Normen
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art87 Abs1
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
GOG 1896 §74
RDG §57
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art87 Abs1
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
GOG 1896 §74
RDG §57
Spruch:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit einer als "Präsidialverfügung" bezeichneten Mitteilung vom 18. Oktober 1978 hat der Präsident des Landesgerichtes Linz angekündigt, daß die nächste Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihen und Aussprachen für Richter am Freitag, dem 24. November 1978 um 14.15 Uhr im Landesgericht Linz stattfinden und hiebei der Vizepräsident des Oberlandesgerichtes über Fragen der richterlichen Arbeitsmethodik sprechen werde. Die Mitteilung enthält auch den Hinweis, daß die Teilnahme an dieser Veranstaltung für die Richter der ersten und zweiten Standesgruppe eine Dienstpflicht darstelle.
Am 17. November 1978 stellte die Beschwerdeführerin als Richterin des Bezirksgerichtes Linz in der damaligen Standesgruppe 2 an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz den Antrag, er möge feststellen, daß die Teilnahme an der in der Präsidialverfügung vom 18. Oktober 1978 genannten Veranstaltung nicht zu ihren Dienstpflichten zähle.
Mit Bescheid vom 5. März 1979 stellte der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz fest, daß die Teilnahme an der mit Verfügung des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 18. Oktober 1978 für den 24. November 1978 angesetzten Fortbildungsveranstaltung für Richter zu den Dienstpflichten der Beschwerdeführerin zählte.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung gab der Bundesminister für Justiz mit Bescheid vom 7. September 1979 nicht Folge.
2. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie im "Grundrecht des Art87 Abs1 B-VG" verletzt erachtet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt. Überdies regt die Beschwerdeführerin an, der VfGH möge gemäß Art139 B-VG die Gesetzmäßigkeit der - von ihr als Verwaltungsverordnung qualifizierten - Präsidialverfügung vom 18. Oktober 1978 von Amts wegen prüfen.
3. Der Bundesminister für Justiz hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Zunächst ist festzuhalten, daß der VfGH nicht der Auffassung ist, daß die Präsidialverfügung des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 18. Oktober 1978 eine Verwaltungsverordnung darstellt. Der in ihr enthaltene Hinweis, daß die Teilnahme an der Veranstaltung eine Dienstpflicht darstelle, kann schon deshalb nur als eine unverbindliche Äußerung des Landesgerichtspräsidenten angesehen werden, weil über das Vorliegen einer Dienstpflicht nur in einem förmlichen Verfahren durch Bescheid (wie es auch im vorliegenden Fall geschehen ist) entschieden werden kann.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980).
a) Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8803/1980 (betreffend einen mit dem vorliegenden Sachverhalt insoweit völlig gleichgelagerten Fall, als auch dort in erster Instanz ein Oberlandesgerichtspräsident bescheidmäßig festgestellt hatte, daß die Erfüllung eines bestimmten Auftrages des Präsidenten eines nachgeordneten Landesgerichtes zu den Dienstpflichten des beschwerdeführenden Richters gehöre) folgendes ausgeführt:
"Der an den Beschwerdeführer im Instanzenzug ergangene Bescheid, gem. dem die Erfüllung eines bestimmten Auftrages zu seinen Dienstpflichten gehört, stellt sich als dienstrechtlicher Feststellungsbescheid dar. Daß die in den beiden Rechtsstufen eingeschrittenen Dienstbehörden an sich zur Erlassung eines Bescheides dieses Inhaltes zuständig waren, ist nicht zweifelhaft:
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind Verwaltungsbehörden nicht nur berechtigt, im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit von Amts wegen Feststellungsbescheide zu erlassen, sofern ein im öffentlichen Interesse begründeter Anlaß hiezu gegeben ist und die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, sondern es ist auch der Partei die Berechtigung zuerkannt, die bescheidmäßige Feststellung strittiger Fragen zu begehren, wenn der Bescheid im Einzelfall notwendiges Mittel der Rechtsverteidigung ist und insofern im Interesse der Partei liegt (VwGH 15. 12. 1977 Z 2315/77 und die dort zitierte Rechtsprechung).
Diese Grundsätze gelten auch in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zum Bund im Bereich des Dienstrechtsverfahrens (VwGH 23. 1. 1969 Z 206/67). Auf dem Boden dieser Rechtsauffassung, die auch der VfGH teilt (VfSlg. 6679/1972), war nach der Lage des Falles die Erlassung des vom Beschwerdeführer begehrten Feststellungsbescheides für ihn im Interesse einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Daß im Dienstrechtsverfahren die zuständigen Dienstbehörden eingeschritten sind, bedarf im Hinblick auf §2 Abs2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes iVm §2 litc der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969 sowie §1 Abs1 Z4 dieser Verordnung keiner weiteren Begründung."
Diese Erwägungen gelten auch für den vorliegenden Fall.
b) In dem Umstand, daß die Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung, daß die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung nicht zu ihren Dienstpflichten zählte, nicht abgewiesen, sondern festgestellt hat, daß die Teilnahme zu den Dienstpflichten der Beschwerdeführerin zählte, ist - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - ebenfalls kein Verstoß gegen das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zu erblicken (vgl. den insoweit gleichgelagerten Fall VfSlg. 6679/1972). Die für diese Feststellung zuständige Dienstbehörde (s. oben unter Pkt. a) ist mit ihrer Feststellung im übrigen nicht über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag hinausgegangen. Die Behörde hat mit der Feststellung vielmehr nur dem Begehren der Beschwerdeführerin auf Klärung der strittigen Frage, ob eine Dienstpflicht vorliegt oder nicht, Rechnung getragen.
c) Der von der Beschwerdeführerin behauptete Eingriff in das "Grundrecht der richterlichen Unabhängigkeit" würde - wenn er vorläge - der Behörde die Zuständigkeit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nehmen. Wenn die Behörde in das richterliche Amt der Beschwerdeführerin eingegriffen hätte, so hätte sie damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zukommt und die Beschwerdeführerin im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (s. VfSlg. 8803/1980). Der VfGH hat daher zu prüfen, ob die Feststellung, daß die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung zu den Dienstpflichten der Beschwerdeführerin zählte, in die richterliche Unabhängigkeit eingreift (Art87 B-VG).
Art87 Abs1 B-VG bestimmt, daß Richter in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig sind. Gemäß Abs2 befindet sich ein Richter "in Ausübung seines richterlichen Amtes bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind". Die richterliche Unabhängigkeit ist demnach verfassungsgesetzlich insoweit garantiert, als (Einzel)Richter in den Bereich der Gerichtsbarkeit (Art87 Abs2 B-VG) fallende Aufgaben der Gesetzesvollziehung besorgen (vgl. VfSlg. 8803/1980).
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §57 des Richterdienstgesetzes (RDG), BGBl. 305/1961, iVm §74 Abs1 des Gerichtsorganisationsgesetzes (GOG), RGBl. 217/1896. Daß diese Vorschriften dem dienstaufsichtsführenden Organ Verhaltensweisen ermöglichen, die einen Eingriff in das richterliche Amt darstellen könnten, wird von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Derartige Bedenken sind auch beim VfGH nicht entstanden (vgl. abermals VfSlg. 8803/1980).
Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Bestimmungen schließt allerdings nicht aus, daß sie von der belangten Behörde in einer Weise angewendet wurden, die mit der verfassungsgesetzlichen Garantie richterlicher Unabhängigkeit unvereinbar ist.
Hiezu ist zunächst zu bemerken, daß eine richterliche Tätigkeit iS des Art87 B-VG anläßlich einer beruflichen Fortbildungsveranstaltung schon begrifflich gar nicht möglich erscheint.
Das Argument der Beschwerdeführerin, wenn die Rechtsprechung gemäß Art87 Abs1 B-VG "vor Eingriffen der Verwaltung in die Gesetzesanwendung" geschützt sei, so müsse dasselbe für die Frage der Gesetzeserkenntnis (Berufsfortbildung) gelten, weil es der Verwaltung ansonsten erlaubt wäre, im Rahmen der Berufsfortbildung im Weisungswege Art und Methode der Gesetzeserkenntnis anzuordnen, entzieht sich einer ernsthaften Erörterung. Zu bemerken wäre hiezu lediglich, daß im vorliegenden Fall (bloß) zu beurteilen ist, ob die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung an sich in die Ausübung des richterlichen Amtes eingreift. Daß bei dieser Veranstaltung den Richtern eine bestimmte Art der Gesetzesanwendung in den von ihnen zu judizierenden Fällen angeordnet worden wäre, ist überdies von niemandem auch nur im entferntesten behauptet worden.
Die Feststellung, daß die Teilnahme an der Fortbildungsveranstaltung vom 24. November 1978 zu den Dienstpflichten der Beschwerdeführerin zählte, beinhaltet somit keinen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit der Beschwerdeführerin anläßlich der Ausübung ihres richterlichen Amtes iS des Art87 B-VG. Die belangte Behörde hat sich durch diese Feststellung daher auch keine Zuständigkeit angemaßt, die ihr nicht zukommt.
Die Beschwerdeführerin ist sohin auch unter diesem Gesichtspunkt im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.
3. Die Behörde leitet aus der in §57 Abs1 RDG enthaltenen Verpflichtung des Richters, sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen, das Gebot ab, das Erforderliche für die Besorgung der richterlichen Geschäfte zu veranlassen, worunter auch die richterliche Fort- und Weiterbildung falle (vgl. Spehar - Jesionek, Richterdienstgesetz, Wien 1980, Anm. 12 zu §57).
Schon daraus ist zu ersehen, daß der angefochtene Bescheid - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - keineswegs gesetzlos ergangen ist. Angesichts der oben angeführten Argumentation der belangten Behörde kann auch keine Rede davon sein, daß der angefochtene Bescheid etwa wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stünde (vgl. zB VfSlg. 8783/1980) oder daß die Behörde den §57 RDG denkunmöglich angewendet hätte (was ein Indiz für Willkür sein könnte). Derartiges wurde im übrigen von der Beschwerdeführerin auch gar nicht behauptet.
Ob die Behörde aber §57 RDG oder andere von ihr herangezogene gesetzliche Bestimmungen auch richtig ausgelegt und angewendet hat, ist vom VfGH nicht zu prüfen. Es ist daher auf das übrige Vorbringen der Beschwerdeführerin, welches auf die von der Behörde vor allem herangezogene Bestimmung des §57 RDG überhaupt keinen Bezug nimmt und mit dem in diesem wesentlichen Punkt gegen den angefochtenen Bescheid auch nichts vorgebracht wird, nicht weiter einzugehen.
Die Beschwerdeführerin ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht (etwa im Gleichheitsrecht, vgl. zB das bereits oben angeführte Erk. VfSlg. 8783/1980) verletzt worden.
4. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei durch den angefochtenen Bescheid im "Grundrecht der richterlichen Unabhängigkeit" verletzt worden, braucht der VfGH nicht gesondert einzugehen, weil bereits oben unter Pkt. 2.c dargetan worden ist, daß der angefochtene Bescheid in die richterliche Amtsführung der Beschwerdeführerin nicht eingreift.
5. Da das Verfahren somit nicht ergeben hat, daß die Beschwerdeführerin in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist, wird die Beschwerde abgewiesen.
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