder eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes stützen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen. Hiezu gehören insbesondere alle Bestimmungen über die Bauweise, die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes, die Lage des Bauvorhabens, die Abstände von den Nachbargrenzen und Nachbargebäuden, die Gebäudehöhe, die Belichtung und Belüftung sowie jene Bestimmungen, die gesundheitlichen Belangen oder dem Schutz der Nachbarschaft gegen Immissionen dienen.

Gemäß § 42 Abs. 1 AVG 1950 finden im Falle ordnungsgemäßer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung Einwendungen, die nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht werden, keine Berücksichtigung, die Beteiligten werden vielmehr dem Vorhaben, das den Gegenstand der Verhandlung bildet, als zustimmend angesehen. Eine dem § 42 AVG 1950 entsprechende Einwendung liegt nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines konkreten subjektiven Rechtes geltend macht. Von der Behörde dürfen daher nur jene Einwendungen berücksichtigt werden, die spätestens bei oder mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind. Dabei sind an die eingetretene Präklusion nicht nur die Baubehörde, sondern auch die Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1983, Zl. 82/06/0193, und die darin zitierte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer hat anläßlich der im Gegenstande abgehaltenen Bauverhandlung entsprechend dem bei dieser Gelegenheit verlesenen Schriftsatz vom 13. Mai 1985 gegen das Bauvorhaben der Erstmitbeteiligten wörtlich nachstehende „Einwendungen“ erhoben:

a) „Die Anzahl der Kundenparkplätze ist zu gering (17 Pkw).

b) Die Ein‑ und Ausfahrt zur Rampe und zum Kundenparkplatz soll nicht über die D‑straße erfolgen.

c) In der D‑straße, im Bereich des M‑Lebensmittelmarktes werden keine Halteverbots‑Verkehrszeichen aufgestellt. Falls dies jedoch vorgesehen ist, betrachten Sie Einwendung 1. c) als hinfällig.“

Der Beschwerdeführer begründete diese „Einwendungen“ im wesentlichen damit, daß der durch die Kunden‑ und Lieferantenfahrzeuge verursachte Verkehrslärm sowie die Luftverunreinigung das nach den gegenwärtigen örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung seines Grundstückes auch als Wohngebiet wesentlich beeinträchtigen werde. Es sei auch zu bedenken, daß bei einer zu geringen Anzahl von Kundenparkplätzen die Kunden mit ihren Kraftfahrzeugen vielleicht bis zu einer halben Stunde parkplatzsuchend durch die umliegenden Wohngebiete fahren würden, was vom Beschwerdeführer als störend und eine wesentliche Beeinträchtigung angesehen werde. Die durch den Kunden‑ und Lieferantenverkehr verursachte durchschnittliche Gesamtdosis an Lärm und Luftverunreinigung während der Geschäftszeit ergebe für den Beschwerdeführer erhebliche Nachteile und „eine störende Belästigung für gesunde und ruhige Wohnverhältnisse“. Im Zusammenhang mit seinem Vorbringen zu lit. a) beantragte der Beschwerdeführer ausdrücklich eine Erhöhung der Kundenparkplätze auf 1 Parkplatz je 10 bis 20 m2 Verkaufsnutzfläche (inklusive Kantinen und Cafeterien).

Die „Einwendungen“ des Beschwerdeführers richten sich demnach nicht gegen jene Immissionen, die von dem zum Bauplatz der Erstmitbeteiligten gehörenden Kundenparkplatz ausgehen werden, sondern vielmehr gegen jene Beeinträchtigungen durch Lärm und Luftverunreinigung, welche von dem durch das beantragte Bauvorhaben auf öffentlichen Verkehrsflächen zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeugverkehr verursacht werden. Dies wird vor allem dadurch deutlich, daß der Beschwerdeführer, wie eben erwähnt, ausdrücklich eine Erhöhung der Zahl der Kundenparkplätze beantragt hat, also sogar zusätzliche Emissionen auf diesem Parkplatz in Kauf zu nehmen bereit ist, um eine Verringerung des Verkehrs auf der an seiner Liegenschaft vorbeiführenden öffentlichen Verkehrsfläche zu erreichen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die beantragte Verlegung der Ein‑ und Ausfahrt zu dem Kundenparkplatz zu verstehen, weil der Beschwerdeführer offenbar davon ausgeht, daß in diesem Falle eventuellen Stauungen von Kraftfahrzeugen in diesem Bereich der öffentlichen Verkehrsfläche begegnet werden könnte. Derartige, also von einer (Zunahme des Verkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen zu erwartende Immissionen auf die Nachbarliegenschaft sind aber nicht (Gegenstand eines im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigenden Nachbarrechtes im Sinne des § 46 Abs. 3 der OÖ Bauordnung 1976, weil der Nachbar keinen Anspruch darauf hat, daß sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht ändern (vgl. dazu u. a. das zur OÖ Bauordnung 1976 ergangene hg. Erkenntnis vom 20. März 1984, Zl. 83/05/0137, BaurechtsSlg. Nr. 214, und die darin zitierte Vorjudikatur). Aus der schon geschilderten Präklusionswirkung ergibt sich daher, daß die erst nach der erwähnten Bauverhandlung erhobenen Einwendungen des Beschwerdeführers nicht zu berücksichtigen waren, weshalb auch im Zusammenhang mit der vorliegenden Beschwerde keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit vorläge, wenn die belangte Aufsichtsbehörde hinsichtlich der bewilligten Errichtung von Stellplätzen zu Unrecht keine Verletzung von Nachbarrechten des Beschwerdeführers angenommen hätte. Es erübrigt sich daher auch eine Erörterung der diesbezüglichen Beschwerdeausführungen.

In Erwiderung auf jenes Vorbringen, mit welchem sich der Beschwerdeführer gegen die der Abbruchsbewilligung gewidmeten Erwägungen in der vorstehend wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides wendet, ist einerseits darauf hinzuweisen, daß diese Frage gar nicht Gegenstand der spruchmäßigen Entscheidung durch den dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bescheid der Baubehörde zweiter Instanz war, und andererseits daran zu erinnern, daß die Erteilung einer Baubewilligung für einen Neubau auch dann rechtlich zulässig ist, wenn eine Abbruchsbewilligung nicht vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1986, Zl. 86/05/0078). Auch wenn der Beschwerdeführer mit Recht darauf hinweist, daß erst nach dem Abbruch gebaut werden kann, so ist er ungeachtet der Frage seiner Nachbarrechte im Verfahren über die Erteilung der Abbruchsbewilligung jedenfalls nicht etwa deshalb durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt worden, weil ihm der Bescheid über die Abbruchsbewilligung bisher nicht zugestellt worden ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, 25. November 1986

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