Normen
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1986:1986040042.X00
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Nach dem Inhalt der mit der Beschwerde vorgelegten Bescheidkopie wurde einer Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18. November 1985, Zl. VIb‑221/257‑85, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 mit Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 7. Jänner 1986 „aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides, die durch die Berufungsausführungen nicht entkräftet werden konnten“, keine Folge gegeben. Hiezu wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom 28. Februar 1985 einen Devolutionsantrag an das Amt der Vorarlberger Landesregierung damit begründet, daß er „als Partei im Sinne des § 8 AVG 1950 mehrere verfahrensrechtliche und materiellrechtliche Anträge, die von der Behörde noch nicht erledigt worden sind“, gestellt habe; des weiteren habe er ausgeführt, es gebe keinerlei Anhaltspunkte, „daß die Behörde nicht in der Lage gewesen wäre, über alle meine Anträge bescheidmäßig abzusprechen“. Der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie habe mit Bescheid vom 8. Juli 1985, Zl. 308.799/1‑III‑3/85, der Berufung gegen den, den Devolutionsantrag zurückweisenden Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. Mai 1985, Zl. VIb‑221/257‑85, keine Folge gegeben. Der nunmehr vorliegende Antrag vom 3. September 1985 schränke den seinerzeitigen Devolutionsantrag vom 28. Februar 1985 insofern ein, als subjektiv privatrechtliche und subjektiv öffentlich‑rechtliche Einwendungen von der Geltendmachung der Entscheidungspflicht ausgenommen worden seien. Diese vom Beschwerdeführer willkürlich vorgenommene Einschränkung berühre jedoch nicht den Umfang des Spruches im rechtskräftigen Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 8. Juli 1985. Zufolge der Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG 1950 sei somit der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, deren „Beschwerdepunkt“ dahin ausgeführt wurde, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen subjektiven Rechten verletzt worden sei, da von der belangten Behörde unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes zu Unrecht sein Antrag vom 3. September 1965 (offenbar richtig: 1985) unter Anwendung der Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Hiezu wird unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgebracht, bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz behänge seit März 1984 zur Zl. 11‑2036, 2037‑1984 ein Verwaltungsverfahren, betreffend die gewerbebehördliche Genehmigung und die baupolizeiliche Bewilligung zur Errichtung einer Tischlereiwerkstätte auf Gp. 161/2, KG. A der Antragsteller F und AM. Er sei unmittelbar Anrainer und Eigentümer der Gp. 161/2, KG. A. Er habe im Zuge dieses Verfahrens eine Reihe von subjektiv privatrechtlichen und subjektiv öffentlich‑rechtlichen Einwendungen im Sinne der §§ 356 Abs. 3 GewO 1973 und 30 Abs. 1 Vorarlberger Baugesetz erhoben. Daneben habe er in diesem Verfahren auch eine Reihe von Anträgen gestellt und Begehren erhoben, die insbesondere zur Wahrung der ihm im wesentlichen in den §§ 17, 37, 43 Abs. 2 und 3, und 45 Abs. 3 AVG 1950 eingeräumten subjektiven Rechte unbedingt notwendig seien. Ein dieses Verfahren erledigender Bescheid liege trotz Ablaufes der im § 73 Abs. 1 AVG 1950 normierten Frist bis heute immer noch nicht vor über seine letztangeführten Anträge und Begehren habe die zuständige Behörde gleichfalls trotz Spruchreife bis heute nicht entschieden. Über seinen Devolutionsantrag vom 28. Februar 1985 samt Urgenz vom 15. April 1985 habe die dafür sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (§ 73 Abs. 2 AVG 1950) mit Abweisung erkannt. Mit Bescheid vom 8. Juli 1985 habe der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie als Berufungsbehörde der von ihm gegen den vorangeführten Bescheid der Oberbehörde erhobenen Berufung mit der Maßgabe keine Folge gegeben, daß im Spruch der Entscheidung der Oberbehörde die Worte „gemäß § 73 Abs. 2 AVG 1950 abgewiesen“ durch die Worte „gemäß § 73 AVG 1950 zurückgewiesen“ ersetzt worden seien. Der nunmehr angefochtene Bescheid bringe im wesentlichen zum Ausdruck, er hätte „unbestrittenerweise im Ermittlungsverfahren Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 erhoben und somit Parteistellung im Sinne dieser Bestimmung erlangt“. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes komme dem Nachbarn das Recht, Entscheidungspflicht geltend zu machen, erst als Berufungswerber gegen den Bewilligungsbescheid zu, es sei denn, daß aus den jeweils anzuwendenden Vorschriften ein rechtliches Interesse des Nachbarn daraus abzuleiten sei, daß über das Bewilligungsverfahren „alsbald“ rechtskräftig entschieden werde. Dem Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage sei aber eine, ein derartiges Interesse begründende Rechtsstellung gesetzlich nicht eingeräumt. Ein Eingriff in die Rechte des Nachbarn könne nämlich solange nicht vorliegen, als die Genehmigung für die Betriebsanlage nicht erteilt worden sei. Mit der an den Landeshauptmann von Vorarlberg als Oberbehörde übermittelten Eingabe vom 3. September 1985 habe er die angerufene Oberbehörde darauf hingewiesen, daß sie - wie auch die nunmehr belangte Behörde - im vorangeführten Bescheid über ein „aliud“ abgesprochen habe, also über etwas, worüber er keine Entscheidung begehrt habe. Hingegen darüber, worüber er eine Entscheidung begehrt habe, sei vom Landeshauptmann für Vorarlberg als Oberbehörde noch keine Entscheidung ergangen. Er habe mit dieser Eingabe dezidiert erklärt, nicht über seine subjektiv privatrechtlichen und subjektiv öffentlich-rechtlichen Einwendungen im Sinne der Gewerbeordnung 1973 und des Vorarlberger Baugesetzes abzusprechen, sondern über die von ihm im Verfahren Zl. 11‑2036, 2037‑1984 der Bezirkshauptmannschaft Bregenz erhobenen, ihm insbesondere in den §§ 17, 37, 43 Abs. 2 und 3 und 45 Abs. 3 AVG 1950 eingeräumten subjektiven „Verfahrensrechte“, die zu einer objektiven Grundlage „zur“ Entscheidung über seine vorher genannten Einwendungen führen sollten. Über seine Eingabe vom 3. September 1985 habe der Landeshauptmann von Vorarlberg am 18. November 1985 einen Zurückweisungsbescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Rechtssache erlassen. Er habe rechtsirrtümlich zum Ausdruck gebracht, das neuerliche Begehren decke sich vollinhaltlich mit den früheren rechtskräftig erledigten Anträgen, sodaß das letzte Begehren (Eingabe vom 3. September 1985) auf eine Abänderung oder Aufhebung eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides abziele. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Jänner 1986 sei seiner Berufung vom 3. Dezember 1985 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 18. November 1985 keine Folge gegeben worden. Sowohl der Rechtsstandpunkt des Landeshauptmannes als auch jener im nunmehr angefochtenen Bescheid sei rechtlich nicht begründet und verletze die ihm zustehenden subjektiven Rechte. Aus der vorangeführten Eingabe vom 3. September 1985 sei sowohl aus dem Begehren als auch aus dem Vorbringen schlüssig ableitbar, daß er insbesondere über die von ihm bei der Erstbehörde mehrfach gestellten Anträge auf Protokollberichtigung, Vorprüfungen nach § 38 AVG 1950 bezüglich vorausgegangener Grundstücksteilungen nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz u.a. abzusprechen begehre. Mit seinen Eingaben vom 28. Februar 1985 und 15. April 1985 habe er hingegen in Devolution gezogen, die Oberbehörde möge ihrer Entscheidungspflicht nach § 73 AVG 1950 in bezug auf die Erlassung bzw. Versagung der Bewilligung der von F und AM. beabsichtigten Betriebsanlage auf der Gp. 161/2, KG A, infolge Säumnis der Erstbehörde nachkommen. Bereits durch den Vergleich seines Begehrens im Devolutionsantrag vom 28. Februar 1985 bzw. vom 15. April 1985 an die Oberbehörde (Landeshauptmann von Vorarlberg) und in der Berufung gegen den darüber ergangenen Bescheid mit seinem Begehren und Vorbringen in seiner Eingabe vom 3. September 1985 an dieselbe Oberbehörde ergebe sich zweifelsfrei, daß er zwei ganz verschiedene Sachverhalte in Devolution gezogen habe. Einerseits habe er die Erlassung eines materiell-rechtlichen Bescheides (Absprechen über den Antrag des F und der AM. über die Genehmigung der Betriebsanlage) begehrt, andererseits (Eingabe vom 3. September 1985) die Erlassung eines verfahrensrechtlichen Bescheides durch die Oberbehörde infolge Säumnis der Erstbehörde hinsichtlich der Erledigung der von ihm bei der Erstbehörde gestellten verfahrensleitenden Anträge. Daraus ergebe sich aber die rechtsirrtümliche Gesetzesanwendung durch die belangte Behörde, wenn sie vom Vorliegen einer „res iudicata“ ausgegangen sei. Er sei zweifelsfrei Partei im Sinne des AVG 1950. Sinn des § 73 Abs. 2 AVG 1950 sei es, den Parteien die Möglichkeit einer rechtlichen Abhilfe gegen Rechtsverweigerung der Behörde zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang wird in der Beschwerde unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Juni 1974, Zl. 375 u.a./74, ausgeführt, daß eine Rechtsverweigerung gegenüber den Nachbarn auch dann vorliege, wenn die Behörde von der ihr gebotenen Möglichkeit, vom Bauwerber in Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG 1950 die Verbesserung eines mangelhaften Bauansuchens bei dessen sonstiger Zurückweisung zu verlangen, nicht Gebrauch mache.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG 1950 sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach Absatz 2 dieser Gesetzesstelle geht, wenn der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solches Verlangen ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht die verfahrensrechtliche Stellung als Partei - im Beschwerdefall im besonderen die Stellung als Nachbar im gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren - noch nicht aus, um die behördliche Entscheidungspflicht geltend zu machen. Es muß vielmehr die Berechtigung zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht hinzutreten. Diese Berechtigung setzt voraus, daß durch die Säumigkeit der Behörde in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher Eingriff liegt solange nicht vor, als nicht über Einwendungen des Antragstellers in einem auf Antrag eines Dritten eingeleiteten erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren abgesprochen wurde (vgl. hiezu sinngemäß die entsprechenden Darlegungen im hg. Beschluß vom 2. Juli 1974, Slg. N.F. Nr. 8649/A, und die dort zitierte hg. Rechtsprechung).
Abgesehen davon, daß auch in der Beschwerde die nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers von seiner Eingabe vom 3. September 1985 erfaßten Antragstellungen im noch nicht bescheidmäßig abgeschlossenen erstbehördlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nicht im einzelnen, sondern lediglich in Form einer allgemeinen rechtlichen Subsumtionsbezeichnung angeführt wurden, was allein schon der Annahme des Vorliegens eines die Rechtsfolgen der Bestimmung des § 73 AVG 1950 bewirkenden Devolutionsantrages entgegenstehen würde, ergeben sich auch aus den „insbesondere“ und „im wesentlichen“ erfolgten Anführungen von Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950, auf die sich die Antragstellungen im Verwaltungsverfahren nach dem Beschwerdevorbringen bezogen haben sollen, keine Hinweise auf eine bescheidmäßige Erledigungspflicht der belangten Behörde (vgl. zur Frage der Abgrenzung von Bescheiden und Verfahrensanordnung insbesondere auch die Darlegungen in Walter‑Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 3. Auflage, Seite 129 f). Unabhängig von diesen Erwägungen sei im übrigen zu dem in der Beschwerde angeführten verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis (Slg. N.F. Nr. 8635/A) bemerkt, daß dieses eine Sach- und Rechtslage zum Gegenstand hatte, die mit den hier in Rede stehenden Bestimmungen über das gewerbliche Betriebsanlagenverfahren nicht vergleichbar ist.
Danach erweist sich aber bereits die Unzulässigkeit des auch nach dem Beschwerdevorbringen der Eingabe vom 3. September 1985 zugrunde liegenden „Devolutionsantrages“.
Ausgehend davon und im Hinblick auf die in der Beschwerde als solche nicht bekämpfte Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer seine Eingabe vom 28. Februar 1985 damit begründet habe, daß er „als Partei im Sinne des § 8 AVG mehrere verfahrensrechtliche und materiell‑rechtliche Anträge, die von der Behörde noch nicht erledigt worden sind“ gestellt habe, kann auch unter Bedachtnahme auf die dargestellten Beschwerdeausführungen eine Rechtswidrigkeit in der Annahme der belangten Behörde nicht erkannt werden, daß die Formulierung des „Devolutionsantrages“ in der Eingabe vom 3. September 1985 eine bei Beurteilung im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 zu berücksichtigende Änderung des bereits vom vorangegangenen bescheidmäßigen Abspruch erfaßten Begehrens nicht bewirkt habe.
Da sohin schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 8. April 1986
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