VwGH 85/02/0014

VwGH85/02/001414.3.1985

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Müller, über die Beschwerde des PG in W, vertreten durch Dr. Norbert Schöner, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntnerstraße 44, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 17. Mai 1984, Zl. MA 70-X/G 51/84/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §45 Abs1;
KFG 1967 §45 Abs4;
KFG 1967 §49 Abs6;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1985:1985020014.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.060,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nachdem eine Strafverfügung vom 13. Juni 1983 infolge rechtzeitiger Erhebung eines Einspruches außer Kraft getreten war, erging nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Landstraße, vom 5. März 1984, mit dem der Beschwerdeführer schuldig erkannt wurde, "am 1. 5. 1983 um

22.35 Uhr in Wien 3., Mechelgasse Nr. 1, den Pkw W ...... (Probefahrtkennzeichen) abgestellt, wobei 1) damit keine Probefahrt durchgeführt wurde und wobei 2) nur ein Probefahrtkennzeichen am Fahrzeug angebracht war und dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1) § 45 (4) KFG 2) § 49 (6) KFG begangen" zu haben; über ihn wurden zwei Geldstrafen zu je S 700,--

(je 48 Stunden Ersatzarrest) verhängt; ferner wurde ihm ein Verfahrenskostenersatz von insgesamt S 140,-- auferlegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde auf Grund der rechtzeitig erhobenen Berufung das genannte Straferkenntnis hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, dass die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat:

"Der Beschuldigte ..... hat am 1. 5. 1983 um 22:35 Uhr in Wien 3, Mechelgasse 1, den PKW mit dem Probefahrtkennzeichen .....

1) auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt und somit das Probefahrtkennzeichen nicht auf einer Probefahrt und somit vorschriftswidrig geführt und 2) war an dem Fahrzeug nur ein Probefahrtkennzeichen - nämlich das hintere - angebracht."

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Der Gerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer begründet seine Beschwerdebehauptung, durch die Bestrafung nach § 45 Abs. 4 KFG 1967 in seinen Rechten verletzt zu sein, der Sache nach damit, dass Verfolgungsverjährung eingetreten sei und dass ihm im Spruch des angefochtenen Bescheides als erwiesen angenommene Tat ein Verhalten zur Last gelegt werde, das vom Gesetz nicht mit Strafe bedroht sei.

Dazu ist zunächst festzustellen, dass Verjährung nicht eingetreten ist. Die Formulierung des Spruches der Strafverfügung vom 13. Juni 1983 ("Sie haben am 1. 5. 1983 um 22.35 Uhr in Wien 3., Mechelgasse 1, den Pkw W ..... abgestellt gehabt, wobei

1.) der Verdacht besteht, Probefahrtkennzeichen missbräuchlich

verwendet zu haben ..... ") enthält zwar das Wort "Verdacht", das

im gesetzlichen Tatbestand nicht enthalten ist, und belastet den Spruch der Strafverfügung dadurch auch im Hinblick auf § 44a lit. a VStG 1950 mit Rechtswidrigkeit. Darauf kommt es aber im vorliegenden Zusammenhang nicht mehr an. Entscheidend ist allein, ob die Strafverfügung als taugliche, die Verfolgungsverjährung ausschließende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 zu qualifizieren ist. Dies ist der Fall, da ihr entnommen werden kann, dass dem Beschwerdeführer die missbräuchliche Verwendung eines der Nummer nach bestimmten Probefahrtkennzeichens am Tatort zur Tatzeit infolge Nichtvorliegens einer Probefahrt im Sinne des Gesetzes zum Vorwurf gemacht wird.

Mit seiner weiteren Behauptung ist der Beschwerdeführer aber im Recht: Der oben zitierte Spruch des angefochtenen Bescheides legt dem Beschwerdeführer zur Last, ein Kraftfahrzeug "auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abgestellt und somit das Probefahrtkennzeichen nicht auf einer Probefahrt und somit vorschriftswidrig geführt" zu haben. Dieser Tatvorwurf ist im Gesetz nicht gedeckt. Das bloße Abstellen eines Fahrzeuges auf einer öffentlichen Verkehrsfläche ist für sich noch nicht geeignet, das Vorliegen einer Probefahrt auszuschließen und die Verwendung von Probefahrtkennzeichen mit Rechtswidrigkeit zu belasten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nimmt ein Verhalten des Lenkers (hier das Abstellen des mit Probefahrtkennzeichen versehenen Kraftfahrzeuges) einer Fahrt dann nicht den Charakter einer Probefahrt, wenn es in funktionellem Zusammenhang mit dem Zweck der Probefahrt steht (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 1981, Zl. 81/03/0085). Das Abstellen eines mit Probefahrtkennzeichen versehenen Fahrzeuges kann aber durchaus in funktionellem Zusammenhang mit dem Zweck der Probefahrt stehen; so wurde etwa im zitierten Erkenntnis das Abstellen für eine angemessene Zeit zur Befriedigung von sich täglich einstellenden Lebensbedürfnissen als zulässig qualifiziert.

Ein Missbrauch der Probefahrtkennzeichen liegt erst bei Fehlen dieses funktionellen Zusammenhanges vor. Das Fehlen eines solchen funktionellen Zusammenhanges ist somit ein wesentliches Tatbestandselement einer Übertretung nach § 45 Abs. 4 KFG 1967 und hat demgemäß im Spruch des Straferkenntnisses enthalten zu sein. Der Spruch des angefochtenen Bescheides steht auch mit dessen Begründung insofern in Widerspruch, als in letzterer von einer lediglich kurzfristigen Unterbrechung der Fahrt die Rede ist, die nach Auffassung der belangten Behörde zulässig wäre.

Damit hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in Ansehung der Bestrafung nach § 45 Abs. 4 KFG 1967 mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

2. Die belangte Behörde hat in Ansehung der fehlenden Kennzeichentafel als verletzte Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 44a lit. b VStG 1950 ausschließlich den § 49 Abs. 6 KFG 1967 angeführt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12. Oktober 1984, Zl. 83/02/0273, ausgesprochen, dass es sich bei der letztgenannten Bestimmung um keine Strafnorm handelt. Der normative Gehalt dieser Bestimmung bestehe in der Vorschrift, wie die Kennzeichentafeln am Fahrzeug angebracht sein müssen. Die Regelung enthalte aber keine Aussage darüber, wer es zu verantworten hat, wenn die Kennzeichentafeln nicht dem Gesetz entsprechend am Fahrzeug angebracht sind. § 49 Abs. 6 KFG 1967 stelle weder für sich allein noch in Verbindung mit § 134 eine Vorschrift dar, der eine Person zuwiderhandeln könne. Da die belangte Behörde dies verkannte, hat sie auch diesen Teil des angefochtenen Bescheides mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

3. Der angefochtene Bescheid war zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Hinsichtlich der zitierten Entscheidungen wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer in den Pauschalbeträgen nach der zitierten Verordnung bereits enthalten ist, und Barauslagen im Sinne des Gesetzes nicht entstanden sind.

Wien, am 14. März 1985

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