VwGH 83/12/0057

VwGH83/12/005730.4.1984

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zach und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Drexler, Dr. Närr und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Novak, über die Beschwerde der Dr. V E in L, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Mozartstraße 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 7. September 1979, Zl. 350.10/5‑1111/79, betreffend Feststellung der Dienstpflicht, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56 implizit
B-VG Art18 Abs2
GOG §76 Abs1
RDG §57 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1984:1983120057.X00

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.260,‑‑ binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Richterin des Bezirksgerichtes L in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

Der Präsident des Landesgerichtes X kündigte mit einer als „Präsidialverfügung“ bezeichneten Mitteilung vom 18. Oktober 1978 eine Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihen und Aussprachen für Richter am Freitag, dem 24. November 1978, um 14.15 Uhr, im Landesgericht X an, bei der der Vizepräsident des Oberlandesgerichtes über Fragen der richterlichen Arbeitsmethodik sprechen werde. Die Aussendung enthält folgenden Schlußsatz:

„Die Teilnahme an dieser Veranstaltung ist für die Richter der 1. und 2. Standesgruppe Dienstpflicht, doch wird erwartet, daß auch Richter höherer Standesgruppen nach Möglichkeit zu diesem zweifellos sehr interessanten Vortrag erscheinen.“

Dagegen brachte die Beschwerdeführerin am 21. November 1978 im Dienstweg einen mit 17. November 1978 datierten Antrag an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes X ein, betreffend Feststellung von Dienstpflichten eines Richters. Sie brachte vor, in wiederholten Anordnungen ‑ so in der Verfügung des Präsidenten des Landesgerichtes X vom 18. Oktober 1978 ‑ sei die Teilnahme an Vorträgen zur Dienstpflicht für Richter der 1. und 2. Standesgruppe erklärt worden. Sie stelle daher den Antrag an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes X als Dienstbehörde, gemäß § 2 der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969 gemäß §§ 1 und 3 der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969 festzustellen, daß die Teilnahme an bestimmten, von der Dienstbehörde bezeichneten Vorträgen nicht zur Dienstpflicht eines Richters gehöre. Sie begründete diesen Antrag damit, die Dienstpflichten eines Richters ergäben sich aus gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere des Richterdienstgesetzes (RDG). Darin fänden sich keine Hinweise dafür, daß die Teilnahme an einem Vortrag einem Richter als Dienstpflicht auferlegt werden könne. Soweit der Richter zur sachgemäßen Ausübung seiner Funktion einer Fort‑ und Weiterbildung bedürfe, sei diese seiner eigenen Verantwortung anheimgestellt und könne von der Dienstbehörde nicht angeordnet werden.

In einem Vermerk vom 13. Februar 1979 wurde aktenkundig gemacht, die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag dahin präzisiert, es möge festgestellt werden, daß die Teilnahme an der in der Verfügung des Präsidenten des Landesgerichtes X vom 18. Oktober 1978 genannten Fortbildungsveranstaltung nicht zu ihren Dienstpflichten zählte.

Mit Bescheid vom 5. März 1979 stellte der Präsident des Oberlandesgerichtes X fest, daß die Teilnahme an der mit Verfügung des Präsidenten des Landesgerichtes X vom 18. Oktober 1978 für den 24. November 1978 angesetzten Fortbildungsveranstaltung für Richter zu den Dienstpflichten der Beschwerdeführerin zählte. Begründend führte die Dienstbehörde erster Instanz aus, bei Prüfung des Antrages, für dessen Erledigung der Präsident des Oberlandesgerichtes X zuständig sei (§ 1 Abs. 1 Z. 4, § 2 lit. c Z. 3 der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969), sei davon auszugehen, daß die Anordnung und Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen für Richter im formellen und materiellen Sinn zu den Justizverwaltungssachen gehöre, und zwar zu jenen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes Senaten oder Kommissionen übertragen seien (Art. 87 Abs. 2 B‑VG). Die Anordnung und Durchführung solcher Veranstaltungen sei ihrem Wesen nach eine Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne der §§ 73 ff GOG. Im § 73 GOG, an dessen Verfassungsmäßigkeit kein Zweifel bestehe, und in den weiteren Bestimmungen des Gerichtsorganisationsgesetzes seien die Mittel der Dienstaufsicht nicht erschöpfend aufgezählt. So liege im Recht der Dienstaufsicht die Befugnis, die ordnungsgemäße Ausführung der Geschäfte zu überwachen, die Gerichte (Staatsanwaltschaften) zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten und wahrgenommene Gebrechen abzustellen (§ 76 Abs. 1 GOG). Diese Befugnis erstrecke sich auf alle Personen, die bei den der Aufsicht unterstellten Gerichten verwendet werden, damit auch auf Richter (§ 76 Abs. 2 GOG). Die Gerichte und deren Personal hätten die Anordnungen der mit der Dienstaufsicht betrauten Behörden und Organe genau zu befolgen (§ 76 Abs. 3 GOG). Werde also vom Präsidenten eines Gerichtshofes als Dienstaufsichtsorgan ein Anlaß zur Durchführung beruflicher Fortbildungsveranstalten für Richter gefunden, so sei eine solche Maßnahme im Gerichtsorganisationsgesetz gedeckt. Auch Richter seien verpflichtet, einem Auftrag zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen nachzukommen. Dies ergebe sich aus § 57 Abs. 2 RDG, wonach der Richter den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten habe, soweit er sich nicht in Ausübung seines richterlichen Amtes befinde. In Ausübung seines richterlichen Amtes, bei der er nach Art. 87 Abs. 1 B‑VG allerdings unabhängig sei, befinde sich ein Richter aber nur bei Besorgung der ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zukommenden gerichtlichen Geschäfte mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen seien. Die Durchführung von Fortbildungsveranstaltungen und die Teilnahme an diesen gehöre aber zu den von der richterlichen Unabhängigkeit ausgenommenen Justizverwaltungssachen. Die Teilnahme an solchen Veranstaltungen könne daher einem Richter zur Dienstpflicht gemacht werden. Da die Beschwerdeführerin als Richter der Standesgruppe 2 zu dem mit der Präsidialverfügung vom 18. Oktober 1978 zur Teilnahme verpflichteten Personenkreis zählte, sei ihre Teilnahme an der vom Präsident des Landesgerichtes X für den 24. November 1978 angesetzten Fortbildungsveranstaltung für sie Dienstpflicht.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung an die belangte Behörde, worin sie im wesentlichen ausführte, sie habe ein negatives Feststellungsbegehren gestellt, wogegen die Behörde erster Instanz ein positives Feststellungserkenntnis getroffen habe, das durch ihren Antrag nicht gedeckt sei. Die Auffassung der Dienstbehörde, Richter könnten zur Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen verpflichtet werden, sei durch das Gesetz nicht gedeckt. Ohne gesetzliche Grundlage sei die Dienst‑ bzw. Aufsichtsbehörde nicht berechtigt, besondere Dienstpflichten dem Richter aufzuerlegen, ohne gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Art. 18 B‑VG zu verstoßen. Die Art und Weise der notwendigen Fortbildung sei der eigenverantwortlichen Betätigung des Richters selbst überlassen. Die Frage der richterlichen Fortbildung gehöre dem Bereich der Rechtsprechung und nicht der Justizverwaltung zu. Es wäre sonst der Justizverwaltung das Instrument in die Hand gegeben, durch Weisung über den Umweg des Informations‑ und Bildungsstandes der Richter auf die Rechtsprechung Einfluß zu nehmen. Im Gegenstand sei die Weisung nicht von der vorgesetzten Dienstbehörde (Oberlandesgericht X), sondern von der Aufsichtsbehörde gemäß §§ 73 ff GOG gesetzt worden. Die Handhabung des Aufsichtsrechtes setze aber voraus, daß die Aufsichtsbehörde im Einzelfall Mängel in der Wahrnehmung der Dienstplichten festgestellt hätte. Solche seien im Gegenstand nicht vorgelegen. Es wäre auch unzulässig, im Einzelfall festgestellte Mängel durch eine generelle Aufsichtsmaßnahme gegen alle Richter wahrzunehmen. Die Aufsichtsbehörde wäre daher zur Erteilung einer Weisung der genannten Art nicht zuständig gewesen.

Gehörte die Fortbildung der Richter zur Justizverwaltung, so sei sie gemäß § 73 Abs. 2 GOG Senaten übertragen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge. Begründend führte sie im wesentlichen aus, ein Feststellungsbescheid könne nur dann erlassen werden, wenn ein rechtliches Interesse einer Partei an der Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses gegeben sei, wobei auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 1969, Zl. 206/67, verwiesen wird. Der vom Präsidenten des Landesgerichtes X erteilte Auftrag vom 18. Oktober 1978 an die Richter der Standesgruppen 1 und 2 zur Teilnahme am Vortrag vom 24. November 1978 habe sich nur auf diese Veranstaltung bezogen und nicht auf allfällige in der Zukunft liegende Vorträge, was auch von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden sei. Die von ihr begehrte Feststellung, die Teilnahme an einem bestimmten, von der Dienst‑ bzw. Aufsichtsbehörde bezeichneten Vortrag gehöre nicht zu den Dienstpflichten eines Richters, hätte aber zur Voraussetzung, daß ein entsprechender Dienstauftrag ergangen sei. Da ein solcher Dienstauftrag auch nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin nicht vorliege, fehle es ihr am rechtlichen Interesse für eine Feststellung in der von ihr beantragten Fassung. Ein derartiger Bescheid wäre unzulässig, da ihm kein tatsächlich bestehender Sachverhalt zugrunde liege und er sich nur auf einen als erteilt gedachten Dienstauftrag beziehen könne. Es könne daher dahingestellt bleiben, wie der von der Beschwerdeführerin modifizierte Antrag schließlich gelautet hatte, nämlich wie er aus dem vom Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes X aufgenommenen Aktenvermerk vom 13. Februar 1979 ersichtlich sei oder so wie aus Punkt 1 der Berufung, da nur der Antrag in dem Umfang, wie er aus dem genannten Aktenvermerk hervorgehe, Inhalt eines Feststellungsbescheides sein könne. Zu dem von der Beschwerdeführerin bekämpften Wortlaut des Spruches als positives Feststellungserkenntnis wies die belangte Behörde in der Bescheidbegründung darauf hin, der Spruch eines Bescheides habe gemäß § 59 AVG die vollständige Erledigung der Hauptsache zu enthalten, sei aber nicht an eine von der Partei gewählte Wendung gebunden. Gemäß § 57 Abs. 2 RDG habe der Richter, soweit er sich nicht in Ausübung seines richterlichen Amtes befinde, den dienstlichen Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten. In Ausübung seines richterlichen Amtes befinde sich nach Art. 87 Abs. 2 B‑VG ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausnahme der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen seien. Der Umfang der richterlichen Unabhängigkeit werde also in der Weise bestimmt, daß der Richter bei allen dem Gericht durch Gesetz zugewiesenen Geschäften unabhängig sei, sofern es sich nicht um Justizverwaltungssachen handle. In Justizverwaltungssachen sei der Richter nur dann unabhängig, wenn er in Senaten oder Kommissionen zu entscheiden habe. Bei der richterlichen Fort‑ und Weiterbildung handle es sich um kein dem Gericht durch Gesetz zugewiesenes Geschäft, woraus folge, daß die richterliche Fort‑ und Weiterbildung nicht von der richterlichen Unabhängigkeit umfaßt sei, zumal auch eine Erledigung der richterlichen Fort‑ und Weiterbildung in Senaten oder Kommissionen begrifflich nicht in Betracht komme.

Die richterliche Unabhängigkeit sei daher kein Hindernis für die Erteilung von Dienstaufträgen auf dem Gebiet der richterlichen Fort‑ und Weiterbildung. Daß die richterliche Fort‑ und Weiterbildung eine Voraussetzung für die Erfüllung der richterlichen Dienstpflichten im Sinne des § 57 Abs. 1 RDG sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Die Fort‑ und Weiterbildung sei daher im dienstlichen Interesse gelegen, so daß es durchaus zulässig und unter bestimmten Voraussetzungen dem Vorgesetzten sogar zwingend vorgeschrieben sei (vgl. § 7 Abs. 1 Geo), entsprechende Anordnungen zur Fort‑ und Weiterbildung zu treffen. Auf die Bezeichnung darauf abzielen der Veranstaltungen, sei es als Vortrag, Vortragsreihe, Fortbildungsveranstaltung, Aussprache, Kurs usw. komme es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin überhaupt nicht an. Die weitere materiell‑rechtliche Grundlage für derartige Dienstaufträge ergebe sich neben dem bereits erwähnten § 57 Abs. 1 RDG aus den Bestimmungen über die Dienstaufsicht. Gemäß § 76 GOG liege im Rechte der Aufsicht die Befugnis, die ordnungsmäßige Ausführung der Geschäfte zu überwachen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten und wahrgenommene Gebrechen abzustellen. § 4 des Bundesministeriengesetzes 1973 bestimme, daß im Rahmen der Dienstaufsicht ‑ selbstverständliche unter Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit ‑ dafür Sorge zu tragen sei, daß die Geschäfte in gesetzmäßiger, zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise befolgt werden. Daß gerade ein Vortrag eines erfahrenen und hochqualifizierten Richters über „Fragen der richterlichen Arbeitsmethodik“ im Sinne der im Verfassungsrang stehenden Gebote (Art. 126b Abs. 5 B‑VG) der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit gelegen sei, müsse nicht weiter begründet werden. Der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, daß die Handhabung des Aufsichtsrechtes die im Einzelfall erfolgte Feststellung von Mängeln bei der Wahrnehmung von Dienstpflichten zur Voraussetzung habe, sei durch die genannten Bestimmungen nicht gedeckt. Ziel einer wirksamen Dienstaufsicht müsse es vielmehr sein, Mängel überhaupt nicht aufkommen zu lassen. Die Zuständigkeit des Präsidenten des Landesgerichtes X für den von ihm erteilten Dienstauftrag ergebe sich aus § 74 Abs. 1 GOG, wonach die unmittelbare Dienstaufsicht über die Bezirksgerichte und in Verbindung mit § 31 Abs. 1 GOG auch über den Gerichtshof I. Instanz dem Präsidenten des Gerichtshofes obliege. Die Beschwerdeführerin unterliege einem Rechtsirrtum, wenn sie dem Präsidenten des Gerichtshofes I. Instanz unter Hinweis auf § 73 Abs. 2 GOG die Zuständigkeit zur Dienstaufsicht abspreche. Diese Bestimmung sei durch Art. VI Z. 2 des Bundesgesetzes vom 6. Dezember 1955 über Änderungen des zivilgerichtlichen Verfahrens, BGBl. Nr. 282, eingefügt worden. In den Erläuternden Bemerkungen (505 der Beilagen VII. GP) werde hiezu ausgeführt, die Zusammensetzung der Senate, die in Justizverwaltungssachen zu entscheiden haben (Verwaltungssenate), habe § 154 der Gerichtsinstruktion, RGBl. Nr. 81/1853, geregelt. Bei Änderung durch die Jurisdiktionsnorm, durch das Gesetz RGBl. Nr. 41/1907, durch die Gerichtsentlastungsnovellen und schließlich durch das GOG 1945 sei die Bestimmung des § 154 der Gerichtsinstruktion, soweit sie die Zusammensetzung des Verwaltungssenates betreffe, ersatzlos aufgehoben worden. Es bestehe daher eine Gesetzeslücke. Der Entwurf habe nunmehr die Zusammensetzung dieser Verwaltungssenate geregelt. Die Bestimmung besage daher nicht, wie die Beschwerdeführerin in Übereinstimmung mit Walter, österreichisches Bundesverfassungsrecht, S. 545, Anmerkung 108, meine, daß Justizverwaltungssachen, sofern nichts anderes bestimmt sei, in Senaten zu erledigen seien. Dieser Auslegung widerspreche Art. 87 Abs. 2 B‑VG, der die Erledigung von Justizverwaltungssachen durch Senate und Kommissionen zur Ausnahme mache.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 1 B‑VG, worin sie Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf richterliche Unabhängigkeit (Art. 87 Abs. 1 B‑VG) und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B‑VG) geltend machte.

Mit seinem Erkenntnis vom 26. Februar 1983, B 450/79, wies der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber ab, ob die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sei.

Die Beschwerdeführerin ergänzte im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Beschwerde und machte geltend, sie sei in ihrem Recht, Anordnungen unzuständiger Behörden nicht befolgen zu müssen, sowie im Recht ohne Verpflichtung hiezu an Vorträgen nicht teilnehmen zu müssen und die Art und Weise der beruflichen Fortbildung eigenverantwortlich wahrzunehmen (§ 57 RDG), verletzt. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Rechtsansicht, die der Verfassungsgerichtshof in dem diese Sache betreffenden Erkenntnis vom 26. Februar 1983, B 450/79, ausgesprochen hat, wonach die gegenständliche Präsidialverfügung des Präsidenten des Landesgerichtes X vom 18. Oktober 1978 keine Verwaltungsverordnung darstellt. Der von der Beschwerdeführerin bekämpfte Hinweis, daß die Teilnahme an der Veranstaltung eine Dienstpflicht darstelle, stellt demnach eine unverbindliche Äußerung des Landesgerichtspräsidenten dar, die dessen Rechtsansicht in bezug auf die Teilnahme an der in der Einladung genannten Veranstaltung zum Ausdruck brachte. Von Rechtswirksamkeit konnte der Ausspruch dieser Rechtsansicht gegenüber der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht werden, weil in der genannten Präsidialverfügung auch kein an die Beschwerdeführerin gerichteter individueller Verwaltungsakt (Bescheid, Dienstauftrag oder Weisung) erblickt werden kann. Davon ausgehend, zeigt sich jedoch, daß mangels einer dienstrechtlich wirksamen Anordnung des Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz die Beschwerdeführerin auch nicht verpflichtet war, an der in der Präsidialverfügung des Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz genannten Veranstaltung teilzunehmen.

Daraus folgt aber weiters, daß die Beschwerdeführerin durch die mehrfach genannten Präsidialverfügung des Präsidenten des Gerichtshofes nicht in ihrer dienstrechtlichen Stellung verletzt oder auch nur beeinträchtigt werden konnte. Wie sich aus dieser Rechtslage ergibt, war die Erlassung des von der Beschwerdeführerin begehrten Feststellungsbescheides für sie im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind aber Verwaltungsbehörden nur berechtigt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit von Amts wegen Feststellungsbescheide zu erlassen, sofern ein im öffentlichen Interesse begründeter Anlaß hiezu gegeben ist und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, oder über Antrag einer Partei, die bescheidmäßige Feststellung strittiger Fragen begehrt, wenn der Bescheid im Einzelfall notwendiges Mittel der Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse der Partei liegt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Zl. 2317/77). Wendet man diesen Grundsatz der Rechtsprechung auf den Beschwerdefall an, so ergibt sich daraus, daß die Behörden des Dienstrechtsverfahrens mangels eines Interesses der Beschwerdeführerin an der begehrten Feststellung nicht berechtigt waren, einen Feststellungsbescheid überhaupt zu erlassen. Vielmehr hätte die Dienstbehörde erster Instanz den Antrag der Beschwerdeführerin zurückweisen müssen, weil keine Weisung vorlag, deren Verpflichtung zu überprüfen gewesen wäre.

Da die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid ‑ statt ihn aufzuheben ‑ bestätigte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser mußte daher der Aufhebung gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 verfallen, ohne daß auf die Rechtsfrage einzugehen ist, ob die Verpflichtung eines Richters zu bestimmten Veranstaltungen der „Fort‑ oder Weiterbildung“ im Rahmen der Dienstaufsicht durch § 76 Abs. 1 des Gerichtsorganisationsgesetzes oder durch § 57 Abs. 2 des Richterdienstgesetzes gedeckt ist.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, 30. April 1984

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