VwGH 85/08/0003

VwGH85/08/000325.4.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident DDr. Heller und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Knell, Dr. Puck und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Gerscha, über die Beschwerde des MK in S, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Bahnhofstraße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 16. November 1984, Zl. 14-SV-3002/4/84, betreffend Beitragsnachzahlung (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse in Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §44 Abs1;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §54;
ASVG §44 Abs1;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §49 Abs2;
ASVG §54;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für soziale Verwaltung) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. Jänner 1983 traf die mitbeteiligte Kärntner Gebietskrankenkasse dem Beschwerdeführer als Dienstgeber gegenüber folgende Feststellung:

"Für die Dienstnehmer SJ, geboren 7.1.JJJJ und WG, geboren 30.9.JJJJ ist bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration für das Jahr 1980 und für den Dienstnehmer SJ, geboren 7.1.JJJJ für das Jahr 1981 die diesen Personen jeweils gewährte, auf den Stundenlohn bezogene Prämie für Arbeiten, die vom Dienstgeber als gut anerkannt werden, einzubeziehen.

Aus diesem Grunde ist die Beitragsgrundlage für die Errechnung der Sonderbeiträge gemäß § 54 Abs. 1 ASVG für die Dienstnehmer SJ für das Jahr 80 um S 3.962,--, WG für das Jahr 1980 um S 1.380,-- und für SJ für das Jahr 1981 um S 4.910,-- zu erhöhen.

Die aus diesem Titel resultierende Beitragsvorschreibung von S 3.320,40 erfolgte am 2.12.1982 gesondert, wobei die Fälligkeit dieser Beiträge gemäß § 58 Abs. 1 ASVG bereits eingetreten ist."

In der Begründung heißt es, daß gemäß § 49 Abs. 1 ASVG unter Entgelt jene Geld- und Sachbezüge zu verstehen seien, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch habe oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhalte. Gemäß "Abschnitt II leg. cit." seien als Sonderzahlungen Bezüge im Sinne des Abs. 1 anzusehen, die in größeren als den Beitragszeiträumen gewährt werden. Durch diesen Hinweis auf Abs. 1 des § 49 ASVG sei sichergestellt, daß auch bei den Sonderzahlungen jedenfalls jener Anspruch maßgeblich sei, welcher sich aus den kollektivvertraglichen Mindestnormen ergebe. Auf die Beschäftigungsverhältnisse der im Spruch genannten Dienstnehmer sei der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe anzuwenden. In den Abschnitten XVII und XVIII des zitierten Kollektivvertrages sei der Anspruch auf Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration geregelt, wobei in den Punkten 11 bzw. 7 dieser Abschnitte als Berechnungsgrundlage auf den Verdienstbegriff des Abschnittes X hingewiesen werde. Dieser besage, daß unter Verdienst der Arbeitslohn bzw. bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs. 1 Z. 4 Arbeitsverfassungsgesetz - ausgenommen Pauschalentlohnung auf Montage und Baustellen - deren 13-Wochen-Durchschnitt zu verstehen sei. Die beiden in Frage stehenden Dienstnehmer erhielten neben ihrem Grundstundenlohn eine Prämie von S 13,-- (S) und S 6,-- (W) pro Stunde für Arbeiten, die vom Dienstgeber als gut anerkannt würden. Im Sinne der vorerwähnten kollektivvertraglichen Bestimmungen sei die Prämie als Arbeitslohn anzusehen, welcher für die Berechnung der Sonderzahlungen heranzuziehen sei. Daran vermöge auch die mit den Dienstnehmern getroffene Vereinbarung nichts zu ändern, wonach diese Prämie in die Sonderzahlung nicht einzubeziehen sei, da damit unabdingbare kollektivvertragliche Ansprüche geschmälert würden.

Dem vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch wurde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 ASVG und § 54 Abs. 1 ASVG" keine Folge gegeben und der Bescheid der mitbeteiligten Kärntner Gebietskrankenkasse bestätigt.

Zur Begründung wurde nach einer Schilderung des Ganges des Verwaltungsverfahrens ausgeführt:

"Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt jene Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer aus dem Dienstverhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienstverhältnisses vom Dienstgeber oder einem Dritten erhält.

Gemäß Abschnitt II leg. cit. sind als Sonderzahlungen Bezüge im Sinne des Abs. 1 anzusehen, die in größeren als den Beitragszeiträumen gewährt werden.

Unbestritten ist, daß die beiden Dienstnehmer aufgrund ihrer Arbeitsverträge neben ihrem Grundstundenlohn eine Prämie von S 13,-

- (S) und S 6,-- (W) pro Stunde für Arbeiten, die vom Dienstgeber als gut anerkannt werden, erhalten. Unbestritten ist ferner, daß die Berechnung der Sonderzahlung nach dem Entgeltsbegriff des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe zu erfolgen hat. Der Oberbegriff "Verdienst" wird hier allgemein als Arbeitslohn definiert, wobei noch jene Zulagen und Zuschläge angeführt sind, welche in den Verdienst einzubeziehen sind. Da diese Prämie ursächlich mit der Arbeitsleistung zusammenhängt, ist diese dem Arbeitslohn zuzuordnen und in die Sonderzahlungsbeitragsgrundlage einzubeziehen. Daran vermag auch die Vereinbarung, wonach diese Prämie in die Sonderzahlung nicht einzubeziehen ist, nichts zu ändern, da damit unabdingbare kollektivvertragliche Ansprüche geschmälert werden, welche Auffassung auch von der Gewerkschaft Metall - Bergbau - Energie vertreten wird."

Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Er verweist darin auf den Verdienstbegriff nach Punkt X des Kollektivvertrages, der die an die Dienstnehmer S und W auf Grund der mit ihnen getroffenen Sondervereinbarung zur Auszahlung gelangten Zuwendungen nicht umfasse. Im Kollektivvertrag werde hinsichtlich der Berechnung der Weihnachtsremuneration (Punkt XVIII Z. 7) ausdrücklich auf den Verdienstbegriff des Kollektivvertrages hingewiesen, der die gegenständlichen freiwilligen Zuwendungen aber nicht abdecke. Der Verweis auf die Bestimmungen und Definitionen des Punktes XIII des Kollektivvertrages sei verfehlt, weil die gegenständliche Sondervereinbarung keine "Vereinbarung von Prämienarbeit" gemäß Punkt XIII Z. 1 darstelle. Der Beschwerdeführer habe die Dienstnehmer mit den Sondervereinbarungen bessergestellt als es der heranzuziehende Kollektivvertrag tue. Er habe damit aber auch Angelegenheiten einer Regelung unterworfen, die im Kollektivvertrag nicht geregelt seien. Die Sondervereinbarungen seien daher ihrem gesamten Inhalte nach (und damit auch hinsichtlich der Nichteinbeziehbarkeit in die Bemessungsgrundlage für Sonderzahlungen und Abfertigung) als gültig im Sinne der Bestimmung des § 3 ArbVG anzusehen. Ihre zivilrechtliche Gültigkeit und Verbindlichkeit hindere die Einbeziehung der geleisteten freiwilligen Zuwendungen in die sozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage für Sonderzulagen gemäß §§ 49, 54 ASVG.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei beantragten die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unbestritten ist, daß es für die Frage der Höhe der von Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2 ASVG zu entrichtenden Beiträge auf den "Anspruchslohn" oder das (höhere) tatsächlich geleistete Entgelt ankommt (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1984, Zl. 83/08/0012). Unter dem "Anspruchslohn" wird jenes Entgelt verstanden, auf das der einzelne Dienstnehmer Anspruch hat, wobei in denjenigen Fällen, in denen kollektivvertragliche Vereinbarungen in Betracht kommen, zumindest das nach diesen Vereinbarungen den Dienstnehmern zustehende Entgelt die Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherungsbeiträge zu bilden hat. Dies ohne Beachtung des Umstandes, daß ein Lohnteil, der dem einzelnen Dienstnehmer zusteht, tatsächlich nicht bezahlt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1985, Zl. 83/08/0259, u.v.a.).

Es ist daher auch im konkreten Fall von entscheidender Bedeutung, welche Regelung der hier in Betracht kommende Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe in bezug auf die Ansprüche der Dienstnehmer auf Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration enthält. Darüber gibt aber weder der angefochtene Bescheid noch der mit diesem bestätigte Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse hinreichend Aufschluß. In diesen Bescheiden werden wohl rechtliche Erwägungen zu einzelnen Bestimmungen des Kollektivvertrages angestellt, doch fehlen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht über den genauen Inhalt der maßgeblichen Kollektivvertragsbestimmungen. Da die Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211) den Grundsatz "iura novit curia" auf einen Kollektivvertrag nicht anwendet, sind Tatsachenfeststellungen über dessen Inhalt unerläßlich, um die Rechtmäßigkeit eines auf solche Kollektivvertragsbestimmungen gestützten Bescheides prüfen zu können.

Der Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkte einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid - ohne daß auf das übrige Vorbringen in der Beschwerde eingegangen werden konnte -

gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Kostenmehrbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit nach § 110 Abs. 1 ASVG abzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Wien, am 25. April 1985

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