Normen
EStG 1972 §106;
EStG 1972 §34;
EStG 1972 §106;
EStG 1972 §34;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 20. Dezember 1982 beantragte der Beschwerdeführer, ihm "den Pauschbetrag für Gallendiät" gemäß § 106 EStG 1972 für 1983 auf der Lohnsteuerkarte einzutragen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die bereits beim Finanzamt erliegende, vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung ausgestellte Bescheinigung, wonach er wegen Gallen- und Gelenkleiden zu 30 % erwerbsgemindert sei. Das Finanzamt gab dem Antrag des Beschwerdeführers statt und setzte den monatlichen Freibetrag mit S 550,-- fest. Die Berücksichtigung dieses Betrages ist ebenso wie seine Höhe nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
In der Folge beantragte der Beschwerdeführer "zusätzlich zum Pauschale für Gallenkranke" die Berücksichtigung weiterer Auslagen "für Erhaltung der Gesundheit" als außergewöhnliche Belastungen für 1983. Der geltend gemachte Betrag von S 12.331,10 setzte sich aus Rezeptgebühren, Behandlungsbeiträgen an die Krankenversicherungsanstalt, Kosten für Massagen, für die Anschaffung eines Massageapparates, einer Schafwollpolsterdeckenauflage mit Kupfernetz, eines Gelenk- und Nierenwärmers sowie zweier Brillen zusammen.
Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß die in Rede stehenden Aufwendungen in der dem Beschwerdeführer zumutbaren Mehrbelastung gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1972 aufgrund der Höhe seines Einkommens Deckung finden.
Innerhalb offener Frist erhob der Beschwerdeführer, gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher er im wesentlichen ausführte, daß "bei Invaliden die 'zumutbare Mehrbelastung' nicht anzuwenden ist", weshalb die von ihm für 1983 geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen zu berücksichtigen seien.
Nachdem das Finanzamt dieses Rechtsmittel als unbegründet abgewiesen hatte, beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht dasselbe der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung abgewiesen und begründend im wesentlichen ausgeführt:
Krankheitskosten stellten grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung dar und führten zu "einer Ermäßigung der Einkommensteuer (Lohnsteuer), wenn die Aufwendungen die Grenzen der zumutbaren Mehrbelastung übersteigen". Nur in Ausnahmefällen seien "die Bestimmungen über die zumutbare Mehrbelastung nicht anzuwenden".
Laut Bestätigung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 28. April 1982 sei der Beschwerdeführer wegen Gallen- und Gelenkleidens zu 30 % erwerbsgemindert. Das Finanzamt habe ihm daher zu Recht den Pauschbetrag von S 6.600,-- jährlich gewährt.
Gemäß § 106 Abs. 4 EStG 1972 könne der Abgabepflichtige anstelle des Freibetrages gemäß § 106 Abs. 3 leg. cit. die tatsächliche außergewöhnliche Belastung aus dem Titel der Körperbehinderung geltend machen, ohne daß es zur Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1972 komme. Diese Gesetzesbestimmung sei aber nur auf Fälle anzuwenden, in welchen anstelle eines Pauschbetrages die Kosten jener Belastung geltend gemacht würden, die aus dem Titel eben dieser Behinderung tatsächlich erwachsen seien. In allen anderen Fällen, das heiße immer dann, wenn Krankenbehandlungskosten nicht anstelle eines Freibetrages nach § 106 Abs. 3 EStG 1972 treten könnten, weil sie in keinem Zusammenhang mit der Behinderung stünden, für die der Freibetrag gewährt werde, stellten diese Krankenkosten zwar in der Regel auch eine außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1972 dar, sie könnten aber nur nach Maßgabe des § 34 Abs. 4 EStG 1972 berücksichtigt werden.
Laut den vorgelegten Unterlagen leide der Beschwerdeführer auch an einer Myocardiopathie, einem Emphysem, einer rez. Sinusitis max. bds., einer Osteoporose, einer Spondylose der gesamten Wirbelsäule, einer Coxarthrose und an einer Cholecystolithiasis.
Die durch diese Krankheiten entstandenen Mehraufwendungen für Medikamente, Rezeptgebühren, Massagen etc. stünden nach Ansicht der belangten Behörde in keinem ursächlichem Zusammenhang mit dem Gallenleiden des Beschwerdeführers, sondern stellten vielmehr Krankheitskosten dar, die gemäß § 34 EStG 1972 erst nach Abzug der zumutbaren Mehrbelastung steuerlich berücksichtigt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die "wegen unrichtiger Beurteilung des Sachverhaltes" erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 106 Abs. 1 EStG 1972 ist auf Antrag ein Freibetrag zur Abdeckung etwaiger außergewöhnlicher Belastungen, die durch eine Körperbehinderung des Steuerpflichtigen veranlaßt sind, zu gewähren. Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich gemäß § 106 Abs. 2 leg. cit. nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Die Tatsache der Körperbehinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit sind durch eine amtliche Bescheinigung der zu dieser Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist nach § 108 Abs. 2 Z. 4 EStG 1972 in Fällen wie dem vorliegenden das Gesundheitsamt, im Bereich der Stadt Wien der Amtsarzt des jeweiligen Bezirkspolizeikommissariates.
§ 106 Abs. 4 EStG 1972 normiert, daß, wird anstelle des Freibetrages gemäß Abs. 3 die tatsächliche außergewöhnliche Belastung aus dem Titel der Körperbehinderung geltend gemacht,
§ 34 Abs. 4 nicht anzuwenden ist.
Im Streitfall hat der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine durch den Amtsarzt bei der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung bestätigten 30%igen Erwerbsminderung beim Finanzamt den Antrag auf Eintragung des ihm nach § 106 EStG 1972 zustehenden Freibetrages für 1983 gestellt. Als Grund für die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers hat der Arzt ein Gallen- und Gelenksleiden angegeben. Das Finanzamt ist dem betreffenden Begehren des Beschwerdeführers nachgekommen, hat ihm unter Berücksichtigung des Aufwandes für Diätverpflegung jedoch einen wesentlich höheren Freibetrag als den im § 106 Abs. 3 EStG 1972 ausgewiesenen gewährt. Diese Vorgangsweise der Abgabenbehörde ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens; auch wurde der Beschwerdeführer durch dieselbe in keinem subjektiven Recht verletzt.
Strittig ist vielmehr lediglich, ob die vom Beschwerdeführer im einzelnen geltend gemachten Aufwendungen "für Erhaltung der Gesundheit" im Sinne der Bestimmung des § 106 Abs. 4 EStG 1972, also ohne Anwendung des § 34 Abs. 4 leg. cit., als außergewöhnliche Belastungen zu behandeln sind oder nicht.
Der belangten Behörde ist beizustimmen, wenn sie sinngemäß die Auffassung vertritt, daß § 106 Abs. 4 EStG 1972 lediglich für den Steuerpflichtigen die Möglichkeit schaffen soll, anstatt des ihm gemäß § 106 Abs. 3 leg. cit. im Hinblick auf seine Behinderung wohl vor allem aus Gründen einer Verwaltungsvereinfachung gewährten Pauschbetrages die Kosten jener Belastung geltend zu machen, die ihm aus dem Titel eben dieser Behinderung tatsächlich erwachsen sind. Ausschließlich, in einem solchen Fall findet bei Behandlung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung § 34 Abs. 4 EStG 1972 keine Anwendung. In allen anderen Fällen jedoch, das heißt immer dann, wenn Krankenbehandlungskosten nicht anstelle eines Freibetrages nach § 106 Abs. 3 leg. cit. treten können, weil sie in keinem Zusammenhang mit der Behinderung stehen, für welche dieser Freibetrag gewährt wird, stellen diese Krankheitskosten zwar in der Regel auch eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1972 dar, sie können aber nur nach Maßgabe des § 34 Abs. 4 leg. cit. steuerliche Berücksichtigung finden (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. September 1983, Zlen. 82/13/0111, 82/13/0186).
Auf der Basis dieser Rechtsauffassung ist zunächst davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer neben dem von ihm beantragten und vom Finanzamt - wenn auch in einem höheren Betrag als dieser gesetzlichen Regelung entsprochen hätte - gewährten Freibetrag nach § 106 Abs. 3 EStG 1972 nicht noch weitere tatsächliche Mehraufwendungen aus seiner Körperbehinderung als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 106 Abs. 4 EStG 1972, also ohne Anwendung des § 34 Abs. 4 leg. cit. mit Erfolg geltend machen konnte. Eine solche Geltendmachung derartiger individueller Kosten wäre nämlich nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nur anstelle des Pauschbetrages möglich gewesen.
Die belangte Behörde vertritt aber in dem angefochtenen Bescheid die Ansicht, daß die in Rede stehenden, als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten Krankheitskosten überhaupt in keinem Zusammenhang mit jenen Behinderung (Gallen- und Gelenksleiden) stehen, die die Basis für die ärztlich festgestellte Erwerbsminderung des Beschwerdeführers darstellen, sondern daß es sich vielmehr um Aufwendungen im Hinblick auf jene Gebrechen handelt, an welchen der Beschwerdeführer laut Bestätigung der Dr. TS vom 21. August 1984 daneben noch leidet. Von dieser Auffassung durfte die belangte Behörde umso eher ausgehen, als der Beschwerdeführer dieselbe weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde durch konkrete Ausführungen bestritten hat und auch über Ersuchen des Finanzamtes für die Beantwortung der Frage, inwieweit die in Rede stehenden Aufwendungen im Zusammenhang mit seinem Gallenleiden stehen, eine ärztliche Bestätigung vorzulegen, lediglich das schon erwähnte Schreiben der Dr. S beigebracht hat, welches nur eine Aufzählung weiterer Krankheiten des Beschwerdeführers enthält.
Durfte die belangte Behörde aber, ohne sich einer Rechtsverletzung schuldig zu machen, zu dem Schluß gelangen, daß die in Streit stehenden Aufwendungen - etwa bei den Kosten für zwei Brillen erscheint es völlig eindeutig - mit der Behinderung, für welche dem Beschwerdeführer ein Freibetrag nach § 106 EStG 1972 gewährt wird, in keinem Zusammenhang stehen, dann kann ihrer Ansicht nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, daß diese Kosten wohl außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1972 darstellen, sie aber nur nach Maßgabe des § 34 Abs. 4 leg. cit. steuerliche Berücksichtigung finden können. Die diesbezüglich aber getroffenen Feststellungen, wonach die betreffenden Ausgaben in der dem Beschwerdeführer zumutbaren Mehrbelastung "Deckung finden", wurden von diesem nicht bekämpft.
Da sich demnach der angefochtene Bescheid nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit als belastet erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am 28. Mai 1986
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